L 24 KR 33/09 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 3202/04 -4
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 33/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2008 geändert. Der Streitwert wird auf 139,78 Euro festgesetzt. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger hat, nachdem sein Widerspruch von März 2002 nicht beschieden worden war, am 01. Oktober 2004 beim Sozialgericht Berlin Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2004 forderte die Beklagte wegen der Beschäftigung zahlreicher Arbeitnehmer unter Änderung des vorangegangenen Bescheides vom 26. März 2004 vom Kläger nunmehr insgesamt 25.558,89 Euro, wovon bezogen auf den Beigeladenen zu 1 wiederum 559,10 Euro entfielen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 wies sie den Widerspruch im Übrigen zurück.

Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat das Sozialgericht unter anderem verschiedene Arbeitnehmer, einschließlich des Beigeladenen zu 1, beigeladen und zugleich das Verfahren die Beitragspflicht wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 betreffend abgetrennt. Anschließend hat es das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 18. Dezember 2006).

Nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, es sei eine außergerichtliche Einigung erzielt worden und sämtliche sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten einschließlich der Berufungsinstanz seien damit abgeschlossen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 09. Dezember 2008 entschieden, dass der Streitwert auf 5.559,10 Euro festgesetzt wird. Zur Begründung ist ausgeführt, damit werde die Tatsache berücksichtigt, dass sowohl die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4 (gemeint zu 1) als auch die Beitragsnachforderungen im Streit gewesen seien.

Dagegen richtet sich die am 24. Dezember 2008 eingelegte Beschwerde des Klägers, mit der geltend gemacht wird, der Streitwert sei zu hoch angesetzt. In den einzelnen Verfahren habe das Sozialgericht Streitwerte festgesetzt, die zusammengefasst insgesamt 49.939,37 Euro ergäben.

Die Beklagte hält einen Streitwert von 559,10 Euro für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 3 i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Senat entscheidet über diese Beschwerde in der Besetzung durch drei Berufsrichter. Zwar bestimmt § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, dass über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Diese Vorschrift ist allerdings auf solche Gerichte wie das Landessozialgericht, die eine generelle Entscheidung durch den Einzelrichter nach der jeweiligen Prozessordnung nicht kennen, nicht anwendbar (vgl. Landessozialgericht – LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. April 2008, L 16 B 5/07 R, zitiert nach juris, unter Hinweis auf Bundesgerichtshof - BGH - , Beschluss vom 13. Januar 2005 V ZR 218/04 - und Bundesfinanzhof - BFH - , Beschluss vom 29. September 2005 - IV E 5/05 - , zitiert jeweils nach juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Februar 2006 – L 10 B 21/05 KA, abgedruckt in Sozialgerichtsbarkeit – SGb 2006, 475).

Obwohl der Rechtsstreit im prozessualen Sinne nicht beendet ist, ist die Festsetzung eines Streitwertes zulässig. Der Streitwert ist auf 139,78 Euro festzusetzen.

Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt das Prozessgericht, soweit eine Entscheidung – wie hier – nach § 62 Satz 1 GKG nicht ergeht oder nicht bindet, den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.

Eine Entscheidung über den (gesamten) Streitgegenstand hat das Sozialgericht nicht getroffen. Zwar ist die Art und Form der Entscheidung unerheblich. Es genügt irgendeine Entscheidung, die den (gesamten) Streitgegenstand erfasst, selbst wenn es sich hierbei lediglich um eine solche handelt, die eine kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge bestätigt, wie etwa im zivilgerichtlichen Verfahren der Kostenanspruch nach einer wirksamen Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Zivilprozessordnung - ZPO - (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 63 GKG Rdnr. 17), und damit auch eine Kostengrundentscheidung nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG. Eine solche Kostengrundentscheidung hat das Sozialgericht allerdings ebenfalls nicht getroffen.

Das Verfahren ist jedoch im Sinne des § 63 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative GKG kostenrechtlich anderweitig erledigt. Dazu rechnen zum einen Erledigungen im prozessualen Sinne wie ein widerrufsfreier bzw. nicht mehr unter einem Widerrufsvorbehalt stehender Prozessvergleich, beiderseitig wirksame Erledigungserklärungen, eine wirksame (vollständige) Klagerücknahme, aber zum anderen auch sonstige gerichtliche Entscheidungen, die eine tatsächliche Erledigung zur Folge haben, weil sie zunächst einer endgültigen Erledigung im prozessualen Sinne entgegenstehen, wie eine Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens (Hartmann, a.a.O., § 63 GKG Rdnr. 18). Im Falle der Aussetzung oder des Ruhens des Verfahrens gilt dies jedenfalls dann, wenn mit einer Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr gerechnet werden kann.

Eine Erledigung im prozessualen Sinne liegt nicht vor. Der Kläger hat seine Klage nicht zurückgenommen. Er und die Beklagte haben auch keine Erklärungen dahingehend abgegeben, dass die Hauptsache nunmehr erledigt ist. Es kann hierbei dahinstehen, ob die Mitteilung der Beklagten über die außergerichtliche Einigung überhaupt eine solche Erledigungserklärung beinhaltet; zumindest fehlt es an einer entsprechenden Erklärung des Klägers. Es ist zudem weder ersichtlich noch trotz entsprechender Aufforderung vom Kläger dargetan, dass in einem der anderen abgetrennten Verfahren zugleich prozessbeendigende Erklärungen bezüglich des hiesigen Rechtsstreites abgegeben worden sind. Eine anderweitige Erledigung des Verfahrens folgt jedoch daraus, dass das Sozialgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat und die Beteiligten im Hinblick auf die Mitteilung der Beklagten über eine außergerichtliche Einigung kein Interesse daran bekundet haben, den anhängigen Rechtsstreit fortzusetzen.

Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist u. a. in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung nach Ermessen kommt vorliegend deswegen in Betracht, weil der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, weder eine bezifferte Geldleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt nach § 52 Abs. 3 GKG betrifft. Es genügt für § 52 Abs. 3 GKG nicht, dass die Geldleistung lediglich bezifferbar ist (Hartmann, a.a.O., § 52 GKG Rdnr. 20).

Die sich für den Kläger ergebende Bedeutung der Sache resultiert aus seinem wirtschaftlichen Interesse. Dieses ist im hiesigen, von den anderen Verfahren abgetrennten, Rechtsstreit im Ergebnis darauf gerichtet, für den Beigeladenen zu 1 keine Beiträge in Höhe von 559,10 Euro tragen zu müssen. Ein darüber hinausgehendes, vom Sozialgericht angenommenes, Feststellungsbegehren über das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 kommt nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob aus einem Antrag auf Feststellung neben einem Antrag auf Aufhebung denselben Zeitraum der Beschäftigung betreffend ein selbständiger wirtschaftlicher Wert resultiert, der im Wege der Zusammenrechnung mehrerer Streitgegenstände nach § 39 Abs. 1 GKG einen höheren Streitwert bedingt. Streitgegenstand ist vorliegend nämlich weder eine Anfechtungs- und/oder Feststellungs-, sondern eine Untätigkeitsklage gerichtet auf Erteilung eines Widerspruchsbescheides. Eine entsprechende Klageänderung nach Erteilung des Bescheides vom 20. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2004 ist der Gerichtsakte nicht zu entnehmen; auch hat der Kläger auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis vom 24. März 2009 eine solche Klageänderung nicht behauptet. Im Rahmen der Untätigkeitsklage ist allerdings nicht darüber zu entscheiden, ob die Beitragsforderung in Höhe von 559,10 Euro rechtmäßig ist, sondern ausschließlich darüber zu befinden, ob Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheides besteht. Der Streitwert der Untätigkeitsklage beträgt daher abhängig von der Dauer der Nichtbescheidung 10 bis 25 v. H. des Streitwertes einer nachfolgenden Anfechtungsklage (vgl. Straßfeld, SGb 2008, 119, 120 m.w.N.). Eine Nichtbescheidung über einen Zeitraum von 2 ½ Jahren ist ungeachtet der hierfür maßgebenden Gründe nicht unerheblich, so dass vorliegend der Streitwert der Untätigkeitsklage mit der oberen Grenze, also auf 139,78 Euro (25 v. H. aus 559,10 Euro) festzusetzen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG, wonach das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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