Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 P 33/07 P
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 B 15/08 P
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
hinreichende Erfolgsaussicht bei Ermittlungsbedarf
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 13. Mai 2008 wird aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Riedel, Uelzen, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Die im Jahre 1958 geborene Klägerin ist bei der Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beklagte) pflegeversichert und erhält vom Altmarkkreis Salzwedel seit dem 1. Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII).
Aufgrund einer Infektion mit Legionellen im Sommer 2005 mussten der Klägerin beide Unterschenkel und ein Teil der rechten Hand amputiert werden. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte ihr Leistungen nach der Pflegestufe I. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich noch in einer Kurzzeitpflege im Seniorenwohnpark K ... Das Vormundschaftsgericht Salzwedel ordnete für die Bereiche "Sorge für die Gesundheit", "Vermögenssorge", "Wohnungsangelegenheiten" sowie "Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten" eine Berufsbetreuung für die Klägerin an und bestellte H.-J. S. zu ihrem Betreuer. Dieser teilte der Beklagten am 18. Januar 2006 mit, die Klägerin werde zum 1. Februar des Jahres in eine behindertengerechte Wohnung umziehen und beantragte die Höherstufung sowie die Kostenübernahme für eine ambulante Pflege.
Das Landesverwaltungsamt Magdeburg stellte bei der Klägerin mit Bescheid vom 11. November 2005 einen Grad der Behinderung von 90 sowie die Merkzeichen "B", "aG" und "G" ab dem 5. September 2005 fest.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt ZAK Pflege (MDK) das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 8. März 2006. Nach Einschätzung von A. M. sei bei der Klägerin ab Januar 2006 weiterhin die Pflegestufe I mit einem Zeitaufwand für Grundpflege von 47 Minuten und einem Zeitaufwand von Hauswirtschaft von 45 Minuten pro Tag gegeben. Mit Bescheid vom 10. März 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach der Pflegestufe I in Form von häuslicher Pflegehilfe durch Vertragspartner bzw. Pflegegeld.
Auf Veranlassung der Beklagten erstellte B. T. ein weiteres MDK-Gutachten vom 9. Oktober 2006. Hiernach habe sich bei der Klägerin der Pflegebedarf auf eine Minute pro Tag in der Grundpflege und 45 Minuten im Bereich der Hauswirtschaft reduziert. Die Versorgung mit einem erhöhten WC, einem Behindertenbett und einer ebenerdigen Wohnung habe den Pflegebedarf deutlich verringert. Hierzu hätten auch die erfolgreiche Schulung der linken Hand und der Wegfall von Kompressionsverbänden beigetragen. Die Beklagte hörte den Betreuer der Klägerin telefonisch am 10. Oktober 2006 zur beabsichtigten Entziehung der Pflegestufe an. Mit Bescheid vom 11. April 2007 stellte die Beklagte die Leistungen zum 30. April 2007 ein und verwies auf das Ergebnis der aktuellen Begutachtung.
Hiergegen legte der Betreuer der Klägerin am 30. April 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte veranlasste eine erneute Begutachtung am 28. August 2007 durch die Pflegekraft A. M ... Nach deren MDK-Gutachten vom gleichen Tage sei der Pflegebedarf der Klägerin in der Grundpflege auf 8 Minuten und in der Hauswirtschaft auf 45 Minuten pro Tag einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 28. September 2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 10. März 2006 zum 31. Oktober 2007 auf und stellte die Leistungen nach der Pflegestufe I ein. Den vom Betreuer dagegen fristgerecht erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 zurück und meinte, nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei von einer wesentlichen Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen.
Hiergegen hat die Klägerin am 20. Dezember 2007 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie habe aus Scham anlässlich der Begutachtung durch den MDK ihr tatsächliches Leistungsvermögen übertrieben dargestellt. Ihr sei – entgegen ihren Angaben bei der Begutachtung – die tägliche Körperpflege tatsächlich nicht möglich. Auch könne sie weder einkaufen noch sich die Nahrung selbständig zubereiten. Insbesondere ihre Beinstümpfe bedürften einer besonderen Pflege, was einen Mehraufwand bedeute.
Unter dem 4. Februar 2008 hat das Sozialgericht vorformulierte Fragebögen an die Klägerin versandt. Am 8. Februar 2008 hat sie dem Gericht die vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einen Sozialhilfebescheid vom 17. Dezember 2007 vorgelegt.
Das Sozialgericht Stendal hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2008 die Klage abgewiesen und auf die vorliegenden MDK-Gutachten verwiesen. Das Vorbringen der Klägerin, gegenüber den Gutachterinnen des MDK falsche Angaben gemacht zu haben, sei nicht nachvollziehbar. Gegen diesen Gerichtsbescheid ist eine Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt anhängig (L 4 P 17/08).
Mit gleicher Begründung hat das Sozialgericht Stendal in einem Beschluss vom gleichen Tage den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klägerin hat gegen den ihr am 20. Mai 2008 zugestellten Beschluss am 13. Juni 2008 Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte L 4 P 17/08, die Beschwerdeakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Bezüglich der Erklärung der Klägerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wird auf den Inhalt des Prozesskostenhilfeheftes Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben. Eine solche Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich ist und diese Ermittlungen eine reale Möglichkeit eröffnen, dass sich die rechtserheblichen Tatsachen nachweisen lassen (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 73 a Rdn. 7 f).
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind gegeben. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Aussicht auf Erfolg" in § 114 ZPO ist mit dem tatsächlichen Erfolg der Prozessführung in der Hauptsache nicht gleichzusetzen. Der Zweck der Prozesskostenhilfe besteht darin, auch unbemittelten Klägern den Zugang zum Rechtsschutz zu ermöglichen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 26. Juni 2003 – 1 BvR 1152/02, zitiert nach juris). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern ihn lediglich zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347, [357]). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung im Prozesskostenhilfeverfahren nur in engen Grenzen zulässig. Nach seinem Beschluss vom 7. Mai 1997, (1 BvR 296/94 [zitiert nach juris]) läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten die Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 1415/00, zitiert nach juris). Insbesondere sollen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1993 – 1 BvR 1523/92, zitiert nach juris).
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben. Nach Aktenlage erscheint es zumindest als möglich, dass die Begutachtungen durch den MDK nicht alle Gesichtspunkte berücksichtigt haben. Die Feststellung eines Pflegebedarfs ist generell mit erheblichen tatsächlichen Unwägbarkeiten verbunden. Schließlich können Pflegesachverständige die jeweiligen Pflegeverrichtungen nur nach Minuten schätzen, was regelmäßig mit hohen Unsicherheiten verbunden ist. Dies gilt in gleicher Weise auch für den hier vorliegenden Fall der Entziehung einer Pflegestufe. Insbesondere die von der Beklagten angenommene deutliche und offenbar sehr kurzfristig eingetretene Verringerung des Pflegebedarfs zwischen dem ersten MDK-Gutachten vom 8. März 2006 und dem 9. Oktober 2006 gibt genügenden Anlass zur gerichtlichen Überprüfung des Pflegebedarfs zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Das Begehren der Klägerin, die MDK-Gutachten überprüfen zu lassen, ist daher nachvollziehbar und keineswegs als mutwillig anzusehen. Auch ist es nicht ausgeschlossen und bedarf der Aufklärung, dass sie anlässlich der Begutachtung durch den MDK – ggf. aus Schamgründen – ihren tatsächlichen Pflegebedarf zu gering angegeben hatte.
Einen Aufklärungsbedarf hat im Übrigen auch das Sozialgericht zunächst noch angenommen, da es mittels Fragebögen Ermittlungen eingeleitet hatte, die zum Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht abgeschlossen waren und deren Ergebnis noch offen war. Es ist geboten, die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann zu treffen, wenn die erforderlichen Unterlagen vorliegen. Daher hätte das Sozialgericht bereits am 8. Februar 2008 über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden oder zumindest im Falle einer späteren Entscheidung die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sachlage berücksichtigen müssen.
Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§§ 73a Abs. 1 SGG, 114, 115 ZPO). Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist geboten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 73a SGG, 127 Abs. 2 ZPO, 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Die im Jahre 1958 geborene Klägerin ist bei der Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beklagte) pflegeversichert und erhält vom Altmarkkreis Salzwedel seit dem 1. Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII).
Aufgrund einer Infektion mit Legionellen im Sommer 2005 mussten der Klägerin beide Unterschenkel und ein Teil der rechten Hand amputiert werden. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte ihr Leistungen nach der Pflegestufe I. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich noch in einer Kurzzeitpflege im Seniorenwohnpark K ... Das Vormundschaftsgericht Salzwedel ordnete für die Bereiche "Sorge für die Gesundheit", "Vermögenssorge", "Wohnungsangelegenheiten" sowie "Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten" eine Berufsbetreuung für die Klägerin an und bestellte H.-J. S. zu ihrem Betreuer. Dieser teilte der Beklagten am 18. Januar 2006 mit, die Klägerin werde zum 1. Februar des Jahres in eine behindertengerechte Wohnung umziehen und beantragte die Höherstufung sowie die Kostenübernahme für eine ambulante Pflege.
Das Landesverwaltungsamt Magdeburg stellte bei der Klägerin mit Bescheid vom 11. November 2005 einen Grad der Behinderung von 90 sowie die Merkzeichen "B", "aG" und "G" ab dem 5. September 2005 fest.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt ZAK Pflege (MDK) das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 8. März 2006. Nach Einschätzung von A. M. sei bei der Klägerin ab Januar 2006 weiterhin die Pflegestufe I mit einem Zeitaufwand für Grundpflege von 47 Minuten und einem Zeitaufwand von Hauswirtschaft von 45 Minuten pro Tag gegeben. Mit Bescheid vom 10. März 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach der Pflegestufe I in Form von häuslicher Pflegehilfe durch Vertragspartner bzw. Pflegegeld.
Auf Veranlassung der Beklagten erstellte B. T. ein weiteres MDK-Gutachten vom 9. Oktober 2006. Hiernach habe sich bei der Klägerin der Pflegebedarf auf eine Minute pro Tag in der Grundpflege und 45 Minuten im Bereich der Hauswirtschaft reduziert. Die Versorgung mit einem erhöhten WC, einem Behindertenbett und einer ebenerdigen Wohnung habe den Pflegebedarf deutlich verringert. Hierzu hätten auch die erfolgreiche Schulung der linken Hand und der Wegfall von Kompressionsverbänden beigetragen. Die Beklagte hörte den Betreuer der Klägerin telefonisch am 10. Oktober 2006 zur beabsichtigten Entziehung der Pflegestufe an. Mit Bescheid vom 11. April 2007 stellte die Beklagte die Leistungen zum 30. April 2007 ein und verwies auf das Ergebnis der aktuellen Begutachtung.
Hiergegen legte der Betreuer der Klägerin am 30. April 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte veranlasste eine erneute Begutachtung am 28. August 2007 durch die Pflegekraft A. M ... Nach deren MDK-Gutachten vom gleichen Tage sei der Pflegebedarf der Klägerin in der Grundpflege auf 8 Minuten und in der Hauswirtschaft auf 45 Minuten pro Tag einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 28. September 2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 10. März 2006 zum 31. Oktober 2007 auf und stellte die Leistungen nach der Pflegestufe I ein. Den vom Betreuer dagegen fristgerecht erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 zurück und meinte, nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei von einer wesentlichen Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen.
Hiergegen hat die Klägerin am 20. Dezember 2007 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie habe aus Scham anlässlich der Begutachtung durch den MDK ihr tatsächliches Leistungsvermögen übertrieben dargestellt. Ihr sei – entgegen ihren Angaben bei der Begutachtung – die tägliche Körperpflege tatsächlich nicht möglich. Auch könne sie weder einkaufen noch sich die Nahrung selbständig zubereiten. Insbesondere ihre Beinstümpfe bedürften einer besonderen Pflege, was einen Mehraufwand bedeute.
Unter dem 4. Februar 2008 hat das Sozialgericht vorformulierte Fragebögen an die Klägerin versandt. Am 8. Februar 2008 hat sie dem Gericht die vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einen Sozialhilfebescheid vom 17. Dezember 2007 vorgelegt.
Das Sozialgericht Stendal hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2008 die Klage abgewiesen und auf die vorliegenden MDK-Gutachten verwiesen. Das Vorbringen der Klägerin, gegenüber den Gutachterinnen des MDK falsche Angaben gemacht zu haben, sei nicht nachvollziehbar. Gegen diesen Gerichtsbescheid ist eine Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt anhängig (L 4 P 17/08).
Mit gleicher Begründung hat das Sozialgericht Stendal in einem Beschluss vom gleichen Tage den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klägerin hat gegen den ihr am 20. Mai 2008 zugestellten Beschluss am 13. Juni 2008 Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte L 4 P 17/08, die Beschwerdeakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Bezüglich der Erklärung der Klägerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wird auf den Inhalt des Prozesskostenhilfeheftes Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben. Eine solche Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich ist und diese Ermittlungen eine reale Möglichkeit eröffnen, dass sich die rechtserheblichen Tatsachen nachweisen lassen (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 73 a Rdn. 7 f).
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind gegeben. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Aussicht auf Erfolg" in § 114 ZPO ist mit dem tatsächlichen Erfolg der Prozessführung in der Hauptsache nicht gleichzusetzen. Der Zweck der Prozesskostenhilfe besteht darin, auch unbemittelten Klägern den Zugang zum Rechtsschutz zu ermöglichen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 26. Juni 2003 – 1 BvR 1152/02, zitiert nach juris). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern ihn lediglich zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347, [357]). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung im Prozesskostenhilfeverfahren nur in engen Grenzen zulässig. Nach seinem Beschluss vom 7. Mai 1997, (1 BvR 296/94 [zitiert nach juris]) läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten die Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 1415/00, zitiert nach juris). Insbesondere sollen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1993 – 1 BvR 1523/92, zitiert nach juris).
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben. Nach Aktenlage erscheint es zumindest als möglich, dass die Begutachtungen durch den MDK nicht alle Gesichtspunkte berücksichtigt haben. Die Feststellung eines Pflegebedarfs ist generell mit erheblichen tatsächlichen Unwägbarkeiten verbunden. Schließlich können Pflegesachverständige die jeweiligen Pflegeverrichtungen nur nach Minuten schätzen, was regelmäßig mit hohen Unsicherheiten verbunden ist. Dies gilt in gleicher Weise auch für den hier vorliegenden Fall der Entziehung einer Pflegestufe. Insbesondere die von der Beklagten angenommene deutliche und offenbar sehr kurzfristig eingetretene Verringerung des Pflegebedarfs zwischen dem ersten MDK-Gutachten vom 8. März 2006 und dem 9. Oktober 2006 gibt genügenden Anlass zur gerichtlichen Überprüfung des Pflegebedarfs zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Das Begehren der Klägerin, die MDK-Gutachten überprüfen zu lassen, ist daher nachvollziehbar und keineswegs als mutwillig anzusehen. Auch ist es nicht ausgeschlossen und bedarf der Aufklärung, dass sie anlässlich der Begutachtung durch den MDK – ggf. aus Schamgründen – ihren tatsächlichen Pflegebedarf zu gering angegeben hatte.
Einen Aufklärungsbedarf hat im Übrigen auch das Sozialgericht zunächst noch angenommen, da es mittels Fragebögen Ermittlungen eingeleitet hatte, die zum Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht abgeschlossen waren und deren Ergebnis noch offen war. Es ist geboten, die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann zu treffen, wenn die erforderlichen Unterlagen vorliegen. Daher hätte das Sozialgericht bereits am 8. Februar 2008 über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden oder zumindest im Falle einer späteren Entscheidung die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sachlage berücksichtigen müssen.
Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§§ 73a Abs. 1 SGG, 114, 115 ZPO). Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist geboten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 73a SGG, 127 Abs. 2 ZPO, 177 SGG).
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