L 2 KR 79/09 B RG

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 526/06
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 KR 79/09 B RG
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 11. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.

Mit ihrer Anhörungsrüge wendet sich die Klägerin gegen den Beschluss vom 11. Februar 2008, mit dem der Senat die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 20. Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Das SG hatte dem Antrag der Klägerin, den Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit von seinen Pflichten zu entbinden, seinerzeit nicht entsprochen. Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe, die Sachverständigenauswahl sei fehlerhaft, Dr. S. verfüge nicht über die notwendige medizinisch wissenschaftliche Kompetenz, um die Frage zu beantworten, ob die Versorgung der Klägerin mit einem neu anzufertigenden Korsett notwendig sei, reichten aus, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen. Neben dem Antrag, auf ihre Beschwerde den Beschluss des SG vom 20. Dezember 2007 aufzuheben (1) und ihrem Befangenheitsantrag zu entsprechen (2), hatte die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift vom 30. Dezember 2007 außerdem beantragt, Prof. Dr. W. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Klärung der von ihr vorgegebenen Fragen als Sachverständigen zu hören (3) und das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Frage einer medizinischen Begutachtung auszusetzen (4); hilfsweise für den Fall, dass der Senat den Antrag nach § 109 SGG ablehne, solle ein Facharzt für Orthopädie mit entsprechenden spezifischen Erfahrungen wie Prof. Dr. W. zum Sachverständigen ernannt und der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt werden, von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch zumachen.

In dem mit der Anhörungsrüge angefochtenen Beschluss vom 11. Februar 2008 führte der Senat aus, Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit könnten zwar ein Gutachten entwerten, aber für sich allein nicht die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigen. Die weiteren Rügen der Klägerin, die Beweisanordnung des SG vom 7. Dezember 2007, mit der Dr. S. zum Sachverständigen ernannt worden war, sei nicht begründet worden, sei fehlerhaft und überflüssig, ein Antrag nach § 109 SGG sei in unzulässiger Weise übergangen bzw. die Entscheidung hierüber unzulässig aufgeschoben worden, beträfen Handlungen des Gerichts und nicht des Sachverständigen. Ob Aussetzungsgründe vorlägen, habe das SG in eigener Kompetenz zu entscheiden. Eine Begründung für den Vorwurf der Befangenheit sei insoweit nicht zu erkennen.

Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis vom 20. Februar 2008 zugestellt.

Im Schreiben vom 21. Februar 2008 rügte die Klägerin, über ihre Anträge zu 1, 3, 4 und über ihren Hilfsantrag stehe noch eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts aus. Dieses sei im Wege der Beschwerde für diese Anträge zuständig und dürfe von Gesetzes wegen die Entscheidung nicht verweigern.

Mit Schreiben vom 5. März 2008 erhob die Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2008 Anhörungsrüge. Der von ihr angefochtene Beschluss enthalte keine Entscheidung über ihre Anträge zu 1, 3, 4 sowie zum Hilfsantrag aus der Beschwerdeschrift. Er befasse sich nur mit der Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Durch die Weigerung, über die weiteren Anträge zu entscheiden, habe der Senat seine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs massiv verletzt. Die Anhörungsrüge sei zulässig, weil es sich bei dem angefochtenen Beschluss nicht um eine unanfechtbare Zwischenentscheidung handle, sondern um die Verweigerung einer Entscheidung, gegen die ein anderes Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht möglich sei.

Zugleich lehnte die Klägerin sämtliche an der Beschlussentscheidung beteiligten Richter des 2. Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Mit Schreiben, jeweils vom 30. März 2008 wandte sich die Klägerin gegen vier Beschlüsse des SG vom 5. März 2008. Das vorgenannte Schreiben der Klägerin wurde als Beschwerde aufgefasst und unter Aktenzeichen des 4. Senats aufgenommen. Das SG hatte dem Antrag der Klägerin, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen stattgegeben (1), die Beweisanordnung vom 20. Dezember 2007 aufgehoben und Dr. S. aus den Pflichten eines Sachverständigen entlassen (2), der Klägerin aufgegeben, einen weiteren Kostenvorschuss zu zahlen, falls der von ihr verlangte Kostenvorschuss über 2.000 EUR für die Begutachtung nicht ausreichen sollte (3), und ihren Antrag vom 30. Dezember 2007, das Verfahren auszusetzen (4), zurückgewiesen.

Die außerordentliche Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2008 verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig. Den Antrag auf Ablehnung der Richter des 2. Senats verwarf der 3. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts teils als unzulässig, teils wies er ihn als unbegründet zurück. Die weitere außerordentliche Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2008 verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig und hielt die darin enthaltene Gegenvorstellung nicht für begründet.

Mit Urteil vom 30. September 2008 wies das SG die Klage ab. Die dagegen erhobene Berufung ist beim 4. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts anhängig.

Die Klägerin erklärte, sie begehre nach wie vor eine Entscheidung über ihre Anhörungsrüge.

II.

Die gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2008 erhobene Anhörungsrüge ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 178a SGG in der Fassung des Art. 9 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Die Beschwerdeentscheidung des Senats vom 11. Februar 2008 ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar; die Anhörungsrüge ist demnach statthaft. Sie ist fristgerecht gemäß § 178a Abs. 2 Satz 2 SGG erhoben worden.

Sie ist jedoch nicht begründet, weil die Ernennung des Sachverständigen Dr. S. vom SG in der Zwischenzeit, nämlich am 5. März 2008 aufgehoben, der Sachverständige aus seinen Pflichten entlassen und das Klageverfahren mit Urteil vom 30. September 2008 abgeschlossen worden ist. Das Anhörungsgesuch geht somit ins Leere, bzw. es ist insoweit die Hauptsache erledigt. Das Ablehnungsrecht aus § 406 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 118 Abs. 1 SGG bezieht sich auf einen vom Gericht gem. § 404 Abs. 1 ZPO ernannten Sachverständigen. Ist der Sachverständige aus seinen Pflichten entlassen worden, so kann er schon begrifflich nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens mit dem Ziel, dem Ablehnungsgesuch statt zu geben, besteht nicht. Ob der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Beschlussentscheidung vom 11. Februar 2008 verletzt wurde, braucht bei dieser Sachlage nicht geprüft zu werden. Ein solcher ist im Übrigen auch nicht zu erkennen.

Soweit die Klägerin rügt, ihr sei rechtliches Gehör verweigert worden, weil über ihre weiteren mit der Beschwerdeschrift verbundenen Anträge nicht entschieden worden sei, verkennt sie, dass sich der angefochtene Beschluss des SG vom 20. Dezember 2007 - wie dem Tenor zu entnehmen ist - ausschließlich mit dem Gesuch, den Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit von seinen Pflichten zu entbinden, befasst und nicht mit den erst später in den Beschlüssen vom 5. März 2008 enthaltenen Entscheidungen zu den weiteren Anträgen der Klägerin. Lediglich in den Gründen findet sich der Hinweis, das Gericht werde zu einem späteren Zeitpunkt über den Antrag der Klägerin nach § 109 SGG entscheiden. Im Übrigen führt die Klägerin selbst in ihrer Beschwerdeschrift vom 30. Dezember 2007 aus, neben dem formalen Antrag auf Aufhebung des Beweisbeschlusses seien weitere Sachanträge geboten, da das SG ihre Anträge nicht oder nur indirekt beschieden habe und das Verfahren nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Ablehnungsantrag ausgesetzt habe. Daraus ist zu schließen, dass der Klägerin durchaus bewusst war, das SG habe über ihre zusätzlichen Anträge außerhalb des Beschwerdeverfahrens - noch - keine Entscheidung getroffen. Inwieweit gegen nicht getroffene Entscheidungen - unabhängig von der Frage, ob gegen prozessleitende Verfügungen überhaupt der Beschwerdeweg gegeben ist, was aus § 172 Abs. 2 SGG zu verneinen sein dürfte - und wie hier gegen eine negative Beschwerdeentscheidung das Verfahren in der Beschwerdeinstanz auf Anhörungsrüge fortzusetzen sein solle, ist nicht verständlich. Dies gilt umso mehr, als das SG über die Anträge der Klägerin jeweils mit Beschlüssen vom 5. März 2008 entschieden hat und hierüber Beschwerden beim zuständigen Fachsenat, dem 4. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts anhängig sind.

Die Anhörungsrüge war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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