Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 EG 4/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 38/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 08.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2008 verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 2.030,81 EUR zu zahlen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Die 1970 geborene Klägerin ist belgische Staatsangehörige. Sie wohnt mit ihrem Ehemann und den drei gemeinsamen Kindern in Belgien. Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger und in Deutschland erwerbstätig.
Am 17.10.2007 gebar die Klägerin das dritte Kind Q. Die Geburtstage seiner Geschwister sind der 05.07.2000 und der 03.03.2003. Q. lebt seit seiner Geburt im Haushalt der Eltern und wird von ihnen betreut und erzogen. Die Klägerin übte in den zwölf Monaten nach der Geburt keine Erwerbstätigkeit aus. Vor der Geburt des Kindes war die Klägerin in der Sankt Josef Klinik in St. Vith (Belgien) als ausgebildete Krankenpflegerin beschäftigt. Seit dem 26.03.2007 war sie "wegen Virus- und Infektionsgefahr während der Schwangerschaft" (Bescheinigung der Klinik vom 17.09.2007) aufgrund des belgischen Gesetzes zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter von der Arbeit freigestellt. Während der Freistellung erhielt sie von ihrer Krankenkasse eine Ausgleichszahlung von 30,99 EUR brutto/27,55 EUR netto pro Tag; Arbeitsentgelt erhielt sie in der Freistellungsphase nicht. Dadurch hatte sie gegenüber ihrem bisherigen Erwerbseinkommen eine Minderung von über 400,00 EUR netto pro Monat. Mit Bescheid vom 25.10.2007 teilte ihr die Krankenkasse mit, dass die "Geburtsruhe" auf den Zeitraum vom 07.09. bis 18.12.2007 festgelegt worden sei. Die Klägerin erhielt von der Krankenkasse für den 1. bis 30. Tag der Geburtsruhe 42,35 EUR, vom 31. Tag bis zum Ende der Geburtsruhe 78,74 EUR pro Tag.
Am 09.11.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q ... Sie legte hierzu Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers für die Monate Februar 2006 bis März 2007 vor. Diese Abrechnungen weisen u.a. neben dem steuer- und sozialversicherungspflichtigen Bruttolohn die Sozialversicherungsabgaben ("LSS"; Abkürzung für "Landesamt für Soziale Sicherung"), die Einkommensteuer ("Berufssteuer") und eine dem deutschen Solidaritätszuschlag vergleichbare Abgabe ("Cot. Spéciale"; Abkürzung für "Cotisation Spéciale") auf. Zusätzlich zum Lohn erhielt die Klägerin im Mai 2006 ein Urlaubsgeld und im November 2006 eine "Jahresendprämie" sowie eine "Attraktivitätsprämie"; die auf diese Bezüge entfallenden Steuern ("BSV Urlaubsgeld" bzw. "Préc. primes excep") und Sozialversicherungsbeiträge ("LSS Urlaubsgeld" bzw. "ONSS primes") sind in den Abrechnungen gesondert aufgeführt.
Durch Bescheid vom 08.01.2008 bewilligte der Beklagte Elterngeld für die Zeit vom 17.10.2007 bis 16.10.2008 in Höhe von monatlich 550,94 EUR; hierauf rechnete sie bis 18.12.2007 das bezogene Geburtsruhegeld an, sodass sich für den ersten und zweiten Lebensmonat kein, für den dritten Lebensmonat ein anteiliger (29/31) Zahlbetrag von 515,30 EUR, ab dem vierten Lebensmonat der volle Betrag ergab. Der Bemessung des Elterngeldes legte der Beklagte die zwölf Monate von September 2006 bis August 2007 und das in diesem Zeitraum bis März 2007 erzielte und abgerechnete Arbeitsentgelt zugrunde. Unberücksichtigt ließ er die im November 2006 gezahlten Jahresend- und Attraktivitätsprämien von zusammen 742,73 EUR, nicht aber die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Die Einzelheiten der Berechnung ergeben sich aus der dem Bescheid wie folgt beigefügten Übersicht:
Monat Steuerpfl. Brutto Gesetzl. Abzüge Einmalzahlung Werbungskosten Ermitteltes Netto 1 1.644,39 454,36 - 76,67 1.113,36 2 1.799,53 537,70 - 76.67 1.185,16 3 2.382,24 760,33 742,73 76,67 1.039,56 4 1.734,10 475,68 - 76,67 1.181,75 5 1.737,23 500,30 - 76,67 1.160,26 6 1.753,86 502,47 - 76,67 1.174,72 7 1.398,36 326,00 - 76,67 995,69 8 - - - - - 9 - - - - - 10 - - - - - 11 - - - - - 12 - - - - -
7.850,50
(Anmerkung: Dem für den dritten Monat ermittelten Netto von 1.039,56 EUR liegt ein Rechenfehler zugrunde; richtig gerechnet ergibt sich ein Betrag von 802,51 EUR).
Nach Division der Summe der ermittelten Nettobeträge durch zwölf (Bemessungsmonate) ergab sich ein durchschnittlicher Nettobetrag von 654,21 EUR. Unter Zugrundelegung eines nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 BEEG auf 84,20 % erhöhten Prozentsatzes ergab sich der monatliche Elterngeldbetrag von 550,84 EUR.
Dagegen legte die Klägerin am 29.01.2008 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, die "Entfernung von der Arbeit" ab 26.03.2007 sei ein dem deutschen Recht vergleichbares generelles Beschäftigungsverbot; die für diese Zeit gezahlte Entschädigung liege weit unter dem vorherigen Nettogehalt. Die Klägerin bat daher um Neuberechnung des Elterngeldes nach einem Bessungszeitraum von März 2006 bis Februar 2007 und den entsprechenden Lohnabrechnungen. Sie meinte, bei der Ermittlung des Nettogehaltes dürfe die dem deutschen Solidaritätszuschlag ähnliche Abgabe nicht abgezogen werden; die Einmalzahlungen dürften zwar unberücksichtigt bleiben; das müsse aber auch für die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben gelten.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008 zurück. Er meinte, die von der Elterngeldkasse vorgenommene Berechnung des Elterngeldes entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Das in Belgien bestehende Beschäftigungsverbot bei gleichzeitiger Zahlung von Krankenkassenleistungen als Lohngeldersatz könne den Bemessungszeitraum nicht verschieben; dies sei nur bei einem schwangerschaftsbedingten Einkommensverlust im Sinne des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG möglich.
Dagegen hat die Klägerin am 26.02.2009 Klage erhoben. Sie wiederholt ihre Auffassung, die wegen der Virus- und Infektionsgefahr seitens des Arbeitgebers erfolgte Maßnahme des "Entfernens von der Arbeit" entspreche inhaltlich einem generellen Beschäftigungsverbot nach deutschem Recht; im Gegensatz zu Arbeitnehmerinnen in Deutschland erhielten belgische Arbeitnehmerinnen in diesem Fall jedoch keine Fortzahlung der Bezüge durch den Arbeitgeber, sondern Entschädigungsleistungen durch die Krankenkasse aus einem speziellen Fond. Diese Leistung bedeute eine Einkommensminderung. Weil in Deutschland bei generellem Beschäftigungsverbot das Arbeitsentgelt weiter gezahlt werde, sei eine Regelung im BEEG nicht erforderlich gewesen. Da dies bei der Klägerin nach belgischem Recht nicht erfolgt und der Einkommensverlust ausschließlich auf die Schwangerschaft zurückzuführen sei, müsse die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG entsprechend ausgelegt werden und der Bemessungszeitraum ohne die Monate ab März 2007 ermittelt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2008 zu verurteilen, ihr unter Zugrundelegung des in den Monaten März 2006 bis Februar 2007 erzielten Erwerbseinkommens weiteres Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q. zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung. Das Arbeitsverbot sei wegen Virus- und Infektionsgefahr ausgesprochen worden, nicht aber, weil die werdende Mutter in der Schwangerschaft tatsächlich erkrankt sei. Da das Gesetz in § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG auf eine Krankheit während der Schwangerschaft, die auch maßgeblich darauf zurückzuführen sein muss, abstelle, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verschiebung des Bemessungszeitraums nach dem BEEG nicht erfüllt.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Arbeitgeber der Klägerin mitgeteilt, bei der "Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr" handele sich um ein Beschäftigungsverbot, weil bei Weiterbeschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter und/oder Kind gefährdet wäre. Grundlage sei das belgische "Gesetz zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der hier maßgeblichen 3-Monats-Frist des § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht erhoben. Sie ist auch begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, soweit der Beklagte dadurch einen monatlichen Elterngeldbetrag von lediglich 550,84 EUR bewilligt und insgesamt nur 5.472,86 EUR Elterngeld gezahlt hat.
Die Klägerin hat, obwohl sie belgische Staatsangehörige ist, in Belgien wohnt und dort erwerbstätig ist, Anspruch auf deutsches Elterngeld nach dem BEEG. Sie erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf diese Leistung für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q.; sie lebt mit dem Kind in einem Haushalt, betreut und erzieht dieses Kind selbst und übt keine oder keine volle Erwerbstätigkeit aus (§ 1 Abs. 1 Nr. 2-4 BEEG). Der Umstand, dass sie keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (vgl. § 1 Nr. 1 BEEG), sondern in Belgien lebt und vor der Geburt gearbeitet hat, steht dem Anspruch nicht entgegen. Zwar gehört die Klägerin zu keiner der in § 1 Abs. 2 BEEG benannten drei Gruppen von Personen und deren Ehe- bzw. Lebenspartner, die auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland Elterngeld beanspruchen können. Jedoch gehören - vom Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt - nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften auch Grenzgänger im Sinne der "Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern" (EG-VO 1408/71) zu den elterngeldberechtigten Personen (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 16/1889, S. 18), ebenso die Familienangehörigen von Grenzgängern. Dies ist Ausfluss des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsgebots nach Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
Das Gemeinschaftsrecht findet Anwendung, da das Elterngeld in den sachlichen Geltungsbereich der EG-VO 1408/71 fällt. Das Elterngeld ist eine Familienleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h) der Verordnung (Hambüchen/Irmen, BEEG/EStG/BKGG-Kommentar, Stand: Juni 2009, § 1 BEEG Rdnr. 32 unter Hinweis auf die Rspr. des EuGH zum Er- ziehungsgeld). Der Ehemann der Klägerin ist nach der Legaldefinition in Art. 1 Buchst. a) EG-VO 1408/71 Grenzgänger. Nach den europarechtlichen Kollisionsnormen unterliegen Arbeitnehmer, die in einem anderen Land als ihren Wohnsitz erwerbstätig sind, grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates (vgl. Art. 13 ff. EG-VO 1408/71). Der Ehemann der Klägerin hätte somit gemäß Art. 73 EG-VO 1408/71 als Grenzgänger selbst Anspruch auf Elterngeld gehabt, sofern er die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BEEG erfüllt und die Leistung beantragt hätte. In Bezug auf die Gewährung von Familienleistungen bestimmt Art. 73 EG-VO 1408/71, dass ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hat, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Dies betrifft die Situation von Grenzgängern. Die mit Art. 73 EG-VO 1408/71 bewirkte Gleichstellung des aus- und inländischen Wohnsitzes gilt nicht nur für Ansprüche des Arbeitnehmers - hier: des Ehemanns der Klägerin - selbst, sondern auch für die seiner Familienangehörigen, auch wenn sie nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 10.10.1996 - C-245/94 und C-312/94 [Hoever/Zachow]; Urteile vom 07.06.2005 - C-543/03 [Dodl/Oberhollenzer] und C-153/03 [Weide]) hat die Ehegattin eines Arbeitnehmers, der - wie der Ehemann der Klägerin - als Grenzgänger den Rechtsvorschriften seines Beschäftigungsstaates unterliegt und mit seiner Familien in einem anderen Staat wohnt, aufgrund von Art. 73 EG-VO 1408/71 im Beschäftigungsstaat ihres Mannes Anspruch auf Familienleistungen, bekommt also von ihrem Ehemann einen Anspruch auf Familienleistungen vermittelt. Obwohl die Klägerin selbst belgischen Rechtsvorschriften unterliegt, hat sie einen Anspruch auf deutsches Elterngeld (Hambüchen/Irmen, a.a.O., § 1 BEEG Rdnrn. 34-36; vgl. auch die Richtlinien zum BEEG des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend - BMFSFJ, Teil II Abschnitt 2.3 und 2.4). Der Anspruch der Klägerin auf das deutsche Elterngeld ruht nicht nach Maßgabe der Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen für Arbeitnehmer (vgl. Art. 10 EG-VO Nr. 574/72), da in Belgien eine dem deutschen Elterngeld vergleichbare Leistung nicht existiert.
Die Klägerin wird jedoch durch die angefochtenen Elterngeldbescheide insoweit beschwert, als darin die Höhe der ihr zustehenden Leistung falsch berechnet und 2.030,81 EUR zu wenig bewilligt worden sind.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von (mindestens) 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwerbseinkommen er
zielt. Bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist, unberücksichtigt (§ 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG). In diesem Fall umfasst der Bemessungszeitraum zwar ebenfalls zwölf Kalendermonate, jedoch wird der Zeitraum um die nicht zu berücksichtigenden Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verschoben.
Streng am Wortlaut des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG orientiert hat die Klägerin keine der in dieser Regelung aufgezählten Verschiebungstatbestände erfüllt. Sie hat weder Mutterschaftsgeld nach der RVO oder nach dem KVLG bezogen, noch eine Einkommensminderung wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung hinnehmen müssen. Sie hat vor der Geburt für die Zeit vom 07.09. bis 16.10.2007 eine Entschädigung wegen "Geburtsruhe" nach belgischem Recht erhalten; davor hatte sie - ebenfalls nach belgischem Recht - für die Zeit vom 26.03 bis 31.08.2007 eine Entschädigung wegen schwangerschaftsbedingter "Entfernung von der Arbeit" erhalten, wodurch ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit um ca. ein Drittel weggefallen ist.
Würden die Kalendermonate März bis September 2007 zu den zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonaten gehören, der Bemessungszeitraum also die Monate Oktober 2006 bis September 2007 umfassen, so wäre für die Bemessung des der Klägerin zustehenden Elterngeldes nur das in den Monaten Oktober 2006 bis März 2007 erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit heranzuziehen. Dies würde jedoch eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung von in Belgien tätigen Arbeitnehmern gegenüber Arbeitnehmern, die in Deutschland in einer vergleichbaren Situation erwerbstätig sind, bedeuten. Insofern enthält der Gesetzeswortlaut eine Lücke, die vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt ist. Sinn und Zweck der Regelung und Intention des Gesetzgebers ist es, ein Absinken des Elterngeldes durch das in diesen Monaten geringere oder fehlende Erwerbseinkommen zu vermeiden (BT-Drucksache 16/2785, S. 38). Diese Lücke kann durch verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung geschlossen werden.
Bereits in dem vom BMFSFJ herausgegebenen Richtlinien zum BEEG wird der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 Satz 6 - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - u.a. auf Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 Mutterschaftsgesetz (MuSchG) ausgedehnt und diese einer maßgeblichen schwangerschaftsbedingten Erkrankung gleichgestellt, wenn der Mutter - z.B. als privat versicherter Arbeitnehmerin - kein Mutterschaftsgeld zusteht. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte - ebenfalls über den Wortlaut der Vorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG hinaus - die wegen "Geburtsruhe" nach belgischem Recht gezahlte Entschädigung dem "Mutterschaftsgeld nach der RVO" gleichgestellt und den Kalendermonat September 2006, in dem die Leistung bezogen wurde, nicht bei den zwölf für die Einkommensermittlung maßgeblichen Kalendermonaten berücksichtigt. Diese zutreffende Auslegung des Gesetzes muss auch für die sechs Monate gelten, in denen die Klägerin wegen der schwangerschaftsbedingten "Entfernung von der Arbeit" eine Entschädigung erhalten und dadurch eine erhebliche Einkommensminderung hat hinnehmen müssen.
Die Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr für Mutter und/oder Kind nach dem belgischen Gesetz zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter entspricht dem nach deutschem Recht geltenden Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG. Während der Zeit eines solchen Beschäftigungsverbotes wird Arbeitnehmerinnen, die nach deutschem Recht tätig sind, vom Arbeitgeber das Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Monate weiter gezahlt (§ 11 Abs. 1 MuSchG). Demgegenüber bekommen in Belgien erwerbstätige Arbeitnehmerinnen nach belgischem Recht eine Entschädigung, die mit einem Einkommensverlust verbunden ist, nicht jedoch die Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Eine daraus resultierende Benachteiligung bei der Bemessung des Elterngeldes ist durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Um eine Gleichstellung mit in Deutschland erwerbstätigen Arbeitnehmerinnen zu erreichen, ist daher für Personen in der Situation der Klägerin § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate auch Monate, in denen einer in Belgien erwerbstätigen elterngeldberechtigten Mutter aufgrund eines absoluten Beschäftigungsverbotes ("Entfernung von der Arbeit") wegen Virus- und Infektionsgefahr für Mutter und/oder Kind Erwerbseinkommen ganz oder teilweise weggefallen ist, unberücksichtigt bleiben. Dabei kann dahin stehen, ob die für die Zeit des Beschäftigungsverbotes gezahlte Entschädigung dem deutschen Mutterschaftsgeld oder ob die Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr einer schwangerschaftsbedingten (potenziellen) Erkrankung gleichgestellt wird.
Bleiben somit die Monate März bis September 2007 bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt, so sind für die Bemessung des Elterngeldes der Klägerin die zwölf Kalendermonate von März 2006 bis Februar 2007 maßgeblich.
Das nach § 2 Abs. 1 BEEG heranzuziehende "Einkommen" von dem in der Regel 67 % den Elterngeldbetrag ergeben, ist ein Nettoeinkommen. Dies ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 7 BEEG. Danach ist als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen über die pauschal anzusetzenden Werbungskosten, die um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung zu vermindern sind, zu berücksichtigen (Satz 1). Sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 des Einkommen- steuergesetzes (EStG) werden nicht als Einnahmen berücksichtigt (Satz 2); dies sind die so genannten Einmalzahlungen. Als auf die Einnahmen entfallenden Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (Satz 3). Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (Satz 4).
Auch bei der Anwendung dieser Vorschriften sind die der Klägerin nach belgischem Recht gezahlten Entgeltbestandteile, Abgaben und Beiträge entsprechend zu berücksichtigen. Dementsprechend bleiben das im Mai 2006 gezahlte Urlaubsgeld und die im November 2006 gezahlten Jahresend- und Attraktivitätsprämie als Einnahmen außer Betracht, weil es sich um so genannte Einmalleistungen handelt. Werden diese Einmalzahlungen aber für die Bemessung des Elterngeldbetrages nicht herangezogen, so muss dies auch für die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben gelten. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, auch die auf die Einmalzahlungen entfallenden Steuern und Abgaben seien vom Bruttoeinkommen abzuziehen, findet im Gesetz keine Grundlage.
Die Voraussetzungen für die Erhöhung des Elterngeldes durch den so genannten Geschwisterbonus sind nicht erfüllt, weil die beiden älteren Kinder der Klägerin bei der Geburt des elterngeldberechtigenden Kindes bereits die Altersgrenzen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG überschritten haben.
Auf das der Klägerin zustehende Elterngeld ist die bis 18.12.2007 nach der Geburt gezahlte Geburtsruhenentschädigung wie Mutterschaftsgeld nach der RVO anzurechnen. Dieses ergibt sich in der Konsequenz der vorstehenden Erwägungen zur verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung des BEEG auch für die einschlägige Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 BEEG, da dessen Wortlaut allein die Geburtsruhenentschädigung nach belgischem Recht nicht erfassen würde.
Ausgehend von dem steuerpflichtigem Bruttoeinkommen der Klägerin in der Zeit von März 2006 bis Februar 2007 errechnet sich auf der Grundlage der Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers das zustehende Elterngeld wie folgt:
Monat Steuerpfl. Bruttolohn SV-Abgaben ("LSS") Steuern ("Berufssteuer/ Cot. Spéciale) Werbungs- kosten-pauschale Netto- bemessungs-entgelt 3/2006 1.852,79 242,16 323,51 76,67 1.210,45 4/2006 1.517,14 198,29 186,64 76,67 1.055,54 5/2006 1.536,85 200,87 198,65 76,67 1.060,66 6/2006 1.696,32 221,71 260,46 76,67 1.137,48 7/2006 1.445,78 188,96 162,25 76,67 1.017,90 8/2006 1.681,73 219,80 253,46 76,67 1.131,80 9/2006 1.644,39 214,92 239,44 76,67 1.113,36 10/2006 1.799,53 235,20 302,50 76,67 1.185,16 11/2006 1.639,51 214,28 250,84 76,67 1.097,72 12/2006 1.734,10 226,65 249,03 76,67 1.181,75 1/2007 1.737,23 227,06 273,24 76,67 1.160,26 2/2007 1.753,86 229,23 273,24 76,67 1.174,72
13.526,80
Das Jahres-Nettoeinkommen von 13.526,80 EUR ergibt nach Division durch zwölf ein durchschnittliches Monats-Nettoeinkommen von 1.127,23 EUR. Da dieses nicht geringer ist als 1.000,00 EUR, erhöht sich das Regelelterngeld von 67 % - anders als nach der vom Beklagten vorgenommenen Berechnung - nicht nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 BEEG. 67 % von 1.127,23 EUR sind 755,24 EUR.
Unter Anrechnung der Geburtsruhenentschädigung ergeben sich somit für die zwölf Elterngeldmonate vom 17.10.2007 bis 16.10.2008 folgende Beträge: 1. und 2. Lebensmonat 0,00 EUR 3. Lebensmonat (anteilig 29/31) 706,51 EUR 4. bis 12. Lebensmonat (9 x 755,24 EUR) 6.797,16 EUR Elterngeldanspruch 7.503,67 EUR bereits gezahlt - 5.472,86 EUR Elterngeld-Nachzahlungsbetrag 2.030,81 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Die 1970 geborene Klägerin ist belgische Staatsangehörige. Sie wohnt mit ihrem Ehemann und den drei gemeinsamen Kindern in Belgien. Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger und in Deutschland erwerbstätig.
Am 17.10.2007 gebar die Klägerin das dritte Kind Q. Die Geburtstage seiner Geschwister sind der 05.07.2000 und der 03.03.2003. Q. lebt seit seiner Geburt im Haushalt der Eltern und wird von ihnen betreut und erzogen. Die Klägerin übte in den zwölf Monaten nach der Geburt keine Erwerbstätigkeit aus. Vor der Geburt des Kindes war die Klägerin in der Sankt Josef Klinik in St. Vith (Belgien) als ausgebildete Krankenpflegerin beschäftigt. Seit dem 26.03.2007 war sie "wegen Virus- und Infektionsgefahr während der Schwangerschaft" (Bescheinigung der Klinik vom 17.09.2007) aufgrund des belgischen Gesetzes zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter von der Arbeit freigestellt. Während der Freistellung erhielt sie von ihrer Krankenkasse eine Ausgleichszahlung von 30,99 EUR brutto/27,55 EUR netto pro Tag; Arbeitsentgelt erhielt sie in der Freistellungsphase nicht. Dadurch hatte sie gegenüber ihrem bisherigen Erwerbseinkommen eine Minderung von über 400,00 EUR netto pro Monat. Mit Bescheid vom 25.10.2007 teilte ihr die Krankenkasse mit, dass die "Geburtsruhe" auf den Zeitraum vom 07.09. bis 18.12.2007 festgelegt worden sei. Die Klägerin erhielt von der Krankenkasse für den 1. bis 30. Tag der Geburtsruhe 42,35 EUR, vom 31. Tag bis zum Ende der Geburtsruhe 78,74 EUR pro Tag.
Am 09.11.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q ... Sie legte hierzu Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers für die Monate Februar 2006 bis März 2007 vor. Diese Abrechnungen weisen u.a. neben dem steuer- und sozialversicherungspflichtigen Bruttolohn die Sozialversicherungsabgaben ("LSS"; Abkürzung für "Landesamt für Soziale Sicherung"), die Einkommensteuer ("Berufssteuer") und eine dem deutschen Solidaritätszuschlag vergleichbare Abgabe ("Cot. Spéciale"; Abkürzung für "Cotisation Spéciale") auf. Zusätzlich zum Lohn erhielt die Klägerin im Mai 2006 ein Urlaubsgeld und im November 2006 eine "Jahresendprämie" sowie eine "Attraktivitätsprämie"; die auf diese Bezüge entfallenden Steuern ("BSV Urlaubsgeld" bzw. "Préc. primes excep") und Sozialversicherungsbeiträge ("LSS Urlaubsgeld" bzw. "ONSS primes") sind in den Abrechnungen gesondert aufgeführt.
Durch Bescheid vom 08.01.2008 bewilligte der Beklagte Elterngeld für die Zeit vom 17.10.2007 bis 16.10.2008 in Höhe von monatlich 550,94 EUR; hierauf rechnete sie bis 18.12.2007 das bezogene Geburtsruhegeld an, sodass sich für den ersten und zweiten Lebensmonat kein, für den dritten Lebensmonat ein anteiliger (29/31) Zahlbetrag von 515,30 EUR, ab dem vierten Lebensmonat der volle Betrag ergab. Der Bemessung des Elterngeldes legte der Beklagte die zwölf Monate von September 2006 bis August 2007 und das in diesem Zeitraum bis März 2007 erzielte und abgerechnete Arbeitsentgelt zugrunde. Unberücksichtigt ließ er die im November 2006 gezahlten Jahresend- und Attraktivitätsprämien von zusammen 742,73 EUR, nicht aber die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Die Einzelheiten der Berechnung ergeben sich aus der dem Bescheid wie folgt beigefügten Übersicht:
Monat Steuerpfl. Brutto Gesetzl. Abzüge Einmalzahlung Werbungskosten Ermitteltes Netto 1 1.644,39 454,36 - 76,67 1.113,36 2 1.799,53 537,70 - 76.67 1.185,16 3 2.382,24 760,33 742,73 76,67 1.039,56 4 1.734,10 475,68 - 76,67 1.181,75 5 1.737,23 500,30 - 76,67 1.160,26 6 1.753,86 502,47 - 76,67 1.174,72 7 1.398,36 326,00 - 76,67 995,69 8 - - - - - 9 - - - - - 10 - - - - - 11 - - - - - 12 - - - - -
7.850,50
(Anmerkung: Dem für den dritten Monat ermittelten Netto von 1.039,56 EUR liegt ein Rechenfehler zugrunde; richtig gerechnet ergibt sich ein Betrag von 802,51 EUR).
Nach Division der Summe der ermittelten Nettobeträge durch zwölf (Bemessungsmonate) ergab sich ein durchschnittlicher Nettobetrag von 654,21 EUR. Unter Zugrundelegung eines nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 BEEG auf 84,20 % erhöhten Prozentsatzes ergab sich der monatliche Elterngeldbetrag von 550,84 EUR.
Dagegen legte die Klägerin am 29.01.2008 Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, die "Entfernung von der Arbeit" ab 26.03.2007 sei ein dem deutschen Recht vergleichbares generelles Beschäftigungsverbot; die für diese Zeit gezahlte Entschädigung liege weit unter dem vorherigen Nettogehalt. Die Klägerin bat daher um Neuberechnung des Elterngeldes nach einem Bessungszeitraum von März 2006 bis Februar 2007 und den entsprechenden Lohnabrechnungen. Sie meinte, bei der Ermittlung des Nettogehaltes dürfe die dem deutschen Solidaritätszuschlag ähnliche Abgabe nicht abgezogen werden; die Einmalzahlungen dürften zwar unberücksichtigt bleiben; das müsse aber auch für die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben gelten.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008 zurück. Er meinte, die von der Elterngeldkasse vorgenommene Berechnung des Elterngeldes entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Das in Belgien bestehende Beschäftigungsverbot bei gleichzeitiger Zahlung von Krankenkassenleistungen als Lohngeldersatz könne den Bemessungszeitraum nicht verschieben; dies sei nur bei einem schwangerschaftsbedingten Einkommensverlust im Sinne des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG möglich.
Dagegen hat die Klägerin am 26.02.2009 Klage erhoben. Sie wiederholt ihre Auffassung, die wegen der Virus- und Infektionsgefahr seitens des Arbeitgebers erfolgte Maßnahme des "Entfernens von der Arbeit" entspreche inhaltlich einem generellen Beschäftigungsverbot nach deutschem Recht; im Gegensatz zu Arbeitnehmerinnen in Deutschland erhielten belgische Arbeitnehmerinnen in diesem Fall jedoch keine Fortzahlung der Bezüge durch den Arbeitgeber, sondern Entschädigungsleistungen durch die Krankenkasse aus einem speziellen Fond. Diese Leistung bedeute eine Einkommensminderung. Weil in Deutschland bei generellem Beschäftigungsverbot das Arbeitsentgelt weiter gezahlt werde, sei eine Regelung im BEEG nicht erforderlich gewesen. Da dies bei der Klägerin nach belgischem Recht nicht erfolgt und der Einkommensverlust ausschließlich auf die Schwangerschaft zurückzuführen sei, müsse die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG entsprechend ausgelegt werden und der Bemessungszeitraum ohne die Monate ab März 2007 ermittelt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2008 zu verurteilen, ihr unter Zugrundelegung des in den Monaten März 2006 bis Februar 2007 erzielten Erwerbseinkommens weiteres Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q. zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung. Das Arbeitsverbot sei wegen Virus- und Infektionsgefahr ausgesprochen worden, nicht aber, weil die werdende Mutter in der Schwangerschaft tatsächlich erkrankt sei. Da das Gesetz in § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG auf eine Krankheit während der Schwangerschaft, die auch maßgeblich darauf zurückzuführen sein muss, abstelle, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verschiebung des Bemessungszeitraums nach dem BEEG nicht erfüllt.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Arbeitgeber der Klägerin mitgeteilt, bei der "Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr" handele sich um ein Beschäftigungsverbot, weil bei Weiterbeschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter und/oder Kind gefährdet wäre. Grundlage sei das belgische "Gesetz zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der hier maßgeblichen 3-Monats-Frist des § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht erhoben. Sie ist auch begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, soweit der Beklagte dadurch einen monatlichen Elterngeldbetrag von lediglich 550,84 EUR bewilligt und insgesamt nur 5.472,86 EUR Elterngeld gezahlt hat.
Die Klägerin hat, obwohl sie belgische Staatsangehörige ist, in Belgien wohnt und dort erwerbstätig ist, Anspruch auf deutsches Elterngeld nach dem BEEG. Sie erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf diese Leistung für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Q.; sie lebt mit dem Kind in einem Haushalt, betreut und erzieht dieses Kind selbst und übt keine oder keine volle Erwerbstätigkeit aus (§ 1 Abs. 1 Nr. 2-4 BEEG). Der Umstand, dass sie keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (vgl. § 1 Nr. 1 BEEG), sondern in Belgien lebt und vor der Geburt gearbeitet hat, steht dem Anspruch nicht entgegen. Zwar gehört die Klägerin zu keiner der in § 1 Abs. 2 BEEG benannten drei Gruppen von Personen und deren Ehe- bzw. Lebenspartner, die auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland Elterngeld beanspruchen können. Jedoch gehören - vom Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt - nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften auch Grenzgänger im Sinne der "Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern" (EG-VO 1408/71) zu den elterngeldberechtigten Personen (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucksache 16/1889, S. 18), ebenso die Familienangehörigen von Grenzgängern. Dies ist Ausfluss des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsgebots nach Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
Das Gemeinschaftsrecht findet Anwendung, da das Elterngeld in den sachlichen Geltungsbereich der EG-VO 1408/71 fällt. Das Elterngeld ist eine Familienleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h) der Verordnung (Hambüchen/Irmen, BEEG/EStG/BKGG-Kommentar, Stand: Juni 2009, § 1 BEEG Rdnr. 32 unter Hinweis auf die Rspr. des EuGH zum Er- ziehungsgeld). Der Ehemann der Klägerin ist nach der Legaldefinition in Art. 1 Buchst. a) EG-VO 1408/71 Grenzgänger. Nach den europarechtlichen Kollisionsnormen unterliegen Arbeitnehmer, die in einem anderen Land als ihren Wohnsitz erwerbstätig sind, grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates (vgl. Art. 13 ff. EG-VO 1408/71). Der Ehemann der Klägerin hätte somit gemäß Art. 73 EG-VO 1408/71 als Grenzgänger selbst Anspruch auf Elterngeld gehabt, sofern er die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BEEG erfüllt und die Leistung beantragt hätte. In Bezug auf die Gewährung von Familienleistungen bestimmt Art. 73 EG-VO 1408/71, dass ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hat, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Dies betrifft die Situation von Grenzgängern. Die mit Art. 73 EG-VO 1408/71 bewirkte Gleichstellung des aus- und inländischen Wohnsitzes gilt nicht nur für Ansprüche des Arbeitnehmers - hier: des Ehemanns der Klägerin - selbst, sondern auch für die seiner Familienangehörigen, auch wenn sie nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 10.10.1996 - C-245/94 und C-312/94 [Hoever/Zachow]; Urteile vom 07.06.2005 - C-543/03 [Dodl/Oberhollenzer] und C-153/03 [Weide]) hat die Ehegattin eines Arbeitnehmers, der - wie der Ehemann der Klägerin - als Grenzgänger den Rechtsvorschriften seines Beschäftigungsstaates unterliegt und mit seiner Familien in einem anderen Staat wohnt, aufgrund von Art. 73 EG-VO 1408/71 im Beschäftigungsstaat ihres Mannes Anspruch auf Familienleistungen, bekommt also von ihrem Ehemann einen Anspruch auf Familienleistungen vermittelt. Obwohl die Klägerin selbst belgischen Rechtsvorschriften unterliegt, hat sie einen Anspruch auf deutsches Elterngeld (Hambüchen/Irmen, a.a.O., § 1 BEEG Rdnrn. 34-36; vgl. auch die Richtlinien zum BEEG des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend - BMFSFJ, Teil II Abschnitt 2.3 und 2.4). Der Anspruch der Klägerin auf das deutsche Elterngeld ruht nicht nach Maßgabe der Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen für Arbeitnehmer (vgl. Art. 10 EG-VO Nr. 574/72), da in Belgien eine dem deutschen Elterngeld vergleichbare Leistung nicht existiert.
Die Klägerin wird jedoch durch die angefochtenen Elterngeldbescheide insoweit beschwert, als darin die Höhe der ihr zustehenden Leistung falsch berechnet und 2.030,81 EUR zu wenig bewilligt worden sind.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von (mindestens) 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwerbseinkommen er
zielt. Bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist, unberücksichtigt (§ 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG). In diesem Fall umfasst der Bemessungszeitraum zwar ebenfalls zwölf Kalendermonate, jedoch wird der Zeitraum um die nicht zu berücksichtigenden Kalendermonate vor der Geburt des Kindes verschoben.
Streng am Wortlaut des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG orientiert hat die Klägerin keine der in dieser Regelung aufgezählten Verschiebungstatbestände erfüllt. Sie hat weder Mutterschaftsgeld nach der RVO oder nach dem KVLG bezogen, noch eine Einkommensminderung wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung hinnehmen müssen. Sie hat vor der Geburt für die Zeit vom 07.09. bis 16.10.2007 eine Entschädigung wegen "Geburtsruhe" nach belgischem Recht erhalten; davor hatte sie - ebenfalls nach belgischem Recht - für die Zeit vom 26.03 bis 31.08.2007 eine Entschädigung wegen schwangerschaftsbedingter "Entfernung von der Arbeit" erhalten, wodurch ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit um ca. ein Drittel weggefallen ist.
Würden die Kalendermonate März bis September 2007 zu den zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonaten gehören, der Bemessungszeitraum also die Monate Oktober 2006 bis September 2007 umfassen, so wäre für die Bemessung des der Klägerin zustehenden Elterngeldes nur das in den Monaten Oktober 2006 bis März 2007 erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit heranzuziehen. Dies würde jedoch eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung von in Belgien tätigen Arbeitnehmern gegenüber Arbeitnehmern, die in Deutschland in einer vergleichbaren Situation erwerbstätig sind, bedeuten. Insofern enthält der Gesetzeswortlaut eine Lücke, die vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt ist. Sinn und Zweck der Regelung und Intention des Gesetzgebers ist es, ein Absinken des Elterngeldes durch das in diesen Monaten geringere oder fehlende Erwerbseinkommen zu vermeiden (BT-Drucksache 16/2785, S. 38). Diese Lücke kann durch verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung geschlossen werden.
Bereits in dem vom BMFSFJ herausgegebenen Richtlinien zum BEEG wird der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 Satz 6 - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - u.a. auf Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 Mutterschaftsgesetz (MuSchG) ausgedehnt und diese einer maßgeblichen schwangerschaftsbedingten Erkrankung gleichgestellt, wenn der Mutter - z.B. als privat versicherter Arbeitnehmerin - kein Mutterschaftsgeld zusteht. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte - ebenfalls über den Wortlaut der Vorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG hinaus - die wegen "Geburtsruhe" nach belgischem Recht gezahlte Entschädigung dem "Mutterschaftsgeld nach der RVO" gleichgestellt und den Kalendermonat September 2006, in dem die Leistung bezogen wurde, nicht bei den zwölf für die Einkommensermittlung maßgeblichen Kalendermonaten berücksichtigt. Diese zutreffende Auslegung des Gesetzes muss auch für die sechs Monate gelten, in denen die Klägerin wegen der schwangerschaftsbedingten "Entfernung von der Arbeit" eine Entschädigung erhalten und dadurch eine erhebliche Einkommensminderung hat hinnehmen müssen.
Die Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr für Mutter und/oder Kind nach dem belgischen Gesetz zum Schutz der Schwangeren und der stillenden Mütter entspricht dem nach deutschem Recht geltenden Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG. Während der Zeit eines solchen Beschäftigungsverbotes wird Arbeitnehmerinnen, die nach deutschem Recht tätig sind, vom Arbeitgeber das Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Monate weiter gezahlt (§ 11 Abs. 1 MuSchG). Demgegenüber bekommen in Belgien erwerbstätige Arbeitnehmerinnen nach belgischem Recht eine Entschädigung, die mit einem Einkommensverlust verbunden ist, nicht jedoch die Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Eine daraus resultierende Benachteiligung bei der Bemessung des Elterngeldes ist durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Um eine Gleichstellung mit in Deutschland erwerbstätigen Arbeitnehmerinnen zu erreichen, ist daher für Personen in der Situation der Klägerin § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate auch Monate, in denen einer in Belgien erwerbstätigen elterngeldberechtigten Mutter aufgrund eines absoluten Beschäftigungsverbotes ("Entfernung von der Arbeit") wegen Virus- und Infektionsgefahr für Mutter und/oder Kind Erwerbseinkommen ganz oder teilweise weggefallen ist, unberücksichtigt bleiben. Dabei kann dahin stehen, ob die für die Zeit des Beschäftigungsverbotes gezahlte Entschädigung dem deutschen Mutterschaftsgeld oder ob die Entfernung von der Arbeit wegen Virus- und Infektionsgefahr einer schwangerschaftsbedingten (potenziellen) Erkrankung gleichgestellt wird.
Bleiben somit die Monate März bis September 2007 bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt, so sind für die Bemessung des Elterngeldes der Klägerin die zwölf Kalendermonate von März 2006 bis Februar 2007 maßgeblich.
Das nach § 2 Abs. 1 BEEG heranzuziehende "Einkommen" von dem in der Regel 67 % den Elterngeldbetrag ergeben, ist ein Nettoeinkommen. Dies ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 7 BEEG. Danach ist als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen über die pauschal anzusetzenden Werbungskosten, die um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung zu vermindern sind, zu berücksichtigen (Satz 1). Sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 des Einkommen- steuergesetzes (EStG) werden nicht als Einnahmen berücksichtigt (Satz 2); dies sind die so genannten Einmalzahlungen. Als auf die Einnahmen entfallenden Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (Satz 3). Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (Satz 4).
Auch bei der Anwendung dieser Vorschriften sind die der Klägerin nach belgischem Recht gezahlten Entgeltbestandteile, Abgaben und Beiträge entsprechend zu berücksichtigen. Dementsprechend bleiben das im Mai 2006 gezahlte Urlaubsgeld und die im November 2006 gezahlten Jahresend- und Attraktivitätsprämie als Einnahmen außer Betracht, weil es sich um so genannte Einmalleistungen handelt. Werden diese Einmalzahlungen aber für die Bemessung des Elterngeldbetrages nicht herangezogen, so muss dies auch für die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben gelten. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, auch die auf die Einmalzahlungen entfallenden Steuern und Abgaben seien vom Bruttoeinkommen abzuziehen, findet im Gesetz keine Grundlage.
Die Voraussetzungen für die Erhöhung des Elterngeldes durch den so genannten Geschwisterbonus sind nicht erfüllt, weil die beiden älteren Kinder der Klägerin bei der Geburt des elterngeldberechtigenden Kindes bereits die Altersgrenzen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG überschritten haben.
Auf das der Klägerin zustehende Elterngeld ist die bis 18.12.2007 nach der Geburt gezahlte Geburtsruhenentschädigung wie Mutterschaftsgeld nach der RVO anzurechnen. Dieses ergibt sich in der Konsequenz der vorstehenden Erwägungen zur verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung des BEEG auch für die einschlägige Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 BEEG, da dessen Wortlaut allein die Geburtsruhenentschädigung nach belgischem Recht nicht erfassen würde.
Ausgehend von dem steuerpflichtigem Bruttoeinkommen der Klägerin in der Zeit von März 2006 bis Februar 2007 errechnet sich auf der Grundlage der Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers das zustehende Elterngeld wie folgt:
Monat Steuerpfl. Bruttolohn SV-Abgaben ("LSS") Steuern ("Berufssteuer/ Cot. Spéciale) Werbungs- kosten-pauschale Netto- bemessungs-entgelt 3/2006 1.852,79 242,16 323,51 76,67 1.210,45 4/2006 1.517,14 198,29 186,64 76,67 1.055,54 5/2006 1.536,85 200,87 198,65 76,67 1.060,66 6/2006 1.696,32 221,71 260,46 76,67 1.137,48 7/2006 1.445,78 188,96 162,25 76,67 1.017,90 8/2006 1.681,73 219,80 253,46 76,67 1.131,80 9/2006 1.644,39 214,92 239,44 76,67 1.113,36 10/2006 1.799,53 235,20 302,50 76,67 1.185,16 11/2006 1.639,51 214,28 250,84 76,67 1.097,72 12/2006 1.734,10 226,65 249,03 76,67 1.181,75 1/2007 1.737,23 227,06 273,24 76,67 1.160,26 2/2007 1.753,86 229,23 273,24 76,67 1.174,72
13.526,80
Das Jahres-Nettoeinkommen von 13.526,80 EUR ergibt nach Division durch zwölf ein durchschnittliches Monats-Nettoeinkommen von 1.127,23 EUR. Da dieses nicht geringer ist als 1.000,00 EUR, erhöht sich das Regelelterngeld von 67 % - anders als nach der vom Beklagten vorgenommenen Berechnung - nicht nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 BEEG. 67 % von 1.127,23 EUR sind 755,24 EUR.
Unter Anrechnung der Geburtsruhenentschädigung ergeben sich somit für die zwölf Elterngeldmonate vom 17.10.2007 bis 16.10.2008 folgende Beträge: 1. und 2. Lebensmonat 0,00 EUR 3. Lebensmonat (anteilig 29/31) 706,51 EUR 4. bis 12. Lebensmonat (9 x 755,24 EUR) 6.797,16 EUR Elterngeldanspruch 7.503,67 EUR bereits gezahlt - 5.472,86 EUR Elterngeld-Nachzahlungsbetrag 2.030,81 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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