S 12 KA 414/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 414/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 18/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

Hat nach einer zwischen einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und einer Krankenkasse geschlossenen Vereinbarung zur Ermittlung des zu bereinigenden Behandlungsbedarfs aufgrund von Selektivverträgen die Krankenkasse der KV die erbrachten Leistungen zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung außerhalb der MGV (morbiditätsbedingen Gesamtvergütung) zu vergüten, wenn durch in die hausarztzentrierte Versorgung eingeschriebenen Versicherten eine Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen des bereinigten HzV-Ziffernkranzes im Rahmen des Kollektivvertrags bei Hausärzten erfolgt, so gilt dies auch dann, wenn der Hausarzt diese Leistung zusätzlich im Kollektivvertrag bei der KV abrechnet. 

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 69.411,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3.    Der Streitwert wird auf 69.411,39 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für eine Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen des bereinigten Ziffernkranzes der hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Ziffernkranz) im Rahmen des Kollektivvertrags bei Hausärzten (Nicht vertragskonforme Inanspruchnahme - NVI) für die Quartale I bis IV/15 in Höhe von insgesamt 69.411,39 € (Quartal I/15: 18.102,84 €; Quartal II/15: 17.292,99 €; Quartal III/15: 13.678,88 €; Quartal IV/15: 20.336,90 €). 

Die beklagte Krankenkasse und der Hausärzteverband Hessen e.V. sowie die HÄVG Hausärztliche Vertragsgemeinschaft Aktiengesellschaft schlossen zum 01.11.2014 einen Vertrag zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die klagende Kassenärztliche Vereinigung Hessen und der beigeladene Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) schlossen am 12.08.2015 eine Vereinbarung nach § 73b Abs. 7 Satz 2 und 4, § 73c Abs. 6 Satz 2 und 4 sowie § 140d Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 87a Abs. 5 Satz 7 SGB V zur Ermittlung des zu bereinigenden Behandlungsbedarfs in den durch das SGB V vorgesehenen Fällen für das erste bis vierte Quartal 2015 (im Folgenden: HzV-Bereinigungsvertrag). 

Die Klägerin hat am 19.12.2019 die Klage erhoben. Sie trägt vor, die Beklagte verweigere seit dem Quartal I/15 die Zahlung der sog. Betreuarzt-NVI, indem sie diejenigen Beträge aus der nichtvertragskonformen (NVI) bei HzV-Verträgen kürze. Es handele sich um solche Fälle, bei denen ein HzV-Versicherter bei einem HvZ-Arzt, bei dem er als Patient eingeschrieben sei, Leistungen in Anspruch genommen habe und der HzV-Arzt diese Leistungen zu Lasten des Kollektivvertrags bei ihr zur Abrechnung eingereicht habe. Diese Leistungen seien aber nach § 12 des HzV-Bereinigungsvertrags durch die Beklagte zu erstatten. Es komme nicht darauf an, bei welchem Arzt der Versicherte gewesen sei. Maßgebend sei allein, dass die Beklagte zu gewährleisten habe, dass teilnehmende HzV-Ärzte keine Leistungen des HzV-Ziffernkranzes über sie abrechneten. Dies ergebe sich aus § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V. Die Leistungsklage sei vorrangig vor einer Feststellungsklage. Sie sei an einem HzV-Vertrag nicht beteiligt und habe daher diesbezüglich keine Prüfungsbefugnis. Der Vertragsarzt verpflichte sich in seiner Teilnahmeerklärung zum HzV-Vertrag nur gegenüber den Vertragspartnern des Selektivvertrags, eingeschriebene Versicherte nicht mehr gegenüber dem Kollektivvertrag zu behandeln. Der ggf. falsch abrechnende HzV-Arzt falle ebf. in die Risikosphäre der Beklagten. Nach § 12 Abs. 5 des HzV-Bereinigungsvertrags sei der jeweilige Betrag spätestens bis zum 28. Kalendertag ab dem gleichzeitigen Vorliegen der NVI- und EFN-Daten bei ihrer Annahmestelle zu vergüten. Die Rückforderungsbeträge seien nach § 140d Abs. 1 SGB V in Höhe von 1 % über dem Basiszinssatz seit dem ersten Einbehalt von Gesamtvergütungsanteilen zu verzinsen. Die 28 Kalendertage nach § 12 Abs. 5 des HzV-Bereinigungsvertrags seien hinzuzurechnen. Für das Quartal III/15 bestehe ein Sonderfall, da die NVI-Datei mehrfach falsch erstellt worden sei. Sie habe den richtigen Betrag unter einer Zahlungsfrist bis 31.01.2018 angemahnt, worauf hilfsweise bei der Zinsberechnung abgestellt werde. Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit beruhe auf § 73b SGB V i.V.m. § 291 BGB

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 69.411,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage und in Höhe von 1 %-Punkt über dem Basiszinssatz 
ab dem 01.10.2015 aus einen Betrag von 18.205,85 €,
ab dem 16.02.2016 aus einen Betrag von 17.380,29 €,
ab dem 31.01.2018 aus einen Betrag von 13.713,05 € und
ab dem 08.07.2019 aus einen Betrag von 20.353,07 € 
zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie lehne eine Erstattungszahlung nur dann ab, wenn der HzV-Versicherte von dem von ihm gewählten HzV-Hausarzt mit einer HzV-Leistung versorgt worden sei und der Hausarzt diese Leistung zusätzlich im Kollektivvertrag bei der Klägerin abgerechnet habe. Die Klägerin mache demgegenüber alle kollektivvertraglich bereinigten Leistungen geltend. Die Klage sei als Leistungsklage unzulässig, da § 12 Abs. 6 des HzV-Bereinigungsvertrags eine Feststellung des Umfangs nichtvertragskonformer Inanspruchnahme durch sie vorsehe, damit der klageweise geltend gemachte Vergütungsanspruch ausgelöst werde. Begehrt werde offenbar die Feststellung, dass sie ihr Beanstandungsrecht zurücknehme. Sie habe Leistungen nachzuvergüten, wenn die Nichtvertragskonformität der Inanspruchnahme auf ein Fehlverhalten des Versicherten zurückgehe, da andernfalls schon begrifflich keine Inanspruchnahme „durch“ den Versicherten gegeben sein könne. Demnach liege eine nichtvertragskonforme Inanspruchnahme vor, wenn der in die HzV eingeschriebene Versicherte unter Missachtung seiner Bindung an den in die HzV eingeschriebenen Vertragsarzt einen nicht an der HzV teilnehmenden Vertragsarzt aufsuche und dort Leistungen in Anspruch nehme, um die die Gesamtvergütung aufgrund seiner HzV-Teilnahme bereinigt worden sei. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Fällen rechne der an der HzV teilnehmende Vertragsarzt seine Leistungen regelwidrig ausschließlich oder zusätzlich im Kollektivvertrag gegenüber der Klägerin ab. Hier liege ein absichtliches oder versehentliches Abrechnungsverhalten des Vertragsarztes im Kollektivvertrag vor, das nach der Wertung des Gesetzgebers der Verantwortungssphäre der Klägerin zuzurechnen sei (§ 106d Abs. 2 SGB V bzw. § 106a Abs. 2 SGB V a. F.). Ihre Auffassung, dass NVI nur aus dem Fehlverhalten eines Versicherten herrühren könnten, werde in einem Obiter dictum des SG München, Urteil vom 16.07.2014   S 28 KA 696/12 - bestätigt. Die Fehlabrechnung erfolge im Kollektivvertragssystem. Nur für die Falschabrechnung von HzV-Leistungen im HzV-Vertrag gelte der § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V. Ein Fehlverhalten von Ärzten sei nicht geregelt worden. Die Klägerin habe die Abrechnung der Ärzte selbst zu prüfen und richtigzustellen. Zinsansprüche bestünden nicht, da es sich nicht um Zahlungen aus der Gesamtvergütung handele. Es gehe um einen gesonderten Erstattungsanspruch. Selbst wenn die Klägerin meine, nicht nach § 106d Abs. 2 SGB V zur Berichtigung verpflichtet zu sein, sei das durch die Beschlüsse des Bewertungsausschusses in den Bereinigungsvertrag eingeflossene Beanstandungsverfahren zu beachten. Die Klägerin sei zur Bereinigung verpflichtet, andernfalls hätte es nicht der Klarstellung in § 12 Abs. 9 des Bereinigungsvertrags bedurft, dass Nicht-HvZ-Leistungen durch die Klägerin weiterhin vergütet werden dürften. Es reiche aus, wenn die Klägerin die von ihr gemeldeten Beanstandungen gegenüber den Ärzten umsetze. Die von ihr gemeldeten Daten seien aktuell und versetzten die Klägerin in die Lage, die Prüfung vorzunehmen. Sie prüfe zuvor selbst die HzV-Abrechnung. In den strittigen Behandlungsfällen stehe aber die Abrechnung im HzV-Vertrag gerade nicht in Frage und sei korrekt. Auch in den Beschlüssen des Bewertungsausschusses werde die Erstattungsverpflichtung auf die Inanspruchnahme „durch“ den Versicherten beschränkt. Ihre Sichtweise, eine NVI müsse auf einem Fehlverhalten des Versicherten beruhen, werde vom GKV-Spitzenverband geteilt, wenn auch nicht von der KBV. Dies folge auch aus den historischen Gründen für die Vereinbarung des § 11 Abs. 3 und 4 des HzV-Vertrages und dem hieraus entwickelten Anhang 9 der Anlage 3 zum HzV-Vertrag. Fälligkeit einer Forderung könne erst eintreten, wenn diese der Höhe nach bestimmbar sei. Da ihr ein Prüfungs- und Beanstandungsrecht zustehe, trete Fälligkeit erst nach Ablauf der Beanstandungsfrist von 14 Kalendertagen auf Grundlage der erklärten Beanstandungen ein (§ 15 Abs. 6 des Bereinigungsvertrages/Teil B Ziffer 3.5 BA-Beschluss). Die streitgegenständliche Forderung könne daher niemals fällig geworden sein. 

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt. 

Die Kammer hat mit Beschluss vom 10.03.2020 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen. 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 22.01.2020 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten ist nicht erforderlich. 

Die Klage ist als Leistungs- bzw. Zahlungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Dem steht entgegen dem Vorbringen der Beklagten § 12 Abs. 6 HzV-Bereinigungsvertrag nicht entgegen. Das Beanstandungsrecht der Beklagten nach § 12 Abs. 6 HzV-Bereinigungsvertrag schließt im Falle einer erfolglosen Kommunikation und Abstimmung von Klägerin und Beklagten eine Zahlungsklage nicht aus (vgl. SG Dresden, Urt. v. 17.11.2020 – S 11 KA 86/16 -, Umdruck S. 11). Selbst wenn die Vorschrift vorsehen würde, dass ein Vergütungsanspruch erst nach Prüfung der Beklagten ausgelöst werden könnte, würde hieraus nicht die Unzulässigkeit, sondern allenfalls die Unbegründetheit der Klage folgen.

Die Klage ist auch im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von 69.411,39 €. Ein Zinsanspruch besteht allerdings nur ab Rechtshängigkeit. Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen. 

Anspruchsgrundlage der Klägerin ist § 12 Abs. 1 Satz 1 HzV-Bereinigungsvertrag. Danach hat die Beklagte der Klägerin die erbrachten Leistungen zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung außerhalb der MGV (morbiditätsbedingen Gesamtvergütung) zu vergüten, wenn durch HzV-Versicherte eine Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen des bereinigten HzV-Ziffernkranzes im Rahmen des Kollektivvertrags bei Hausärzten im KV-Bereich Hessen erfolgt. 

Zwischen den Beteiligten ist lediglich strittig, ob unter die Erstattungspflicht der Beklagten auch die Behandlungsfälle fallen, in denen ein Versicherter, der seine Teilnahme am Hausarztvertrag erklärt hat (HzV-Versicherter), einen am Hausarztvertrag teilnehmenden Vertragsarzt (HzV-Arzt) aufgesucht hat, der HzV-Arzt aber auch ambulante Leistungen des bereinigten HzV-Ziffernkranzes, also vom Hausarztvertrag erfasste Leistungen, bei der Klägerin abrechnet, sei es ausschließlich oder zusätzlich zur Abrechnung im Rahmen des Hausarztvertrags. Demgegenüber nimmt die Beklagte eine Erstattung in den Behandlungsfällen vor, in denen ihr HzV-Versicherter einen nicht am Hausarztvertrag teilnehmenden Vertragsarzt aufgesucht hat und der Vertragsarzt die Leistungen über die Beklagte abgerechnet hat. 

Dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 HzV-Bereinigungsvertrag ist die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung nicht zu entnehmen. Die Vorschrift ist nicht darauf beschränkt, dass die Nichtvertragskonformität der Inanspruchnahme auf ein Fehlverhalten des Versicherten zurückgeht. Die Formulierung Inanspruchnahme „durch“ den Versicherten stellt vielmehr allgemein darauf ab, dass der Versicherte seinen Hausarzt aufsucht und insofern eine Inanspruchnahme „durch“ den Versicherten erfolgt. Der Versicherten sucht den Arzt auf und erhält die Leistungen. Insofern veranlasst er auch durch sein Aufsuchen die Leistungserbringung und die hieraus folgende Abrechnung. 

Dies gilt auch für die von der Beklagten angeführten Beschlüsse des Bewertungsausschusses bzw. Erweiterten Bewertungsausschusses, die bereits auf eine „Inanspruchnahme“ „durch Versicherte“ abstellen. 

Insofern unterscheidet auch nicht Nr. 3, Teil B des Beschlusses des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 333. Sitzung am 20. August 2014 zwischen der Behandlung durch einen HzV-Vertragsarzt und einem nicht zur HzV eingeschriebenen Vertragsarzt. Maßgeblich ist allein die Vermeidung einer Zahlung innerhalb der Gesamtvergütung, obwohl diese im Hinblick auf den HzV-Versicherten vermindert wurde. Dort heißt es: „Erfolgt durch in Selektivverträgen eingeschriebene und bereinigte Versicherte (auch solche, für die eine historische versorgungsauftragsspezifische Leistungsmenge in Höhe von null bereinigt wurde) eine Inanspruchnahme von selektivvertraglich vereinbarten Leistungen, für die eine Bereinigung erfolgt ist, im Kollektivvertrag, vergütet die Krankenkasse die erbrachten Leistungen zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Voraussetzung für die Vergütung ist die fristgerechte Lieferung der Daten gemäß Nr. 3.5.“ Es wird lediglich die Inanspruchnahme von Leistungen durch einen HzV-Versicherten vorausgesetzt. Diese Inanspruchnahme muss HzV-relevante Leistungen betreffen (vgl. SG Dresden, Urt. v. 17.11.2020. S 11 KA 86/16 -, Umdruck S. 14).

Insofern räumt die Beklagte auch ein, dass die Trägerorganisationen des Bewertungsausschusses wie hier die Beteiligten die Auslegung unterschiedlich sehen. Die Kammer hat daher von der Einholung einer entsprechenden Auskunft der Trägerorganisationen abgesehen. 

Soweit die Beklagte entstehungsgeschichtlich auf die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Abrechnung im Rahmen des Hausarztvertrages hinweist, die zu den Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 HzV-Vertrag und Anhang 9 der Anlage 3 zum HzV-Vertrag geführt hätten, so folgt hieraus nicht die Auslegung der Beklagten zu § 12 Abs. 1 Satz 1 HzV-Bereinigungsvertrag. Es wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass im Bereinigungsvertrag dann eine entsprechende Klarstellung bzw. Einschränkung erfolgt wäre. 

§ 11 Abs. 3 und 4 HzV-Vertrag sehen Honorarrückforderungen bei „Doppelabrechnung“ und „Fehlabrechnung“ vor, was umfangreich in Anhang 9 der Anlage 3 zum HzV-Vertrag geregelt wird. Eine von der Beklagten gegenüber der Klägerin vorgenommene Unterscheidung wird darin ebf. nicht vorgenommen. Insofern haftet auch unter E im Anhang 9 der Anlage 3 zum HzV-Vertrag die Krankenkasse gegenüber dem Hausärzteverband im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Fachkonzeptes dafür, dass die in den übermittelten Korrekturanforderungen enthaltenen Inhalte inhaltlich den gelieferten Daten der KV entsprechen. Damit gehen die HzV-Vertragspartner offensichtlich davon aus, dass die Krankenkasse über die „Doppelfälle“ Kenntnis hat. Von daher besteht ein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Vertragsarzt auf Schadensersatz in Höhe der Zahlung an die Klägerin. Solche Ansprüche werden auch vereinzelt klageweise geltend gemacht (vgl. SG München, Urteil v. 23.10.2017 - S 28 KA 1942/14 - juris). 

Die in § 11 Abs. 3 und 4 HzV-Vertrag getroffenen Regelungen dürften typisch für HzV-Verträge sein. Insofern ist davon auszugehen, dass die zwischen der Klägerin und Beigeladenen geschlossene Vereinbarung nach § 73b Abs. 7 Satz 2 und 4, § 73c Abs. 6 Satz 2 und 4 sowie § 140d Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 87a Abs. 5 Satz 7 SGB V zur Ermittlung des zu bereinigenden Behandlungsbedarfs in den durch das SGB V vorgesehenen Fällen für das erste bis vierte Quartal 2015 auf diesen Regelungen aufbaut und im Hinblick auf den umfassenden Rückforderungsanspruch der Krankenkasse keine weiteren Unterscheidungen trifft. 

Eine Vorrangigkeit der Berichtigungsbefugnis der Klägerin nach § 106a a. F. (jetzt § 106d SGB V) besteht nicht. Die Klägerin ist zwar berechtigt, die hier allein strittigen Abrechnungen, in denen ein HzV-Versicherter von dem von ihm gewählten HzV-Hausarzt mit einer HzV-Leistung versorgt worden ist und der Hausarzt diese Leistung zusätzlich oder ausschließlich im Kollektivvertrag bei der Klägerin abgerechnet hat, sachlich-rechnerisch zu berichtigen. In diesen Fällen wird der Sicherstellungsauftrag der Klägerin eingeschränkt (§ 73b Abs. 4 Satz 6 SGB V) und gehört die Versorgung nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung, so dass es an einer Berechtigung des Vertragsarztes fehlt, diese Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und gegenüber der Klägerin abzurechnen. Im Rahmen ihrer Vertragsautonomie nach § 83 Abs. 1 SGB V waren die Gesamtvertragspartner zur Regelung nach § 12 Abs. 1 HzV-Bereinigungsvertrag berechtigt. Zudem waren die Gesamtvertragspartner verpflichtet, den Behandlungsbedarf bzgl. der Gesamtvergütung zu bereinigen (§ 73b Abs. 7 Satz 1 SGB V a.F.).

Bereits der Gesetzgeber sah in der Gesetzesbegründung zu 73b Abs. 5 SGB V auch ein mögliches Fehlverhalten seitens der Leistungserbringer. Ein Fehlverhalten des hausärztlichen Leistungserbringers sei insb. darin zu sehen, dass er seine vertraglichen Leistungen nicht nur im Rahmen des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung, sondern ein zweites Mal zu Lasten der (bereinigten) Gesamtvergütung, die von der Krankenkasse ausschließlich für die vertragsärztliche Versorgung gezahlt werde, in Rechnung stelle (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 112). 

Die Forderung der Klägerin ist auch fällig. § 12 Abs. 6 HzV-Bereinigungsvertrag ist als Fälligkeitsvorschrift zu sehen, die der Krankenkasse vor Fälligkeit einen Prüfzeitraum einräumt, der abgelaufen ist. 

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Prozesszinsen. Einen weitergehenden Verzinsungsanspruch hat sie nicht. 

Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 291 BGB. Da die vorliegend streitige Gesamtvergütung auf einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis beruht und weder die §§ 53 bis 60 SGB X noch die sonstigen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs eine ausdrückliche Regelung über Prozesszinsen enthalten (§ 61 Satz 1 SGB X), greift gemäß § 61 Satz 2 SGB X die ergänzende Verweisung auf die Bestimmungen des BGB ein (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2, juris Rdnr. 38 ff.).

Die Leistungen nach § 12 Abs. 1 des HzV-Bereinigungsvertrags stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gesamtvergütung. Durch die „Doppelabrechnung“ wird die Gesamtvergütung in unzulässiger Weise weiter vermindert. 

Eine Rechtsgrundlage für einen Zinsanspruch vor Rechtshängigkeit ist nicht ersichtlich. Der § 140d SGB V wurde durch GKV-WSG v. 16.07.2015 mit Wirkung vom 22.07.2015 aufgehoben und beinhaltete auch zuvor keine Rechtsgrundlage. 

Die Verzinsungsvorschriften des BGB sind auf öffentlich-rechtliche Verträge des Sozialrechts nicht entsprechend anwendbar (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2, juris Rdnr. 32 ff. m. w. N.).

Im Ergebnis war der Klage stattzugeben und war sie im Übrigen wegen des geringeren Anspruchs auf Verzinsung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Nebenforderungen sind nicht zu berücksichtigen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Sie hat keinen Antrag gestellt und sich inhaltlich nicht zum Verfahren geäußert.

Die Sprungrevision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 161 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Streitig ist lediglich die Auslegung eines Vertrags auf Landesebene. Auch soweit es sich um revisibles Recht handeln sollte, fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung, da nicht für jede Vertragsnorm eine obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen ist. Abgesehen von der zitierten Entscheidung des SG Dresden ist der Kammer kein weiteres Verfahren bekannt. Die Entscheidung der Kammer weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden. Der Streitwert folgte aus der Klageforderung.

Rechtskraft
Aus
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