L 1 KR 364/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 388/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 364/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. August 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.199,96 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 2.199,96 €.

Die Klägerin ist Trägerin des GPR Klinikums in A-Stadt und behandelte die bei der Beklagten versicherte D. D. (geb. 1930, im Folgenden: Versicherte) im Zeitraum vom 19.10.2016 bis 03.11.2016 in der gastroenterologische Abteilung des Krankenhauses wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz mit Aszites (= freie Flüssigkeit im Bauchraum) und Hypoalbuminämie. Die Versicherte wurde am 19.10.2016 stationär aufgenommen, weil sich ihr Bauchumfang seit dem Vortag deutlich vermehrt hatte. Nach körperlicher Untersuchung (einschließlich Ruhe-EKG, Röntgen-Thorax, Ultraschall-Abdomen, Farbdoppler-Echokardiographie, urologische Konsil, Langzeit-RR durch. Laborchemisch) zeigten sich bei bekanntem Myelom eine normochrome, normozytäre Anämie sowie die bekannte Thrombozytopenie. Die bekannte chronische Niereninsuffizienz war mit einem Kreatin-Wert von 1,26 mg/dl leicht verschlechtert. Abdomensonographisch wurde reichlich Aszites nachgewiesen, ebenso Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz. Der Abdomen der Versicherten wurde am 21.10.2016 und am 26.10.2016 punktiert und freie Flüssigkeit aus dem Bauchraum abgeleitet. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin dabei eine (therapeutische) Aszitespunktion oder eine (therapeutische) Aszitesdrainage durchgeführt hat. Aus der Patientendokumentation der Klägerin ergeben sich zu diesen Behandlungsmaßnahmen folgende Einträge: 

Am 19.10.2016 wurde die Versicherte mit einem Formularbogen über die Durchführung einer „Aszitespunktion/Aszitesdrainage aufgeklärt; im Aufklärungsbogen heißt es u.a.: 

„Die Bauchhaut wird gereinigt und desinfiziert. Die vorgesehene Punktionsstelle (gewöhnlich linker Unterbauch zwischen Nabel und Beckenkamm) wird örtlich betäubt. Danach führt der Arzt eine dünne Nadel in den Bauchraum ein und zieht das Bauchwasser über eine Spritze ab. (…) Für die Untersuchung der Inhaltsstoffe genügt eine kleine Menge Bauchwasser (diagnostische Punktion). Wird die Punktion als Behandlungsmaßnahme zur Entlastung des Bauchraums durchgeführt (therapeutische Punktion), können größere Mengen (zum Teil mehrere Liter) über einen Drainageschlauch einmal oder mehrmals langsam entleert werden.“

Im Aufnahmebogen ist vermerkt „Abdomensonografie (Aszites) mit Punktion (aufgeklärt)“.

Arztbericht vom 21.10.2016:

Indikation: Bitte therapeutische und diagnostische Aszitespunktion, danke.

Drainage: Unter sonografischer Kontrolle Markierung der Punktionsstelle am Abdomen rechts. Nach Hautdesinfektion Einlage einer Drainage. Es fließt bernsteinfarbener klarer Aszites ab. Es werden Proben für die Diagnostik abgenommen. Steriler Verband.

Zeitpunkt der Anlage: 21.10.2016 09.52.
Bitte nach 2h entfernen oder wenn kein Aszites mehr abfließt.

Von Stationspflege bitte dokumentieren: Menge und Zeitpunkt der Drainageentfernung:

Menge des Aszites: 3l
Menge des infundierten Albumins: 1x

Zeitpunkt der Drainageentfernung: 12.00 Uhr (Handzeichen Pflege)

Empfehlung: Bitte pro 2 Liter Aszites 50ml Albumin 20% substituieren.

Unterschrift: Dr. E.

In der Behandlungsdokumentation vom 21.10.2016 ist vermerkt:
Aszitesdrainage (-punktion ist durchgestrichen), 3 Liter
Heute Morgen Aszitespunktion/-drainage, bisher mehrere Liter gelaufen.

Arztbericht vom 26.10.2016:

Drainage: Unter sonografischer Kontrolle Markierung der Punktionsstelle am Abdomen rechts. Nach Hautdesinfektion Einlage einer Drainage. Es fließt bernsteinfarbener klarer Aszites ab. Es werden keine Proben für die Diagnostik genommen. Steriler Verband. 

Zeitpunkt der Anlage: 26.10.2016 14.44.

Bitte nach 2h entfernen oder wenn kein Aszites mehr abfließt.

Von Stationspflege bitte dokumentieren: Menge und Zeitpunkt der Drainageentfernung:

Menge des Aszites: 5000ml
Menge des infundierten Albumins: 2 mal 50 ml 20% Human Albumin

Zeitpunkt der Drainageentfernung: 16.30 Uhr 

Unterschrift: Dr. F. / Dr. G.

In der Behandlungsdokumentation vom 26.10.2016 ist vermerkt:
Aszitesdrainage (-punktion ist durchgestrichen), 5 Liter

In der Pflegedokumentation vom 26.10.2016 ist notiert: 
Aszites Pkt. gelaufen von 5l Punktat

Das Institut für Pathologie des klägerischen Klinikums verwendet den Begriff „Aszitespunktat“ (Bericht vom 21.10.2016/gedruckt 24.10.2016), ebenso der sonografische Abschlussbericht vom 31.10.2016 („Ascitespunktion“). 

Im Entlassungsbericht ist vermerkt, dass am 20.10.2016 (offensichtlich falsches Datum) eine diagnostische und therapeutische Aszitespunktion erfolgt sei. 

Die Klägerin kodierte nach dem 2016 geltenden Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) für die am 21.10.2016 und 26.10.2016 durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zweifach die OPS-Ziff. 8-148.0 (Therapeutische Drainage von andere Organen und Geweben: Peritonealraum) und forderte von der Beklagten mit Rechnung vom 16.11.2016 die Fallpauschale DRG F21C (Andere OR-Prozeduren bei Kreislauferkrankungen, ohne hochkomplexen Eingriff, ohne komplexen Eingriff mit bestimmtem Eingriff) in Höhe von 6.259,94 €. Die Beklagte überwies den Rechnungsbetrag, schaltete aber dennoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hessen (MDK) ein. Der Arzt des MDK vertrat - nach Einsicht in die Patientenakte - die Auffassung, dass zweimal eine therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle erfolgt sei, sodass die OPS 8-153 (Therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle) zweifach zu kodieren sei. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2017 das Ergebnis ihrer Begutachtung mit; infolge der Kodierung der OPS 8-153 sei die DRG F62B einschlägig; hieraus resultiere ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2.199,96 €, welchen sie gegen andere Forderungen der Klägerin aufrechne. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 19.06.2017 einer Aufrechnung. Es sei eine wiederholte Drainage und keine Punktion erfolgt. 

Die Klägerin hat am 07.08.2017 bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und die Auffassung vertreten, dass die Prozedur OPS 8-148.0 zutreffend kodiert sei. Sowohl am 21.10.2016 als auch am 26.10.2016 sei eine Aszitespunktion mit Einlage einer Drainage erfolgt. Entgegen der Ansicht des MDK sei eine therapeutische Drainage durchgeführt worden und nicht lediglich eine therapeutische Punktion. Eine zeitliche Abgrenzung von Punktion und Drainage im Sinne der Dauer des Abflusses sei grundsätzlich nicht möglich und auch nicht vom Wortlaut des OPS-Schlüssels vorgesehen. Punktionen seien von temporären oder permanenten Drainagen zu unterscheiden. Eine Punktion liege nur vor, sofern das technische System während des Arzt-Patienten-Kontaktes, in dem das System in den Körper eingebracht worden sei, auch wieder entfernt werde. Andernfalls handele es sich um eine Drainage. Eine therapeutische Drainage sei eine therapeutische Ableitung einer pathologischen Ansammlung von Flüssigkeit oder Gas. Die Beklagte hat bestritten, dass eine therapeutische Drainage im Wortsinne verwendet worden sei. Es sei genau abzugrenzen, ob lediglich Flüssigkeit abgelassen wurde oder tatsächlich eine Drainage im therapeutischen Sinne stattgefunden habe. Bereits die kurzen Verwendungszeiten von jeweils maximal zwei Stunden würden gegen eine therapeutische Drainage und für ein bloßes Ablassen im Sinne einer Punktion sprechen. Es sei zu klären, ob tatsächlich ein Drainagesystem mit der Wirkweise einer Drainage zwischen dem Ort der Ansammlung und dem Auffangort erfolgt sei. Die Klägerin sei in der Patientenakte selbst von der Durchführung einer Aszitespunktion und nicht einer -drainage ausgegangen. Sofern die Klägerin in ihrer Patientenakte das Wort „Drainage“ verwende, so sei entweder das Wort „Punktion“ nachträglich in „Drainage“ geändert worden oder es ergäbe sich aus einer einmaligen Verwendung des Wortes „Drainage“ nicht, ob tatsächlich eine Drainage eingelegt worden sei. Die Beklagte hat ergänzend auf die Darstellung der Aszitespunktion in der S3-Leitlinie verwiesen. Danach sei auch die Ableitung größerer Flüssigkeitsmengen im Rahmen einer Punktion möglich. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 03.11.2018 die am 06.11.2018 hilfsweise erhobene Widerklage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12.08.2019 zurückgenommen.

Das Sozialgericht Darmstadt hat der Klage mit Urteil vom 12.08.2019 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.199,96 € zu zahlen. Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach Aufrechung durch die Beklagte (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, juris, Rn. 9 und 11 m.w.N.). Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch sei § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB V, dem Fallpauschalen-Katalog für das Jahr 2016 und dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und der Beklagten. Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V entstehe die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V) stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhausträgern festgelegt werde (BSGE 90, 1). Voraussetzung für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses sei, dass die Versorgung im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich gewesen und im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses erfolgt sei. Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG würden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalen-Katalog sei nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Die abzurechnende Fallpauschale ergebe sich daraus, dass die nach den bereits aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und die Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (DKR) vereinbart hätten. Die DKR und die FPV bildeten den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folge. Diese Vergütungsregelungen seien eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt sei, seien bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. Hessisches Landessozialgerichts, Urteil vom 21.08.2014, Az. L 8 KR 128/13). Nach den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben und der FPV griffen das in der § 1 Abs. 6 FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm (Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Die FPV und die DKR bildeten dabei nämlich nicht ein System von Pauschalen im Sinne einer Gebührenordnung mit Geldwerten oder Punktwerten. Vielmehr umschreibe der vereinbarte Fallpauschalen-Katalog lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen und weitere Angaben wie zum Beispiel zur Verweildauer, die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig seien. Die textliche Bezeichnung beschreibe lediglich die verschlüsselte Position, umreiße aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position abzurechnen sei, ergebe sich aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Für die Art und Weise der Dateneingabe sähen die FPV und die DKR konkrete Vorgaben vor. So enthalte die FPV 2016 Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen. Die DKR 2016 regelten Kodieranweisungen. Der Grouper greife dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart seien oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergäben. Zu letzteren gehörten die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel als solche (OPS) (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Vergütungsregelungen seien dabei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen blieben außer Betracht (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 30.07.2019, Az.: B 1 KR 11/19 R – juris – Rn. 12). 

Ausgehend von dem Wortlaut der hier gegenüberstehenden Prozeduren komme es für die Abgrenzung von Drainage und Punktion nicht auf die Dauer der Verwendung an. Eine solche Abgrenzung beider Prozeduren lasse sich ihrem Wortlaut nicht entnehmen. Vielmehr sei das erkennende Gericht der Auffassung, dass hinsichtlich des Vorliegens einer Punktion oder einer Drainage es entscheidend darauf ankomme, ob das technische System während des Arzt-Patienten-Kontakts oder erst nach dessen Abschluss entfernt werde. Vorliegend sei ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Patientendokumentation vom 21.10.2016 und 26.10.2016 erkennbar, dass bei beiden Behandlungen die Versicherte zunächst punktiert, im Anschluss eine Drainage gelegt und diese dann durch eine Pflegekraft entfernt worden sei. Insofern handele es sich bei dem technischen System um eine Drainage und nicht um eine Punktion. Sofern dieser Abgrenzung entgegengehalten werde, dass diese sich ebenfalls nicht aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen Prozeduren ergebe, sei ergänzend auf die Bedeutung der Wörter „Drainage“ und „Punktion“ einzugehen. Eine Drainage stelle eine therapeutische Ableitung einer pathologischen Flüssigkeitsansammlung dar. Dabei werde ein Drain als geschlossenes, halbgeschlossenes oder offenes System mit und ohne Sog angelegt (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage, Seite 420). Eine Punktion bezeichne dagegen einen Einstich einer Hohlnadel oder eines Trokars in (Blut-)Gefäße, physiologische oder pathologische Körperhohlräume, Hohlorgane, parenchymatöse Organe oder Tumoren zur Entnahme von Flüssigkeiten bzw. Geweben oder zur Einbringung von Diagnostika oder Therapeutika (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage, S. 1514). Es komme somit nach der Bedeutung beider Wörter ergänzend darauf an, wie die Flüssigkeit entnommen werde, nämlich durch ein weiteres technisches System oder durch eine Hohlnadel. Ausweislich der vorgelegten Befunddokumentation sei bei beiden Behandlungen eine Drainage gelegt worden, sodass die Flüssigkeit nicht über die Hohlnadel, sondern durch ein weiteres technisches System – nämlich den sogenannten Drain – entnommen worden sei. Auch vor diesem Hintergrund liege eine Drainage und keine Punktion vor, sodass die Kodierung seitens der Klägerin zu Recht erfolgt sei. Sowohl nach der Abgrenzung danach, wer das technische System entferne, als auch nach der Bedeutung der Wörter ergebe sich offensichtlich, dass bei beiden Behandlungen seitens der Klägerin eine Drainage gelegt worden sei. Vor diesem Hintergrund habe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten bestanden, sodass die Aufrechnung zu Unrecht erfolgt sei.

Die Beklagte hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 12.09.2019 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12.08.2019 am 13.09.2019 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das Sozialgericht greife in seiner Argumentation auf die Kodierempfehlung Nr. 596 des Fachausschusses für ordnungsgemäße Kodierung (FoKa) der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling e.V. (DGfM eV) zurück. Danach erfolge die Abgrenzung zwischen Punktion und Drainage ohne eine nachvollziehbare Begründung lediglich anhand der Frage, ob das technische System während des Arzt-Patientenkontakts in den Körper eingebracht und auch wieder entfernt werde. Dies sei jedoch kein objektivierbares, geschweige denn ein überprüfbares Abgrenzungskriterium. Zudem würden alle therapeutischen Punktionen auf diese Weise automatisch zu Drainagen. Zu berücksichtigen sei vielmehr, welche technischen Systeme eine „Aszitespunktion“ umfassten. Bei der therapeutischen Aszitespunktion werde der Erguss durch die Bauchdecke mittels Verweilkanülen, 17-G-Kanülen, Pigtailkatheter oder auch Punktionskanülen mit mehreren Seitenlöchern punktiert und abgelassen; es werde insoweit auf die S3-Leitlinie „Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom“ verwiesen. In einem Aufsatz von Brauckmann u.a. „Parazentese - Peritonealpunktion - Aszitespunktion: Schritt für Schritt“ (Intensivmedizin up2date 2017, 355-362) werde beschrieben, dass auch im Rahmen der therapeutischen Punktion ein Ablaufsystem zum Sammeln von Flüssigkeit an die Kanüle in Form eines „Drainagebeutels“ angeschlossen werden könne - nichtsdestotrotz handele es sich dabei um eine Punktion; eine Punktion sei gerade nicht auf eine Hohlnadel begrenzt, sondern umfasse weitere technische Systeme wie eine Kanüle und einen Abflussbeutel. Demzufolge sei vorliegend die Aszitespunktion mit einem Abflusssystem zur Ermittlung der Menge mit dem OPS-Code 8-153 vollständig abgebildet. Zudem verwende die Klägerin in ihrer Dokumentation selbst mehrfach den Begriff „Punktion“ bzw. „Punktat“. Entsprechend gehe sie offensichtlich auch von einer Punktion und nicht von einer Drainage aus. Nähere Anhaltspunkte zu einer Drainage (z.B. Saug- oder Schwerkraftdrainage) fehlten überdies in der Dokumentation. Die insoweit unzureichende Dokumentation gehe zu Lasten der Klägerin. Die Auffassung der Beklagten werde im Übrigen gestützt durch die gutachtliche Einschätzung des MDK. Sofern das Gericht eine hinreichende Abgrenzung zwischen Punktion und Drainage nicht treffen könne, werde die Einholung eines Gutachtens beantragt. 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12.08.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kodierung des OPS-Codes sei zu Recht erfolgt. Sowohl aufgrund der Dokumentation als auch tatsächlich habe eine Drainage vorgelegen. Eine Drainage werde zur Ableitung oder zum Absaugen krankhafter oder vermehrter Flüssigkeit oder Gase genutzt, um einen Normalzustand wiederherzustellen. Es werde zwischen Schwerkraftdrainage, Kapillardrainage oder Saugdrainage unterschieden. Allen Systemen sei gleich, dass mit einer Nadel ein Zugang zum entsprechenden Bereich eröffnet werde und sodann die Flüssigkeit entsprechend abfließe. Eine Punktion sei dagegen dadurch gekennzeichnet, dass der Mediziner ein spitzes Instrument gezielt setze und ein entsprechendes Punktat entnehme. Die Punktion sei also das kurzfristige Entnehmen von einer geringen Menge geprägt, während die Drainage durch entsprechende „Masse“ gekennzeichnet sei. Darüber hinaus stelle das Sozialgericht - angelehnt an die Auffassung des FoKa in der Empfehlung Nr. 596 - zu Recht darauf ab, dass eine Punktion nur anzunehmen sei, wenn das technische System noch während des Arzt-Patienten-Kontakts unmittelbar wieder entfernt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Patientenakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und der Entscheidung gewesen sind.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 12.08.2019 der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des seitens der Beklagten aufgerechneten Betrages in Höhe von 2.199,96 €.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe; diese berücksichtigen die zutreffenden Rechtsgrundlagen, sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte umfassend.

Ergänzend ist anzumerken: 

Die hier streitigen Prozeduren OPS 8.148.0 (Therapeutische Drainage von anderen Organen und Geweben - Peritonealraum) und OPS 8-153 (Therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle) sind im 8. Kapitel „Nichtoperative therapeutische Maßnahmen“ - Unterkapitel „Therapeutische Katheterisierung, Aspiration, Punktion und Spülung (8-14...8-17)“ des Operationen- und Prozedurenschlüssels 2016 (OPS 2016) aufgelistet und wurden zum 01.01.2005 aus dem seit 01.01.1995 bis 31.12.2004 geltenden OPS-301 (Klassifikation der Operationsschlüssel nach § 301 SGB V) wortgleich übernommen und waren bis zum hier einschlägigen OPS 2016 auch inhaltlich unverändert. 

OPS 8.148.0 findet sich im Unterabschnitt 8.14: „Andere Formen von therapeutischer Katheterisierung und Kanüleneinlage“; OPS 8-153 gehört zum Unterabschnitt 8-15 „Therapeutische Aspiration und Entleerung durch Punktion“. Die Unterabschnitte 8.14. und 8.15 sind ähnlich gegliedert und betreffen teilweise auch identische Zielorgane (z.B. 8-144 Therapeutische Drainage der Pleurahöhle / 8-152.1 Therapeutische perkutane Punktion von Organen des Thorax - Pleurahöhle; 8-147 Therapeutische Drainage von Harnorganen / 8-155 Therapeutische perkutane Punktion von Harnorganen) bzw. wie vorliegend: OPS 8.148.0 (Therapeutische Drainage von anderen Organen und Geweben - Peritonealraum) und OPS 8-153 (Therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle). 

Weder der OPS 2016 noch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 2016 sehen Definitionen einer Drainage einerseits bzw. einer Punktion andererseits vor, die zu einer Abgrenzung herangezogen werden könnten. Ebenso wenig finden sich in den DKR 2016 Abgrenzungskriterien wie z.B. Dauer des Eingriffs, Menge des Punktats, zu verwendendes Material („technisches System“), Ressourcenverbrauch oder Überwachungsumfang/-pflichten. 

Entgegen dem Vortrag der Beklagten bedarf es zur Abgrenzung zwischen den Begriffen „Drainage“ und „Punktion“ nicht der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Abgrenzung dieser Begriffe um eine einem medizinischen Gutachten nicht zugängliche Rechtsfrage, die darauf ausgerichtet ist, ob der Wortlaut der „Drainage“ in OPS 8.148.0 - in Abgrenzung zur der einer „Punktion“ in OPS 8-153 - kodierrechtlich einschränkend auszulegen ist. Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (st.Rspr., zuletzt BSG, Urteil vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R, Rn. 14).

Der Senat zieht daher zur Auslegung der Begriffe „Punktion“ und „Drainage“ die gängigen Definitionen eines allgemein gebräuchlichen medizinischen Nachschlagewerkes heran. Im Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch (online-Version 2020, abgerufen am 22.09.2020) finden sich im Zusammenhang mit den hier streitigen Prozeduren folgende Definitionen:

„Drainage“ das therapeutische Ableiten einer pathologischen Ansammlung von Flüssigkeit (Wundsekret, Blut, Eiter, Galle, Pankreassekret, Liquor, Lymphe) oder von Gas. Die Einlage eines Drains (Latex-, Silicondrain, Gaze) erfolgt dabei als geschlossenes, halbgeschlossenes oder offenes System mit und ohne Sog.

Ein „Katheter“ ist Röhren- oder schlauchförmiges, starres oder flexibles Instrument zum Einführen in Hohlorgane, Gefäße oder präformierte Körperhöhlen zur Drainage, Spülung, Probengewinnung, Untersuchung sowie Messung und Überwachung von Körperfunktionen und Therapien. Angewendet werden neben Einmalkathetern auch Verweilkatheter (syn. Dauerkatheter) mit einer Liegedauer von mehreren Tagen bis Wochen.

Ein „Drain“ ist ein Gummi- oder Glasröhrchen zur Durchführung einer Drainage.

Eine „Kanüle“ ist eine Hohlnadel zur Injektion von Flüssigkeiten (z. B. Injektionskanüle) oder Entnahme von Körperflüssigkeiten (z. B. Venenpunktionskanüle), erhältlich in unterschiedlichen Stärken (Außendurchmesser in Gauge) und Längen sowie mit unterschiedlich abgeschrägten Spitzen.

Eine „Punktion“ ist der Einstich einer Hohlnadel oder eines Trokars in (Blut-) Gefäße, physiologische oder pathologische Körperhohlräume, Hohlorgane, parenchymatöse Organe oder in Tumoren zur Entnahme von Flüssigkeiten“. Indikationen sind die Entnahme von Körperflüssigkeiten zu diagnostischen Zwecken, z. B. Blutentnahme (Venenpunktion, Arterienpunktion), Liquorpunktion, Blasenpunktion und Aszitespunktion, von Körperflüssigkeiten zu therapeutischen Zwecken, z. B. zur Druckentlastung bei Lumbal- oder Aszitespunktion, von Geweben zu diagnostischen Zwecken, z. B. Biopsie bei Tumorverdacht, Knochenmarkspunktion zur Diagnostik der Blutbildung und von Erkrankungen des Knochenmarks, Einbringen von Diagnostika, z. B. Röntgenkontrastmittel, Therapeutika, z. B. Injektion oder Infusion von Arzneimitteln oder das Legen von Kathetern.

Ein „Trokar“ ist in einer Hülse steckender, runder, konisch zulaufender Dorn aus Stahl oder Kunststoff. Er wird verwendet in der minimal-invasiven Chirurgie, um scharf oder stumpf Zugang zu einer Körperhöhle wie Brust- oder Bauchraum zu erlangen. Die Hülse hält anschließend den Zugang offen.

Unter „Aspiration“ versteht man u.a. auch das Ansaugen von Gasen oder Flüssigkeiten, beispielsweise mittels einer Injektionsspritze.

„Punktat“ ist die durch Punktion gewonnene Körperflüssigkeit. Es können der Liquorraum (Liquorpunktion), die Pleura (Pleurapunktion), das Perikard (Perikardpunktion), die Bauch­höhle (Aszitespunktion), Gelenke und Abszesse punktiert werden. Indikationen zur Punktatgewinnung sind u. a. die Differenzialdiagnose und mikrobiologische Abklärung entzündlicher Prozesse wie Enzephalitis, Meningitis, Peritonitis, Pleuritis, Perikarditis oder Arthritis.

„Aszites“ ist die Ansammlung von freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle aufgrund einer Störung des Gleichgewichts zwischen portalvenösem Druck und Lymphproduktion einerseits und Lymphabstrom und kolloidosmotischem Druck andererseits. Therapeutische Maßnahmen richten sich nach der Grunderkrankung.

Eine „Aszitespunktion“ (syn. Peritonealpunktion) ist eine Punktion zur Entleerung von Flüssigkeit aus der Bauchhöhle mit einer Kanüle oder einem Trokar.

Eine therapeutische Drainage von Aszites aus der Bauchhöhle erfordert gemäß diesen Definitionen der im Zusammenhang mit den hier einschlägigen Abschnittüberschriften und OPS-Codes verwendeten Fachbegriffe die Einlage eines Drains, d.h. eines Katheters, der in den Bauchraum eingeführt wird, um die Körperflüssigkeit abzuleiten. Dabei setzt die Drainage voraus, dass - perkutan - mittels Hohlnadel (oder Trokar) in die Bauchhöhle hineingestochen, d.h. diese punktiert wird, um einen Katheter/Drain zu legen. Hingegen erfolgt bei einer Aszitespunktion die Druckentlastung direkt über die zur Punktion verwendete Kanüle bzw. den verwendeten Trokar und nicht über einen zusätzlich gelegten Katheter/Drain. In der Überschrift zu Unterabschnitt 8-15 heißt es hierzu auch: „… Entleerung durch Punktion“ während in der Überschrift zum Unterabschnitt 8-14 von „Katheterisierung“ die Rede ist. 

Anhand dieser Definitionen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin über eine Punktion der Bauchhöhle hinaus auch eine Drainage gelegt hat. In der Patientendokumentation ist sowohl für den 21.10.2016 als auch für den 26.10.2016 vermerkt: „Unter sonografischer Kontrolle Markierung der Punktionsstelle am Abdomen rechts. Nach Hautdesinfektion Einlage einer Drainage. Es fließt bernsteinfarbener klarer Aszites ab.“ Die Drainage lag jeweils knapp 2 Stunden; es wurde 3l bzw. 5l Aszites (Punktat) aufgefangen. Der Abfluss des Aszites erfolgte mithin nicht direkt über die zur Punktion verwendete Hohlnadel, sondern über einen Katheter/Drainageschlauch, der zuvor mittels einer Punktion eingebracht wurde. Die Voraussetzungen der Kodierung der OPS 8-148.0 sind daher erfüllt. 

Diese Beurteilung stimmt im Ergebnis auch mit der Einschätzung des FoKa der DGfM eV in der Anfrage Nr. 0136 (21.10.2015) bzw. der Kodierempfehlung Nr. 596 (10.9.2019) überein: Wenn das technische System noch während des Arzt-Patientenkontakts, in dem das System in den Körper eingebracht wurde, wieder entfernt wird, handelt es sich um eine Punktion. In allen anderen Fällen handelt es sich um eine Drainage. Auf die entsprechenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil wird verwiesen. 

Nach Auffassung des Senats bestehen keine Zweifel an einer ausreichenden Dokumentation der Drainage. Besondere Dokumentationspflichten (z.B. Überwachungsprotokoll, Art der Fixation, Art des Drainagesystems) werden weder im OPS 2016 noch in den DKR 2016 vorausgesetzt. Die insoweit vom MDK in der SEG 4-Kodierempfehlung Nr. 596 vom 26.06.2019 formulierten Dokumentationspflichten sind weder bindend in den DKR vereinbart noch wären sie zeitlich auf den hier zugrundeliegenden Behandlungsfall aus 2016 anwendbar. Auch dass die Klägerin in ihrer Dokumentation nachfolgend mehrfach die Begriffe „Punktion“ bzw. „Punktat“ verwendet hat, steht der Tatsache nicht entgegen, dass eine für die Kodierung der Prozedur 8-148.0 erforderliche Drainage gelegt wurde. 

Aus den von der Beklagten zitierten Veröffentlichungen zur Durchführung einer Aszitespunktion (S3-Leitlinie „Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom“ I.3.: Technik, Komplikationen und Kontraindikationen der Aszitespunktion“; Brauckmann u.a. „Parazentese - Peritonealpunktion - Aszitespunktion: Schritt für Schritt“, <Intensivmedizin up2date 2017, 355-362>) ergibt sich keine andere Beurteilung. Auch wenn Brauckmann u.a. beschreiben, dass an die Punktionsnadel ein Drainageschlauch angeschlossen wird, stellt dies gerade nicht das „Einlegen eines Drains“, der die Kodierung der OPS 8-148.0 rechtfertigt, dar. 

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz <KHG>; s ferner § 17 Abs 7 S 1 Nr 1 und 2 KHG) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist. Deswegen sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; BSG, Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27). Kommt eine Einigung nicht zustande oder besteht ein Fortentwicklungsbedarf, ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Regelungen zu treffen (§ 17 Abs. 7 S 1 KHG). Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS. Der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene OPS wird erst durch die jährlich abgeschlossene Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Vergütungssystem verbindlich (vgl. dazu BSG, Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 23 f). Namentlich durch die in die FPV einbezogenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ist es den Vertragsparteien möglich, die erlöswirksame Kodierung des OPS zu steuern (BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 – B 1 KR 65/11 B –, SozR 4-1500 § 160a Nr 32, Rn. 11 - 12). Den Beteiligten ist es daher unbenommen, über die Deutsche Krankenhausgesellschaft bzw. den Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine entsprechende Änderung der DKR anzuregen.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§ 52 Abs. 1 und 3, § 47 GKG).

Rechtskraft
Aus
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