Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 134/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller Pflichtmitglied der Antragsgegnerin ist.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung seiner Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin.
1. Der 1968 geborene Antragsteller bezog vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 Arbeitslosengeld II und war bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert. Im Anschluss daran befand er sich bis zum 24. März 2009 in Untersuchungshaft bzw. in einer Klinik für forensische Psychiatrie. Mit Urteil des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - wurde der Antragsteller vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen und gleichzeitig seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Unterbringung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gleichzeitig wurden dem Antragsteller mit Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - strafbewährte Weisungen erteilt, u.a. sich wöchentlich in einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Seit 1. Januar 2009 bezieht der Antragsteller Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 419,07 EUR, wobei die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllt sind. Seit Juli 2007 ist für den Antragsteller ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern bestellt.
2. Am 26. März 2009 zeigte der Betreuer des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Hierauf erklärte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. April 2009, dass es ihr aus rechtlichen Gründen nicht mög-lich sei, die Versicherung durchzuführen. Nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses habe der Antragsteller Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzuggesetz gehabt. Daher habe zuletzt eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorgelegen, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V nicht erfüllt seien. Dagegen legte der Betreuer des Antragsstellers am 7. April 2009 Widerspruch ein. Über den Widerspruch soll in der Widerspruchsausschusssitzung am 15. Juni 2009 entschieden werden.
3. Mit seinem am 27. April 2009 bei Gericht eingegangenen Antrag trägt der Betreuer des Antragstellers vor, dass mit Beschluss des Landgerichts Würzburgs vom 24. März 2009 die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Als strafbewährte Weisung sei dem Antragsteller unter anderem die Weisung erteilt worden, sich im wöchentlichen Turnus in der forensischen Ambulanz des Bezirkskrankenhauses L. vorzustellen. Die forensische Ambulanz könne, weil die Kosten nicht ausreichend abgedeckt seien, im Grunde keine Behandlung durchführen, was in letzter Konsequenz einen Widerruf der Bewährung für den Betreuten bedeuten würde. Der Betreuer beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragssteller bei der Antragsgegnerin Pflichtmitglied ist.
4. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei nicht zustande gekommen. Dies würde voraussetzen, dass der Zeit ohne Absicherung eine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenversicherung vorausgegangen sei. Dies sei nicht der Fall. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor, der Betreuer habe beim Träger der Sozialhilfe Krankenhilfe nach dem SGB XII beantragt, die nur deshalb abgelehnt worden sei, weil der Antragsteller über Vermögen (ein Waldstück) verfüge. Dem Grunde nach sei ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe gegeben.
5. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Feststellung getroffen werden kann, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
1. Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vor-läufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) der begehrten Sicherung oder Regelung. Für sein Vorliegen ist Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 123 Rd.Nr. 26). Beides, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, hat der An-tragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung – ZPO).
Eine summarische Prüfung in dem Sinne, dass die Prüfung im Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann, ist kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.11.2007 - 1 BvR 1736/07 - zitiert nach juris). Nur in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen geht (vgl. für Existenzsicherung nach dem SGB II: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - zitiert nach juris; für medizinische Akutbehandlung: BVerfG, Kammerbeschluss vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06 - zitiert nach juris), ist den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Ist dem Gericht in einem Verfahren, das existentiell bedeutsame Leistungen betrifft, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden; die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 - zitiert nach juris, m.w.N.).
2. Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Antragsteller An-ordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
2.1 Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Kosten, die durch die Erfüllung der mit Beschluss vom 24. März 2009 durch das Landgericht Würzburg erteilten strafbewährten Weisungen entstehen, die Antragsgegnerin aufkommen muss, weil es sich hierbei um Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handelt (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 3/06 R – zitiert nach Juris). Selbst wenn die Antragsgegnerin für derartige Kosten nicht aufkommen müsste und damit durch die Negierung der Mitglied-schaft des Antragsstellers nicht die Erfüllung der strafbewährten Weisungen in Gefahr geriete, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller angesichts der Höhe seiner Rente und auch trotz vorhandenen Vermögens (einem Waldstück) nicht in der Lage wäre, eine Krankenbehandlung zu bezahlen. Angesichts der Tatsache, dass für den Antragsteller mit Ur-teil des Landgericht Würzburg vom 24. März 2009 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, ist es naheliegend, dass der Antragsteller davon unabhängig ärztlicher Behandlung, insbesondere psychiatrischer Behandlung, bedarf, deren Kosten – wie ausgeführt – er zu tragen nicht in der Lage wäre. Daher ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Daran ändert auch der Vortrag der Antragsgegnerin, dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Krankenhilfe gegen den Träger der Sozialhilfe nichts (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rd.Nr. 29 f). Demnach ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
2.2 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V sind gegeben, auch wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 freie Gesundheitsfürsorge genossen hat.
2.2.1 Einen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge nach dem Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) haben diejenigen, gegen die eine Freiheitsstrafe (Artikel 58 ff BayStVollzG) oder Jugendstrafe (Artikel 151 BayStVollzG) verhängt wurde oder die zum Schutz der Allgemeinheit sicherungsverwahrt sind (Art. 161 BayStVollzG). Keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge haben allerdings Untersuchungshäftlinge und einstweilig Untergebrachte. Trotz Fehlen eindeutiger gesetzlicher Vorschriften ist aber auch insoweit sichergestellt, dass freie Gesundheitsfürsorge gewährt wird (Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Loseblattsammlung, Stand November 2008, § 16 Rdnr. 14). Ferner haben keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge diejenigen, die nach dem Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz) untergebracht sind.
Wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt hätte, wäre er bereits deswegen auch über den 17. Juli 2008 hinaus aufgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben), weil dann eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 gerade nicht vorgelegen hätte. In diesem Fall wäre er über den 24. März 2009 Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben).
2.2.2 Wenn allerdings davon ausgegangen wird, dass der Antragsteller – aufgrund welcher Re-gelungen auch immer – während seiner Untersuchungshaft/seines Aufenthalts vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 in einer Klinik für forensische Psychiatrie Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt hat, ist er nunmehr nach Beendigung des dortigen Aufenthalts und nach der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied, weil er keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall (mehr) hat und er zuletzt Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 war. Denn entgegen der Annahme der Antragsgegnerin spielt die ggf. erfolgte "Unterbrechung" der Mitgliedschaft durch den Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge keine Rolle.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV – Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378 ff) hat der Gesetzgeber mit Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. April 2007 und mit Artikel 43 Nr. 01 eine Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. Januar 2009 eingefügt, wobei letzteres letztlich mit Artikel 1 und 10 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl I S. 2631) umgesetzt wurde. Danach sieht § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seit 1. April 2007 vor, dass versicherungspflichtig Personen sind, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V sind dennoch nicht versicherungspflichtig Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Für den Bereich der privaten Krankenversicherung korrespondiert damit § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in seiner ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung. Danach ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Nach Satz 2 der Vor-schrift besteht die Pflicht nicht für Personen, die
1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder
2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder
3. Anspruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes haben o-der
4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leis-tungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.
Ziel des Gesetzgebungsvorhabens war es, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen herzustellen. Niemand sollte ohne Versicherungsschutz und damit im Bedarfsfall nicht ausreichend versorgt oder auf steuer-finanzierte staatliche Leistungen angewiesen sein (BT-Drs. 16/4247 S. 66). Die Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 193 Abs. 3 VVG sind im Zusammenhang zu sehen, wobei - ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/4247 S. 67) - der Gesetzgeber die Intention verfolgte, der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Vorrang zuzuordnen. Ferner ist der Zusammenschau beider Regelungen zu entnehmen, dass bei Fehlen einer früheren Krankenversicherung die Versicherung in dem System durchzuführen ist, dem der Betroffene zuzuordnen ist. Daraus folgt, dass das Merkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" der Abgrenzung dient, in welchem System eine Pflichtversicherung durchzuführen ist.
Die freie Gesundheitsfürsorge im Rahmen eines freiheitsentziehenden Vollzugs ist weder dem System der gesetzlichen Krankenversicherung, noch dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen. Würde diese Zeit für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V mitgerechnet werden, würde dies bedeuten, dass all diejenigen, die Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt haben und deswegen nicht mehr einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft unterlagen und auch sonst eine Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weitergeführt haben, nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert wären. Sie müssten sich dann nach § 193 Abs. 3 VVG bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichern, weil eine Ausnahme nach § 193 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht gegeben wäre. Dieses Ergebnis würde aber die Intention des Gesetzgebers, dass der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Vorrang einzuräumen ist, konterkarieren. Auch würde dieses Ergebnis dazu führen, dass Betroffene einer Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung unterlägen, die wiederum mit der Pflicht der (privaten) Versicherer korrespondieren würde, eine Versicherung im Basistarif zu gewähren (§ 193 Abs. 5 Satz 2 VVG), obwohl den Betroffenen mit diesem System nichts verbindet, nämlich auch nicht die Eigenschaft, bei einem privaten Versicherungsunternehmen früher versichert gewesen zu sein bzw. aufgrund seiner Stellung oder aus sonstigen Gründen diesem System zuzu-ordnen zu sein. Ein Betroffener würde – die Meinung der Antragsgegnerin konsequent angewandt – in das System der privaten Krankenversicherung gelangen, in das er ohne strafbedingter Haft und ähnlicher Maßnahmen nie gelangt wäre. Von daher ist – unter Berücksichtigung der dargestellten Zusammenhänge und der Einheit der Rechtsordnung – davon auszugehen, dass mit dem Kriterium "zuletzt gesetzlich krankenversichert" eine Abgrenzung zu den Versicherungssystemen zu erfolgen hat (so auch LSG BW, Beschluss vom 25.02.2009 - L 11 KR 497/09 - zitiert nach juris; aA SG Nürnberg, Urteil vom 10.09.2008-S 7KR 530/07).
Der Antragsteller war bis Juli 2008 Mitglied der Antragsgegnerin. Daher war er im Sinne des Gesetzes zuletzt gesetzlich krankenversichert, weshalb die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V erfüllt sind.
Auch die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 8a SGB V steht der Versicherung nicht entgegen. Nicht versicherungspflichtig ist danach, wer nach den vorrangigen Versicherungstatbeständen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert ist (Satz 1). Dies ist im Fall des Antragstellers nicht einschlägig. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V bestimmt zudem, dass Satz 1 entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes gilt. Solche Leistungen bezieht der Antragsteller (ggf. noch) nicht.
Somit hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weshalb im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen ist, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG analog und ist getragen von der Erwägung, dass der Antrag Erfolg hat.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung seiner Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin.
1. Der 1968 geborene Antragsteller bezog vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 Arbeitslosengeld II und war bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert. Im Anschluss daran befand er sich bis zum 24. März 2009 in Untersuchungshaft bzw. in einer Klinik für forensische Psychiatrie. Mit Urteil des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - wurde der Antragsteller vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen und gleichzeitig seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Unterbringung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gleichzeitig wurden dem Antragsteller mit Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - strafbewährte Weisungen erteilt, u.a. sich wöchentlich in einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Seit 1. Januar 2009 bezieht der Antragsteller Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 419,07 EUR, wobei die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllt sind. Seit Juli 2007 ist für den Antragsteller ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern bestellt.
2. Am 26. März 2009 zeigte der Betreuer des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Hierauf erklärte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. April 2009, dass es ihr aus rechtlichen Gründen nicht mög-lich sei, die Versicherung durchzuführen. Nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses habe der Antragsteller Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzuggesetz gehabt. Daher habe zuletzt eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorgelegen, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V nicht erfüllt seien. Dagegen legte der Betreuer des Antragsstellers am 7. April 2009 Widerspruch ein. Über den Widerspruch soll in der Widerspruchsausschusssitzung am 15. Juni 2009 entschieden werden.
3. Mit seinem am 27. April 2009 bei Gericht eingegangenen Antrag trägt der Betreuer des Antragstellers vor, dass mit Beschluss des Landgerichts Würzburgs vom 24. März 2009 die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Als strafbewährte Weisung sei dem Antragsteller unter anderem die Weisung erteilt worden, sich im wöchentlichen Turnus in der forensischen Ambulanz des Bezirkskrankenhauses L. vorzustellen. Die forensische Ambulanz könne, weil die Kosten nicht ausreichend abgedeckt seien, im Grunde keine Behandlung durchführen, was in letzter Konsequenz einen Widerruf der Bewährung für den Betreuten bedeuten würde. Der Betreuer beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragssteller bei der Antragsgegnerin Pflichtmitglied ist.
4. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei nicht zustande gekommen. Dies würde voraussetzen, dass der Zeit ohne Absicherung eine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenversicherung vorausgegangen sei. Dies sei nicht der Fall. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor, der Betreuer habe beim Träger der Sozialhilfe Krankenhilfe nach dem SGB XII beantragt, die nur deshalb abgelehnt worden sei, weil der Antragsteller über Vermögen (ein Waldstück) verfüge. Dem Grunde nach sei ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe gegeben.
5. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Feststellung getroffen werden kann, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
1. Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vor-läufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) der begehrten Sicherung oder Regelung. Für sein Vorliegen ist Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 123 Rd.Nr. 26). Beides, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, hat der An-tragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung – ZPO).
Eine summarische Prüfung in dem Sinne, dass die Prüfung im Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann, ist kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.11.2007 - 1 BvR 1736/07 - zitiert nach juris). Nur in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen geht (vgl. für Existenzsicherung nach dem SGB II: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - zitiert nach juris; für medizinische Akutbehandlung: BVerfG, Kammerbeschluss vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06 - zitiert nach juris), ist den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Ist dem Gericht in einem Verfahren, das existentiell bedeutsame Leistungen betrifft, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden; die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 - zitiert nach juris, m.w.N.).
2. Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Antragsteller An-ordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
2.1 Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Kosten, die durch die Erfüllung der mit Beschluss vom 24. März 2009 durch das Landgericht Würzburg erteilten strafbewährten Weisungen entstehen, die Antragsgegnerin aufkommen muss, weil es sich hierbei um Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handelt (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 3/06 R – zitiert nach Juris). Selbst wenn die Antragsgegnerin für derartige Kosten nicht aufkommen müsste und damit durch die Negierung der Mitglied-schaft des Antragsstellers nicht die Erfüllung der strafbewährten Weisungen in Gefahr geriete, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller angesichts der Höhe seiner Rente und auch trotz vorhandenen Vermögens (einem Waldstück) nicht in der Lage wäre, eine Krankenbehandlung zu bezahlen. Angesichts der Tatsache, dass für den Antragsteller mit Ur-teil des Landgericht Würzburg vom 24. März 2009 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, ist es naheliegend, dass der Antragsteller davon unabhängig ärztlicher Behandlung, insbesondere psychiatrischer Behandlung, bedarf, deren Kosten – wie ausgeführt – er zu tragen nicht in der Lage wäre. Daher ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Daran ändert auch der Vortrag der Antragsgegnerin, dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Krankenhilfe gegen den Träger der Sozialhilfe nichts (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rd.Nr. 29 f). Demnach ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
2.2 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V sind gegeben, auch wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 freie Gesundheitsfürsorge genossen hat.
2.2.1 Einen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge nach dem Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) haben diejenigen, gegen die eine Freiheitsstrafe (Artikel 58 ff BayStVollzG) oder Jugendstrafe (Artikel 151 BayStVollzG) verhängt wurde oder die zum Schutz der Allgemeinheit sicherungsverwahrt sind (Art. 161 BayStVollzG). Keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge haben allerdings Untersuchungshäftlinge und einstweilig Untergebrachte. Trotz Fehlen eindeutiger gesetzlicher Vorschriften ist aber auch insoweit sichergestellt, dass freie Gesundheitsfürsorge gewährt wird (Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Loseblattsammlung, Stand November 2008, § 16 Rdnr. 14). Ferner haben keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge diejenigen, die nach dem Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz) untergebracht sind.
Wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt hätte, wäre er bereits deswegen auch über den 17. Juli 2008 hinaus aufgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben), weil dann eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 gerade nicht vorgelegen hätte. In diesem Fall wäre er über den 24. März 2009 Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben).
2.2.2 Wenn allerdings davon ausgegangen wird, dass der Antragsteller – aufgrund welcher Re-gelungen auch immer – während seiner Untersuchungshaft/seines Aufenthalts vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 in einer Klinik für forensische Psychiatrie Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt hat, ist er nunmehr nach Beendigung des dortigen Aufenthalts und nach der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied, weil er keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall (mehr) hat und er zuletzt Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 war. Denn entgegen der Annahme der Antragsgegnerin spielt die ggf. erfolgte "Unterbrechung" der Mitgliedschaft durch den Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge keine Rolle.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV – Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378 ff) hat der Gesetzgeber mit Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. April 2007 und mit Artikel 43 Nr. 01 eine Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. Januar 2009 eingefügt, wobei letzteres letztlich mit Artikel 1 und 10 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl I S. 2631) umgesetzt wurde. Danach sieht § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seit 1. April 2007 vor, dass versicherungspflichtig Personen sind, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V sind dennoch nicht versicherungspflichtig Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Für den Bereich der privaten Krankenversicherung korrespondiert damit § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in seiner ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung. Danach ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Nach Satz 2 der Vor-schrift besteht die Pflicht nicht für Personen, die
1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder
2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder
3. Anspruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes haben o-der
4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leis-tungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.
Ziel des Gesetzgebungsvorhabens war es, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen herzustellen. Niemand sollte ohne Versicherungsschutz und damit im Bedarfsfall nicht ausreichend versorgt oder auf steuer-finanzierte staatliche Leistungen angewiesen sein (BT-Drs. 16/4247 S. 66). Die Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 193 Abs. 3 VVG sind im Zusammenhang zu sehen, wobei - ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/4247 S. 67) - der Gesetzgeber die Intention verfolgte, der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Vorrang zuzuordnen. Ferner ist der Zusammenschau beider Regelungen zu entnehmen, dass bei Fehlen einer früheren Krankenversicherung die Versicherung in dem System durchzuführen ist, dem der Betroffene zuzuordnen ist. Daraus folgt, dass das Merkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" der Abgrenzung dient, in welchem System eine Pflichtversicherung durchzuführen ist.
Die freie Gesundheitsfürsorge im Rahmen eines freiheitsentziehenden Vollzugs ist weder dem System der gesetzlichen Krankenversicherung, noch dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen. Würde diese Zeit für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V mitgerechnet werden, würde dies bedeuten, dass all diejenigen, die Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt haben und deswegen nicht mehr einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft unterlagen und auch sonst eine Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weitergeführt haben, nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert wären. Sie müssten sich dann nach § 193 Abs. 3 VVG bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichern, weil eine Ausnahme nach § 193 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht gegeben wäre. Dieses Ergebnis würde aber die Intention des Gesetzgebers, dass der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Vorrang einzuräumen ist, konterkarieren. Auch würde dieses Ergebnis dazu führen, dass Betroffene einer Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung unterlägen, die wiederum mit der Pflicht der (privaten) Versicherer korrespondieren würde, eine Versicherung im Basistarif zu gewähren (§ 193 Abs. 5 Satz 2 VVG), obwohl den Betroffenen mit diesem System nichts verbindet, nämlich auch nicht die Eigenschaft, bei einem privaten Versicherungsunternehmen früher versichert gewesen zu sein bzw. aufgrund seiner Stellung oder aus sonstigen Gründen diesem System zuzu-ordnen zu sein. Ein Betroffener würde – die Meinung der Antragsgegnerin konsequent angewandt – in das System der privaten Krankenversicherung gelangen, in das er ohne strafbedingter Haft und ähnlicher Maßnahmen nie gelangt wäre. Von daher ist – unter Berücksichtigung der dargestellten Zusammenhänge und der Einheit der Rechtsordnung – davon auszugehen, dass mit dem Kriterium "zuletzt gesetzlich krankenversichert" eine Abgrenzung zu den Versicherungssystemen zu erfolgen hat (so auch LSG BW, Beschluss vom 25.02.2009 - L 11 KR 497/09 - zitiert nach juris; aA SG Nürnberg, Urteil vom 10.09.2008-S 7KR 530/07).
Der Antragsteller war bis Juli 2008 Mitglied der Antragsgegnerin. Daher war er im Sinne des Gesetzes zuletzt gesetzlich krankenversichert, weshalb die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V erfüllt sind.
Auch die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 8a SGB V steht der Versicherung nicht entgegen. Nicht versicherungspflichtig ist danach, wer nach den vorrangigen Versicherungstatbeständen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert ist (Satz 1). Dies ist im Fall des Antragstellers nicht einschlägig. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V bestimmt zudem, dass Satz 1 entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes gilt. Solche Leistungen bezieht der Antragsteller (ggf. noch) nicht.
Somit hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weshalb im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen ist, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG analog und ist getragen von der Erwägung, dass der Antrag Erfolg hat.
Rechtskraft
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