L 9 U 3232/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1210/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3232/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 20.06.2014 als Arbeitsunfall streitig.

Die 1983 geborene Klägerin war im Zeitpunkt des fraglichen Ereignisses als Flugbegleiterin bei der A. GmbH, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, beschäftigt und am 20.06.2014 auf Flug xxx (Registrierungsnummer xxx) von B. nach C. und zurück an Bord einer Boeing 737-800 eingesetzt.

Die Klägerin gibt in der Unfallanzeige vom 28.06.2014 an, bereits auf dem Hinflug gegen 16:30 Uhr unter einem „dumpfen Kopf“ und Druck auf den Ohren gelitten zu haben. Auf dem Rückflug im Anschluss gegen 18:20 Uhr hätten sich die Symptome deutlich verschlimmert und es seien weitere Beschwerden, wie Brennen und Tränen der Augen, Taubheitsgefühl unter den Augen, stechende Schmerzen im Stirnbereich, Benommenheit, Kribbeln in Händen und Unterarmen, verlangsamte Reaktion und Motorik im Gesicht, ein dumpfes Gefühl „wie in Watte gepackt“ von Gesicht und Nacken, Zuschwellen von Nase und Nasennebenhöhlen, ein roter und heißer Kopf sowie ein allgemeines Hitzegefühl, Sprachstörungen (Lallen), Müdigkeit und Schwäche, Gedächtnis und Gleichgewichtsstörungen hinzugekommen. Sie habe sich nicht mehr in der Lage gefühlt, richtige und wichtige Entscheidungen zu treffen, die Situation richtig einzuschätzen und ihre Arbeit ordentlich zu erledigen.

Als weitere Flugbegleiter waren auf dem Flug D., E. und F. eingesetzt, wobei Herr D. wie die Klägerin selbst auf Position 3 eingesetzt war. Sowohl Frau E. als auch Herr D. berichteten, bei ihnen seien zur selben Zeit gleichartige Symptome wie bei der Klägerin aufgetreten. Frau F. berichtete, als Chef de Cabin im vorderen Bereich tätig gewesen zu sein und lediglich auf dem Rückflug unter leichten Kopfschmerzen gelitten zu haben. Sie sei über die Beschwerden im hinteren Bereich des Flugzeugs aber von den dort betroffenen Kollegen informiert worden.

Die Klägerin und Herr D. wurden nach der Landung in B. von Sanitätern versorgt, anschließend in die G.-Klinik G. transportiert und dort bis zum Folgetag stationär aufgenommen. Im Durchgangsarztbericht vom 30.06.2014 wurde folgender Befund festgehalten: „In der ersten Kontrolle in unsere Notaufnahme Alkalose und erniedrigtes CO2, passend zu einer Hyperventilation. Pat. wach, orientiert und ansprechbar. Pupillenreaktion auf Licht und Konvergenz prompt und seitengleich. Herz: Herztöne rein, rhythmisch, keine Nebengeräusche; Lunge: vestikuläres Atemgeräusch bds., keine Rasselgeräusche, keine Spastik; Abdomen: Bauchdecke weich, Darmgeräusche über allen 4 Quadranten regelrecht, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung. Laborchemisch bestand initial eine leichte Alkalose; Urinstatus mit Leukozyturie und Erythozyturie.“ Am 21.06.2014 wurde die Klägerin wegen fortbestehender Kopfschmerzen und einem deutlichen Außenschielen des linken Auges konsiliarisch ohne richtungsweisenden Befund in der neurologischen Klinik Esslingen untersucht. Die behandelnden Ärzte der G.-Klinik gingen auch im Zwischenbericht vom 21.06.2014 von einer unklaren Geruchsexposition bzw. einem sog. „Fume Event“ (Inhalationstrauma unbekannter Genese) aus, teilten die erhobenen Laborbefunde mit und empfahlen eine weitere betriebsärztliche Betreuung sowie Abstimmung mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger.

Später wurde die Klägerin wegen fortbestehender Beschwerden u.a. durch den Orthopäden H., I.(am 25.06.2014), dem Facharzt für Allgemeinmedizin J., (am 01.07.2014) und K., (am 26.08.2014), ihren Hausarzt, den Allgemeinmediziner L., (seit 01.07.2014), stationär durch den Allgemeinmediziner M., (vom 01.10.2014 bis 10.10.2014), den Allgemein- und Flugmediziner N.,(wiederholt ab 03.11.2014) sowie seit Dezember 2015 durch die Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizinerin PD O., untersucht und behandelt. Vom 22.02.2016 bis 04.04.2016 war die Klägerin zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der P. Klinik am P., und wurde dort mit den Diagnosen Erschöpfungssyndrom, somatoforme autonome Funktionsstörung (mehrere Organe und Systeme), akzidentielle inhalative Intoxikation im Sinne eines Fume Events mit konsekutiven Symptomen, Atlasblockade mit Nystagmus, Spannungskopfschmerzen und geringe Myopie arbeitsunfähig mit der Empfehlung einer befristeten Berentung wegen Erwerbsminderung entlassen (Entlassungsbericht vom 14.04.2016).

Die technische Aufsichtsperson der Beklagten, Herr Q., berichtete unter dem 24.07.2014, Verstöße gegen Vorschriften seien als Ursache des Geschehens nicht nachweisbar. Es sei absolut unklar, was sich während des Fluges ereignet habe. Unter dem 12.09.2014 legte die Hauptabteilung Gesundheitsschutz der Beklagten u.a. den „Analysebericht 2014 1776“ über am 21.06.2014 in dem vom fraglichen Ereignis betroffenen Verkehrsflugzeug vorgenommene Wischproben vor. Danach wurde „in Spuren“ Tributylphosphat (TBP) nachgewiesen, eine quantitative Bestimmung sei nicht erfolgt. Die Analyse sei seitens des IFA Labors nicht mittels Standardverfahren erfolgt. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter der IFA sei von einer Konzentration unter der Bestimmungsgrenze des Ursprungsverfahrens auszugehen.

Mit Bescheid vom 15.09.2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.06.2014 als Arbeitsunfall ab. Voraussetzung hierfür sei, dass ein Versicherter infolge seiner versicherten Tätigkeit einem von außen auf seinen Körper einwirkenden Ereignis ausgesetzt werde, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führe. Die Einwirkung auf den Körper des Versicherten müsse voll bewiesen sein. Auch müsse hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Gesundheitsschaden auf das einwirkende Ereignis zurückzuführen sei. Dies sei hier nicht der Fall. Die physischen Bestandteile, die am Tag des Ereignisses den Geruch verursacht haben sollen, hätten nicht identifiziert werden können. Dies insbesondere auch deshalb, weil nach Untersuchungen an dem genutzten Luftfahrzeug keinerlei technische Mängel festzustellen gewesen seien. Der Zusammenhang zwischen der fraglichen Inhalation unbekannter Gase am 20.06.2014 und den bei der Klägerin aufgetretenen Gesundheitsschäden (Beschwerden im Kopf- und Nackenbereich, Kribbeln in beiden Händen, Fingern sowie Unterarmen) ließen sich somit nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Ein auf das Ereignis vom 20.06.2014 zurückzuführender Gesundheitsschaden liege somit nicht vor.

Den nicht näher begründeten Widerspruch der Klägerin vom 30.09.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2015 zurück. Sowohl in der Unfallanzeige des Arbeitgebers als auch in den ärztlichen Berichten über die Erstbehandlung würden Beschreibungen von Symptomen vorgenommen, die im Verlauf des Hin- und Rückfluges nach Griechenland aufgetreten seien. Eine etwaige Schilderung zu einer konkreten, bewusst wahrgenommenen äußeren Einwirkung sei hingegen nicht erfolgt. Aufgrund der geklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen sei das Flugzeug nach der Landung außer Dienst genommen und technisch untersucht worden. Etwaige technische Mängel hätten hierbei nicht festgestellt werden können. Um etwaige Gefahrenstoffe nachzuweisen, seien in der Kabine Wischproben von den Oberflächen des Innenraums genommen und analysiert worden. Relevante Gefahrstoffkonzentrationen hätten dabei ebenfalls nicht erhoben werden können. Im Ergebnis des Feststellungsverfahrens lasse sich nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellen, dass die Klägerin innerhalb ihrer Arbeitsschicht/des Fluges am 20.06.2014 einem konkreten Schadstoff oder einer konkreten Kombination von Schadstoffen ausgesetzt gewesen sei. Ein Kontakt mit toxisch wirkenden Stoffen in gesundheitsgefährdendem Ausmaß habe nicht nachgewiesen werden können.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.03.2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten sei nachgewiesen, dass es auf dem Flug am 20.06.2014 zu einem sog. aerotoxischen Syndrom bzw. Fume Event und damit einem Unfallereignis gekommen sei. Bei einem solchen komme es aufgrund der Konstruktion nahezu aller seit den 1960er Jahren neu konstruierten Verkehrsflugzeuge – ohne dass es eines konkreten Defekts bedürfte – zur Verunreinigung der Atemluft im Kabineninnenraum. Denn diese werde vom Belüftungssystem dieser Flugzeugtypen zum Teil gewonnen, indem Luft aus den Flugzeugturbinen abgezapft werde (sog. Zapfluft oder Bleed air). Diese Anzapfluft könne mit verschiedenen Betriebsstoffen des Triebwerks kontaminiert werden, u.a. mit dem als Kühl- und Schmiermittel verwendeten Tributylphosphat, aber auch mehr als zweihundert anderen Substanzen. Vorliegend hätten Wischproben sogar noch einen Tag nach dem Unfallereignis Spuren von Tributylphosphat erbracht, was umso erstaunlicher sei, da die Wischproben eigentlich sofort nach der Landung mit geschlossenen Türen erfolgen müssten, um zu verhindern, dass sich die Gase durch das Eindringen von Sauerstoff verflüchtigen. Die verspätete Probeentnahme könne ebenso wenig zulasten der Klägerin gehen wie der Verzicht auf eine quantitative Bestimmung oder Analyse mittels Standardverfahren. Der Eintritt des Fume Events werde weiter durch die übereinstimmenden Beschwerden mehrerer zuvor völlig beschwerdefreier Flugteilnehmer bestätigt.

Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme Herrn D., Frau E. und Frau F. schriftlich als Zeugen gehört. Wegen ihrer Aussagen im Einzelnen wird auf Bl. 52/54, 55/56 und 58/60 Bezug genommen.

Außerdem hat es schriftliche Auskünfte der sachverständigen Zeugen J., K., M., L. und N. eingeholt und PD O. als sachverständige Zeugin gehört. Der Facharzt für Allgemeinmedizin J. hat unter dem 27.09.2016 angegeben, die Klägerin einmalig, am 01.07.2014 hausärztlich behandelt zu haben. Er habe einen viralen Infekt, einen Coxsackie-Infekt und eine TSP-Belastung diagnostiziert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin K. hat am 26.09.2016 angegeben, die Klägerin habe sich einmalig am 26.08.2014 wegen imperativen Stuhlgangs, Appetitlosigkeit und der toxischen Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches (Fume Event T.59.8 G) in seiner Behandlung befunden. Der Arzt für Allgemeinmedizin M. hat in seiner Aussage vom 29.09.2016 ausgeführt, die Klägerin habe sich vom 01.10. bis 10.10.2014 in seiner Behandlung befunden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in seinem Haus habe die Klägerin über ein Engegefühl im Hals mit Erstickungsängsten geklagt. Kopfschmerzen seien nur noch in Schüben und nicht mehr so migräneartig aufgetreten. Er habe den Verdacht auf ein abgelaufenes aerotoxisches Syndrom, eine mittelgradige Reizdarmsymptomatik mit Gärungsdyspepsie, einen Hartspann der Rückenmuskulatur und einen allgemeinen leichtgradigen Erschöpfungszustand diagnostiziert. In dem beigefügten ärztlichen Abschlussbericht vom 08.10.2014 führte er aus, aufgrund der aufgetretenen Beschwerdesymptomatik, die gleichzeitig mehrere Personen betroffen habe, handle es sich bei dem Krankheitsbild um den klassischen Fall eines aerotoxischen Syndroms, hervorgerufen durch neurotoxische Gase in der klimatisierten Atemluft des Flugzeugs. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat unter dem 17.10.2016 berichtet, die Klägerin seit 01.07.2014 wegen der Diagnosen aerotoxisches Syndrom von Gasen und Dämpfen, aerotoxisches Syndrom mit erheblichen vegetativen Störungen, Nystagmus links, Sehschwäche, Migräne, Ermüdung, Atlasblockade, Lymphstau, Taumel und Übelkeit und Reizdarm zu behandeln. Trotz umfangreicher Maßnahmen habe keine Besserung erreicht werden können, weshalb eine Erwerbsminderungsrente beantragt worden sei. Seit dem 26.07.2016 sei Fluguntauglichkeit festgestellt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Flugmedizin N. hat in seiner Auskunft vom 01.11.2016 mitgeteilt, die Klägerin habe sich am 03.11.2014 und am 26.07.2016 jeweils zur Flugtauglichkeitsuntersuchung sowie am 09.02.2015 wegen Cephalgie, am 02.03.2015 wegen Übelkeit und am 05.03.2015 wegen eines Harnweginfekts vorgestellt. Am 03.11.2014 sei die Beurteilung „fit to fly“ erfolgt, nachdem die Klägerin über eine Besserung der Symptome nach dem Ereignis vom 20.06.2014 berichtet habe. Am 26.07.2016 sei vorzeitig eine Tauglichkeitsuntersuchung erfolgt; er habe ab sofort und auf Dauer die Klägerin als fluguntauglich beurteilt aufgrund persistierender körperlicher Schädigungen nach Fume Event im Flug vom 20.06.2014. In der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2017 hat das SG O. als Zeugin gehört; wegen ihrer Aussage wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Mit Urteil vom 13.06.2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 20.06.2014 ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin sei unstreitig aus der Beschäftigung als Flugbegleiterin beschäftigt gewesen. Nach Überzeugung des SG sei es auch zu einem Unfallereignis, also einer äußeren Einwirkung auf den Körper der Klägerin mit der Folge eines Gesundheitsschadens gekommen. Durch das Gesamtergebnis der Ermittlungen seien mehrere Indizien nachgewiesen, die auf eine äußere Einwirkung auf den Körper der Klägerin in Form der Inhalation gesundheitsschädigender Substanzen während des Flugs am 20.06.2014 hindeuteten. Jedes einzelne dieser Indizien würde zwar – isoliert betrachtet – lediglich die Möglichkeit, ggf. auch die Wahrscheinlichkeit eines gesundheitsschädigenden Unfallereignisses begründen, aufgrund der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der Vielzahl dieser Indizien bei gleichzeitigem Fehlen jeglicher plausibler anderer Erklärung für denen Zusammentreffen, stehe jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin bei dem verfahrensgegenständlichen Ereignis einer äußeren Einwirkung ausgesetzt gewesen sei und hierdurch einen Gesundheitsschaden erlitten habe. Die Annahme eines Sachverhalts, bei dem es ohne äußere Einwirkung oder Gesundheitsschaden oder Kausalität zwischen dem einen und dem anderen gleichwohl zu den nachgewiesenen Indizien gekommen wäre, wäre dagegen rein spekulativ. Bei den nachgewiesenen Indizien handle es sich um die folgenden: allgemein werde bereits seit den 1950er Jahren in großer Anzahl über sog. „Fume Events“ in Verkehrsflugzeugen berichtet. Dabei handle es sich um Ereignisse, bei denen während eines Fluges beim fliegenden Personal oder bei Passagieren – nur manchmal nach vorangegangenem Auftreten von ungewöhnlichem Geruch oder sichtbaren Verunreinigungen der Kabinenluft – plötzlich bestimmte Beschwerden und Symptome auftreten, die teils als „Aerotoxisches Syndrom“ bezeichnet werden (vgl. etwa Die Welt vom 16.02.2016 „Aerotoxisches Syndrom – wenn giftige Dämpfe durch das Flugzeug wabern“, www.welt.de /152291856, abgerufen am 27.07.2017; taz- die tageszeitung vom 27./28.05.2017 „So kommt die Luft ins Flugzeug – Ungefiltert angezapft“). Die Beklagte selbst gebe an, sich seit 2009 intensiv mit derartigen Ereignissen zu beschäftigen und berichte für die Jahre 2013 bis 2016 von mehreren Hundert angezeigten Vorfällen jährlich. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) habe in einer Studie im Zeitraum von 2006 bis 2013 bei deutschen Fluggesellschaften 663 Fälle erfasst. Als naheliegende technische Erklärung gelte dabei eine Verunreinigung der Atemluft in der Kabine durch den Eintrag von Betriebsstoffen der Flugzeugtriebwerke oder ihrer Zersetzungsprodukte. Hierzu könne es dadurch kommen, dass die Belüftungssysteme praktisch aller modernen Verkehrsflugzeuge während des Flugs aus der von den Triebwerken angesaugten und verdichteten Druckluft sog. Zapfluft oder Bleed Air gewinnen, um damit – vermengt mit gefilterter Kabinenluft – die in Belüftungszonen unterteilte Flugzeugkabine mit Frischluft zu versorgen. Zwar seien bislang die Einzelheiten der angenommenen Verunreinigungen der Kabinenluft weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht abschließend erforscht, ebenso wenig handle es sich beim „Aerotoxischen Syndrom“ selbst um eine fest definierte und in die gängigen Diagnosesysteme aufgenommene Diagnose. International und auch in der Bundesrepublik Deutschland seien aber eine Vielzahl von Erkrankungsfällen nach sog. „Fume Events“ dokumentiert und dabei typische spezifische Beschwerden und Symptome sowie typische objektivierbare körperliche Veränderungen beschrieben worden. Allein in der Spezialambulanz für Fume Events der Universitätsmedizin Göttingen, an der PD O. wirke, seien diesbezüglich bereits mehrere hundert Personen untersucht und behandelt worden (Fliegendes Personal und Passagiere, vgl. taz – die tageszeitung, a.a.O.).

Die Klägerin habe den Ausführungen der PD O. zufolge in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem konkret streitbefangenen Ereignis spezifische Beschwerden und Symptome entwickelt, wie sie typischerweise auch bei anderen Betroffenen von Fume Events auftraten. Bei der Klägerin seien darüber hinaus in der Universitätsmedizin Göttingen messbare funktionelle Einschränkungen und objektivierbare physiologische Veränderungen auf mehreren medizinischen Fachgebieten (lungenfachärztlich, neurologisch, augenfachärztlich) festgestellt worden, die ebenfalls für die Betroffenen derartiger Ereignisse typisch seien und die zumindest teilweise geeignet seien, die Beschwerden und Symptome hinreichend zu erklären. Bei der Klägerin hätten ebenso wenig wie bei anderen Betroffenen für die Beschwerden und von der Norm abweichenden Befunde konkurrierende Ursachen festgestellt werden können; auch handle es sich laut O. insbesondere bei den messbaren funktionellen Einschränkungen um Befunde, die zwar typischerweise bei den Betroffenen von Fume Events gehäuft auftreten, ansonsten aber bei jungen Erwachsenen im typischen Alter des Flugbegleitpersonals, aber auch z.B. bei Pilotenanwärtern ohne erlittenes Fume Event, nicht bzw. nicht vermehrt festgestellt würden.

Außer der Klägerin hätten auch andere Besatzungsmitglieder des betroffenen Fluges unmittelbar nach dem verfahrensgegenständlichen Ereignis fume-event-typische Beschwerden und Symptome entwickelt und es seien teilweise korrespondierende objektive Befunde erhoben worden. Nachgewiesen sei dies für die drei anderen Angehörigen des insgesamt vier Personen zählenden Kabinenpersonals; möglicherweise seien auch die beiden Piloten betroffen gewesen. Von besonderer Bedeutung sei, dass die Ausprägung der Symptome und das Ausmaß der Befundveränderungen von ihrer Position innerhalb der Flugzeugkabine im Zeitpunkt des Ereignisses abhängig gewesen sei. So hätten die Klägerin und der Zeuge D., beide unmittelbar nebeneinander eingesetzt auf Position 3 nahe des Flugzeughecks, sowohl die stärksten und langanhaltendsten Beschwerden als auch die auffälligsten Befunde (z.B. respiratorische Alkalose bei der Erstuntersuchung). Die im vorderen Bereich des Flugzeugs eingesetzten Zeuginnen E. und F. hätten dagegen leichtere Beschwerden beschrieben und keine (F.) bzw. weniger ausgeprägte Erstbefunde (E.) aufgewiesen. Dies sei auch deshalb mit einem Fume Event als Ursache besonders plausibel vereinbar, da das Belüftungssystem von Verkehrsflugzeugen nicht etwa gleichmäßig der gesamten Flugzeugkabine ein identisches Luftgemisch zuführe. Das Belüftungssystem sei vielmehr in mehrere Zonen unterteilt, in denen Frischluftzufuhr und Temperatur variiert werden könnten (vgl. taz- die tageszeitung, a.a.O.). Das erkläre zwanglos, dass sich bei einem Fume Event die Intensität der äußeren Einwirkung und dementsprechend auch der hierdurch ausgelösten Beschwerden und physiologischen Veränderungen je nach Standort der betroffenen Personen in der Flugzeugkabine unterscheide. Wenn wie im vorliegenden Fall Personen, die sich in derselben Belüftungszone aufhalten – wie die Klägerin und der Zeuge D. einerseits und die Zeuginnen E. und F. andererseits – Symptome und Befundveränderungen etwa gleicher Stärke aufwiesen, mache dies in Anbetracht der belüftungstechnischen Verhältnisse ein Fume Event in besonderem Maße wahrscheinlich.

Schließlich seien mittels der im betroffenen Verkehrsflugzeug erhobenen Wischproben – obgleich erst am Folgetag des streitgegenständlichen Ereignisses und nicht mit dem Standardverfahren vorgenommen – Spuren von Tributylphosphat in der Kabine nachgewiesen. Dieser Stoff komme als Bestandteil von Hydrauliköl in Flugzeugtriebwerken vor und trete nach einer Studie des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) in Urinproben von Flugbegleitern und Piloten signifikant erhöht auf. Dies sei ein objektiver Hinweis für eine kürzlich stattgehabte Verunreinigung der Kabinenluft mit Betriebsstoffen der Triebwerke.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass bei der Klägerin und zumindest drei weiteren Besatzungsmitgliedern des betroffenen Fluges in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem angeschuldigten Ereignis Symptome aufgetreten seien, wie sie ausschließlich für Betroffene von Fume Events typisch seien, und anschließend eine ebenfalls ausschließlich für diese Personengruppe typische, den Beschwerden korrespondierende Kombination objektiver Befundveränderungen auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten nachgewiesen worden sei. Weiter hätten die Beschwerden und Befundveränderungen bei diesen vier Personen nach Intensität und qualitativ je nach Standort in der Flugzeugkabine im Zeitpunkt des Ereignisses variiert; dies sei plausibel und am ehesten damit zu erklären, dass sie durch die äußere Einwirkung von Stoffen verursacht worden seien, die durch die in Zonen unterteilte Belüftung in der Flugzeugkabine gelangt seien. Schließlich deute der Nachweis von Spuren von Tributylphosphat im Innern der Flugzeugkabine auf eine tatsächlich stattgehabte Verunreinigung der durch die Belüftungsanlage zugeführten Kabinenluft mit Triebwerksbetriebstoffen hin. Nach Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mit Fume Events sowie der Funktionsweise des Belüftungssystems von Passagierflugzeugen stehe für die Kammer außer Zweifel, dass die Klägerin am 20.06.2014 durch eine äußere Einwirkung, nämlich die Inhalation verunreinigter Kabinenluft, einen Gesundheitsschaden in Form eines Inhalationstraumas und damit einen Arbeitsunfall erlitten habe.

Gegen das ihr am 31.07.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.08.2017 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, das SG stütze sich auf Indizien, die zum einen nicht nachgewiesen, zum anderen auch im Kontext nicht ausreichend seien, um den Beweisanforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) zu genügen. Selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung sei es nicht überzeugend, dass sich die Schlussfolgerungen des SG auf hilfsweise herangezogene, fehlerhafte, abstrakt-generelle Vermutungen und Unterstellungen sowie unzureichende, ungenaue und fehlinterpretierte Indizien stütze. Für die Annahme, es sei zu einer toxischen ölbasierten Luftkontamination über die Flugzeugtriebwerke gekommen, liege kein Nachweis vor. Die Benennung eines konkreten, im Vollbeweis nachgewiesenen Giftstoffes, welcher am Ereignistag über die Atemluft auf den Körper der Klägerin eingewirkt haben solle, bleibe das SG schuldig. Ein Arbeitsunfall sei nicht eingetreten. Es gebe kein „Fume Event“, das als Arbeitsunfall gedeutet werden kann. Aus der Existenz einer Wischprobe und einer Studie des IPA könne nicht der Schluss gezogen werden, dass am 20.06.2014 auf dem Flug von Griechenland nach Deutschland um 18:20 Uhr ein „Fume Event“ stattgefunden habe. Eine akute Gefährdung durch toxische Stoffe sei nicht nachgewiesen; dies gelte sowohl für TBP als auch für TCP (Trikresylphosphate). Vorab sei anzumerken, dass es zu keinen Geruchswahrnehmungen gekommen sei. TBP sei in Hydrauliköl und TCP in Turbinenöl gebunden. Bei Freisetzung der Stoffe seien diese Öle notwendigerweise zu riechen. Nachdem von mehreren Beteiligten bestätigt worden sei, dass während des Fluges keine Gerüche aufgetreten seien, sei weder TBP noch TCP in die Flugkabine gelangt. Soweit sich das SG auf eine Wischprobe und eine IPA-Studie stütze, seien beide Indizien nicht tragfähig. Die am Folgetrag entnommenen Wischproben hätten zwar TBP enthalten, es hätten sich jedoch nur Spuren unterhalb der Bestimmungsgrenze des analytischen Verfahrens gefunden. Besonders zu betonen sei, dass mit den Wischproben – entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG – ausschließlich Schwerflüchter auf den Oberflächen der Kabine festgestellt worden seien. Diese könnten problemlos noch nach Tagen als Probe gewonnen werden. Über den Zeitpunkt, wann das in geringfügigen Mengen gefundene TBP in die Kabine gelangt sei, könne keine Aussage getroffen werden, ebenso wenig wie über die genaue Quelle. So könne z.B. das TBP auch durch Wartungspersonal in die Kabine gelangt sein. Eine am 20.06.2014 stattgefundene Verunreinigung von Kabinenluft mit TBP lasse sich allein aus dem Vorhandensein von TBP in der Wischprobe nicht ableiten, vor allem nicht der Rückschluss, es habe am 20.06.2014 eine zur Körperschädigung geeignete, hohe Konzentration vorgelegen. Die vom SG herangezogene IPA-Studie, bei der Urinproben von Flugbegleitern und Piloten nach oil-smell-Ereignissen ausgewertet worden seien, sei durch das SG fehlinterpretiert worden und keineswegs geeignet, den Verdacht auf eine TBP-Kontamination über die Atemluft bei der Klägerin zu stützen. Auch durch TCP sei keine Gefährdung eingetreten. Es scheide als Ursache für die Beschwerden der Klägerin ebenfalls aus. TCP sei in der Kabine nicht festgestellt worden. Die in Flugzeugen eingesetzten Turbinen enthielten zur Verbesserung ihrer Eigenschaften chemische Zusatzstoffe, sog. TCP (schwerflüchtig). Auch die in Flugzeugen eingesetzten Hydrauliköle seien synthetische Öle, die TCP enthalten könnten. Etliche Ermittlungen, durchgeführte Studien und Auswertungen von erhobenen Daten hätten zusammengefasst zu dem Ergebnis geführt, dass keine gesundheitsgefährdende Exposition gegenüber TCP in Flugzeugen festgestellt werden könne. Andere, im Flugzeug möglicherweise (in Spuren) auftretenden Stoffe seien beispielsweise Kohlenmonoxid oder leichtflüchtige organische Verbindungen (VOC). Unter bestimmten Bedingungen könne es zum Eindringen von Öldämpfen, Ölaerosolen oder Bestandteilen thermisch zersetzter Öle in Kabine und Cockpit kommen, sog. oil-smell-Ereignisse, welche jeweils nur kurze Zeit (in der Regel wenige Minuten) andauern. Ohne auffällige Gerüche könne jedoch kein ölbasiertes oil-smell-Ereignis auftreten. Mit Ausnahme des geruchlosen Kohlenmonoxids würden im Zusammenhang mit „Fume Events“ keine geruchlosen Verbindungen diskutiert. Auffällige Gerüche oder Rauche seien am Ereignistag, wie auch die Klägerin bestätige, nicht vorhanden gewesen. Dies sei mit der auch vom SG angenommenen ölbasierten Luftkontamination in relevanter Höhe (mit TBP oder einer anderen ölbasierten Substanz, einschließlich etwaiger VOCs) nicht vereinbar. Ebenso lägen keine Anhaltspunkte für eine etwaige geruchlose Kohlenmonoxidvergiftung vor. Diesbezüglich hätten die zeitnah durchgeführten Untersuchungen hinsichtlich des CO-Hämoglobin-Wertes unkritische Werte ergeben. Zu diesen Ergebnissen passe, dass sich im Körper der Klägerin keine Hinweise auf konkrete Toxine bei den noch am Ereignistag und somit zeitnah durchgeführten Untersuchungen ergeben hätten. Die durch die Zeugin PD O. am 16.03.2016 beschriebenen Befunde und Testergebnisse stellten lediglich nicht ausreichend wissenschaftlich erläuterte Annahmen und allgemeine Vermutungen dar und dürften nicht als objektivierte Befunde fehlinterpretiert werden. PD O. gebe nicht an, welche Substanz für die von ihr vermutete inhalative Intoxikation in Frage kommen solle. Damit fehle es an der Grundvoraussetzung für einen Arbeitsunfall, nämlich an einem von außen einwirkenden Ereignis. Wenn das SG unterstelle, dass in der Universitätsmedizin Göttingen – viele Monate später und damit außerhalb eines sinnvollen Biomonitoring-Zeitfensters – typische messbare funktionelle Einschränkungen und objektivierbare physiologische Veränderungen auf mehreren Fachgebieten festgestellt worden seien und aus dem angeblichen Fehlen konkurrierender Ursachen schließe, dass ein äußere, körperschädigende Einwirkung vorgelegen haben müsse, basiere dies ausschließlich auf Vermutungen. Schon der von PD O. verwendete Begriff des „aerotoxischen Syndroms“ beschreibe kein anerkanntes Krankheitsbild. Die von der Klägerin beschriebenen und generell ohne äußere Einwirkungen in der Allgemeinbevölkerung vorkommenden Beeinträchtigungen könnten mit anderweitigen Erkrankungen der Klägerin in Verbindung stehen. Hierfür fänden sich in den bislang vorliegenden Befundunterlagen verschiedene Hinweise, angefangen mit einer Hyperventilation. Beispielsweise werde im Bericht vom 14.04.2016 über eine zu Lasten der DRV durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme eine Atlasblockade mit Lymphstau und ein Nystagmus beschreiben. In einem Bericht des MVZ-Institut für Mikroökologie, H., würden u.a. Floraveränderungen mit Reizdarmsymptomatik mit Gärungsdyspepsie sowie ein Hartspann der Rückenmuskulatur angegeben. Auch das Indiz, dass weitere Crewmitglieder über Beschwerden berichtet hätten, verliere bei genauerer Überprüfung an Überzeugungskraft. Keinesfalls könne hieraus ein Vollbeweis für eine tatsächlich stattgehabte Einwirkung bei der Klägerin konstruiert werden. Ansonsten entfiele die Erforderlichkeit der Einzelfallprüfung. Zwar hätten auch bei den als Zeugen gehörten Kollegen Symptome vorgelegen, das SG begehe jedoch den Fehler, die von den Zeugen beschriebenen Beschwerden ohne genauere Kenntnis der tatsächlich erhobenen Befunde, etwaiger anderweitiger Krankheitsursachen und ohne gutachterliche Auseinandersetzung pauschal ebenfalls als „fume-event“-typische Beschwerden einzuordnen. Soweit das SG das Ausmaß der Symptome in Relation zur Position der Betroffenen in der Kabine setze und auf eine Einteilung in mehrere Klimatisierungszonen verweise, sei auf die hohe Luftaustauschrate im Flugzeug hinzuweisen, die eine unterschiedliche Verteilung eines angenommenen Gefahrstoffes zweifelhaft erscheinen lasse. Über Gesundheitsbeschwerden bei Fluggästen sei nichts belegt. Es sei folgendes Fazit zu ziehen: Die dargelegten arbeitstechnischen und medizinischen Faktoren entkräfteten die vom SG gezogene Wertung. Eine relevante Gefahrstoffkonzentration (auch mit TBP) in der Kabinenluft sei nicht nachgewiesen; mangels auffälliger Gerüche könne kein oil-smell-Ereignis vorgelegen haben; im Körper der Klägerin seien keine toxischen Substanzen nachweisbar gewesen; objektive Befunde, die im Sinne eines Körpererstschadens auf einen Gefahrstoff zurückgeführt werden könnten, seien weder bei der Klägerin noch bei den Zeugen nachgewiesen. Ein äußeres, auf den Körper der Klägerin einwirkendes, schädigendes Ereignis sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Die Wahrscheinlichkeit oder gar die bloße Möglichkeit hierfür sei im Entschädigungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ausreichend. Die Folgen der Beweislosigkeit fielen der Klägerin zu Last. Zu weiteren Einzelheiten werde auf die beigefügte präventionsdienstliche Stellungnahme des U. und des V. vom 08.08.2017 verwiesen. Über den Unfalltag seien sechs Aktenzeichen, auch für den Piloten und den Co-Piloten vergeben worden, wobei diese keine Leistungsanträge gestellt hätten. Es seien keine weitergehenden Feststellungsverfahren eingeleitet worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des SG sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das SG sich nicht auf Indizien gestützt, die nicht nachgewiesen oder im konkreten Kontext nicht ausreichend seien. Das SG habe bei seiner Entscheidung offenkundig ausreichend berücksichtigt, dass die Kabinenluft, nachdem die Flugzeugtüren geöffnet worden waren, um die Klägerin und ihre Kollegen mit dem Rettungswagen in ein Krankenhaus zu bringen, sich unverzüglich mit einströmender Frischluft vermischt habe und sich hierdurch die sich im Flugzeuginneren befindlichen Gase verflüchtigt hätten. Ebenso habe es offensichtlich ausreichend berücksichtigt, dass die wenigen Wischproben, die entnommen worden seien, erst am Tag nach dem Unfallereignis entnommen worden seien. Hierbei handle es sich um keine Umstände, die sie zu vertreten habe, so dass ihr Beweiserleichterungen zukommen müssten. Der Vortrag der Beklagten verdeutliche, dass diese Versuche, sich unter allen Umständen aus der Verantwortung zu stehlen und hierfür auch nicht davor abschrecke, einen Vorfall zu verharmlosen, unter dessen Folgen nicht nur die Klägerin, sondern mindestens einer ihrer Kollegen bis heute leide. Die Behauptungen der Beklagten zu den Eigenschaften von TBP und TCP seien nach ihrem Kenntnisstand falsch. Insbesondere werde bestritten, dass es zwingend zu Geruchswahrnehmungen kommen müsse, wenn die Stoffe freigesetzt würden. Bei dem Stoff TBP handle es sich um einen fast geruchlosen Stoff. Entgegen der Auffassung der Beklagten belege die durchgeführte Wischprobe deutlich den Nachweis von TBP. Werde TBP erhitzt, zersetze sich der Stoff und bilde toxische Dämpfe. Die Behauptungen der Beklagten, die dies in Abrede stellten, seien daher falsch. Vorgelegt werden verschiedene Datenblätter zu TBP, aus denen sich ergebe, dass es sich bei den Aussagen der Beklagten um eine Verharmlosung der Wirkweise von TBP handle und die Aussagen schlicht falsch seien. Es sei, wie das SG zutreffend festgestellt habe, seit den 1950er Jahren bekannt, dass über die Turbinen kontaminierte Luft in die Flugzeugkabine gelangen könne. Insoweit werde auf einen Bericht der R., S., T. aus dem Jahr 2017 verwiesen. Deren Studie bestätige sowohl akute als auch chronische Substanzen, die ein klares Muster an akuten und chronischen Nebenwirkungen zeigten. Im Ergebnis bestätige die Studie somit eine klare Ursache und Wirkungsbeziehung, die Symptome, Diagnose und Erkenntnisse mit dem beruflichen Umfeld verbinde. Die Schlussfolgerung der Beklagten, mangels Geruchswahrnehmung sei kein „Fume Event“ und somit auch kein Arbeitsunfall gegeben, sei nichts anderes als Spekulation. Gleiches gelte bezüglich der Aussagen der festgestellten Werte. Da die Wischproben erst einen Tag nach dem Unfallereignis entnommen worden seien, sei nicht auszuschließen, dass zwischenzeitlich eine Reinigung der Kabine erfolgt sei. Auch die Mutmaßungen bezüglich der Auskunft der PD O. lägen insgesamt neben der Sache. Soweit die Beklagte kritisiere, dass nicht zeitnah zum Unfallereignis entsprechende Untersuchungen durchgeführt worden seien, gehe dies letztlich mit ihr heim. Der Unfall sei zeitnah gemeldet worden und es hätte der Beklagten oblegen, die erforderlichen Untersuchungen zeitnah einzuleiten. In den jetzt vorgelegten Berichten der PD O. vom 02.12.2017 und 04.12.2017 bestätige sie nochmals, dass die Beschwerden und nachweisbaren Funktionsstörungen mit den in der Literatur beschriebenen Beschwerden und Funktionsstörungen und den eigenen Erfahrungen aus ähnlichen Behandlungsfällen korrespondierten. Unabhängig davon seien bei ihr zunächst (20./21./23.06.2014) auch erhöhte O²-Sättigungswerte festgestellt worden. Ebenfalls erhöht gewesen sei der CO-Hämoglobinwert, der sogar noch auf einen alles andere als unkritischen Wert von 4,8 % angestiegen sei. Erbrechen und Übelkeit hielten, nachdem sie eingesetzt hätten, auch über mehrere Tage an. Seit dem Unfall leide sie auch unter schlechten Leberwerten. Ebenfalls erhöht sei der Bilirubinwert, der vor dem Unfall regelmäßig kontrolliert worden und nie erhöht gewesen sei. Nach ihrer Auffassung ergebe sich bereits aus dem Bericht des L. vom 01.08.2014, dass dieser einen konkreten Anlass einer gesundheitlichen Störung am Arbeitsplatz gesehen habe. Vor Aufnahme ihrer Tätigkeit habe sie an keinen gesundheitlichen Einschränkungen gelitten. Die Untersuchungsberichte der flugärztlichen Untersuchungen vor dem streitgegenständlichen Ereignis bestätigten, dass sie vorher unter keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten habe. Eine Vergiftung mit TBP könne auch zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen, unter denen sie bis heute leide, führen. Die Beklagte übersehe im Rahmen ihrer Ausführungen auch, dass beispielsweise eine Hyperventilation bei Betroffenen von Kabinenluftkontaminationen typisch sei. Wichtig sei, dass der Kollege, der auf derselben Position wie sie tätig gewesen sei, ebenfalls bis heute unter den Folgen des Unfalls leide. Die Beklagte könne sich auch nicht mit der Häufigkeit des Luftaustauschs aus der Affäre ziehen. Die Ausführungen betreffend die Häufigkeit des Luftaustauschs mögen zwar zutreffend sein, die Beklagte übersehe hierbei jedoch, dass mit jedem Luftaustausch neue kontaminierte Luft in die Flugzeugkabine gelange. Schließlich hätten auch Passagiere über Unwohlsein geklagt; insoweit werde auf den vorgelegten Cabin Report verwiesen. Nach ihrer Kenntnis hätten sich nach dem Weiterflug nach Hannover auch die beiden Piloten in ärztliche Untersuchung begeben. Der Pilot sei seinerzeit sogar nicht mehr in der Lage gewesen, zu fliegen, der Co-Pilot habe noch im September 2014 unter starken Symptomen gelitten. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass keine technischen Mängel an dem Flugzeug festgestellt werden konnten, sei nicht bekannt, welche Untersuchungen insgesamt vorgenommen worden seien. Es werde angeregt, das technichal log book der Maschine anzufordern. Bisher noch nicht berücksichtigt worden sei, dass Fluggesellschaften häufig Zusatzstoffe verwendeten, damit z.B. die Triebwerke nicht so häufig gereinigt werden müssten. Ob dies am Unfalltag der Fall gewesen sei, sei bisher nicht überprüft worden. Nach ihrer Kenntnis handle es sich hierbei häufig um gesundheitlich extrem bedenkliche Zusätze und Öle. Des weiteren seien der flight report, die Aufzeichnung des Voice recorders bei der Firma A. anzufordern, da diese weitere Fakten wiedergeben würden. Soweit sich die Beklagte auf Studien berufe, seien diese mit Vorsicht zu genießen, insbesondere, wenn sie von Herrn R. stammten, da dieser, wie sich zwischenzeitlich herausstellte, über keine ausreichende Qualifikation verfüge. Die Klägerin hat außerdem freie ärztliche Gutachten nach Aktenlage des Facharztes für HNO-Heilkunde, Allergologie/Umweltmedizin AA.  vom 26.11.2019 und vom 02.02.2020 vorgelegt. Es müsse bestritten werden, dass das eingesetzte Flugzeug nach der Landung entsprechend der Vorgaben ausreichend untersucht worden sei. Nach ihrer Kenntnis sei die Maschine bereits am nächsten Vormittag wieder raugegangen, was bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung inklusive einer gründlichen Reinigung insbesondere des Airconditions-Systems nicht möglich gewesen wäre.

Die Berichterstatterin des Senats hat am 15.01.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt, in dem die Klägerin ausführlich Angaben und für die Beklagte U. und V. Ausführungen gemacht haben; wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf die Niederschrift über den Termin Bezug genommen.

Der Senat hat beim SG B. die Akten aus dem Verfahren des Zeugen D. (S 13 U 1438/15) beigezogen.

W., Senior Manager Labour Relations bei der A. GmbH hat am 04.06.2020 mitgeteilt, es habe keinen Eintrag im technical logbook (TIL) gegeben. Der Flottenchef habe allerdings unverzüglich einen Wartungsauftrag erteilt, nachdem er durch einen Pilotenreport (Pirep) Kenntnis von dem Vorfall erlangt habe. Wie dem beigefügten Event Printout zu entnehmen sei, habe der damalige Flottenchef, Herr X., am 20.06.2014 um 19:30 Uhr den Auftrag an die Technik erteilt, das Flugzeug auf etwaige Fehlfunktionen zu prüfen. Die daraufhin eingeleiteten Untersuchungen seien gemäß Fault Isolation Manual (FIM) des Flugzeugherstellers durchgeführt worden. Es seien keine Fehler gefunden worden. Darüber hinaus sei das outflow valve (Druckventil) überprüft worden, welches aber nicht für ein mögliches Fume Event verantwortlich gewesen wäre, sondern bei einer Fehlfunktion zu Beschwerden im Zusammenhang mit Druckschwankungen führen könnte. Auch hier seien keine Fehler gefunden worden. Abschließend sei eine Wischprobe mit dem Wischprobenset der Beklagten durchgeführt worden. Auch hier hätten sich keine Auffälligkeiten ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Urteil des SG vom 13.06.2017 war aufzuheben und die von der Klägerin zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vgl. hierzu u. a. BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R -, juris) abzuweisen, denn die Beklagte hat es zu Recht mit Bescheid vom 15.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2015 abgelehnt, das Ereignis vom 20.06.2014 als Arbeitsunfall festzustellen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 bzw. § 8 Abs. 2 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zurzeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben (st. Rspr; vgl. zuletzt u.a. BSG, Urteile vom 23.06.2020 - B 2 U 12/18 R -, vom 06.10.2020 - B 2 U 9/19 R - und vom 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R -, juris). Unerheblich ist, ob die Erkrankung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität) (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R -, und 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R -, juris). „Versicherte Tätigkeit", „Verrichtung", „Einwirkungen" und „Krankheit" müssen im Vollbeweis - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (st. Rspr., zuletzt BSG Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R -, juris). Die Nichterweislichkeit bzw. die tatsächliche Unaufklärbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen - einschließlich der zum Unfallereignis führenden Kausalkette - geht nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten des Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, juris m.w.N.).

Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigte der A. GmbH zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Personenkreis gezählt. Sie war am 20.06.2014 auf Flug xxx (Registrierungsnummer xxx) von B. nach C. und zurück an Bord einer Boeing 737-800 als Flugbegleiterin eingesetzt.

Es kann dahinstehen, ob auch ein Gesundheitserstschaden im Vollbeweis nachgewiesen ist. Unter einem Gesundheitserstschaden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände zu verstehen, die unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht sind, entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Störungen von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus; Umfang und Dauer sind ebenfalls unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos wie bloße Schmerzen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018 - L 6 U 1695/18 -, juris, m.w.N.). Ein aerotoxisches Syndrom stellt in diesem Zusammenhang kein anerkanntes Erkrankungsbild und keine eigenständige Diagnose dar. Ob die durch die Klägerin geschilderten Symptome (tränende Augen, Taubheitsgefühl unter den Augen, stechende Schmerzen im Stirnbereich, Gefühl wie Nase verstopft, Benommenheit, Kribbeln beider Hände und Unterarme, verlangsamte Reaktion, Motorik im Gesicht verlangsamt, dumpfes Gefühl im Gesicht und Nacken und Gefühl wie in Watte gepackt, roter Kopf, Hitzegefühl) und die im Durchgangsarztbericht der G.-Klinik vom 30.06.2014 mitgeteilten auffälligen Befunde bei Aufnahme (Alkalose und erniedrigtes CO2, Urinstatus mit Leukozyturie und Erythrozyturie) einen Gesundheitserstschaden in diesem Sinne darstellen, wofür spricht, dass die Klägerin zur Beobachtung und weiteren Diagnostik eine Nacht stationär aufgenommen worden ist, kann zur Überzeugung des Senates dahinstehen, da sich der Senat im hierfür erforderlichen Vollbeweis nicht von einer schädigenden Einwirkung überzeugen konnte. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass grundsätzlich ohne Feststellung einer konkreten Gesundheitsstörung ihre Ursache auch nicht beurteilt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R -, juris); da – wie im Folgenden näher ausgeführt wird – vorliegend eine konkrete Einwirkung nicht im hierfür erforderlichen Vollbeweis festzustellen ist, kann dahingestellt bleiben, ob die durch die Klägerin geschilderten Symptome als Gesundheitserstschaden in o.g. Sinn angesehen werden können.

Eine toxische Einwirkung im Sine eines sog. Fume Events, wie es die Klägerin geltend macht, ist nicht im hierfür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. Hinsichtlich des Vollbeweises ist eine absolute Sicherheit nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R -, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 128 Rdnr. 3b). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R -, juris).

In Anwendung dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats eine schädigende (toxische) Einwirkung auf die Klägerin auf dem Flug am 20.06.2014 nicht nachgewiesen.

Eine Störung des eingesetzten Flugzeugs ist nicht nachzuweisen. Auf Nachfrage des Senats hat die A. GmbH am 04.06.2020 mitgeteilt, dass es keinen Eintrag im technical logbook (TIL) gegeben hat. Der Flottenchef hat allerdings unverzüglich einen Wartungsauftrag erteilt, nachdem er durch den Pilotenreport (Pirep) Kenntnis von dem Vorfall erlangt hat. Dem vorgelegten Event Printout ist zu entnehmen, dass der Flottenchef Herr X. am 20.06.2014 um 19:10 Uhr den Auftrag an die Technik erteilt hat, das Flugzeug auf etwaige Fehlfunktionen zu überprüfen. Die Untersuchungen gemäß Fault Isolation Manual (FIM) des Flugzeugherstellers erbrachten keine Fehler. Darüber hinaus wurde das Outflow valve (Druckventil) überprüft, welches bei einer Fehlfunktion zu Beschwerden in Zusammenhang mit Druckschwankungen hätte führen können; auch hier wurden keine Fehler gefunden. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, insbesondere, da die Untersuchungen durch die Technik des Flughafens B. durchgeführt wurden. Auf dem beigefügten Event Printout werden die Angaben der A. GmbH bestätigt. Für den Vortrag der Klägerin, die Untersuchungen seien nicht ausreichend und nicht gründlich genug gewesen, gibt es für den Senat keine Anhaltspunkte. Aus dem Event Printout geht hervor, dass die am 20.06.2014 um 19:10 Uhr eingeleiteten Untersuchungen, die durch die Technik des Flughafens B. durchgeführt wurden, nach mehreren Mitteilungen über den Zwischenstand am 21.06.2014 um 12:02 Uhr mit der Mitteilung, dass die Fehlersuche ohne Ergebnis abgeschlossen sei und die Klimaanlage nach Motorenlauf wieder in Betrieb genommen werden könne, abgeschlossen wurden.

Der Senat verkennt nicht, dass es – wie das SG ausführlich dargelegt hat – vorliegend Indizien für das Vorliegen eines sog. Fume Events gibt, hält aber den Nachweis einer tatsächlichen Einwirkung für erforderlich, der hier nicht geführt werden konnte.

Der Senat ist grundsätzlich davon überzeugt, dass es „Fume Events“ gibt. Für den Begriff „Fume Event“ gibt es keine einheitliche Definition. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) beschreibt Fume Events als Ereignisse jeglicher Art in Bezug auf Gerüche, Rauch oder Nebel im Flugzeuginnenraum sowie als gesundheitliche Beeinträchtigungen von Flugzeuginsassen (BFU, Studie über Ereignisse in Verbindung mit Kabinenluft, BFU 803.1-14). Die Existenz von Fume Events wird auch durch die Beklagte nicht grundsätzlich bestritten. In seiner Stellungnahme vom 08.08.2017 führt U.aus, es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass es zu derartigen Vorfällen kommt. Durch Überfüllungen von Öl, fehlerhafte Dichtungsvorgänge, Fehlbedienungen und wahrscheinlich auch durch konstruktive Fehler an bestimmten Triebwerken könne es zum Eindringen von Öldämpfen, Ölaerosolen oder Bestandteilen thermisch zersetzter Öle in Kabine und Cockpit kommen.

Gegen das Vorliegen eines Fume Events spricht im vorliegenden Fall für den Senat maßgeblich, dass auffällige Gerüche, Rauch oder ähnliches während des Fluges nicht wahrgenommen worden sind, wie sie insbesondere in Fällen mit möglichen Langzweitwirkungen durchgehend beschrieben wurden (vgl. BFU, Studie über Ereignisse in Verbindung mit Kabinenluft, a.a.O., Seite 72). Zwar existieren, wie U. ausführt, durchaus Gefahrstoffe, für die nur unzureichende geruchliche Warnwirkungen beschrieben werden. Das hierunter fallende Kohlenmonoxid als Einwirkung kann vorliegend – wie noch auszuführen sein wird – allerdings ausgeschlossen werden. Grundsätzlich stehen im Zusammenhang mit Fume- oder Smell-Events aber Geruchseindrücke nach „alten Socken“ oder „nassem Hund“ im Vordergrund, selten sind bläuliche Aerosole sichtbar. Die Klägerin selbst hat weder auffällige Gerüche noch Rauch oder bläuliche Aerosole wahrgenommen; solche sind auch durch die seitens des SG gehörten Zeugen nicht beschrieben worden. Nach ihren konkreten, auf ein „Smoke and Smell“- bzw. „Fume-Event“ hindeutenden Wahrnehmungen befragt, haben die Zeugin BB.   und der Zeuge D. allein über ihre Gesundheitsstörungen berichtet, aber über keinerlei Geruchs- oder optische Wahrnehmungen. Der Zeuge D. hat den Arbeitsunfall zwar als „Fume Event“ bezeichnet, in dem beigefügten ausführlichen Protokoll finden sich aber allein die auch durch die Klägerin geschilderten Symptome, darüber hinaus aber keine Schilderung von Gerüchen, Rauch o.ä. Soweit im Event Printout der A. vom 19.05.2020 u.a. „possible odor felt by alt galley crew“ als Störung angegeben wird, wurde dies durch die Klägerin nicht bestätigt. Damit kann bereits eine Einwirkung durch Geruchsstoffe ausgeschlossen werden.

Im Zusammenhang mit einem Fume Event werden Einwirkungen durch verschiedene Stoffe diskutiert. Eine konkrete Einwirkung ist aber weder durch TBP, TCP, leichtflüchtige organische Verbindungen (VOC) oder Kohlenmonoxid im Vollbeweis zu sichern.

Hinsichtlich der im Folgenden zugrunde gelegten technischen Einzelheiten stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die überzeugenden, die aktuelle Literatur berücksichtigenden Ausführungen des U. und des V. in ihrer ausführlichen Stellungnahme vom 08.08.2017 und deren ergänzenden Ausführungen im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 15.01.2019.

Durch die am Tag nach dem Ereignis durchgeführte und durch das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) ausgewertete Wischprobe konnte TBP „in Spuren“ nachgewiesen werden. TBP und Tris-(2,3,-dibrompropyl)-phosphat (TBPP) sind Hauptbestandteile von Hydraulikflüssigkeit, die nicht nur im Triebwerk, sondern an allen Stellen im Flugzeug eingesetzt wird, an denen hydraulische Teile bewegt werden müssen. Der Einsatz an den Triebwerken spielt nach U.hierbei eine untergeordnete Rolle. Anders als das SG annimmt, ist TBP aber kein „Triebwerksbetriebsstoff“, sondern, wie U.ausführt, in Turbinenöl und Kerosin gerade nicht enthalten. TBP konnte bei der am 21.06.2014 durchgeführten Wischprobe „in Spuren“ nachgewiesen werden. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter im IFA war hier von einer Konzentration unter der Bestimmungsgrenze des Ursprungverfahrens auszugehen; die Analyse erfolgte seitens des IFA Labors nicht mittels Standardverfahren. Die Aussagekraft der Wischprobe ist zur Überzeugung des Senats ausgesprochen gering. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wo im Flugzeug die Wischprobe genommen wurde. Bei den Angaben zur Probenahme wurde als Arbeitsbereich „Cockpit“ und als ausgeübter Beruf „Flugzeugführer, Co-Piloten“ angegeben (Akten-ID 24 Seite 26). Im Unfalluntersuchungsbericht vom 24.07.2014 (Akten-ID 8, Seite 3) war hingegen angegeben worden, die Wischproben seien „in der Kabine…von den Oberflächen des Innenraums“ genommen worden. Die Beklagtenvertreterin hatte im Termin zur Erörterung des Sachverhalts angegeben, die Angabe „Cockpit“ lasse nicht zwingend den Rückschluss zu, dass die Probe auch dort entnommen worden sei. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter, der die Probe an das IFA weitergeleitet habe, werde in den Fällen, in denen kein Vermerk auf der Probe angebracht sei, standardmäßig „Cockpit“ angegeben. Es gibt daher Anhaltspunkte dafür, dass die Wischproben entgegen der Angaben auf dem Analysebericht tatsächlich im Kabinenbereich entnommen worden sind, wobei die genaue Entnahmestelle letztlich offen bleibt. Darüber hinaus führt U. für den Senat überzeugend aus, dass die Aussagekraft der Wischprobe insgesamt eher gering ist und allein aus Wischproben keine konkrete Gefährdung des Personals abgeleitet werden kann, da auch durch Wartungspersonal über Kleidung und Handschuhe Öl in geringen Mengen auf Oberflächen gelangen kann. Bei TBP handelt es sich um einen Schwerflüchter, so dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ab welchem Zeitpunkt der Stoff sich im Flugzeug befunden hat oder an dieser Stelle aufgetragen worden ist. Der Stoff würde nicht verdampfen, er müsste abgewischt werden, etwa durch Reinigungspersonal oder aber auch durch Passagiere, die mit ihrer Kleidung darüberstreichen. Ein definierter Zeitraum, wie lang der Stoff auf der Oberfläche bleibt, ist demnach nicht zu benennen. Gegen ein Austreten größerer – schädigender – Mengen an TBP sprechen verschiedene Umstände. Zum einen wurden, wie ausgeführt, lediglich Spuren von TBP (unter 0,04 µg/cm², der Bestimmungsgrenze des analytischen Verfahrens) gefunden. Unter Berücksichtigung des aktuell gültigen Luftgrenzwertes für TBP von 11 mg/m³, also 11.0000 µg/m³ (bezogen auf das Luftvolumen, nicht die Fläche) ist dies als geringfügig einzuordnen. Darüber hinaus hat U. anschaulich und überzeugend dargelegt, dass ein größerer Austritt in der Regel zu technischen Auffälligkeiten, die die Sicherheit des Flugbetriebes gefährden und eine entsprechende Meldung verursachen würden, führen würde. Allerdings räumt er auch ein, dass es auch Bereiche im Flugzeug gibt, wie etwa den Gepäckraum, der für die Sicherheit des Fluges nicht relevant ist, in dem aber ebenfalls Hydraulik eingesetzt wird und dementsprechend Hydraulikflüssigkeit austreten kann. In diesem Fall würde es zu keiner Warnung kommen. Da der Gepäckraum mitklimatisiert wird, könnte bei einem Austreten von Hydraulikölen im Gepäckraum die Flüssigkeit bzw. Aerosole auch in die Klimaanlage gelangen. Folge wäre aber dann, dass es zu einer Geruchsbelästigung in Form eines Geruchs nach Hydrauliköl kommen müsste. Eine solche Geruchsbelästigung wurde aber weder durch die Klägerin noch durch die durch das SG gehörten Zeugen wahrgenommen, so dass eine Belastung mit einer toxisch wirkenden Menge an TBP nicht wahrscheinlich, jedenfalls aber nicht nachgewiesen ist.

Dies gilt auch für die ebenfalls im Zusammenhang mit Fume Events diskutierte Substanz TCP, einem Additiv von Turbinenölen, das im Zusammenhang mit Fume Events ebenfalls als Ursache diskutiert wird. Vorliegend wurde TCP weder gemessen noch festgestellt und konnte auch durch die Wischprobe, die grundsätzlich auch den Nachweis für diesen Stoff erbringen könnte, nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus führt U. überzeugend aus, dass aufgrund der fehlenden Gerüche und der geänderten Rezepturen der Turbinenöle eine Exposition gegenüber der ortho-Isomeren des TCP auszuschließen ist. Typischerweise riecht thermisch belastetes vollsynthetisches Turbinenöl nach „nassem Hund bzw. Schweißfüßen“, zum Teil wird auch der Geruch nach „alten Socken“ beschrieben (so z.B. in dem dem Urteil des SG Gießen vom 01.02.2019 - S 1 U 61/15 -, juris, zugrunde liegenden Sachverhalt), was vermutlich auf die Entstehung von Carbonsäuren der Kettenlängen C5 bis C7 zurückzuführen ist, die aus den Fettsäure-Polyolestern freigesetzt werden, die wiederum Hauptbestandteile der Öle sind. Eine solche Auffälligkeit wird durch die Klägerin gerade nicht beschrieben. Sie hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts nochmals bestätigt, keine Geruchsbelästigung wahrgenommen zu haben.

Aufgrund der fehlenden Geruchsbelästigung ist, wie U. ausführt, auch eine relevante Belastung mit VOC am 20.06.2014 auszuschließen. Bei VOC handelt es sich um leicht-flüchtige organische Verbindungen, wie beispielsweise Benzin. Diese Stoffe verdampfen sehr schnell. Es handelt sich dabei um ein Gemisch von Einzelstoffen. Soweit PD O. auf diese Stoffe eingegangen ist und hier insbesondere auf n-Hexan abgestellt hat, ist der Ansatz, so Y., grundsätzlich nicht zu beanstanden, nachdem TCP in Zusammenhang mit Fume Events als kausal ausgeschlossen werden konnte. Wissenschaftlich ist man auf andere Theorien eingegangen und PD O. hat sich hier insbesondere mit VOC und insoweit wiederum insbesondere mit n-Hexan auseinandergesetzt. Darüber hinaus weist U.für den Senat überzeugend darauf hin, dass die durch PD O. mit Fume Events in Zusammenhang gebrachten Substanzen, wie Butanon, Isopropanol, 2-Methylpentan, 2-Haptanon, Toluol und die C6, C7, C8 und C10 n-Alkane bereits in unkritisch niedrigen Konzentrationen riechen, weshalb bereits die fehlende Geruchwahrnehmung eine relevante Belastung mit VOC am 20.06.2014 ausschließt. n-Hexan würde ebenfalls sehr stark riechen und es wäre eine massive Einwirkung erforderlich. Es sind massive Gerüche zu erwarten, in Fällen, in denen eine Gesundheitsschädigung auf n-Hexan zurückgeführt werden kann. Außerdem ist auch hier die Halbwertszeit sehr kurz. Die Halbwertszeit ist im Bereich von Stunden.

Wie bereits ausgeführt fallen aufgrund der fehlenden Geruchswahrnehmung alle bei Fume Events in Betracht zu ziehenden Substanzen, die mit einer starken Geruchsbildung verbunden wären, aus.

Ein geruchloser Stoff, der zu einem Fume Event führen könnte, wäre Kohlenmonoxid. Wie U.in seiner Stellungnahme vom 08.08.2017 beschreibt, könnte Kohlenmonoxid in höheren Konzentrationen deutlich oberhalb des Grenzwertes, die auch durch die Klägerin geschilderte „incapacity“, also die mehr oder weniger stark ausgeprägte Unfähigkeit, Handlungen zielgerichtet auszuführen, die im Zusammenhang mit Fume Events häufig als Symptom benannt wird, verursachen. Der Senat ist davon überzeugt, dass eine Kohlenmonoxidintoxikation nicht nur bei dem Personal (noch dazu allein im hinteren Bereich des in der Kabine offenen Flugzeugs), sondern auch bei den Passagieren zu deutlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt haben müsste. Darüber hinaus rechtfertigen die bei der Klägerin abgenommenen Blutwerte die Annahme einer Kohlenmonoxidvergiftung nicht. In der G.-Klinik wurde der CO-Hb-Wert gemessen, der mit Werten von 1,1 % am 20.06.2014 um 22:10 Uhr und von jeweils 1,2 % am 21.06. und 23.06.2014 im unkritischen Bereich lag und keine relevante Exposition gegenüber Kohlenmonoxid anzeigt. Die durch L. gemessenen CO-Hb-Werte von 4,8 % (am 05.08.2014) und 2,1 % (am 08.08.2014) wären für eine Nichtraucherin wie die Klägerin, wie V.und U.ausführen, ein sehr hoher Wert. Allerdings beträgt die Halbwertszeit von Kohlenmonoxid im Blut nach den Angaben von V.vier bis sechs Stunden, so dass die Zunahme des Wertes rund sechs Wochen nach dem Ereignis nicht mit einer Kohlenmonoxidintoxikation am 20.06.2014 erklärt werden kann.

Eine andere Hypothese wäre, wie U.in seiner Stellungnahme vom 08.08.2017 ausführt, dass die „incapacity“-Symptome auf einer Unterversorgung mit Sauerstoff beruht. Für eine solche Unterversorgung mit Sauerstoff, der allein im hinteren Teil des Flugzeuges aufgetreten sein müsste, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Für eine Intoxikation durch andere Substanzen sieht der Senat keine Anhaltspunkte, solche wurden auch durch die Klägerin nicht vorgetragen.

Auch anhand der Berichte der behandelnden Ärzte konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen eines „aerotoxischen Syndroms“ überzeugen. Zwar geht der Allgemeinarzt M. in seinem Abschlussbericht vom 08.10.2014 über die stationäre Behandlung vom 01.10.2014 bis 10.10.2014 davon aus, es handle es sich bei dem Krankheitsbild der Klägerin um den klassischen Fall eines aerotoxischen Syndroms, hervorgerufen durch neurotoxische Gase in der klimatisierten Atemluft des Flugzeugs. Unabhängig davon, dass er in seiner Aussage gegenüber dem SG vom 29.09.2016 als Diagnose lediglich den Verdacht auf ein abgelaufenes aerotoxisches Syndrom nennt, fehlen Angaben dazu, welche Gase neurotoxisch auf die Klägerin gewirkt haben sollen. Auch im Entlassungsbericht der P. Klinik am P. vom 14.04.2016 findet sich die Diagnose „akzidentielle inhalative Intoxikation im Sinne eines fume events mit konsekutiven Symptomen“, ohne dass genauer ausgeführt wird, mit welchem Stoff die Intoxikation erfolgt sein soll. Soweit im Zwischenbericht der G.-Klinik vom 21.06.2014 von einem „Inhalationstrauma unbekannter Genese“ ausgegangen wird, bleibt unklar, inwieweit das Inhalationstrauma als solches nachgewiesen worden ist. Eine konkrete Einwirkung durch konkret nachzuweisende Stoffe ist für den Senat danach nicht nachgewiesen. Dies gilt auch für die Ausführungen von Z. in ihrer Aussage gegenüber dem SG; letztlich schließt sie aus den festgestellten Symptomen, die sie mit durchgeführten Studien in Einklang bringen kann, darauf, dass eine Einwirkung stattgefunden haben muss, ohne die konkret toxischen Stoffe zu benennen. Dem zuletzt vorgelegten Gutachten des AA.  kann schon deswegen keine relevante Bedeutung beigemessen werden, da es ersichtlich allein zu dem Zweck erstellt wurde, den Anspruch der Klägerin zu stützen. So schreibt AA.  schon einleitend, das Gutachten solle verhindern, dass die Klägerin in dem Bermudadreieck abstürze, in dem sie sich nach wie vor befinde. „Sozusagen das Trio infernale. Infernale mit 1. höllisch, 2. teuflisch, 3. von großer Scheußlichkeit, unerträglich.“ Durch diese Polemik disqualifiziert sich der Gutachter letztlich selbst, so dass es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen bedarf. Unabhängig davon vermag auch er keine konkrete Einwirkung darzulegen, die die von ihm festgestellten Beschwerden der Klägerin verursacht haben soll.

Zur Überzeugung des Senats ist auch ein Rückschluss aus den festgestellten bzw. durch die Klägerin mitgeteilten – auch nach der Stellungnahme der Beklagten vom 08.08.2017 durch Betroffene eines Fume Events häufig angegebene – Symptomen auf eine Einwirkung nicht zulässig. Ein solches Vorgehen würde hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Einwirkung letztlich zu einer Beweislastumkehr führen. Allein aus der Tatsache, dass sog. Fume Events grundsätzlich anerkannt sind und nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, den U.und V.in ihrer Stellungnahme vom 08.08.2017 auch wiedergegeben haben, eine allgemeine Gefahr für den versicherten Personenkreis der in der Luftfahrt Beschäftigten, aber auch für die beförderten Passagiere nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bei jeglichen subjektiv oder objektiv wahrgenommenen Veränderungen während eines Fluges eine Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin oder sogar eine Beweislastumkehr zu Lasten der beklagten Berufsgenossenschaft eintreten würde (so auch SG Gießen, Urteil vom 01.02.2019 - S 1 U 61/15 -, juris). Entgegen der Auffassung des SG rechtfertigt auch das Fehlen einer plausiblen anderen Erklärung für die Symptome bzw. das Auftreten der Symptome nicht nur bei der Klägerin, sondern auch bei dem Zeugen D. und der Zeugin BB.   es nicht, eine äußere Einwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Der Senat verkennt dabei nicht den Umstand, dass zumindest zwei Crew-Mitglieder, die im selben Bereich des Flugzeuges gearbeitet haben, übereinstimmende Symptome geschildert haben, mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht und dort stationär aufgenommen wurden. Der Senat verkennt auch nicht, dass für alle sechs Crew-Mitglieder Aktenzeichen bei der Beklagten vergeben wurden, wobei, wie zuletzt nochmals bestätigt wurde, Pilot und Copilot keine Feststellungsanträge gestellt haben. Durch die Zeuginnen BB.   und F. wurde, wie sie gegenüber dem SG ausgesagt haben, ebenfalls kein Feststellungsverfahren eingeleitet. Auffällig ist, dass bei der Untersuchung in der G.-Klinik bei den untersuchten Crew-Mitgliedern eine Alkalose und ein erniedrigtes CO2 befundet wurde. Dies ist, wie auch das SG ausgeführt hat, ein starkes Indiz dafür, dass sich auf dem Flug etwas ereignet hat, ein Nachweis für eine Einwirkung kann damit jedoch nicht geführt werden. Der Befund einer Alkalose mit erniedrigtem CO2 passt, wie auch im Durchgangsarztbericht angegeben, auch zu einer Hyperventilation. Eine Erklärung dafür, dass zumindest drei Crew-Mitglieder eine ähnliche Symptomatik beschrieben haben, kann der durch V. und U. beschriebene Nocebo-Effekt sein. Da Alternativursachen aber nicht festzustellen sind, um im Umkehrschluss eine betriebliche Einwirkung auszuschließen, ist hierauf nicht näher einzugehen.

Zusammenfassend bestehen mit der grundsätzlichen Anerkennung von Fume Events, den in Studien beschriebenen Symptomen eines Fume Events, die mit den durch die Klägerin geschilderten Symptomen in Übereinstimmung gebracht werden können und dem Umstand, dass zwei weitere Crew-Mitglieder sich in ärztliche Behandlung begeben haben, insbesondere der mit der Klägerin im hinteren Bereich des Flugzeugs eingesetzte Zeuge D. nahezu identische Symptome beschrieben hat, wie das SG ausgeführt hat, gewichtige Indizien für das Vorliegen eines Fume Events, die den Senat aus den dargelegten Gründen aber auch nicht davon überzeugen konnten, dass ein solches – oder eine sonstige schädliche Einwirkung – tatsächlich stattgefunden hat und im Vollbeweis nachgewiesen ist. Eine Einwirkung ist möglich, aber nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen, wie hier bezogen auf eine schädigende Einwirkung, gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Allgemeingültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes widersprechen dagegen dem in § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.2020 - B 2 U 9/19 R -, juris). Die Nichterweislichkeit einer konkreten Einwirkung geht zu Lasten der Klägerin.

Der Berufung der Beklagten war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.

 

Rechtskraft
Aus
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