S 28 KA 84/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 84/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

Die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 3 Abs. 2 Nr. 1 Radiologie-Vereinbarung erforderliche Facharztbezeichnung Radiologie kann im Fall einer Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie durch ein Kolloquium ersetzt werden.

 

I. Der Bescheid der Beklagten vom 13.6.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2019 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin zu einem Kolloquium gemäß § 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen zuzulassen und ihr nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien (Nr. 34283, 34284, 34285 und 34287 EBM) sowie von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen (Nr. 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM) zu erteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der interventionellen Radiologie in der vertragsärztlichen Versorgung hat. 

Die Klägerin ist als Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie seit dem 1.7.2017 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist Mitglied einer örtlichen, auf Erkrankungen der Blutgefäße und des Stoffwechsels spezialisierten BAG mit Praxissitz in M. 

Mit am 30.5.2018 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien und ggf. einschließlich therapeutischer Eingriffe nach der Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) zur interventionellen Radiologie gem. § 135 Abs. 2 SGB V (Radiologie-Vereinbarung). Der Antrag umfasste die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von diagnostischen Katheterangiographien, GOP 34283, 34284, 34285 und 34287 EBM sowie von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen, GOP 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM. Als Betriebsstätte wurde die Klinik des D M1 angegeben. Beigefügt war ein Zeugnis von K (Universitätsklinikum H) vom 23.6.2015, wonach die Klägerin als Oberärztin in seiner Abteilung die Leitung der interventionellen Angiologie inne habe. Seit Mai 2010 habe sie selbstständig über 2000 periphere Interventionen (aortoinguinal und subinguinal), über 120 Interventionen an supraortalen Arterien (subclaviculär und extrakranielle hirnversorgende Arterien) sowie über 100 Interventionen an Nierenarterien durchgeführt. Zudem war das Zertifikat der Klägerin über die Anerkennung der "Zusatzqualifikation interventionelle Therapie der arteriellen Gefäßerkrankungen" vom 17.12.2015 der DKG und DGA beigefügt.

Mit Bescheid vom 13.6.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Für den Nachweis der fachlichen Befähigung sei die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung "Radiologie" erforderlich. 

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf ihre umfassende Kompetenz im Bereich der invasiven Gefäßmedizin. Zugleich bot sie an, sich einem Kolloquium, wie es in § 9 Abs. 5 Radiologie-Vereinbarung vorgesehen werde, zu stellen, falls Zweifel an ihrer fachlichen Befähigung bestünden.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 13.2.2019 zurück. Auch der Ersatz des Nachweises der fachlichen Befähigung durch eine Teilnahme an einem Kolloquium komme nur in Betracht, wenn es sich um eine im Vergleich zur QSV abweichende, aber gleichwertige fachliche Befähigung handele. Stets sei dabei jedoch die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung "Radiologie" vorzulegen.

Die Klägerin hat am 4.3.2019 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Gebietsbezeichnung "Radiologie" keine zwingende Voraussetzung für die beantragte Genehmigung ist. Im Umkehrschluss sei der Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 3 Radiologie-Vereinbarung zu entnehmen, dass alle anderen Voraussetzungen des § 3 Radiologie-Vereinbarung für den Nachweis der fachlichen Befähigung ausgleichbar seien. Dies habe auch das SG Mainz in seinem Urteil vom 26.7.2017, Az. S 2 KA 275/14 festgestellt. Die beantragten Leistungen der interventionellen Radiologie gehörten zum Kernbereich des Fachgebietes Angiologie. Die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg, nach der die Klägerin weitergebildet worden sei, sehe den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in interventionellen Eingriffen ausdrücklich vor. Diese Leistungen gehörten zu beiden Fachgebieten und nicht ausschließlich zur Radiologie. Wären die Leistungen fachfremd, würden alle Angiologen, die diese Leistungen in den Krankenhäusern oder im ambulanten Bereich erbringen, gegen den geforderten Facharztstandard verstoßen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 5 Satz 3 Radiologie-Vereinbarung seien außer der zwingend nachzuweisenden Anzahl der durchgeführten Interventionen alle anderen Voraussetzungen, wie auch die Anleitung bei einem Arzt mit der Weiterbildungsbefugnis zum Facharzt für Radiologie nicht zwingend sondern ersetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte im Jahr 2011 in einem absolut vergleichbaren Fall Herrn T bestätigt, dass er über eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung verfüge und die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig gemacht. Auch hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen in Hamburg, Niedersachsen und Berlin Fachärzten für Angiologie die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung interventioneller radiologischer Leistungen nach Inkrafttreten der QSV interventionelle Radiologie erteilt. Nach Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie würden etwa 50% der Katheterinterventionen in Deutschland von Internisten, vorwiegend Angiologen oder Kardiologen, vorgenommen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 13.6.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von interventionellen radiologischen Leistungen nach den EBM GOP 34283 bis 34287 zu erteilen;

2. hilfsweise,
den Bescheid der Beklagten vom 13.6.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin zu einem Kolloquium gemäß § 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen zuzulassen und ihr nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von interventionellen radiologischen Leistungen nach den EBM GOP 34283 bis 34287 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass die Klägerin mehrere wesentliche Voraussetzungen für den Nachweis ihrer fachlichen Befähigung nach der QSV interventionelle Radiologie nicht erfülle. Ein Kolloquium könne die fehlenden Voraussetzungen für den Nachweis der fachlichen Befähigung nicht ersetzen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG sei es den Partnern der Bundesmantelverträge gestattet, in der Qualitätssicherungsvereinbarung zur interventionellen Radiologie eine Beschränkung auf eine Fachgruppe vorzunehmen. Gemäß § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V könnten die Vertragspartner zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten sei, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehörten. Mit dieser Bestimmung hätten die Partner der Bundesmantelverträge die Möglichkeit, Fachgebietsgrenzen für die vertragsärztliche Versorgung zu definieren. Damit scheide eine Anwendbarkeit des § 9 Abs. 5 Satz 2 Radiologie-Vereinbarung für den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nummer 1 bzw. Abs. 2 Nummer 1 Radiologie-Vereinbarung von vornherein aus. Die Leistungen der interventionellen Radiologie gehörten bislang auch tatsächlich weder zum Kerngebiet der Kardiologen noch zum Kerngebiet der Angiologen. Gemäß § 3 Abs. 3 Radiologie-Vereinbarung habe die Anleitung bei einem Arzt stattzufinden, der nach der Weiterbildungsordnung in vollem Umfang für die Weiterbildung zum Facharzt "Radiologie" befugt sei. Die Klägerin habe zum Nachweis ihrer angeleiteten Tätigkeit ein Zeugnis von Herrn K vorgelegt, welcher jedoch lediglich im Gebiet "Innere Medizin und Schwerpunkt Kardiologie" weiterbildungsbefugt gewesen sei. Der Entscheidung über die Genehmigungserteilung für Herrn T habe ein anderer, nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen. 

Das Gericht hat eine Stellungnahme der Bayerischen Landesärztekammer (BLAEK) eingeholt. In ihrem Schreiben vom 20.10.2021 hat sie ausgeführt, dass die Definition des Gebiets Innere Medizin in Abschnitt B Nr. 13 der WO 2020 die Erkennung der Erkrankungen des Gebietes umfasst, zu denen auch Erkrankungen des Gefäßsystems gehörten. Da die Definition keine Vorgaben oder Einschränkungen hinsichtlich der Methoden der Erkennung vornehme, seien diagnostische Katheterangiographien zur Erkennung von Gefäßerkrankungen für Fachärzte für Innere Medizin bzw. Innere Medizin und Angiologie nach Ansicht der Bayerischen Landesärztekammer rein berufsrechtlich gebietskonform durchführbar. Da die Definition auch die interventionelle Behandlung der Erkrankungen des Fachgebiets nenne, gelte dies analog auch für gegebenenfalls notwendige therapeutische Katheterinterventionen am Gefäßsystem. Durch einen Beschluss des 77. Bayerischen Ärztetages am 28.10.2018 seien die Weiterbildungsinhalte in der Facharztkompetenz Innere Medizin und Angiologie erweitert worden. Gemäß Abschnitt B Nr. 13.2.1 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung vom 28. Oktober 2018 sowie den darauffolgenden Fassungen seien für den Erwerb der Facharztbezeichnung Innere Medizin und Angiologie folgende einschlägige Weiterbildungsinhalte gefordert:

Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in
- der Erkennung und konservativen Behandlung der Gefäßkrankheiten einschließlich Arterien, Kapillaren, Venen und Lymphgefäße und interventionellen Eingriffen und der Rehabilitation
- Indikation, Durchführung und Befunderstellung interventioneller Eingriffe an Arterien und Venen einschließlich der erforderlichen angiographischen Bildgebung während des Eingriffs auch in interdisziplinärer Kooperation

Zwar werde in den Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung bei diesen Inhalten keine Mindestzahl an durchzuführenden Eingriffen gefordert, dennoch impliziere die Formulierung, dass Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zu interventionellen (kathetergestützten) Eingriffen einschließlich der erforderlichen angiographischen Bildgebung im Rahmen einer selbständigen Durchführung entsprechender Eingriffe während der Weiterbildung erworben und nachgewiesen werden müssten. In früheren Fassungen der Weiterbildungsordnung sei lediglich die Mitwirkung bei interventionellen Eingriffen gefordert worden. Die explizite Erwähnung der Mitwirkung bedeute, dass diese Eingriffe nicht selbstständig durchgeführt werden müssten. Eine sprachliche Differenzierung in der Weiterbildungsordnung, wie hier dargelegt z.B. das Vorhandensein oder das Fehlen des Wortes "Mitwirkung", könne nach Ansicht der Bayerischen Landesärztekammer ein Indiz für die Zuordnung einer bestimmten medizinischen Leistung zum Kernbereich eines Fachgebietes sein. Eine abschließende Festlegung dieses Kernbereichs liege jedoch nicht im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Landesärztekammer.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und im Hilfsantrag begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.6.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13.2.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium und nach erfolgreicher Teilnahme an dem Kolloquium auf Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien (Nr. 34283, 34284, 34285 und 34287 EBM) sowie von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen (Nr. 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 EBM).

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen allesamt vor.

Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Zulassung zu einem Kolloquium gem. § 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur interventionellen Radiologie (in der Fassung vom 31.8.2010; im Folgenden: Radiologie-Vereinbarung) zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen begehrt. 

Hingegen war die Klage im Hauptantrag, mit dem die Beklagte verpflichtet werden sollte, der Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von interventionellen radiologischen Leistungen zu erteilen, abzuweisen. Denn die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen der fachlichen Befähigung der Radiologie-Vereinbarung.

§ 3 Radiologie-Vereinbarung lautet:
(1) Die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien (Nummern 34283, 34284, 34285 und 34287 des EBM) gilt als nachgewiesen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und durch Zeugnisse und Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 nachgewiesen werden: 

1. Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung 'Radiologie'. 

2. Selbständige Indikationsstellung beziehungsweise Sicherung der Indikation, Durchführung, Befundung und Dokumentation von mindestens 500 diagnostischen Gefäßdarstellungen oder therapeutischen Eingriffen, davon mindestens 250 kathetergestützt, unter Anleitung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung auf die Genehmigung. 

3. Mindestens einjährige überwiegende Tätigkeit in der angiographischen Diagnostik oder Therapie unter Anleitung. 

4. Gefäßdarstellungen und Eingriffe nach Nummer 2 und Tätigkeiten nach Nummer 3, die während der Weiterbildung zum Facharzt absolviert worden sind, werden anerkannt. 

(2) Die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffe (Nummern 34283, 34284, 34285, 34286 und 34287 des EBM) gilt als nachgewiesen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt und durch Zeugnisse und Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 nachgewiesen werden: 

1. Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung 'Radiologie'. 

2. Selbständige Indikationsstellung beziehungsweise Sicherung der Indikation, Durchführung, Befundung und Dokumentation von mindestens 500 diagnostischen Gefäßdarstellungen oder therapeutischen Eingriffen, davon mindestens 250 kathetergestützt, unter Anleitung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung auf die Genehmigung. Die kathetergestützten therapeutischen Eingriffe müssen mindestens 100 das Gefäß erweiternde und mindestens 25 das Gefäß verschließende Maßnahmen beinhalten. 

3. Mindestens einjährige überwiegende Tätigkeit in der angiographischen Diagnostik und Therapie unter Anleitung. 

4. Gefäßdarstellungen und Eingriffe nach Nummer 2 und Tätigkeiten nach Nummer 3, die während der Weiterbildung zum Facharzt absolviert worden sind, werden anerkannt. 

(3) Die Anleitung nach den Absätzen 1 und 2 (jeweils Nr. 2 und 3) hat bei einem Arzt stattzufinden, der nach der Weiterbildungsordnung in vollem Umfang für die Weiterbildung zum Facharzt 'Radiologie' befugt ist. Ist der anleitende Arzt nicht in vollem Umfang für die Weiterbildung befugt, muss er zusätzlich über eine Genehmigung nach dieser Vereinbarung verfügen. 

(4) Näheres zu den Zeugnissen und Bescheinigungen regelt § 9 Abs. 2. 

Mangels Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung "Radiologie" erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 3 Radiologie-Vereinbarung.

Nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer hat die Klägerin jedoch im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung gem. § 9 Abs. 5 Satz 2 Radiologie-Vereinbarung nachgewiesen. Die Klägerin hat daher einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zulassung zu einem Kolloquium zur Prüfung ihrer Befähigung zur Durchführung von diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen.

§ 9 Abs. 5 Radiologie-Vereinbarung lautet:

Bestehen trotz der vorgelegten Zeugnisse und Bescheinigungen begründete Zweifel an der fachlichen Befähigung von Ärzten nach § 3, so kann die Kassenärztliche Vereinigung die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig machen. Das Gleiche gilt, wenn der antragstellende Arzt im Vergleich zu dieser Vereinbarung eine abweichende, aber gleichwertige Befähigung nachweist. Die nachzuweisenden Zahlen von diagnostischen Gefäßdarstellungen, diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffen können durch ein Kolloquium nicht ersetzt werden. 

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 sowie § 3 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 Radiologie-Vereinbarung erfüllt, wenngleich die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass ihrer Auffassung nach die Anleitung nicht durch einen entsprechend weiterbildungsbefugten Arzt gemäß § 3 Abs. 3 Radiologie-Vereinbarung erfolgt ist. 

Die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 3 Abs. 2 Nr. 1 Radiologie-Vereinbarung erforderliche Facharztbezeichnung "Radiologie" kann vorliegend durch ein Kolloquium ersetzt werden.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG zur Kernspintomographie-Vereinbarung sowie zur Qualitätssicherungsvereinbarung zur MR-Angiographie (vgl. Urteil vom 11.10.2006, Az. B 6 KA 1/05 R, Rn. 16ff.; Urteil vom 2.4.2014, Az. B 6 KA 24/13 R, Rn. 20ff., 37) ist zwar davon auszugehen, dass die vertragsschließenden Partner in der Radiologie-Vereinbarung auf Grundlage der Ermächtigung des § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V grundsätzlich die streitgegenständlichen Leistungen der interventionellen Radiologie bei entsprechend qualifizierten Ärzten für Radiologie konzentrieren wollten. Grundsätzlich geht damit ein Ausschluss von Ärzten mit anderer Facharztqualifikation zur Erbringung der interventionellen radiologischen Leistungen einher. Daraus hat das BSG im Zusammenhang mit § 8 Abs. 5 Qualitätssicherungsvereinbarung zur MR-Angiographie - der nahezu inhaltsgleich zu § 9 Abs. 5 Radiologie-Vereinbarung ist - gefolgert, dass die erforderliche Facharztqualifikation "Radiologie" nicht durch ein Kolloquium ersetzt werden könne (BSG, Urteil vom 2.4.2014, Az. B 6 KA 24/13 R, Rn. 37).

Diese Rechtsprechung kann jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Denn nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer gehören die diagnostischen Katheterangiographien und therapeutischen Eingriffe nicht nur zum Kern des Fachgebietes Radiologie, sondern auch zum Kern des Fachgebietes Innere Medizin und Angiologie. § 9 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 3 Radiologie-Vereinbarung ist deshalb verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Facharztqualifikation "Radiologie" im Fall der Klägerin durch ein Kolloquium ersetzt werden kann.

Für die Beurteilung, ob Leistungen fachzugehörig oder fachfremd sind, ist grundsätzlich auf die aktuelle Fassung der WBO der für den Vertragsarztsitz örtlich zuständigen Landesärztekammer abzustellen (BSG, Urteil vom 15.7.2020, Az. B 6 KA 19/19 R, Rn. 19 f.). 
Zwischen den Beteiligten ist auf Grundlage der WBO der Bayerischen Landesärztekammer (BLAEK) vom 24.4.2004 (in der Fassung vom 10.10.2020) unstreitig, dass die streitgegenständlichen Leistungen für das Fachgebiet Angiologie fachgebietskonform sind. Dies ergibt sich auch eindeutig aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme der BLAEK vom 20.10.2021. Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch die Muster-Weiterbildungsordnung (in der Fassung vom 26.6.2021) als spezifische Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Innere Medizin und Angiologie Erfahrungen und Fertigkeiten bezüglich der "Indikation, Durchführung und Befunderstellung interventioneller Eingriffe an Arterien und Venen einschließlich der erforderlichen angiographischen Bildgebung, auch in interdisziplinärer Kooperation" (ohne Richtzahlen) anführt.

Die streitgegenständlichen Leistungen der interventionellen Radiologie sind nach Auffassung der Kammer auch dem Kernbereich des Fachgebietes Angiologie zuzuordnen. Die BLAEK hat in ihrer Stellungnahme auf eine abschließende Festlegung des Kernbereichs des Fachgebietes Angiologie verzichtet. Sie hat aber darauf hingewiesen, dass eine sprachliche Differenzierung in der Weiterbildungsordnung wie das Vorhandensein oder das Fehlen des Wortes "Mitwirkung" ein Indiz für die Zuordnung einer bestimmten medizinischen Leistung zum Kernbereich eines Fachgebietes sein könne. Da in früheren Fassungen der WBO lediglich die Mitwirkung bei interventionellen Eingriffen gefordert wurde, könnte somit die mittlerweile erfolgte Streichung der "Mitwirkung" dafür sprechen, dass die interventionellen Eingriffe zum Kernbereich der Angiologie gehören. Nach Einschätzung der fachkundig besetzten Kammer ist für die Zuordnung zum Kernbereich vor allem aber ausschlaggebend, dass im stationären Bereich diagnostische Katheterangiographien und therapeutische Eingriffe häufig von Angiologen erbracht werden. Die Kammer stimmt dem klägerischen Vortrag zu, dass in vielen angiologischen Fachabteilungen interventionelle Leistungen mit hohen Fallzahlen durchgeführt werden. Darauf, dass die WBO der BLAEK für die Innere Medizin und Angiologie anders als bei der Facharztkompetenz Radiologie keine Mindestzahl durchzuführender interventioneller Verfahren statuiert, kommt es nach Ansicht der Kammer nicht an. Es ist in der WBO keine Systematik dahingehend ersichtlich, dass derartige Mindest- bzw. Richtzahlen für bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ein (klares) Abgrenzungskriterium für den Kernbereich eines Fachgebietes im Verhältnis zu Randbereichen eines Fachgebietes darstellen.

Weil die interventionellen Leistungen auch dem Kernbereich des Fachgebietes Angiologie zuzuordnen sind, sind die Fachärzte für Innere Medizin und Angiologie durch den Ausschluss gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Radiologie-Vereinbarung in ihrem Status betroffen. Die Regelung des § 9 Abs. 5 Satz 2 Radiologie-Vereinbarung ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch die grundsätzlich erforderliche Facharztqualifikation "Radiologie" durch ein Kolloquium ersetzt werden kann. Konsequenterweise muss dann auch die Anleitung im Sinne des § 3 Abs. 3 Radiologie-Vereinbarung bei einem weiterbildungsbefugten Arzt möglich sein, auch wenn dieser wie im Fall der Klägerin nicht für die Weiterbildung zum Facharzt "Radiologie" befugt ist.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da der Hauptantrag der Klägerin abgewiesen, aber ihrem Hilfsantrag stattgegeben wurde.

Rechtskraft
Aus
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