Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 3249/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 487/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2008 verurteilt, die Alters-rente des Klägers ohne Abzug einer fiktiven rumänischen Rente zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente des Klägers bei fraglicher Befugnis zum Abzug eines fiktiven rumänischen Rentenbetrages von dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte. Der Kläger ist geboren 1943 in Rumänien. Am 18.10.1983 ist er in Deutschland eingetrof-fen. Er ist von Beruf Techniker für thermische Behandlungen. Mit Bescheid vom 13.08.1985 erkannte die Beklagte für ihn Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) für die Zeit von 02.10.1964 bis 22.08.1983 an. Für die Zeit von 08.11.1959 bis 30.09.1964 wurden ihm Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszei-ten im Heimatland gutgeschrieben. Er beantragte am der 05.05.2008 bei der Beklagten eine Regelaltersrente. Mit Erklärung vom 18.09.2008 bat er darum, die Rente zunächst nach den innerstaatlichen Vorschriften festzustellen und ließ mitteilen, dass die Feststellung der Leistungen aus Rumänien vor-erst auf unbestimmte Zeit verschoben werden solle. Mit Schreiben vom 19.09.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger an, die ihm aus Rumä-nien zustehende Rente nach § 31 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) auch dann auf seine Rente anzurechnen, wenn er die rumänische Rente tatsächlich nicht beziehen soll-te. Dies solle bei noch bestehender Unklarheit über den tatsächlichen Betrag einer rumä-nischen Rente zunächst in einer Höhe von EUR 76,80 geschehen. Mit einer "Mitteilung über die vorläufige Leistung" vom 16.10.2008 gewährte die Beklagte den Kläger eine am 01.12.2008 beginnende Altersrente. Der nach innerstaatlichen Vor-schriften errechnete Brutto-Zahlbetrag wurde wie angekündigt um EUR 76,80 auf EUR 1149,02 gekürzt. Der Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung führte zur Auszahlung eines monatlichen Nettozahlbetrages von EUR 1032,97. Am 23.10.2008 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid und beantragte die Zahlung der ungekürzten Rente ohne Fiktivabzug nach § 31 FRG. Er ließ einwenden, eine Berechti-gung zur Anwendung des § 31 FRG ohne tatsächlichen Rentenbezug bestehe auch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 FRG nicht. Aus diesen Vorschriften lasse sich keine Ein-schränkung der gesetzlich ausdrücklich eingeräumten Dispositionsmöglichkeit herleiten. Die Wahrnehmung dieses Dispositionsrechtes dürfe nicht mit den Folgen des Verzichts nach § 46 Sozialgesetzbuch I (SGB I) verbunden werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Entschädigung der ausländischen Versicherungs- und Beschäftigungs-zeiten habe nach § 2 S. 1 Buchst. b) FRG vorrangig vom Träger des Staates zu erfolgen, nach dessen Rechtsvorschriften sie zurückgelegt worden seien. Das FRG sei insoweit nachrangig. Eine Vertrauensschutzregelung garantiere, dass die ausländische Rente mindestens in der nach dem FRG errechneten Höhe weitergezahlt werde. Aus dieser Ver-trauensschutzregelung ergebe sich eine besondere Verpflichtung für den Berechtigten, seinen ausländischen Rentenanspruch zu realisieren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Dispositionsrecht des Art. 44 Abs. 2 S. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71, den ru-mänischen Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit aufzuschieben. Sei ein individueller ausländischer Rentenbetrag wie vorliegend nicht bekannt, so sei der Anrechnungsbetrag aus der nach rumänischem Rentenrecht für die Altersrente eines durchgehend beschäftig-ten Durchschnittsverdieners in Abhängigkeit zur Anzahl der deckungsgleichen Zeiten des Berechtigten zu entnehmen. Gegen den Widerspruchsbescheid richtet sich die beim Sozialgericht München am 19.12.2008 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2008 zu verpflichten, die Altersrente des Klägers ohne Fiktivabzug gemäß § 31 FRG zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 31 Abs. 1 S. 1 FRG gebietet nach seinem klaren Wortlaut das Ruhen der nach diesem Gesetz berechneten Rente in Höhe eines Betrages, der als "Leis-tung des Trägers der Sozialversicherung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird". Art. 44 Abs. 2 S. 2 der von der Beklagten zitierten EG-Verordnung 1408/71 erlaubt es den EU-Bürgern, die Feststellung von Leistungsansprüchen in ande-ren Mitgliedsstaaten "aufzuschieben". Dieses unbefristete Dispositionsrecht wird auch in Art. 22 Abs. 3 S. 2 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens festge-schrieben. Solange der Kläger von dieser im europäischem und bilateralen Abkommens-recht fixierten Befugnis Gebrauch macht, die rumänische Rente nicht zu beantragen, ist für deren fiktive Anrechnung kein Raum. Vollends ohne Rechtsgrundlage arbeitet die Be-klagte, wenn sie die Anrechnung mangels rumänischen Rentenbescheides mit einem nach allgemeinen Formeln errechneten Pauschalbetrag vornimmt. Wenn das Recht der internationalen Sozialversicherungsabkommen die ausländischen Partner Deutschlands verpflichtet, beim "Rentenexport" die nach dem FRG berechneten Rentenhöhen als Mindestbeträge auszuzahlen, ergibt sich anders als von der Beklagte dargestellt keine "besondere Verpflichtung" des Klägers, diese Export-Rente in Anspruch zu nehmen. Das deutsch-rumänische und das mit Blick auf analoge Anwendungen von den Beteiligten mehrfach zitierte deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen sind wie jeder Vertrag nur geeignet, Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu begründen. Die angebliche "besondere Verpflichtung" des Klägers wäre nur durch zusätzliche Geset-zesvorschriften zu begründen, die der Bundestag anlässlich der Ratifizierung des Ab-kommens mit unmittelbarer Geltung für die eigenen Staatsbürger hätte schaffen können, lässt sich jedoch unmittelbar aus dem zwischenstaatlichen Abkommen nicht herleiten. § 46 SGB I befasst sich, wie der Sinnzusammenhang im Rahmen des deutschen Sozial-gesetzbuches erkennen lässt, mit dem Verzicht auf deutsche Sozialleistungen. Eine An-wendung dieser Vorschrift auf die Nichtinanspruchnahme ausländischer Leistungen ist nicht möglich. Es ist der Beklagten unbenommen, ggf. unter Einschaltung politischer und diplomatischer Institutionen dafür zu sorgen, dass aus Rumänien tatsächlich Renten an deutsche Be-rechtigte gezahlt werden. Solange dies nicht stattfindet, ist für die Anrechnung rumäni-scher Renten kein Raum. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente des Klägers bei fraglicher Befugnis zum Abzug eines fiktiven rumänischen Rentenbetrages von dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte. Der Kläger ist geboren 1943 in Rumänien. Am 18.10.1983 ist er in Deutschland eingetrof-fen. Er ist von Beruf Techniker für thermische Behandlungen. Mit Bescheid vom 13.08.1985 erkannte die Beklagte für ihn Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) für die Zeit von 02.10.1964 bis 22.08.1983 an. Für die Zeit von 08.11.1959 bis 30.09.1964 wurden ihm Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszei-ten im Heimatland gutgeschrieben. Er beantragte am der 05.05.2008 bei der Beklagten eine Regelaltersrente. Mit Erklärung vom 18.09.2008 bat er darum, die Rente zunächst nach den innerstaatlichen Vorschriften festzustellen und ließ mitteilen, dass die Feststellung der Leistungen aus Rumänien vor-erst auf unbestimmte Zeit verschoben werden solle. Mit Schreiben vom 19.09.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger an, die ihm aus Rumä-nien zustehende Rente nach § 31 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) auch dann auf seine Rente anzurechnen, wenn er die rumänische Rente tatsächlich nicht beziehen soll-te. Dies solle bei noch bestehender Unklarheit über den tatsächlichen Betrag einer rumä-nischen Rente zunächst in einer Höhe von EUR 76,80 geschehen. Mit einer "Mitteilung über die vorläufige Leistung" vom 16.10.2008 gewährte die Beklagte den Kläger eine am 01.12.2008 beginnende Altersrente. Der nach innerstaatlichen Vor-schriften errechnete Brutto-Zahlbetrag wurde wie angekündigt um EUR 76,80 auf EUR 1149,02 gekürzt. Der Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung führte zur Auszahlung eines monatlichen Nettozahlbetrages von EUR 1032,97. Am 23.10.2008 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid und beantragte die Zahlung der ungekürzten Rente ohne Fiktivabzug nach § 31 FRG. Er ließ einwenden, eine Berechti-gung zur Anwendung des § 31 FRG ohne tatsächlichen Rentenbezug bestehe auch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 FRG nicht. Aus diesen Vorschriften lasse sich keine Ein-schränkung der gesetzlich ausdrücklich eingeräumten Dispositionsmöglichkeit herleiten. Die Wahrnehmung dieses Dispositionsrechtes dürfe nicht mit den Folgen des Verzichts nach § 46 Sozialgesetzbuch I (SGB I) verbunden werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Entschädigung der ausländischen Versicherungs- und Beschäftigungs-zeiten habe nach § 2 S. 1 Buchst. b) FRG vorrangig vom Träger des Staates zu erfolgen, nach dessen Rechtsvorschriften sie zurückgelegt worden seien. Das FRG sei insoweit nachrangig. Eine Vertrauensschutzregelung garantiere, dass die ausländische Rente mindestens in der nach dem FRG errechneten Höhe weitergezahlt werde. Aus dieser Ver-trauensschutzregelung ergebe sich eine besondere Verpflichtung für den Berechtigten, seinen ausländischen Rentenanspruch zu realisieren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Dispositionsrecht des Art. 44 Abs. 2 S. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71, den ru-mänischen Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit aufzuschieben. Sei ein individueller ausländischer Rentenbetrag wie vorliegend nicht bekannt, so sei der Anrechnungsbetrag aus der nach rumänischem Rentenrecht für die Altersrente eines durchgehend beschäftig-ten Durchschnittsverdieners in Abhängigkeit zur Anzahl der deckungsgleichen Zeiten des Berechtigten zu entnehmen. Gegen den Widerspruchsbescheid richtet sich die beim Sozialgericht München am 19.12.2008 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2008 zu verpflichten, die Altersrente des Klägers ohne Fiktivabzug gemäß § 31 FRG zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 31 Abs. 1 S. 1 FRG gebietet nach seinem klaren Wortlaut das Ruhen der nach diesem Gesetz berechneten Rente in Höhe eines Betrages, der als "Leis-tung des Trägers der Sozialversicherung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird". Art. 44 Abs. 2 S. 2 der von der Beklagten zitierten EG-Verordnung 1408/71 erlaubt es den EU-Bürgern, die Feststellung von Leistungsansprüchen in ande-ren Mitgliedsstaaten "aufzuschieben". Dieses unbefristete Dispositionsrecht wird auch in Art. 22 Abs. 3 S. 2 des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens festge-schrieben. Solange der Kläger von dieser im europäischem und bilateralen Abkommens-recht fixierten Befugnis Gebrauch macht, die rumänische Rente nicht zu beantragen, ist für deren fiktive Anrechnung kein Raum. Vollends ohne Rechtsgrundlage arbeitet die Be-klagte, wenn sie die Anrechnung mangels rumänischen Rentenbescheides mit einem nach allgemeinen Formeln errechneten Pauschalbetrag vornimmt. Wenn das Recht der internationalen Sozialversicherungsabkommen die ausländischen Partner Deutschlands verpflichtet, beim "Rentenexport" die nach dem FRG berechneten Rentenhöhen als Mindestbeträge auszuzahlen, ergibt sich anders als von der Beklagte dargestellt keine "besondere Verpflichtung" des Klägers, diese Export-Rente in Anspruch zu nehmen. Das deutsch-rumänische und das mit Blick auf analoge Anwendungen von den Beteiligten mehrfach zitierte deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen sind wie jeder Vertrag nur geeignet, Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu begründen. Die angebliche "besondere Verpflichtung" des Klägers wäre nur durch zusätzliche Geset-zesvorschriften zu begründen, die der Bundestag anlässlich der Ratifizierung des Ab-kommens mit unmittelbarer Geltung für die eigenen Staatsbürger hätte schaffen können, lässt sich jedoch unmittelbar aus dem zwischenstaatlichen Abkommen nicht herleiten. § 46 SGB I befasst sich, wie der Sinnzusammenhang im Rahmen des deutschen Sozial-gesetzbuches erkennen lässt, mit dem Verzicht auf deutsche Sozialleistungen. Eine An-wendung dieser Vorschrift auf die Nichtinanspruchnahme ausländischer Leistungen ist nicht möglich. Es ist der Beklagten unbenommen, ggf. unter Einschaltung politischer und diplomatischer Institutionen dafür zu sorgen, dass aus Rumänien tatsächlich Renten an deutsche Be-rechtigte gezahlt werden. Solange dies nicht stattfindet, ist für die Anrechnung rumäni-scher Renten kein Raum. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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