L 6 B 16/08 U

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 106/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 B 16/08 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 3. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Hauptsachverfahren die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (vH).

Der 1964 geborene Kläger war 2005 als Servicemonteur in der Kanal- und Rohrreini-gung tätig. Am 27. September 2005 um 17 Uhr rutschte er während der Ausübung sei-ner Tätigkeit beim Einsteigen in das Betriebsfahrzeug ab, fiel nach hinten und schlug mit dem rechten Ellenbogen auf der Straße auf.

Am 28. September 2005 suchte er den Durchgangsarzt und Facharzt für Chirurgie Dr. W. auf, der nach Auswertung der Röntgenaufnahmen des rechten Ellenbogens eine Kontusion ohne Anhalt für eine Fraktur bei bestehender Arthrose diagnostizierte. Zudem habe unfallunabhängig ein Zustand nach Ellenbogentrauma rechts im Jahr 1996 bestanden. Er schrieb den Kläger bis zum 31. Oktober 2005 arbeitsunfähig krank. Unter dem 7. November 2005 schätzte er die MdE vorläufig auf 20 vH. Auf Nachfrage der Beklagten teilte Dr. W. unter dem 22. November 2005 mit, er habe am 1. November 2005 eine Bewegungseinschränkung in Form einer unvollständigen Stre-ckung und behinderten Beugung im rechten Ellenbogen des Klägers festgestellt, wel-che eine MdE um 20 vH rechtfertige. Unter dem 19. Januar 2006 berichtete er, der Kläger habe weiterhin Schmerzen im Bereich des Ellenbogens mit Bewegungsein-schränkung angegeben. Die Pronation (Einwärtsdrehung) und Supination (Auswärts-drehung) seien frei, Beugung und Streckung lägen bei 0/10/90 Grad. Unter dem 3. März 2006 berichtete er, die Beweglichkeit im rechten Ellenbogengelenk habe sich nach physiotherapeutischer Behandlung deutlich gebessert und liege bei 0/15/130 Grad. Es liege ein älteres posttraumatisches Geschehen am rechten Ellenbogen vor. Er überließ der Beklagten den Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums Magde-burg vom 2. Dezember 1996 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 29. Ok-tober 1996 bis 31. Oktober 1996. Chefarzt MR Dr. L. , Oberarzt Dr. W. und der Assistenzarzt Erdmann hatten seinerzeit eine posttraumatische Arthrose im rechten Ellenbogen mit freiem Gelenkkörper und Synovialitis diagnostiziert. Bei der Entlassung hatte die Beweglichkeit des rechten Ellenbogens bei Beugung und Streckung 0/20/110 Grad betragen.

Unter dem 10. April 2006 teilte der Kläger mit, er habe im Jahr 1993 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem das rechte Ellenbogengelenk verletzt worden sei. Bei Hebelarbeiten hätten sich Knorpelteile vom Gelenk gelöst, welche per Arthroskopie im Jahr 1996 ent-fernt worden seien.

Die Beklagte holte von dem Leitenden Arzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstel-lungschirurgie (B. H. ) Dr. W. , dem Direktor der Klinik Prof. Dr. Dr. H. und der Assistenzärztin Dr. Sch. das Zusammenhangsgutachten vom 9. September 2005 ein. Diese führten aus, der Kläger habe berichtet, er habe nach dem Sturz seine Tätigkeit als Kanalspüler fortgesetzt. Das Unfallereignis am 27. September 2005 habe zu einer Ellenbogengelenkprellung rechts geführt. Aus unfallchirurgischer Sicht heile eine derartige Verletzung spätestens innerhalb von 10 bis 12 Wochen aus und führe erfahrungsgemäß nicht zu bleibenden Bewegungseinschränkungen. Es könne aber nicht angegeben werden, zu welcher Verletzung der Unfall von 1993 geführt habe. Ob die derzeitigen Beschwerden eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens aus dem Unfall von 1993 seien, könne nicht angegeben werden. Eine Funktionsminde-rung in dem aktuellen Ausmaß sei jedoch aus unfallchirurgischer Erfahrung nicht nach einer Ellenbogengelenkprellung des Ausmaßes von September 2005 anzunehmen, zumal am Ende der Behandlung 1996 ein Bewegungslimit von 0/20/110 Grad im rech-ten Ellenbogengelenk für Streckung und Beugung angegeben worden sei.

Mit Bescheid vom 27. November 2006 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsun-fall mit folgenlos verheilter Prellung des rechten Ellenbogens an, lehnte es jedoch ab, dem Kläger eine Verletztenrente zu gewähren, weil eine MdE um 20 vH nicht erreicht sei. Hiergegen erhob der Kläger am 12. Dezember 2006 Widerspruch. Er führte im Wesentlichen aus, vor dem Arbeitsunfall habe eine geringe Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk bestanden, der Arm sei aber noch voll nutzbar gewesen. Nach dem Unfall habe sich die Bewegungseinschränkung erheblich vergrößert. Es sei-en keine Kraftbewegungen wie Heben und Drücken mehr möglich. Der Wider-spruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2007 zurück und bezog sich im Wesentlichen auf das Ergebnis des Gut-achtens von Prof. Dr. Dr. H. , Dr. W. und Dr. Sch ...

Mit der am 27. Juli 2007 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, es be-stünden Bedenken gegen die Objektivität des Gutachtens. Dr. Sch. habe vor Erstat-tung des Gutachtens bei der Beklagten angerufen, um die genauen Prämissen des Sachverständigengutachtens abzuklären. Es sei vereinbart worden, dass lediglich pau-schale Aussagen zu erfolgen hätten. Die von der Sachverständigen festgestellten Ein-schränkungen rechtfertigten die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH.

Der Kläger hat die nachfolgenden Anträge angekündigt:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2006 zum Az. 05/52503/8-3 Bn/Fu in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2007 wird aufge-hoben. 2. Es wird festgestellt, dass bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Arbeitsunfall vom 27. September 2005 um wenigstens 20 vH vorliegt. Die Beklagte wird daher verpflichtet, ihm eine Rente nach den gesetzlichen Be-stimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf das Gutachten von Prof. Dr. Prof. Dr. Dr. H. , Dr. W. und Dr. Sch. bezogen.

Mit dem Beschluss vom 3. Juli 2008 hat das Sozialgericht Halle den Antrag des Klä-gers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine höhere MdE aufgrund des Arbeitsunfalls vom 27. September 2005 als unter 10 vH sei nach den medizinischen Unterlagen, insbesondere nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. , Dr. W. und Dr. Sch. nicht wahrscheinlich. Die Erstschädigung habe lediglich in einer Kontusion des rechten Ellenbogens bestanden. Eine Vorschädi-gung durch ein Ellenbogentrauma rechts 1996 sei gesichert. Die Funktionseinschrän-kungen und Beschwerden könnten nicht auf das Unfallereignis zurück geführt werden, weil die Prellung nach aller Erfahrung binnen weniger Wochen folgenlos ausgeheilt und nicht in der Lage gewesen sei, eine rechtlich wesentliche Verschlimmerung des nach-gewiesenen Vorschadens zu bedingen.

Gegen den am 7. Juli 2008 zugegangenen Beschluss hat der Kläger am 31. Juli 2008 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, eine Prellung sei nicht notwendig ein Bagatellschaden. Es könne durch eine Prellung eine Einblutung in den Gelenkbereich stattfinden. Die Durchführung einer Magnetresonanztomographie (MRT) mit erneuter Begutachtung sei deshalb angezeigt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor.

Gemäß § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 73 a Sozialgerichtsge-setz (SGG) ist einem Beteiligten Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn er nach sei-nen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits vollständig oder teilweise aufzubringen, die Klage hinreichende Aus-sicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist.

Das Sozialgericht Halle hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Re-cht abgelehnt. Denn die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Kläger begehrt mit der Klage die Gewährung einer Verletztenrente. Dabei ist zwi-schen den Beteiligten nicht streitig, dass das Ereignis vom 27. September 2005 ein Arbeitsunfall ist. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2006 aner-kannt.

Gemäß § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) besteht ein Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn die durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus zu Funktionsbeeinträchtigungen geführt haben, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH bedingen. Diesen Grad der MdE erfüllen die Funktionsbeein-trächtigungen des Klägers nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt – worauf Prof. Dr. Dr. H. und Dr. W. hingewiesen haben – zwischen dem Ar-beitsunfall und den bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ein ursächlicher Zu-sammenhang im Sinne der Theorie über die Wesentlichkeit der Bedingungen im Un-fallversicherungsrecht besteht. Der Grad der MdE erreicht nicht die erforderliche Min-desthöhe von 20 vH. Dr. W. hatte noch im November 2005 bei einer Beweglichkeit des rechten Ellenbogengelenks von 0/10/90 einen Grad der MdE um 20 vH einge-schätzt. Durch die verordnete Physiotherapie hatte sich der Grad der Beweglichkeit auf 0/15/130 gebessert. Prof. Dr. Dr. H. , Dr. W. und Dr. Sch. haben eine Unter-armdrehung rechts von 80/0/70 und eine Ellenbogenbeweglichkeit rechts von 0/10/130 festgestellt.

Die Normalbeweglichkeit des Ellenbogengelenks beträgt für die Beugung 145 Grad, für die Streckung 0 Grad, für die Einwärtsdrehung und Auswärtsdrehung 80 bis 85 Grad. Für die meisten Tätigkeiten des täglichen Lebens werden lediglich die Scharnierbewe-gungen im Ellenbogen zwischen 30 Grad und 130 Grad sowie die Einwärts- und Aus-wärtsbewegung von je 55 Grad benützt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage, S. 610).

Die verbliebene Funktion des rechten Ellenbogens, die für die Bemessung der MdE von wesentlicher Bedeutung ist, liegt damit innerhalb des Maßes, welches üblicherwei-se benützt wird. Die Einschränkung in der Streckung des Ellenbogens von 10 Grad und in der Beugung von 15 Grad sowie die Einschränkung der Einwärtsbewegung von 10 Grad wirken sich nicht derart aus, dass eine MdE um 20 gerechtfertigt wäre. So wird in der Rechtsprechung und Literatur eine MdE um 20 vH erst bei einer Bewegungsein-schränkung des Ellenbogengelenks von 0/30/120 Grad (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 610) bzw. 0/90/135 Grad (Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Num-mer 500, S. 37) angenommen. Diesen Grad der Bewegungseinschränkung erreicht der Kläger nicht. Anhaltspunkte für eine Krafteinbuße im Ellenbogengelenk bestehen nicht. Entsprechende Befunde hat keiner der Ärzte erhoben.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Funktionseinschränkungen im rechten Ellen-bogengelenk des Klägers seit der letzten Begutachtung verschlechtert haben. Eine Verschlechterung ergibt sich insbesondere nicht aus den eingeholten Befundberichten. Es besteht daher für das Sozialgericht keine Veranlassung, zu dem Grad der MdE bzw. zu dem Gesundheitszustand des Klägers weitere Ermittlungen, insbesondere wei-tere Gutachten einzuholen.

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

gez. Dr. Mecke gez. Dr. Ulrich gez. Boldt
Rechtskraft
Aus
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