L 4 SO 143/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 2/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 143/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. § 22 Abs. 10 SGB II ist auf die Bildung der Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB XII analog anzuwenden, soweit die Regelungen hierfür im Übrigen im SGB II und SGB XII inhaltsgleich sind (hier bejaht bei Kosten der Unterkunft und Heizung für Mietwohnraum des allgemeinen Wohnungsmarktes).

2. Ob eine Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II gebildet wird, unterliegt nicht einem behördlichen Ermessen.
 

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. April 2019 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufung zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2017 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) in Gestalt höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Orientierung an einer Gesamtangemessenheitsgrenze im Streit (zum Folgezeitraum siehe das Senatsurteil – L 4 SO 144/19 – vom heutigen Tage).

Der 1951 geborene Kläger beantragte am 21. November 2016 Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, die er seit 1. Januar 2017 auch bezieht. Bis 31. Dezember 2016 bezog er Arbeitslosengeld II. Seine 1956 geborene Ehefrau erhielt auch im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2017 Arbeitslosengeld II. Beide wohnen in einer laut Mietbescheinigung vom 26. November 2016 insgesamt 78 m² großen Wohnung, deren Grundmiete seinerzeit monatlich 247,50 € zuzüglich monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 74,00 € sowie monatlichen Heizkostenvorauszahlungen (Öl-Zentral) in Höhe von seinerzeit noch 121,00 € betrug, in der Summe Gesamtkosten i.H.v. 442,50 €. Darüber hinaus waren monatlich 20,00 € für eine Garage bzw. einen PKW-Stellplatz zu zahlen.

Das einzige Einkommen des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum war eine monatlich gezahlte Altersrente i.H. eines Zahlbetrages von zunächst 67,12 € (Bl. 68 der Verwaltungsakte), zuletzt 68,40 €. Ausweislich der zur Verwaltungsakte übermittelten Daten des Jobcenters bestand kein relevantes Vermögen. Die Ehefrau des Klägers erzielte wechselndes Einkommen von einer Gebäudereinigungsgesellschaft zwischen monatlich 58,80 € und 71,05 € (vgl. Vermerk Bl. 134 d.A.).

Im April 2017 teilte der Kläger zunächst mit, die Vorauszahlung sei im Jahr 2017 unverändert. Ab April 2017 wurde die Heizkostenvorauszahlung auf anteilig 44,45 € abgesenkt (Bl. 107 der Gerichtsakte). Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2018 korrigierte die Bevollmächtigte die bisherigen Angaben dahingehend, dass die Bruttokaltmiete 321,50 € und die Heizkostenvorauszahlung 88,90 € für beide Bewohner betragen hätte, insgesamt 410,40 €. Der Anteil des Klägers betrug mithin insgesamt 205,20 €.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 (Bl. 54 der Verwaltungsakten) bewilligte der Beklagte ab 1. Januar 2017 dem Kläger u.a. eine hälftige monatliche Grundmiete i.H.v. 123,75 €, hälftige monatliche Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 37,00 € und hälftige monatliche Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. 60,50 € (Zahlbetrag einschließlich Regelleistung: 585,25 €). Einkommen wurde zunächst noch nicht zur angerechnet, wobei der Beklagte unter dem 8. Dezember 2016 bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen einen Erstattungsanspruch geltend machte. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass nach § 35 Abs. 1 und 4 SGB XII Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht würden, soweit sie angemessen seien. Überstiegen die Aufwendungen für die Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, seien sie nur so lange anzuerkennen, als es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Neben den Kosten für eine Wohnung müsse diese auch hinsichtlich ihrer Größe angemessen sein. Im Landkreis B-Stadt würden dabei für Haushalte mit 2 Personen Wohnungsgrößen bis zu 60 m² als angemessen angesehen. Bei der Feststellung der angemessenen Heizkosten des Klägers sei somit von einem 2-Personenhaushalt und von einer angemessenen Wohnfläche von max. 60,00 m² auszugehen. Nach aktueller sozialgerichtlicher Rechtsprechung (Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts vom 2. Juli 2019 – B 14 AS 22/08 R und B 14 AS 36/08 R –) seien die tatsächlich anfallenden Kosten als angemessen anzusehen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschritten, der auf unangemessenes Heizen hinweise. Insoweit orientiere sich die Prüfung angemessener Heizkosten am bundesweiten Heizspiegel, wonach sich – heruntergebrochen auf eine 60 m² große Wohnung – die angemessenen Heizkosten für die Wohnung des Klägers auf maximal monatlich 69,25 € beliefen. Mit den o.a. monatlichen Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. 121,00 € werde damit der vorgenannte Grenzwert überschritten. Gleichzeitig erklärte sich der Beklagte dann jedoch bereit, die tatsächlichen Heizkosten für einen angemessenen Zeitraum von 6 Monaten, das hieße bis zum 31. Mai 2016, zu übernehmen. Nach Ablauf dieser Frist würden nur noch die angemessenen Heizkosten als Bedarf berücksichtigt.

Mit am 19. Dezember 2016 eingegangenem Schreiben wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass seitens des Jobcenters im Rahmen seines Bezuges von Arbeitslosengeld II die Heizkostenvorauszahlungen in voller Höhe anerkannt worden seien. Zu berücksichtigen sei insoweit § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nach dessen Abs. 10 zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig sei, wobei für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden könne, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre.

Unter dem 28. Dezember 2016 forderte der Beklagte den Kläger zur Kostensenkung unter Verweis auf § 35 Abs. 1 und 4 SGB XII auf; die tatsächlichen Heizkosten würden noch bis zum 31. Mai 2017 übernommen. Nach Ablauf dieser Frist würden nur noch angemessene Heizkosten als Bedarf berücksichtigt. Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten im Sinne einer so genannten erweiterten Produkttheorie entspreche nicht dem gesetzgeberischen Konzept des SGB XII und finde allein im SGB II Anwendung. Insoweit sei im SGB XII bei der Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten wie bei den Aufwendungen für die Unterkunft ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Eine Pauschalierung der Leistungen für die Heizung, die nur nach Maßgabe von Abs. 4 Satz 2 und 3 möglich sei, lasse Abs. 4 Satz 1 nicht zu. Die am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung habe grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen. Aus dem Wortlaut des § 35 SGB XII werde im Gegensatz zu § 22 SGB II nicht festgelegt, dass hier eine Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten Anwendung finde.

In der Folge kam es dann zu diversen Teilaufhebungs- und Änderungsbescheiden.

Mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger dann für Juni 2017 (nicht wie im erstinstanzlichen Urteil angegeben, für Juli 2017) Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII i.H.v. 496,25 € – wie mit der o.a. Kostensenkungsaufforderung angekündigt – allein noch unter Berücksichtigung eines auf den Kläger entfallenden Anteils an monatlichen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 34,62 € (69,24 € : 2), wobei eine anteilige Nebenkostenrückzahlung i.H.v. 16,86 € angerechnet wurde.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 23. Mai 2017 gelangte darüber hinaus für den Monat Juli 2017 dann bei im Übrigen gleichbleibender Berechnung allein noch das o.a. Renteneinkommen i.H.v. 67,12 € zur Anrechnung und mit einem dritten Änderungsbescheid vom 23. Juni 2017 ab 1. Juli 2017 ein zwischenzeitlich erhöhtes monatliches Renteneinkommen i.H.v. 68,40 €. Dabei wurde ein Bedarf für Unterkunft und Heizung ab 1. Juli 2017 i.H.v. 123,75 € + 37,00 € + 34,62 € = 195,37 € beim Kläger anerkannt.

Weder gegen den Änderungsbescheid vom 22. Mai 2017 noch gegen die Änderungsbescheide vom 23. Mai und 23. Juni 2017 hatte der Kläger zunächst Widerspruch eingelegt.

Mit am 24. Oktober 2017 eingegangenem Schreiben machte der Kläger dann jedoch eine Überprüfung der Bescheide vom 23. Mai und 23. Juni 2017 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geltend. Er erachte die Kürzung der Heizkosten auf monatlich 34,62 € für nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei aber auch kein Kostensenkungsverfahren nach § 35 Abs. 4 SGB XII erfolgt. Im örtlichen Vergleichsraum gebe es keine Mietangebote zu den vom Beklagten verlangten Konditionen.

Auf den vorgenannten Überprüfungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 für den Monat Juni 2017 Grundsicherungsleistungen auf der Grundlage der o.a. tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 hielt der Beklagte an den Festsetzungen in den Bescheiden vom 23. Mai 2017 und vom 23. Juni 2017 fest. Die dortige Überprüfung habe ergeben, dass diese Bescheide nicht zu beanstanden seien. Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 35 Abs. 4 SGB XII und seine beiden o.a. Schreiben vom 7. Dezember 2016 und 28. Dezember 2016. Insoweit sei für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden, so dass es ab dem Monat Juli 2017 bei den Entscheidungen des Beklagten verbleiben müsse. Abschließend wies der Beklagte den Kläger noch darauf hin, dass nach Vorlage der Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2017 seitens des Beklagten geprüft werde, ob eine gegebenenfalls bestehende Nachzahlung der Heiz- und Betriebskosten von dort übernommen werden könne.

Gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2017 legte der Kläger, die Leistungsgewährung ab 1. Juli 2017 betreffend, am 20. November 2017 durch seine Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein. Insoweit werde bei der Leistungsgewährung die Berücksichtigung der gesamten Heizkosten bzw. des auf den Kläger entfallenden Anteils der gesamten Heizkosten analog der Regelung des § 22 Abs. 10 SGB II begehrt. Danach sei auch im SGB XII eine Gesamtangemessenheitsgrenze von Mietkosten, Neben- und Heizkosten zu bilden, die der Kläger mit den Gesamtkosten für die Kosten der Unterkunft nicht überschreite. Die Handhabung der Kosten der Unterkunft werde im SGB II und im SGB XII gleich gehandhabt, so dass § 22 Abs. 10 SGB II auf Leistungen nach dem SGB XII analog anzuwenden sei. Zudem seien die Heizkosten im Einzelfall des Klägers auch über die Angemessenheitsgrenze hinaus zu übernehmen, da die Heizung aufgrund ihres Alters von über 30 Jahren einen deutlich höheren Verbrauch aufweise, ohne dass dies jedoch näher erläutert worden wäre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2017 (Bl. 173 d.A.) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Überprüfungsbescheid vom 26. Oktober 2017, die Leistungsgewährung vom 1. Juli bis 31. Dezember 2017 betreffend, als unbegründet zurück. Zur Begründung der Zurückweisung des Widerspruchs wiederholte der Beklagte im Wesentlichen den Inhalt seiner Schreiben vom 7. Dezember 2016 und 28. Dezember 2016.

Gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017 hat der Kläger am 3. Januar 2018 Klage erhoben, gerichtet auf die Übernahme der hälftigen tatsächlichen Heizkosten.

Der Kläger hat vorgetragen, die Angemessenheitsgrenze sei fehlerhaft ermittelt, es existiere kein schlüssiges Konzept. Die Gesamtangemessenheitsgrenze, die die Wohnung des Klägers wahre, sei analog § 22 Abs. 10 SGB II zu ermitteln. Der Kläger verweist auf die Gesetzesmaterialien nach der BT-Drs. 18/8041; die Interessenlage sei im SGB II und SGB XII identisch.

Dabei lägen der Regelung nach § 22 Abs. 10 SGB II durchaus auch wirtschaftliche Gründe zu Grunde, auch für den Leistungsträger, welcher im Ergebnis bei einer nach § 22 Abs. 10 SGB II angemessenen Wohnung keine höheren Kosten zu tragen habe als bei einer Wohnung, welche bereits mit Kaltmiete und Nebenkosten als angemessen betrachtet werde. Ebenfalls dürfe insoweit nicht außer Acht gelassen werden, dass erwerbsgeminderte und ältere Menschen eher Probleme hätten, sich in einem neuen Wohnumfeld zurechtzufinden als erwerbsfähige. Der Kläger und seine Ehefrau suchten seit Monaten nach einer neuen Wohnung in einem größeren Umkreis um B-Stadt, ohne dass dies erfolgreich gewesen wäre. Unabhängig davon seien die monatlichen Heizkosten dann aber auch tatsächlich nicht unangemessen hoch, worauf der Kläger bereits vorgerichtlich hingewiesen habe. Hier sei unter anderem das Alter der Heizungsanlage zu berücksichtigen, aber auch die Bausubstanz. Gegebenenfalls sei dann eben ein Heizgutachten einzuholen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten seien die Ausgangsbescheide vom 23. Mai 2017 und 23. Juni 2017 insoweit teilweise rechtswidrig gewesen, zumal insoweit auch zu berücksichtigen sei, dass, wie bereits vorgerichtlich geltend gemacht, die monatlichen Mietkostenvorauszahlungen bereits seit April 2017 nicht mehr 121,00 €, sondern allein noch 88,90 € betragen würden. Ausgehend von einer analogen Anwendbarkeit des § 22 Abs. 10 SGB II seien bei selbst nach Lesart des Beklagten hier angemessenen kalten Kosten der Unterkunft i.H.v. 346,80 € monatlich diesen die vom Beklagten selbst in Ansatz gebrachten Heizkosten in Höhe von monatlich 69,25 € hinzuzurechnen, was einen Betrag i.H.v. 416,05 € monatlich ergebe, bei einem 2-Personen-Haushalt also jeweils 208,03 €. Die auf ihn entfallenden tatsächlichen warmen Kosten der Unterkunft würden dagegen allein 205,20 € monatlich betragen (247,50 € + 74,00 € + 88,90 € = 410,40 €: 2 = 205,20 €).

Der Beklagte hat erstinstanzlich an der Begründung der angefochtenen Bescheiden festgehalten. Eine analoge Anwendung von § 22 Abs. 10 SGB II komme nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass sich das Gesetz zur Rechtsvereinfachung ausschließlich auf das SGB II beziehe, dass eben diese Rechtsvereinfachungsvorschriften ausschließlich im Bereich des SGB II hätten Anwendung finden sollen. Hierfür spreche auch, dass mit diesem Gesetz notwendige Folgeänderungen in Nebengesetzen, wie z.B. auch dem SGB XII, beschlossen worden seien. Sofern der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, insoweit einen Gleichlauf der Vorschriften nach dem SGB II und dem SGB XII zu beschließen, hätte dies direkt umgesetzt werden können. Zudem könne nach Überzeugung des Beklagten hierbei auch nicht von einem gesetzgeberischen Versehen ausgegangen werden, da sich im Vergleich des SGB II und des SGB XII auch weitere unterschiedliche Regelungen bei grundsätzlich gleicher Interessenlage finden ließen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 11. April 2019 unter Abänderung des Bescheides vom 26. Oktober 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017 verurteilt, dem Kläger unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 23. Mai 2017 und 23. Juni 2017 für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des auf ihn entfallenden Anteils seiner tatsächlichen Heizkosten, begrenzt durch eine Gesamtangemessenheitsgrenze von 208,03 € monatlich zu gewähren.

Die zulässige Klage sei begründet. Die angefochtenen Bescheide seien, soweit sie angefochten seien, rechtswidrig. Die Beklagte habe den vom Kläger nach § 44 SGB X gestellten Überprüfungsantrag im entschiedenen Umfang zu Unrecht abgelehnt, da sich mit dem Kläger unter Zugrundelegung einer verfassungskonformen Auslegung die den hier vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 streitigen Leistungszeitraum betreffenden, o.a. Bewilligungsbescheide vom 23. Mai 2017 und 23. Juni 2017 im Wesentlichen aus dem klägerischen Vorbringen heraus im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X teilweise zumindest insoweit als rechtswidrig erwiesen hätten, als der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII allein unter Berücksichtigung auf ihn entfallender monatlicher Heizkosten in Höhe von 34,62 € gewährt habe, die damit um monatlich 9,83 € (88,90 € : 2 - 34,62 €) hinter den auf den Kläger entfallenden monatlich 44,45 € (88,90 € : 2) zurückgeblieben seien. Zwar weise der Beklagte zu Recht darauf hin, dass nach § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII Bedarfe für Heizung und die zentrale Warmwasserversorgung in tatsächlicher Höhe nur anerkannt würden, soweit sie angemessen seien, die Rechtsprechung die Bildung einer aus kalten und warmen Kosten der Unterkunft zusammengesetzte Gesamtangemessenheitsgrenze im SGB XII bisher verneint und der Gesetzgeber – anders als im SGB II – keine der Regelung des § 22 Abs. 10 SGB II entsprechende Regelung in das SGB XII aufgenommen habe. Dem stehe bei verfassungskonformer Auslegung zur Überzeugung der Kammer dann aber eine zumindest entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 10 SGB II im SGB XII nicht entgegen.

Der zum 1. August 2016 in Kraft getretene § 22 Abs. 10 SGB II lasse insoweit in seinem Satz 1 zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze anders als § 35 Abs. 4 SGB XII ausdrücklich zu, wobei nach § 22 Abs. 10 Satz 2 SGB II dabei für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden könne, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre.

Hieraus ergebe sich eine auf den Kläger entfallende monatliche Gesamtangemessenheitsgrenze von 208,03 €.

Dass das SGB XII selbst eine diesbezügliche Regelung nicht enthalte, stehe der entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 10 SGB II im SGB XII nicht entgegen. Insoweit dränge der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bei verfassungskonformer Auslegung hier eine entsprechende Anwendung geradezu auf, da ansonsten der hier einschlägige Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wäre, nachdem wesentliche Unterschiede, die eine solche unterschiedliche Behandlung von SGB II-Empfängern und SGB XII-Empfängern bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsleistungen rechtfertigen würden, zur Überzeugung der Kammer selbst nicht rechtserheblich vorlägen.

Mit dem Inkrafttreten des SGB II werde der hier maßgebliche leistungsberechtigte Personenkreis des SGB II zu dem des SGB XII allein noch durch den Grad der verbliebenen Resterwerbsfähigkeit abgegrenzt. Gleichzeitig seien beide Leistungsarten von der Bedürftigkeit des Betroffenen abhängig und würden unabhängig von möglichen Versicherungs-/Beitragszeiten im Ergebnis allein aus Steuermitteln finanziert, wobei sich lediglich die „Töpfe“, aus denen die Finanzierung erfolge, unterschieden. Kosten der Unterkunft und Heizung würden darüber hinaus nach weiteren Voraussetzungen nach § 35 SGB XII allein anerkannt, soweit sie angemessen seien, wobei zumindest im Ergebnis Gleiches nach § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II für Leistungsbezieher nach dem SGB II gelte. Dabei komme hinzu, dass sich hinsichtlich der Berechnung der angemessenen Unterkunftskosten die Leistungsgewährung nach dem SGB XII zumindest im Ergebnis mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung in nichts unterscheide, selbst wenn man insoweit von einer allein teilweisen Identität der Regelungsgegenstände im SGB II und im SGB XII ausginge. Gründe dafür, wesentlich Gleiches insoweit ungleich zu behandeln, hätten sich der Kammer damit nicht zu entschließen vermocht. Der allein maßgebliche Grad der Erwerbsfähigkeit reiche insoweit nach Auffassung der Kammer als rechtfertigendes Unterscheidungsmerkmal nicht aus. Dies umso mehr, als sich zumindest die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung jeweils wechselseitig am anderen Rechtsgebiet orientiere, was erst Recht gelte, wenn kein Grund ersichtlich sei, einen Gesichtspunkt im SGB II zu berücksichtigen, im SGB XII – wie vor – dann aber gerade nicht. Unterschiedliche Regelungskonzepte lägen dabei nach Inkrafttreten des § 22 Abs. 10 SGB II zur Überzeugung der Kammer auch nicht vor, da von Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung bei vergleichbarer Fallkonstellation einer harmonisierenden Auslegung oder Analogie zu Gunsten der die jeweilige Leistung beanspruchenden Person immer zu prüfen sei, was erst Recht gelte, wenn eine ungerechtfertigte, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung vorliege.

Das Urteil ist dem Beklagten am 17. Juni 2019 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 16. Juli 2019 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 22 Abs. 10 SGB II nicht vorlägen. Es sei bereits keine planwidrige Regelungslücke erkennbar. Zwar orientiere sich die Rechtsprechung jeweils wechselseitig am anderen Rechtsgebiet, jedoch gelte dies nur soweit, als in den zu Grunde liegenden Regelungen eine Identität bestehe. Tatsächlich existierten jedoch zahlreiche Unterschiede, welche einen Gleichlauf beider Rechtsgebiete nicht rechtfertigten. Dies gelte für die Kosten der Unterkunft insbesondere nach Einführung der Neuregelungen des § 42a SGB XII, wonach nicht einmal mehr zwischen Leistungsbeziehern des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII dieselben Regelungen zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft zur Anwendung kämen. Zudem bleibe der Beklagte bei der Auffassung, dass nach der Entstehungsgeschichte des Rechtsvereinfachungsgesetzes die Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II ausschließlich im Bereich des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches habe Anwendung finden sollen. Hierfür spreche weiterhin, dass in der Zwischenzeit das SGB XII vielfach geändert worden sei, auch im Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung, ohne dass eine Parallelvorschrift aufgenommen worden sei. Systemwechsler zwischen dem SGB II und dem SGGB XII würden in verschiedenen Bereichen der jeweiligen Leistungsgesetze unterschiedlich behandelt, etwa beim Vermögenseinsatz.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. April 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach den Leistungsgesetzen des SGB II und des SGB XII im Wesentlichen vergleichbaren Regelungen unterliege. Die Beurteilung im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze könne auch ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien im Zuständigkeitsbereich einiger kommunaler Träger eine deutliche Vereinfachung bedeuten. Die Problematik stelle sich gleichermaßen im SGB XII wie im SGB II. Es sei kein Grund ersichtlich, Grundsicherungsempfängern nach dem SGB XII geringere Leistungen zu gewähren als Grundsicherungsempfängern nach dem SGB II. Auch sei zu beachten, dass Leistungsbezieher mehrmals während des Leistungsbezugs von einem System zum anderen wechseln könnten. Es sei kein Grund ersichtlich, den Leistungsbezug je nach Zugehörigkeit zum einen oder anderen System unterschiedlich zu gestalten. Am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG sei eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung nicht ersichtlich. Der Analogie stehe auch § 42a SGB XII nicht entgegen. Diese Vorschrift – insbesondere dessen Absatz 3 – diene der Verwaltungsvereinfachung und sei eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Bereich der Regelung von Unterkunftskosten bei Leistungsberechtigten, die mit nahen Angehörigen in einer Wohnung wohnten.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 9. November 2021 bzw. 16. November 2021 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte L 4 KA 144/19 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (fünf Bände) Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Aufgrund der vorliegenden übereinstimmenden Zustimmung der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die vom Sozialgericht zugelassene und zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das Sozialgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme der teilweisen Leistungsablehnung und auf Neubescheidung in Gestalt der Bewilligung höherer Leistungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 44 SGB X hat.

Statthafte Klageart für dieses Begehren ist die Kombination aus Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Die Anfechtungsklage ist auf die Aufhebung der ablehnenden Überprüfungsbescheide gerichtet, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des Ausgangsbescheids und – da die Überprüfung hier auf höhere Leistungen abzielt – die Leistungsklage auf die Verurteilung zur dann zu beanspruchenden Leistung (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – juris Rn. 9; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X (Stand: 4.1.2022), Rn. 154 m.w.N.). Der Antrag ist einer entsprechenden Auslegung zugänglich.

Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung der Teilrücknahme und Neubescheidung der zu überprüfenden Bescheide verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Pflicht zur Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts richtet sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist (gebundene Entscheidung) ein (i.S. des § 45 Abs. 1 SGB X nicht begünstigender) Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Der Leistungsanspruch des Klägers ist dem Grunde nach an den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB XII nach § 41 ff. SGB XII zu messen, da der 1951 geborene Kläger die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII im streitgegenständlichen Zeitraum überschritten hatte.

Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt, da zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass sein monatliches Einkommen im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst 67,12 €, zuletzt 68,40 € betrug und kein anrechenbares Vermögen vorhanden ist. Auch fehlt es nach den Grundsätzen über eine gemischte Bedarfsgemeinschaft an anrechenbarem Einkommen und Vermögen der Ehefrau.

Die hier allein streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung sind nicht nur unter Heranziehung von §§ 42 Nr. 4 a), 42a Abs. 1, 35 SGB XII zu bemessen, sondern unter ergänzender analoger Anwendung von § 22 Abs. 10 SGB II.

Die nach §§ 42 Nr. 4 a), 42a Abs. 1 SGB XII auch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außerhalb von Einrichtungen nach § 35 SGB XII zu bestimmenden Bedarfe für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen sind, anzuerkennen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Satz 1 gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII werden Bedarfe für Heizung und zentrale Warmwasserversorgung in tatsächlicher Höhe anerkannt, soweit sie angemessen sind. Die Bedarfe können nach Satz 2 dieses Absatzes durch eine monatliche Pauschale festgesetzt werden. Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 4 Satz 3 SGB XII).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der tatsächlichen Kosten, da der Beklagte den Kläger bereits mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 und dem Schreiben vom 28. Dezember 2016 wirksam zur Kostensenkung aufgefordert hat, mithin nach Ablauf von sechs Monaten – ab Juli 2017 – nur noch die angemessenen Kosten, sowohl bei der Bruttokaltmiete als auch bei den Heizkosten zu zahlen sind (zur Notwendigkeit einer Kostensenkungsaufforderung LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. November 2014 – L 8 SO 112/11 –, juris Rn. 15 ff. m.w.N.; zur Anwendung der Sechs-Monats-Frist auf Heizkosten: Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 SGB XII (Stand: 25.05.2021) Rn. 220 m.w.N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die im Bescheid vom 7. Dezember 2016 genannte Heizkostenobergrenze zutreffend oder die daraus folgende Gesamtsumme zutreffend vom Beklagten ermittelt worden ist. Die Kostensenkungsaufforderung bezweckt, dem Leistungsberechtigten im Sinne einer Aufklärungs- und Warnfunktion Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung zu vermitteln und die Rechtslage zu verdeutlichen. Stellt sich die Sicht des Leistungsträgers als falsch heraus, führt das nicht dazu, dass stets die tatsächlichen Kosten auch über sechs Monate hinaus zu übernehmen wären. Erst dann, wenn durch objektiv fehlerhafte Angaben des Leistungsträgers zur Höhe der Referenzmiete bewirkt wird, dass die oder der Leistungsberechtigte die Wohnungssuche im wesentlichen Umfang beschränkt, kann dies zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R = SozR 4–4200 § 22 Nr. 19). Für Letzteres gibt es keine Anhaltspunkte.

Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nach § 22 Abs. 10 SGB II die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre (§ 22 Abs. 10 Satz 2 SGB II). Nach § 22 Abs. 10 Satz 3 SGB II gelten die Vorschriften über die Beschränkung des Anspruchs auf die angemessenen Kosten bei tatsächlichen unangemessenen Kosten nach § 22 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB II entsprechend.

§ 22 Abs. 10 SGB II ist in Ergänzung der allgemeinen Regelung über Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in § 35 SGB XII analog anzuwenden. Es besteht (1.) insoweit kein Analogieverbot. Im Zuge der Novellierung des § 22 SGB II ist eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke dergestalt entstanden, dass die zuvor wertungsgleich geregelten Bestimmungen über die Angemessenheitsgrenze auseinander fielen (2.a), wobei im Fehlen einer mit § 22 Abs. 10 SGB II vergleichbaren Norm kein „beredtes Schweigen“ des Gesetzgebers gesehen werden kann (2.b). Vielmehr ist in Anbetracht der vom Gesetzgeber hingenommenen analogen Anwendung anderer Vorschriften des SGB II, die ebenfalls die Leistungsbemessung der Kosten für Unterkunft und Heizung im Normalfall der Nutzung einer selbst gewählten Mietwohnung außerhalb von Einrichtungen betreffen, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Ausgestaltung der gebotenen Parallelität der Leistungssysteme im Detail an die Normanwenderinnen und –anwender delegiert hat. Dies stellt eine der Lückenschließung im Wege der Analogie zugängliche Regelungslücke dar. Der Sachverhalt der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze beim Wohnen in Wohnungen außerhalb von Einrichtungen ist (3.) im SGB II wie im SGB XII nach dem dortigen Normenbestand im Übrigen wertungsgleich zu regeln, nicht zuletzt zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

(1.) Der Anwendung von § 22 Abs. 10 SGB II steht kein allgemeines Analogieverbot entgegen. Trotz des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I besteht nach allgemeiner Ansicht kein Analogieverbot für das Sozialrecht, nach vorherrschender Ansicht nicht einmal bei zu Lasten des Betroffenen wirkenden Analogien (dazu BSG, Urteil vom 18. Mai 2000 – B 11 AL 77/99 R –, juris; J. Becker, SGb 2009, 338 (342)). Dies bedarf hier keiner vertiefenden Erörterung, da der Kläger mit der Anwendung von § 22 Abs. 10 SGB II eine Begünstigung erstrebt.

(2.) Es besteht eine zur Analogie berechtigende Regelungslücke. Bereits die Lückenhaftigkeit als Voraussetzung der Analogie kann dabei nur im Hinblick auf ein vorausgesetztes Regelungsziel ermittelt werden (Müller/Christensen, Juristische Methodik I, 10. Aufl. 2009, S. 388), etwa in Gestalt einer unbewussten „planwidrigen“ Nichtregelung, die eine Kenntnis des Plans voraussetzt. Die Berechtigung zur Lückenbeseitigung ist aber nicht auf solche planwidrigen Lücken im engeren Sinne begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf andere Fälle der Nichtregelung trotz eines Regelungsbedarfes in Bezug auf ein Regelungsziel, etwa das nachträgliche Entstehen eines Regelungsbedarfs durch sozialen, technischen oder rechtlichen Wandel oder die mehr oder weniger bewusste Delegation durch den Gesetzgeber an die richterliche Rechtsfortbildung durch eine gänzlich fehlende oder nicht vollständige Regelung eines Regelungsbereiches (Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 571 f.).

(a) Bereits das Bundessozialgericht hat aus methodischer Perspektive darauf hingewiesen (zum Folgenden BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 90/12 R –, juris Rn. 50), dass es sich bei dem SGB II als auch bei dem SGB XII hinsichtlich ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ungeachtet der unterschiedlichen Entstehungshintergründe, der typisierten Unterschiedlichkeit der Anspruchsberechtigten sowie der konzeptionellen Unterschiede beider Gesetze um der Existenzsicherung dienende, auf Bedarfsdeckung angelegte und bedürftigkeitsabhängige Leistungssysteme handelt, die mit ihren voneinander getrennten leistungsberechtigten Personenkreisen zwar an verschiedene Lebenslagen anknüpfen, aber jeweils der Verwirklichung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dienen. Das gleichartige Nebeneinander rechtfertigt es, in vergleichbaren Fallkonstellationen die für diese einschlägigen Regelungen des SGB II und des SGB XII vergleichend in den Blick zu nehmen. Unterscheiden sich die Regelungen in ihren Wirkungen, kann hieraus im Einzelfall ein Anlass zu Harmonisierung zugunsten der Leistungen beanspruchenden Person folgen, die im jeweils anderen Leistungssystem begünstigt wäre.

Nach Auffassung des Senats rechtfertigt die Zielgleichheit auf dieser abstrakten Ebene noch nicht die Regelungsbedürftigkeit der entstandenen Lücke; vielmehr ist der konkrete Regelungszusammenhang von Leistungen für Unterkunft und Heizung in den Blick zu nehmen. Dies ändert aber am Ergebnis der Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts nichts: Auch die Regelungen über Angemessenheitsgrenzen für auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt oder dem sozial geförderten Wohnungsmarkt anmietbare Wohnungen in Abgrenzung zu den besonderen, in § 42 Abs. 4 b) und § 42a Abs. 2 ff. SGB XII geregelten Wohnformen sind historisch in hohem Maße durch Parallelitäten geprägt. Beide Regelungssysteme haben aus dem Sozialhilferecht bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze die sog. Produkttheorie übernommen, wonach auf das Ergebnis des Produkts der angemessenen Wohnungsquadratmeter und des angemessenen Quadratmetermietzinses abzustellen ist (Berlit, in: Bieritz-Harder u.a. (Hrsg.), LPK-SGB XII,12. Aufl. 2020, § 35 Rn. 50). Bereits dies ermöglicht einen gewissen Grad an Flexibilität, worauf auch § 22 Abs. 10 SGB II abstellt, kann doch eine bei isolierter Betrachtung unangemessen große Wohnung wegen eines niedrigen Quadratmeterpreises im Ergebnis angemessen sein. Dem angemessenen Kaltmietzins pro Quadratmeter folgen in beiden Rechtsgebieten identische Anforderungen an die Aufstellung eines sog. „schlüssigen Konzepts“ (zusf. BSG, Urteile vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R – juris; S. Knickrehm, SGb 2017, 241). Der Gesetzgeber geht insoweit von einem Gleichlauf aus, da er im Falle einer Regelung der Höhe der anzuerkennenden Bedarfe durch Satzung nach § 35a SGB XII eine grundsätzliche Bindung an die Angemessenheitsgrenzen nach §§ 22a bis 22c SGB II mit nur geringfügigen Ausnahmen anordnet, nämlich, indem bestimmte besondere Bedarfssituationen in der Satzung zu regeln sind. Eine Durchbrechung des prinzipiellen Gleichlaufs ergibt sich daraus nicht.

Stets war sowohl die Auslegung von § 22 SGB II wie § 35 SGB XII gleichermaßen auch durch dieselben, über die rein existenzsichernde Bedarfsdeckung hinausgehende Zielsetzungen geprägt, wie z.B. die Vermeidung von Ghettobildung (zum SGB XII: Berlit, in: Bieritz-Harder u.a. (Hrsg.), LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 35 Rn. 113; zum SGB II ausdrücklich § 22a Abs. 3 Satz Nr. 4 SGB II: „Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen“) und den weitestgehenden Erhalt der zu Beginn des Leistungsbezuges bewohnten Wohnung als Lebensmittelpunkt in einem sozialen Umfeld (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – R 7b AS 18/06 R –, juris, Rn. 21; BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 – 1 BvR 1910/12, juris). Diese Ziele stritten schon immer für eine realitätsgerechte wie auch einzelfallflexible Bestimmung der Angemessenheitsgrenze, mit der Herausforderung, keine Fehlanreize für den Wohnungsmarkt zu setzen.

Einziger im hiesigen Kontext relevanter Unterschied von § 22 SGB II und § 35 SGB XII vor Einführung von § 22 Abs. 10 SGB II war die Möglichkeit zur (Heizkosten-)Pauschalierung auch ohne Rückgriff auf eine Satzungsregelung nach §§ 22a bis 22c SGB II, geregelt in § 35 Abs. 3, § 35 Abs. 4 Satz 2 SGB XII. Dabei handelt es sich aber gerade nicht um die Ermächtigung zu einer von den o.g. Prinzipien abweichenden Bestimmung der Angemessenheitsgrenze. Vielmehr muss die Pauschale stets bedarfsdeckend oder mit einer Öffnungsklausel versehen sein; sie setzt die Betätigung des Ermessens des Trägers hinsichtlich des „Ob“ der Pauschalierung voraus. Die Regelung deckt sich in ihrer Zielsetzung mit den o.g. Bemühungen um Flexibilisierung und Verwaltungsvereinfachung, hat aus den genannten Gründen und weiterer Kritik keine erhebliche praktische Relevanz erlangt (vgl. Berlit, in: Bieritz-Harder u.a. (Hrsg.), LPK-SGB XII,12. Aufl. 2020, § 35 Rn. 110 ff, 127).

Mit dem „Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung“ vom 26. Juli 2016, BGBl. I1824 (im Folgenden RechtsvereinfachungsG) wurde § 22 Abs. 10 SGB II geschaffen. Die Vorschrift zielt, wie das gesamte Gesetz, vorrangig auf Verwaltungsvereinfachung, die auch eine mögliche Begünstigung des Berechtigten in Gestalt der tendenziell leistungserhöhenden Berechnungsweise rechtfertige. Regelungshintergrund der Norm ist die Überwindung einer die Summierung der Angemessenheitsgrenzen von Unterkunft und Heizung untersagenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BT-Drs. 18/8041, S. 40, unter Hinweis auf Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R).

Da diese Norm keine Parallele im SGB XII findet, ist der vorher bestehende Gleichklang der Angemessenheitsgrenze in beiden Regelungssystemen nunmehr in den Fällen gestört, in denen entweder ein sehr niedriger Kaltmietzins mit unangemessen hohen Heizkosten zusammentrifft oder ein isoliert unangemessen hoher Kaltmietzins mit sehr niedrigen Heizkosten addiert werden könnte. Während im SGB II eine abweichende Gesamtangemessenheitsgrenze gebildet wird, bliebe es ohne analoge Anwendung im SGB XII bei der niedrigeren Angemessenheitsgrenze. Nach alledem ist durch das RechtsvereinfachungsG im SGB XII eine Lücke dergestalt entstanden, dass für den Normalfall des Bedarfes der Kosten einer Wohnung ohne weitere Besonderheiten nebst Heizkosten im SGB XII nicht auf eine abweichende Angemessenheitsgrenze durch Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zurückgegriffen werden kann, wenn keine Analogie erfolgt.

(b) Weder die Nichtregelung im RechtsvereinfachungsG noch die nachfolgenden Änderungen im SGB XII bezüglich Kosten der Unterkunft und Heizung können als bewusste gesetzgeberische Entscheidung gegen einen Regelungsbedarf angeführt oder als „beredtes Schweigen“ des Gesetzgebers gedeutet werden.

Die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung hat wiederholt und wechselseitig Analogien – auch im Bereich der Regelungen über Kosten der Unterkunft und Heizung – gebildet und dies ausdrücklich mit der „unzulängliche[n] Abstimmung der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII“ begründet (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 71/12 R –, juris Rn. 25 zur ergänzenden Heranziehung des § 35 SGB XII im Rahmen des SGB II unter Hinweis auf BSG Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 20/09 RBSGE 108, 241 zur Einkommensanrechnung in der gemischten Bedarfsgemeinschaft und BSG Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 58/06 R –, juris). Allgemein anerkannt ist die analoge Anwendung von § 22 Abs. 5 SGB II a.F. bzw. § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II der geltenden Fassung im Rahmen der Anspruchsberechtigung nach dem SGB XII mit der Folge der Einbeziehung unabweisbarer Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur in die angemessenen Kosten der Unterkunft eines selbst genutzten Eigenheims (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 20. Juli 2017 – L 23 SO 247/17 –, juris Rn. 49 und – L 23 SO247/15 – juris Rn. 43 m.w.N). § 35 SGB XII hat keine Regelung für das Kostensenkungsverfahren; insoweit besteht aber Einigkeit dahingehend, dass die von der Rechtsprechung zu § 22 SGB II begründete Anforderung einer Kostensenkungsaufforderung auch bei § 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 SGB XII zu fordern ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. November 2014 – L 8 SO 112/11 –, juris Rn. 15 ff. m.w.N., siehe bereits oben). Mangels Regelung zur Abstufung von den tatsächlichen zu den angemessenen Heizkosten in § 35 Abs. 4 SGB XII wird in Literatur und Rechtsprechung eine analoge Anwendung von § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII auf die Heizkosten mit einer Regelfrist von sechs Monaten praktiziert, mit dem Ergebnis eines Gleichlaufs zum SGB II (Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 SGB XII (Stand: 25.5.2021) Rn. 220 m.w.N.).

Eine Reaktion des Gesetzgebers auf diese vielfältigen Harmonisierungsversuche und Analogien ist nicht erkennbar.

In der Literatur wurden die Regelungsunterschiede zwischen § 22 SGB II und § 35 SGB XII wiederholt kritisiert und darauf hingewiesen, dass mangels näherer Begründung in den Gesetzesmaterialien nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber diese Unterschiede bewusst geregelt hat (vgl. Berlit, in: Bieritz-Harder u.a. (Hrsg.), LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 35 Rn. 6; Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 SGB XII (Stand: 25.05.2021) Rn. 10).

Die Nichtregelung im RechtsvereinfachungsG hat nach dem Kenntnisstand des Senats eher pragmatische Gründe: Das Gesetz hat primär Vorschläge zur Weiterentwicklung des Leistungs- und Verfahrensrechts des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch u.a. aus der Praxis der Jobcenter aufgegriffen, die durch die von der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder (ASMK) eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Leistungsrechts, einschließlich des Verfahrensrechts, im SGB II (AG Rechtsvereinfachung) von Juni 2013 bis Juni 2014 weiter ausgearbeitet worden sind. Trotz Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge (zum Teilnehmerkreis vgl. den Zwischenbericht des BMAS vom 4. September 2013) war das politische Reformziel von vornherein auf das SGB II beschränkt. Bereits aus dem vom BMAS versandten Ergebnisbericht vom 2. Juli 2014 (beide Berichte sind über diverse Internetquellen öffentlich verfügbar) geht zudem hervor, dass neben vielen konsentierten Vorschlägen auch kontroverse Themen nicht in den Gesetzesentwurf gelangten und z.B. eine Vereinfachung des Sanktionenrechts allein am Freistaat Bayern scheiterte. Vertreter der Sozialhilfeträger waren daran nicht beteiligt. Es bestand also über die Konzentration auf das SGB II hinaus ein gewisser politischer Druck, sich auf die Themen zu beschränken, die in Bundestag und Bundesrat zugleich konsensfähig erschienen. Vor diesem Hintergrund spricht es nicht gegen eine Analogie, dass durch das RechtsvereinfachungsG wenige punktuelle Änderungen auch im SGB XII vorgenommen wurden, die zudem nicht die hiesige Materie betreffen.

Es ist auszuschließen, dass es sich bei der Lücke um eine „Scheinlücke“ handelt, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen sein könnte, dass der für das SGB XII zuständige 8. Senat des Bundessozialgerichts der Rechtsauffassung des Verbots der Gesamtangemessenheitsgrenze, von dem der 14. Senat im Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R – ausging, möglicherweise gar nicht folgt. Dem Senat ist keine ausdrückliche Entscheidung zum Sozialhilferecht hierüber bekannt. Dann wäre zwar denkbar, das hier mit der Analogie angestrebte Ergebnis durch eine abweichende Auslegung der Angemessenheitsbegriffe der § 35 Abs. 2 und Abs. 4 SGB XII zu erreichen. In Anbetracht der oben geschilderten Vorgeschichte und das Bemühen aller betroffenen Senate des Bundessozialgerichts um eine harmonisierte Rechtspraxis ist die Lösung über zwei unterschiedliche Angemessenheitsbegriffe als Folge der Einführung von § 22 Abs. 10 SGB II aber zu verwerfen.

(3.) Diese Lücke ist wertungskonform allein durch die Analogie mit der Folge der Zulässigkeit der Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze auch im Bereich des SGB XII zu schließen.

Die Wertungsgleichheit der Sachverhalte folgt bereits im Wesentlichen aus den Ausführungen unter (2.a) und (2.b), da bei der vorliegenden Analogie die Lücke erst durch die Neuschaffung von § 22 Abs. 10 SGB II entstanden ist. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gibt es zwischen der Vergleichsgruppe der Adressaten der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizungen für auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt anmietbarem Wohnraum (unter Einbeziehung des sozialen Wohnungsbaus) nach dem SGB II einerseits und dem SGB XII andererseits keine Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Allerdings bildet der Senat damit engere Vergleichsgruppen als das Sozialgericht. Damit gehen auch die mit der Berufung vorgetragenen Bedenken der Beklagten ins Leere, da die vom Senat gewählte Betrachtungsweise ausschließt, dass die die besonderen Existenzsicherungsrisiken von Alter und Erwerbsunfähigkeit (z.B. der Bedarf beim Wohnen in Einrichtungen) als Unterschied eine Rolle spielt. Die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze verhält sich hierzu neutral, ebenso wie die vom Beklagten weiteren angeführten Regelungen in § 42a SGB XII. Die hypothetische Prüfung einer Rechtfertigung der Nichtanwendung von § 22 Abs. 10 SGB II am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG hat zu beachten, dass alle Gründe für die Einführung von § 22 Abs. 10 SGB II gleichermaßen die Ergänzung der Angemessenheitsgrenze in § 35 Abs. 2 und Abs. 4 SGB XII betreffen und dem Senat kein Gesichtspunkt ersichtlich ist, der zur Rechtfertigung angeführt werden könnte. Die erweiterten Pauschalierungsmöglichkeiten in § 35 SGB XII als denkbares Argument für eine Nichtregelung greifen nicht, weil sie nicht – wie bereits erwähnt – die Angemessenheitsgrenze als solche betreffen und damit aus Sicht des Klägers hinter einer Gleichstellung zurückbleiben.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch Erwägungen eines „political self-restraint“ im vorliegenden Fall eher für die Analogie als dagegen sprechen. Bei der Analogiebildung sollten die Rechtsanwendenden nicht nur Erwägungen der sachregelnden Gesetzgebung, sondern auch der Haushaltsgesetzgebung berücksichtigen. Hier ist die Gefahr denkbar, dass die mit der analogen Anwendung einer tendenziell (auch) leistungserhöhenden Norm einhergehende Erweiterung des Adressatenkreises zu Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte führt. Indes sind bezogen auf § 22 Abs. 10 SGB II im Entwurf des RechtsvereinfachungsG solche Mehrkosten nicht einmal für den Bereich des SGB II ausgewiesen (vgl. BT-Drs. 18/8041, S. 25 ff.), zumal mit der Regelung eine Verwaltungsvereinfachung erwartet wird. Daher dürften auch die denkbaren Mehrkosten für den erheblich kleineren Adressatenkreis des Vierten Kapitels des SGB XII nicht gegen eine Analogie anzuführen sein.

Das Sozialgericht hat die Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II analog zutreffend angewendet, soweit dies der Kontrolle durch das Berufungsgericht unterliegt.

Bei § 22 Abs. 10 SGB II handelt es sich um eine selbstvollziehende Norm. Die Bildung der Gesamtangemessenheit steht nicht im Ermessen der Verwaltung; der Wortlaut „ist zulässig“ verweist auf eine alternative Berechnungsmethode, die auch vom Gericht unmittelbar anzuwenden ist. Eine Norm, die die Anwendung einer generell-abstrakten Bestimmung der Leistungshöhe in das Ermessen der Verwaltung stellte, dürfte zudem nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums durch Anspruchsnormen in Einklang zu bringen sein (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, BVerfGE 125, 175, zitiert nach juris Rn. 136; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134, zitiert nach juris Rn. 89).

Die Leistungshöhe bestimmt sich hiernach wie folgt (vgl. auch BT-Drs. 18/8041, S. 40): Die Gesamtangemessenheitsgrenze besteht aus den Summanden „angemessene Aufwendungen für die Unterkunft“ und „angemessene Aufwendungen für die Heizung“. Für die Beurteilung der abstrakten Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft ist das so genannte schlüssige Konzept heranzuziehen, für die abstrakte Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung kann u.a. auf den „bundesweiten Heizspiegel“ zurückgegriffen werden, wobei sich der Bundesgesetzgeber ausdrücklich von der insoweit gegen eine Gesamtangemessenheitsgrenze argumentierenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R) distanziert. Das führt zu einem Gleichklang der getrennten Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung mit der Prüfung im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze. Diese Kalkulation führt grundsätzlich zu einer Begünstigung der Leistungsberechtigten, da etwas höhere Aufwendungen noch als angemessen angesehen werden können. Sie ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt (BT-Drs. 18/8041, S. 40).

Bei der Berechnung der Höhe hat sich das Sozialgericht an der Berechnung des Beklagten orientiert; diese wurde vom Kläger, der mit der Klageschrift ebenfalls zu einer Gesamtangemessenheitsgrenze von 208,03 € gelangte (hälftiger Bedarf der Kosten für Unterkunft und Heizung für zwei Personen), nicht mit der Berufung angegriffen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich der Beklagte zu seinen Ungunsten verrechnet hätte. Der Beklagte hat bei der Berechnung den „bundesweiten Heizspiegel“ angewandt. Übereinstimmend gingen die Beteiligten von einer Ölheizung bei einer Gebäudewohnfläche zwischen 251 bis 500 qm aus (vgl. Berechnungsbogen Bl. 26 der Verwaltungsakte). Diese Berechnung begegnet keine Bedenken.

Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung lagen zudem unter der von den Beteiligten und dem Sozialgericht errechneten Schwelle, da der Heizkostenanteil noch vor dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums von der Hausverwaltung auf 44,90 € abgesenkt wurde. Aufgrund des Tatsachenvortrags der Beteiligten ist festzustellen, dass der klägerische Anteil der Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizungen sich von Juli bis Dezember 2017 auf monatlich 205,20 € belief.

Auch im Übrigen unterliegt die Leistungshöhe bezüglich der Kosten der Unterkunft wegen des begrenzten Klageantrages nicht der Prüfung durch die Berufungsinstanz. Insoweit kann offen bleiben, ob das Konzept der Beklagten zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze im Übrigen den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genügt. Selbst dann, wenn das Konzept der Beklagten nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept unterläge, wäre nach der 2017 geltenden Tabelle zu § 12 WoGG eine Bruttokaltmiete von 378 € zzgl. 10 Prozent zugrunde zu legen gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 73); dies ergibt mit 415,80 € (anteilig 207,90 €) einen Betrag, der zusammen mit den o.g. angemessenen Heizkosten deutlich oberhalb des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrages liegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Frage der analogen Anwendbarkeit von § 22 Abs. 10 SGB II im Falle der im Übrigen nach §§ 42 Nr. 4 a), 42a Abs. 1, 35 SGB XII erfolgenden Ermittlung der Leistungen für die Kosten von Unterkunft und Heizung bei auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt anmietbaren Wohnraum (unter Einbeziehung des sozialen Wohnungsbaus) eine Rechtsfrage ist, die das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
 

Rechtskraft
Aus
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