L 7 AS 288/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 3158/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 288/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufungen der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2018 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. März 2019 werden zurückwiesen und die Klagen abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung von Tilgungsleistungen auf einen privaten Immobilienkredit für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 und vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018.

Die 1963 geborene Klägerin bezieht eine Rente der Schweizerischen Invalidenversicherung mit einem Zahlbetrag von monatlich 348,00 CHF (Bl. 24 Verw.-Akte Papier) und übte im streitgegenständlichen Zeitraum eine geringfügige Beschäftigung von 8 Stunden im Monat und mit einem Stundenlohn von 9,50 EUR beim Landkreis Reutlingen (Bl. 30 f. Verw.-Akte Papier) aus. Sie ist, gemeinsam mit Frau A.O., seit dem Jahr 2010 hälftige (Mit-)Eigentümerin eines (ausschließlich) von ihr selbst bewohnten Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von ca. 40 m² in F. (Bl. 8 ff. Verw.-Akte Papier). Zur Deckung des Kaufpreises von 92.500 EUR erhielt sie von A.O. ein Darlehen über 70.000,00 EUR, auf welches sie monatliche Raten von 350,00 EUR (Tilgung und Zinsen) bei einem Jahreszinssatz von 1,9% zu entrichten hat (Bl. 7 Verw.-Akte Papier). Als Sicherheit erhielt A.O. hälftiges Miteigentum.

Die Klägerin, welche bis zum 30. Juni 2016 Leistungen nach dem Recht der Arbeitsförderung bezog, beantragte am 28. Juni 2016 bei dem Beklagten Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und legte neben weiteren Unterlagen (Bl. 16. ff. Verw.-Akte Papier) einen Darlehenstilgungsplan für das Jahr 2016 vor, welcher für den Juli 2016 eine Zinsverpflichtung von 83,25 EUR, eine Tilgungsleistung von 266,75 EUR und eine danach verbleibende Restschuld von 52.310,11 EUR auswies (Bl. 14 Verw.-Akte Papier).

Mit Bescheid vom 29. Juli 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 in Höhe von 236,92 EUR für den Juli 2016, von 224,54 EUR für den August 2016, von 306,12 EUR für den September 2016, von 223,70 EUR für den Oktober 2016, von 223,27 EUR für den November 2016, von 222,85 EUR für den Dezember 2016 und von jeweils 141,72 EUR für die Monate Januar bis Juni 2017 (Bl. 57 f. Verw.-Akte Papier, Bescheid nur mit S: 1-4 von 10 in der Akte). Hierbei legte der Beklagte für die KdUH neben den Heiz- und Nebenkosten die Schuldzinsen für den Immobilienkredit bis Dezember 2016 zugrunde.

Nachdem die Klägerin gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 27. Juni 2016 sowie unter Vorlage ihrer Entgeltabrechnung für den August 2016 Widerspruch eingelegt (Bl. 1 ff. elektr. Verw.-Akte) und den überhöhten Ansatz ihrer schweizerischen Rente sowie die Nichtberücksichtigung der Tilgungsleistungen bemängelt hatte, änderte der Beklagte nach Vorlage weiterer Entgeltabrechnungen (Bl. 8 ff. elektr. Verw.-Akte) und Kontounterlagen (Bl. 13 ff. elektr. Verw.-Akte) ihre Entscheidung zunächst mit Bescheid vom 26. November 2016 dahingehend ab, dass der monatliche Leistungsbetrag für die Monate Januar bis Juni 2017 nunmehr auf 141,09 EUR festgesetzt wurde (Bl. 18 ff. elektr. Verw.-Akte). Nach Hereinreichung des Tilgungsplans für das Jahr 2017 sowie weiterer Unterlagen (Bl. 23 ff. elektr. Verw.-Akte) hob der Beklagte mit Bescheid vom 27. Januar 2017 die Bescheide vom 29. Juli 2016, 13. August 2018 (dieser ist in der Verw.-Akte nicht enthalten – Anm. d. Ger.) und vom 26. November 2016 ab 1. Februar 2017 ganz auf und bewilligte der Klägerin mit weiterem Bescheid vom 27. Januar 2017 aufgrund der schwankenden Wechselkurse hinsichtlich der schweizerischen Rente vorläufig Leistungen in Höhe von 210,71 EUR für den Februar 2017, von 210,28 EUR für den März 2017, von 209,85 EUR für den April 2017, von 209,42 EUR für den Mai 2017 und von 208,99 EUR für den Juni 2017 (Bl. 46 ff. elektr. Verw.-Akte). Die unterschiedlichen Leistungshöhen ergaben sich dabei aus dem Ansatz der jeweiligen Schuldzinsen. Auf die Nachreichung weiterer Unterlagen, u.a. zur Wohngebäudeversicherung und (Ab-)Wasserabrechnung (Bl. 55 ff. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 13. März 2017 weitere Leistungen von 261,72 EUR für den Januar 2017 (Bl. 65 ff. elektr. Verw.-Akte).

Unter Bezugnahme auf die vorgenannten Änderungsbescheide wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 (Bl 68 ff. elektr. Verw.-Akte), abgesandt am 15. März 2017, zurück. Die Tilgungsleistungen seien nicht übernahmefähig, da sie der Vermögensbildung dienten. Für den Zeitraum Juli 2016 bis Januar 2017 seien höhere Leistungen bewilligt worden, als ein Anspruch bestehe.

Mit Änderungsbescheiden vom 22. März 2017 (Bl. 75 ff. elektr. Verw.-Akte) und 13. April 2017 (Bl. 86 ff. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte für den Monat März 2017 höhere vorläufige Leistungen, zuletzt mit einem Betrag von 305,28 EUR unter Berücksichtigung des Wasser- und Abwasserabschlags und der Müllgebühren (Bl. 78 elektr. Verw.-Akte). Nach Vorlage einer Gasabrechnung (Bl. 97 f. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20. Juni 2017 für den Mai 2017 vorläufig Leistungen in Höhe von 216,42 EUR und für den Juni 2017 von 344,27 EUR (Bl. 111 ff. elektr. Verw.-Akte).

Auf einen Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 9. Juni 2017 gewährte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 20. Juni 2017 (Bl. 115 ff. elektr. Verw.-Akte) vorläufige Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017, wogegen die Klägerin keinen Widerspruch einlegte.

Mit Weiterbewilligungsantrag vom 12. Dezember 2017 (Bl. 148 ff. elektr. Verw.-Akte) beantragte die Klägerin erneut Grundsicherungsleistungen bei dem Beklagten, welcher ihr mit Bescheid vom 20. Dezember 2017 Leistungen für den Januar 2018 in Höhe von 311,22 EUR und für die Monate Februar bis Dezember 2018 jeweils in Höhe von 163,57 EUR gewährte (Bl. 160 ff. elektr. Verw.-Akte). Hierbei berücksichtigte der Beklagte im Bereich der KdUH lediglich Heiz- und Nebenkosten.

Die Klägerin legte im Weiteren ergänzende Unterlagen, u.a. den Tilgungsplan für das Jahr 2018, vor (Bl. 170 ff. elektr. Verw.-Akte) und mit Schreiben vom 18. Januar 2018 gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2018 Widerspruch ein (Bl. 174 elektr. Verw.-Akte).

Mit Bescheid vom 29. März 2018 hob der Beklagte den Bescheid vom 20. Dezember 2017 ab dem 1. Mai 2018 in Gänze auf (Bl. 203 ff. elektr. Verw.-Akte) und bewilligte ihr mit weiterem Bescheid vom selben Tag vorläufige Leistungen in einer Höhe von 240,40 EUR für den Mai 2018, von 239,97 EUR für den Juni 2018, von 239,54 EUR für den Juli 2018, von 239,10 EUR für den August 2018, von 320,67 EUR für den September 2018 und von 238,23 EUR für den Oktober 2018, wobei er nunmehr die monatlichen Schuldzinsen in der aus dem Tilgungsplan ersichtlichen Höhe berücksichtigte (Bl. 211 elektr. Verw.-Akte). Mit drittem Bescheid vom 29. März 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin höhere Leistungen für die Monate Januar bis April 2018 (nunmehr 396,52 EUR im Januar, 331,28 EUR im Februar, 245,17 EUR im März und 240,83 EUR im April) unter Berücksichtigung der monatlichen Schuldzinsen, unter Anpassung der Beträge der schweizerischen Rente sowie Übernahme der Wasser- und Abwasserabrechnung (Bl. 221 ff. elektr. Verw.-Akte). Mit Änderungsbescheid vom 25. April 2018 sprach der Beklagte der Klägerin für den April 2018 um 8,27 EUR höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines geringeren Rentenbetrages zu (Bl. 236 ff. elektr. Verw.-Akte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2018 wies der Beklagte den Widerspruch vom 18. Januar 2018 zurück. Dieser sei nach Erlass der Änderungsbescheide vom 29. März 2018 und 25. April 2018 nicht mehr begründet. Mit Änderungsbescheid vom 29. Mai 2018 (Bl. 258 ff. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte der Klägerin für den März 2018 um 15,00 EUR höhere Leistungen aufgrund zwischenzeitlich belegter (Bl. 256 elektr. Verw.-Akte) Müllgebühren in entsprechender Höhe.

Bereits am 18. April 2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 Klage erhoben und ihr Begehr der Berücksichtigung der Tilgungsraten weiterverfolgt (Az. zunächst S 14 AS 1976/17, nach zwischenzeitlichem Ruhen dann S 14 AS 6799/18). Auf den Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2018 hat die Klägerin dann am 18. Juni 2018 ebenfalls Klage beim SG erhoben und neben der Berücksichtigung der Tilgungsraten höhere Fahrtkosten zu ihrem Arbeitsplatz geltend gemacht (–S 14 AS 3158/18 –).

Aufgrund einer Änderung der von der Klägerin zu leistenden Gas-Abschlagszahlungen (Bl. 255 elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2018 (Bl. 270 ff. elektr. Verw.-Akte) vorläufig für den September 2018 Leistungen in Höhe von 318,67 EUR und für den Oktober 2018 in Höhe von 236,23 EUR. Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 28. September 2018 (Bl. 288 ff. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte dieser mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 (Bl. 297 ff. elektr. Verw.-Akte) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum November 2018 bis April 2019, dabei für den November 2018 in Höhe von 235,80 EUR und für den Dezember 2018 von 235,36 EUR. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 (Bl. 311 ff. elektr. Verw.-Akte) bewilligte der Beklagte der Klägerin endgültig für den Mai 2018 Grundsicherungsleistungen von insgesamt 253,03 EUR, für den Juni 2018 von 219,88 EUR, für den Juli 2018 von 243,27 EUR, für den August 2018 von 240,85 EUR, für den September 2018 von 314,18 EUR sowie für den Oktober 2018 von 234,28 EUR und forderte mit weiterem Bescheid vom selben Tag (Bl. 308 ff. elektr. Verw.-Akte) – nach bereits zuvor erfolgter Anhörung der Klägerin (Bl. 274 ff. elektr. Verw.-Akte) – für den Juni 2018 die Erstattung eines überzahlten Betrages von 20,89 EUR.

Mit jeweils von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnissen vom 3. Dezember 2018 hat die Beklagte sich zur Berücksichtigung weiterer Fahrtkosten und weiterer Heizkosten – diese in Höhe von monatlich 2,23 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. April 2017 und von monatlich 2,08 EUR für die Zeiträume vom 1. Mai 2017 bis 30. Juni 2017 sowie vom 1. Januar 2018 bis 31. Oktober 2018 – bereit erklärt.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2018 (–S 14 AS 3158/18 –) bzw. nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 7. März 2019 (– S 14 AS 6799/18 –) hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Klägerin stünden keine höheren Leistungen unter Berücksichtigung der von ihr geleisteten Tilgungszahlungen zu. Tilgungsleistungen rechneten grundsätzlich nicht zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, denn die Leistungen nach dem SGB II seien auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen. Eine Ausnahme davon sei nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum gehe, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen sei. Ein solcher Fall liege bei der Klägerin nicht vor, da die Restschuld des ursprünglich 70.000 EUR betragenden Kredits im Juni 2016 noch rund 53.000 EUR bzw. im Januar 2018 noch 49.613,05 EUR betragen habe.

Gegen diese ihr am 21. Dezember 2018 bzw. am 11. März 2019 zugestellten Entscheidungen hat die Klägerin am 18. Januar 2019 (– L 7 AS 288/19 –) bzw. am 2. April 2019 (– L 7 AS 1146/19 –) Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, welches die Verfahren mit Beschluss vom 14. Mai 2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des hiesigen Aktenzeichens verbunden hat. Der Beklagte hat mit den Änderungsbescheiden vom 29. Januar 2019 (Bl. 375 ff., 384 ff., 391 ff. elektr. Verw.-Akte) und 24. März 2020 (Bl. 33 ff./88 d. nachgereichten elektr. Verw.-Akte, im Weiteren: elektr. Verw.-Akte II) die angenommenen Teilanerkenntnisse auch über den dort benannten Zeitraum hinaus umgesetzt und die Leistungsgewährung für den Zeitraum September 2016 bis Januar 2017 mit Bescheid vom 22. Oktober 2020 (Bl. 75 ff./88 elektr. Verw.-Akte II) abgeändert. Für u.a. den November und Dezember 2018 hat der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 2019 (Bl. 437 ff. elektr. Verw.-Akte) die Grundsicherungsleistungen endgültig mit 242,95 EUR bzw. mit 238,95 EUR festgesetzt und den diesbezüglich erhobenen Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2019 (Bl. 17 ff./88 elektr. Verw.-Akte II) zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die monatliche Tilgung für das selbstbewohnte Wohneigentum unter der ortsüblichen Miete liege. Als Eigentümerin sei sie schlechter gestellt als ein Vermieter, der mit Mietzahlungen einen Kredit ablöse. In ihrem Fall würde sie bei Renteneintritt mietfrei wohnen, andernfalls bekäme der Vermieter weiterhin das Geld.

Die Klägerin beantragt,

  1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. März 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 24. März 2020 in der Fassung des Bescheides vom 22. Oktober 2020 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund der Berücksichtigung der vollständigen von der Klägerin für aufgebrachte Immobiliendarlehensraten in Höhe von 350,00 EUR monatlich zu gewähren.
  2. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 29. Januar 2019 sowie des Bescheides vom 18. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2018 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund der Berücksichtigung der vollständigen von der Klägerin für aufgebrachte Immobiliendarlehensraten in Höhe von 350,00 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

          die Berufungen zurückzuweisen und die Klagen abzuweisen.

Er erachtet die angefochtenen Gerichtsentscheidungen für zutreffend.

In dem Erörterungstermin vom 11. Februar 2021, zu dem auf die dortige Niederschrift Bezug genommen wird, hat die Klägerin mitgeteilt, dass von ihr die Tilgungsleistungen im streitgegenständlichen Zeitraum normal weitergezahlt worden seien. Auch sei zwischen ihr und A.O. keine Nutzungsentschädigung vereinbart gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin, über welches der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden kann, bleibt ohne Erfolg.

1. Gegenstand des Verfahrens sind zum einen hinsichtlich des Zeitraums von Juli 2016 bis Juni 2017 noch die Bescheide vom 24. März 2020 in der Fassung des Bescheides vom 22. Oktober 2020. Der Bescheid vom 29. Juli 2016, mit welchem der Beklagte der Klägerin ursprünglich Leistungen für den Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 bewilligt hat, geändert mit dem Bescheid vom 26. November 2016 und dem den Januar 2017 erfassenden Änderungsbescheid vom 13. März 2017, ist mit Bescheid vom 27. Januar 2017 für den Zeitraum Februar bis Juni 2017 aufgehoben worden. Soweit der Beklagte mit weiterem Bescheid vom selben Tag für den vorgenannten Zeitraum vorläufig Leistungen bewilligt hat, ist dieser Bewilligungsbescheid – im Weiteren, wie auch die vorgenannten Bescheide, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2017 –, der den Mai und den Juni betreffende vorläufige Bewilligungsbescheid vom 20. Juni 2017 und der nur den März 2017 erfassende vorläufige Bewilligungsbescheid vom 22. März 2017, durch den Bewilligungsbescheid vom 7. Juli 2017 ersetzt worden. Die abschließende Entscheidung ersetzt und erledigt mit ihrem Erlass im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die vorläufige Entscheidung über den Leistungsanspruch (vgl. § 41a SGB II), ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 11. Juli 2019 - B 14 AS 44/18 R - juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 31/14 R - juris Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 64 - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 54/15 R - SozR 4-4225 § 1 Nr. 3 - juris Rdnr. 14). Soweit der Beklagte seine vorhergehenden Entscheidungen mit den Bescheiden vom 24. März 2020 ersetzt und mit dem Bescheid vom 22. Oktober 2020 für den Zeitraum September 2016 bis Januar 2017 während des Berufungsverfahrens erneut abgeändert hat, sind diese Bescheide gemäß § 153 Abs. 1, § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, wobei der Senat insoweit nicht auf Berufung, sondern auf Klage entscheidet (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 96 Rdnr. 7). Denn jede Berufung setzt eine erstinstanzliche Entscheidung voraus; es gibt keine Berufung unmittelbar gegen Verwaltungsakte, sie findet nur gegen Urteile des SG statt. Demgemäß ist bei einem im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid, der – wie hier – die mit Klage angefochtenen Bescheide vollumfänglich ersetzt, das Urteil wie die – statthaft und zulässig eingelegte (§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) – Berufung wirkungslos geworden (s. BSG SozR 1200 § 48 Nr. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2009 – L 13 R 1631/08 – juris Rdnr. 16 m.w.N.). In der vorliegenden Sache erfolgt die im Tenor ausgesprochene Zurückweisung der an sich obsolet gewordenen Berufung daher nur aus Gründen der Klarstellung.

Zum anderen sind hinsichtlich des Bewilligungszeitraums von Januar bis Dezember 2018 zunächst noch die Bescheide vom 29. Januar 2019 sowie der Bescheid vom 18. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2019, soweit letztere den vorgenannten Zeitraum betreffen, Gegenstand des Verfahrens. Ausgangspunkt des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 20. Dezember 2017 gewesen, mit welchem der Beklagte für den Zeitraum Januar bis Dezember 2018 Leistungen bewilligt und gegen den die Klägerin Widerspruch eingelegt hat. Diesen Bescheid hat der Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2018 aufgehoben und mit weiteren Bescheiden von diesem Tag einerseits eine Leistungsbewilligung für den Zeitraum Januar bis April 2018 – abgeändert mit Bescheid vom 25. April 2018 bezüglich des Aprils 2018 – sowie eine vorläufige Leistungsbewilligung für den Zeitraum Mai bis Oktober 2018 ausgesprochen. Die vorgenannten Bescheide sind bezüglich des Zeitraums bis Oktober 2018 zunächst von dem Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2018 erfasst, für den März 2018 mit Bescheid vom 29. Mai 2018 sowie vorläufig für den Zeitraum September und Oktober 2018 abgeändert worden, wobei der Beklagte über die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Mai bis Oktober 2018 mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 endgültig entschieden hat und mit den Bescheiden vom 29. Januar 2018 seine bisherigen Leistungsbewilligungen in Ausführung des Teilanerkenntnisses vom 3. Dezember 2018 für die Zeit von Januar bis Oktober 2018 ersetzt hat, welche gemäß § 153 Abs. 1, § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind. Auch insoweit ist jedoch durch den Senat nicht auf Berufung, sondern auf Klage zu entscheiden.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die – bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem SG anwaltlich nicht mehr vertretene – Klägerin weder im Widerspruchs- noch im Gerichtsverfahren ihr Begehr auf die Zeit bis Oktober 2018 beschränkt hat, so dass sich – insbesondere unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. etwa BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9 Rdnr. 16) – dieses (weiterhin) auch auf die Leistungsgewährung im November und Dezember 2018 bezieht. Zwar hat die Beklagte erst mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 über die Leistungsbewilligung für diese Monate erneut und zunächst vorläufig entschieden, jedoch ist auch dieser zeitliche Bereich damit gemäß § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens geworden. Die vorläufige Entscheidung vom 8. Oktober 2018 ist im Weiteren durch den Bescheid vom 18. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2019 ersetzt worden. Einer Entscheidung in der Sache steht insoweit nicht entgegen, dass etwa der Bescheid vom 8. Oktober 2018 nicht in dem bei dem SG gestellten Klageantrag aufgeführt ist. Denn zunächst ist das Gericht nicht an die Fassung der Anträge gebunden, sondern hat über die erhobenen Ansprüche zu entscheiden (vgl. § 123 SGG), weiter hat das SG im Tatbestand die Leistungsgewährung auch für November und Dezember 2018 aufgeführt und insbesondere über das Begehr der Klägerin ohne zeitliche Beschränkung auf den Bewilligungszeitraum bis Oktober 2018 entschieden. Zwar war die Klage für die Zeit November und Dezember 2018 zunächst mangels Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 SGG) unzulässig gewesen, jedoch ist diese Zulässigkeitsvoraussetzung mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2019 nachgeholt worden. Der den Bescheid vom 8. Oktober 2018 ersetzende Bescheid vom 18. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2019 ist gemäß § 96 SGG in der Berufungsinstanz Verfahrensgegenstand geworden, so dass auch insoweit nicht auf Berufung, sondern auf Klage zu entscheiden ist. Aufgrund der umfassenden Ersetzung der vorangegangenen Bescheide durch die Bescheide vom 29. Januar 2019 sowie den Bescheid vom 18. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2019 kann dahinstehen, ob der von der Beklagten im Bescheid vom 27. Januar 2017 angeführte, aber nicht in der Verwaltungsakte enthaltene Bescheid vom 13. August 2018 tatsächlich ergangen ist.

2. Ihr Begehr verfolgt die Klägerin statthaft sowie auch im Übrigen zulässig mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), wobei sie für die gegenständlichen Bewilligungsabschnitte allein höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf die Tilgungsleistungen zur Finanzierung ihres selbstgenutzten Wohneigentums geltend macht. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung stellen einen abtrennbaren Streitgegenstand dar (z.B. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 55/13 RBSGE 116, 254 – juris Rdnr. 12; Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R – juris Rdnr. 10).

Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten sind insoweit zutreffend und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der von ihr aufgebrachten Tilgungsleistungen für den privaten Immobilienkredit zur Finanzierung ihres selbstbewohnten Einfamilienhauses.

Zwar hat die Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt, insbesondere ist die 1963 geborene, in F. – mithin im Zuständigkeitsbereich der Beklagten (§ 36 SGB II) – wohnhafte und erwerbsfähige deutsche Staatsangehörige hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II gewesen. Jedoch hat der Beklagte den Bedarf der Klägerin im Bereich der KdUH nicht in zu geringer Höhe ermittelt – was unter Außenvorlassen der Darlehenstilgung zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – und die von der Klägerin zu leistenden Tilgungszahlungen auf das ihr von A.O. gewährte Darlehen zurecht nicht in die Bedarfsberechnung aufgenommen.

Zu den Leistungen, welche erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II erbracht werden, gehören solche für den Bedarf an Unterkunft und Heizung (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II). Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dies erfasst grundsätzlich auch Aufwendungen für selbstgenutztes Wohneigentum. Die Angemessenheit der mit der Nutzung von Eigentum zum eigenen Wohnen verbundenen Aufwendungen ist nach den Aufwendungen zu beurteilen, die für Mietwohnungen angemessen sind, denn die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (st. Rspr., s. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 26/18 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 106, juris Rdnr. 17, BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 34/06 R – BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 10, juris Rdnr. 35; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 49/14 R – juris Rdnr. 18).

Zu den – im Rahmen der Angemessenheit – anzuerkennenden Aufwendungen für die Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zählen bei Eigenheimen insbesondere die zu dessen Finanzierung geleisteten Schuldzinsen, dem Grundsatz nach jedoch nicht Tilgungsleistungen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 26/18 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 106, juris Rdnr. 18). Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den Schutz des Grundbedürfnisses „Wohnen“ nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von vor dem Leistungsbezug erworbenem Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist und der Aspekt der Vermögensbildung daher in den Hintergrund tritt (vgl.: BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 79/10 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 48, juris Rdnr. 18 f.; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 67/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 13).

Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben. Zwar überwogen in den hier maßgeblichen Zeiträumen die von der Klägerin zu erbringenden Tilgungsleistungen die jeweiligen Schuldzinsen – im Juli 2016 betrug der Tilgungsanteil der monatlichen Zahlungen ca. 76%, im Dezember 2018 ca. 78% –, jedoch war die Vermögensbildung nicht als weitgehend abgeschlossen zu werten. Von der ursprünglichen Darlehenssumme von 70.000 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 1,9% p.a. hatte die Klägerin vielmehr zu Beginn des Juli 2016 noch eine Restschuld von 52.576,86 EUR zu begleichen, im Januar 2018 noch von 49.613,05 EUR und selbst im Dezember 2018 noch von 46.603,39 EUR. Ausgehend von der seitens der Klägerin und A.O. gewählten vertraglichen Gestaltung kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Tilgungsleistungen teilweise oder in Gänze als Nutzungsentschädigung im Hinblick auf das der A.O. eingeräumte hälftige Miteigentum dienen sollten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 78, juris Rdnr. 18). Diese Gestaltung sollte nach den gewählten Vertragsformulierungen, wenngleich in dieser Form ungewöhnlich, der Sicherung der Darlehensleistung dienen. Auch hat die Klägerin im Erörterungstermin vom 11. Februar 2021 die Vereinbarung einer Nutzungsentschädigung ausdrücklich verneint.

Hiervon ausgehend sind als Kosten der Unterkunft und Heizung bei der Klägerin Heizkosten einschließlich der Stromkosten der Gastherme (ab Juli 2016 monatlich 38,23 EUR, ab Mai 2017 monatlich 45,08 EUR – dabei im Juni 2017 zuzüglich eines Abrechnungsbetrages von 128,28 EUR – und ab Juni 2018 43,08 EUR – dabei im Juni 2018 abzüglich einer Rückzahlung von 22,65 EUR), Grundsteuer (12,95 EUR jährlich), Müllgebührenanteil (15,00 EUR jährlich), Wasser- und Abwasserkosten (82,00 EUR im September 2016, 80,00 EUR im März 2017, 86,29 EUR im Februar 2018 und 82,00 EUR im Oktober 2018), Wohngebäudeversicherung (131,11 EUR im Januar 2017 und 134,70 EUR im Januar 2018) und Schornsteinfegerkosten (48,50 EUR im Januar 2017) zu berücksichtigen. Diese Bedarfe hat der Beklagte auch seiner Leistungsbewilligung zugrunde gelegt, bzw. teilweise sogar überdeckt – so im Juli 2016 um weitere 13,53 EUR, von August 2016 bis Dezember 2016 um monatlich weitere 14,53 EUR und von Juni bis August 2018 um monatlich weitere 2,00 EUR.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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