L 37 SF 55/20 EK AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungsklage bei überlanger Verfahrensdauer
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 55/20 EK AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das Prozesskostenhilfevergütungsverfahren nach § 55 RVG und ein sich anschließendes Erinnerungsverfahren stellen ein Gerichtsverfahren i.S.d. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG dar. Für ein Vergütungsverfahren nach § 55 RVG steht dem Gericht eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von i.d.R. drei Monaten zu. Für ein sich anschließendes Erinnerungsverfahren steht dem Gericht eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von i.d.R. zwölf Monaten zu. Es kann eine Kompensation von Verzögerungszeiten durch eine zügige Bearbeitung in dem jeweils anderen Verfahrensabschnitt erfolgen. Weisen ein Vergütungsverfahren nach § 55 RVG und ein sich anschließendes Erinnerungsverfahren eine unangemessene Dauer auf, bedarf es in der Regel nicht der Kompensation durch Gewährung einer finanziellen Entschädigung. Es reicht vielmehr mit Blick auf die im Allgemeinen nur untergeordnete Bedeutung derartiger Verfahren und unter Berücksichtigung der von einer unangemessenen Verfahrensdauer für mit der Prozessführung vertraute Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege ausgehenden, vergleichsweise geringfügigen seelischen Belastung die Wiedergutmachung auf sonstige Weise aus. Hat der Beklagte im vorprozessualen Entschädigungsverfahren die Unangemessenheit der Verfahrensdauer anerkannt und hierüber sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, ist der Anspruch auf Wiedergutmachung in sonstiger Weise als kleiner Entschädigungsanspruch erfüllt. Die von einem sich selbst vertretenden Rechtsanwalt geltend gemachten Kosten für sein Tätigwerden im Rahmen der vorprozessualen Geltendmachung eines eigenen Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG stellen keinen materiellen Nachteil dar.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B (SG) unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E geführten Verfahrens.

 

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, vertrat in dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 124 AS 4089/16 gegen das Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf geführten Verfahren den Kläger K E. In dem Verfahren wurde dem dortigen Kläger mit Beschluss des SG vom 11. Mai 2017 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Klägers bewilligt. Das Verfahren endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten am 26. Januar 2018, nachdem der dortige Beklagte sich u.a. bereit erklärt hatte, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Grunde nach zur Hälfte zu übernehmen.

 

Am 09. März 2018 beantragte der Kläger u.a. die Kosten des Klageverfahrens gegen die Landeskasse i.H.v. 892,50 € festzusetzen. Unter dem 13. März 2018 erteilte die Urkundsbeamtin dem Kläger einen Hinweis und fragte an, ob im Hinblick auf diesen der Vergütungsfestsetzungsantrag reduziert werde. Nachdem der Kläger innerhalb der gesetzten Frist von vier Wochen nicht geantwortet hatte, wurde er am 18. April 2018 unter Setzung einer Frist von drei Wochen erinnert. Nachdem der Kläger auch auf eine weitere Erinnerung vom 30. Mai 2018 nicht reagiert hatte, setzte das SG mit Beschluss vom 15. Juni 2018 – dem Kläger zugestellt am 20. Juni 2018 – die Vergütung auf 654,50 € fest und wies den Antrag im Übrigen zurück.

 

Hiergegen legte der Kläger am 19. Juli 2018 Erinnerung ein und begehrte die Festsetzung der Vergütung auf 892,50 €. Nachdem die Urkundsbeamtin der Erinnerung nicht abgeholfen hatte (Entscheidung vom 26. Juli 2018), wurde die Erinnerung unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E registriert. Unter dem 31. Juli 2018 (abgesandt am 02. August 2018) bestätigte das SG den Eingang der Erinnerung und leitete die Erinnerung dem Bezirksrevisor zur Stellungnahme binnen eines Monats zu. Dieser verzichtete am 03. August 2018 auf eine Stellungnahme. Die Akte gelangte wenige Tage später zurück an die 133. Kammer. Im August und September 2018 befanden sich die Akten des Ursprungsverfahrens S 124 AS 4089/16 jeweils kurzzeitig bei der 124. Kammer. Am 06. Dezember 2019 ging die Verzögerungsrüge des Klägers vom selben Tag beim SG ein. Mit Beschluss vom 10. Februar 2020 – dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2020 – wies das SG die Erinnerung des Klägers zurück.

 

Am 04. März 2020 hat der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage erhoben, nachdem der Präsident des SG mit Schreiben vom Vortag auf einen vorprozessual an ihn herangetragenen Entschädigungsanspruch des Klägers hin zwar eine überlange Dauer des Erinnerungsverfahrens anerkannt und hierüber im eigenen Namen sowie dem des Beklagten sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, jedoch die Gewährung einer Entschädigung abgelehnt hatte.

 

Mit dieser Klage begehrt er zum einen die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E geführten Verfahrens i.H.v. nicht unter 1.200,00 € sowie zum anderen einer Summe von 201,71 € zum Ausgleich seines Vermögensnachteils nebst Zinsen. Zur Begründung macht er geltend, das Erinnerungsverfahren sei ein Verfahren i.S.d. § 198 Abs. 6 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Verfahren weise auch eine unangemessene Dauer auf. Vorliegend sei es zu Phasen gerichtlicher Inaktivität im Umfang von insgesamt 18 Kalendermonaten (August 2018 bis einschließlich Januar 2020) gekommen. Hiervon seien Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang sechs Monaten abzuziehen, sodass eine entschädigungspflichtige Verzögerung von zwölf Monaten verbleibe. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Feststellung der Überlänge nicht ausreichend zur Wiedergutmachung. Beteiligter des Erinnerungsverfahrens sei nicht sein Mandant, sondern er selbst gewesen. Das Verfahren habe seine eigenen unmittelbaren finanziellen Interessen betroffen. Er sei Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Bereich des Sozialrechts und unterhalte eine Kanzlei mit zwei angestellten Rechtsanwältinnen, einer Rechtsanwältin als freier Mitarbeiterin und mehreren teils in Vollzeit, teils in Teilzeit angestellten Mitarbeitern im Büro-/Organisationsbereich. Er vertrete eine Vielzahl von Mandanten, insbesondere im Bereich der Existenzsicherung. Damit korrespondiere eine Vielzahl von Verfahren vor den Sozialgerichten, vorwiegend dem SG Berlin, und auch vor den Landessozialgerichten, insbesondere dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. In einer nahezu ebenso großen Anzahl von Verfahren beantrage er aufgrund der finanziellen Situation seiner Mandanten die Gewährung von PKH. Eine in Vollzeit angestellte Bürokraft sei nahezu ausschließlich mit der Organisation der hierfür notwendigen Unterlagen beschäftigt. Soweit der Beklagte meine, er sei als Organ der Rechtspflege einer geringeren psychischen Belastung ausgesetzt gewesen, erschließe sich dies nicht. Streitigkeiten im Bereich der Prozesskostenhilfevergütung träfen den betroffenen Rechtsanwalt im Kernbereich seiner beruflichen Existenz. Dies gelte insbesondere für Rechtsanwälte, die wie er im Gebiet des Sozialrechts tätig seien, da die Mandanten in der überwiegenden Zahl nicht solvent seien. Die Gewissheit alleine, dass der Staat als potenter Schuldner irgendwann zahle, verhindere nicht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers.

 

Die Klage ist dem Beklagten am 03. April 2020 zugestellt worden.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 € sowie
  2. ihm darüber hinaus zum Ausgleich seines Vermögensnachteils eine Entschädigung in Höhe von 201,71 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03. April 2020 zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er meint, das Verfahren habe zwar überlang gedauert. Eine materielle Entschädigung scheide jedoch unter Berücksichtigung der im Allgemeinen untergeordneten Bedeutung des Kostenfestsetzungsverfahrens sowie der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege nicht in gleichem Maße wie Laien durch eine lange Verfahrensdauer psychisch belastet werde, aus. Die Angelegenheit sei für den Kläger auch deshalb von untergeordneter Bedeutung gewesen, weil das Ausgangsgericht den Vergütungsfestsetzungsantrag nicht insgesamt abgelehnt habe. Der Kläger habe im Wege des Erinnerungsverfahrens nur noch einen Mehrbetrag i.H.v. 238,00 € geltend gemacht. Darüber hinaus wisse der Rechtsanwalt im PKH-Vergütungsverfahren, dass ihm bei Anerkennung des Vergütungsanspruchs ein potenter Schuldner gegenüberstehe. Werde ein Rechtsanspruch durch richterliche Festsetzung bejaht, brauche ein Rechtsanwalt nicht zu fürchten, dass die Vergütung aus der Staatskasse nicht gezahlt werde. Auch insoweit unterscheide sich ein Rechtsanwalt von anderen Prozessbeteiligten, die gegebenenfalls damit rechnen müssten, dass ein zunächst zahlungsfähiger Schuldner insolvent werde.

 

Die Beteiligten haben unter dem 18. November und 09. Dezember 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Der nach § 201 Abs. 1 des GVG sowie § 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung über die Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu unter dem 18. November bzw. 09. Dezember 2020 ihr Einverständnis erteilt hatten.

 

Die auf Gewährung einer Entschädigung für die überlange Dauer des beim Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E geführten Erinnerungsverfahrens gerichtete, als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage kann keinen Erfolg haben.

 

A.   Zwar ist die Entschädigungsklage zulässig. Insbesondere bestehen weder an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu wahrenden Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens Zweifel. Auch ist es hier unschädlich, dass die Klage bereits am 04. März 2020 und damit – entgegen § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG – vor Ablauf von sechs Monaten ab Erhebung der Verzögerungsrüge am 06. Dezember 2019 erhoben wurde. Denn zwar handelt es sich bei der Einhaltung der Wartefrist um eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, und wird eine vor Fristablauf erhobene Klage auch nicht nach Ablauf der Frist zulässig (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R – juris, Rn. 18 ff.). Allerdings ist mit Blick auf den Sinn der Wartefrist, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden, anerkannt, dass eine Klage ausnahmsweise vor Fristablauf erhoben werden kann, wenn nämlich das betroffene Verfahren schon vor Fristablauf beendet wurde (vgl. Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 21.05.2014 – III ZR 355/13 – Rn. 17 und Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 26.02.2015 – 5 C 5/14 D – Rn. 18 ff., zitiert jeweils nach juris). So aber liegt der Fall hier.

 

B.      Die Entschädigungsklage ist jedoch unbegründet.

 

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung indes nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).

 

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung einer finanziellen Entschädigung wegen eines immateriellen Nachteils (hierzu im Folgenden zu I.) noch auf gerichtliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer des streitgegenständlichen Erinnerungsverfahrens (hierzu unter II.) oder auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines materiellen Nachteils zu (hierzu unter III.).

 

I. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer finanziellen Entschädigung für einen immateriellen Nachteil sind nicht gegeben, da vorliegend das negative Tatbestandsmerkmal des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG – das Ausreichen einer Wiedergutmachung auf andere Weise – eingreift.

 

Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach § 197 SGG ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG darstellt, mithin Gegenstand eines Entschädigungsanspruchs sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – juris, Rn. 16 ff.). Nichts anderes kann zur Überzeugung des Senats für das PKH-Vergütungsverfahren nach § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und ein sich an dieses anschließendes Erinnerungsverfahren gelten.

 

Auch ist der Kläger aktivlegitimiert in Bezug auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch, denn er ist Verfahrensbeteiligter des Ausgangsverfahrens im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 GVG. Im Vergütungsfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG ist der beigeordnete Rechtsanwalt selbst antrags- bzw. erinnerungsberechtigt (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, § 55 Rn. 4 und § 56 Rn. 7). Dementsprechend wurde der Kläger vom Sozialgericht auch als Antragsteller bzw. Erinnerungsführer geführt.

 

Zu Recht gehen weiter sowohl der Kläger, der am 06. Dezember 2019 eine ordnungsgemäße Verzögerungsrüge erhoben hat, als auch der Beklagte davon aus, dass das Verfahren eine unangemessene Dauer aufweist (hierzu zu 1.). Allerdings bedarf es vorliegend nicht der Gewährung einer Entschädigung (hierzu zu 2.).

 

1.    Zur Überzeugung des Senats ist das streitgegenständliche Erinnerungsverfahren als im Umfang von fünf Kalendermonaten überlang anzusehen.

 

a)        Ob die Verfahrensdauer angemessen ist oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Über die in § 198 GVG ausdrücklich genannten Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hinaus hängt die Unangemessenheit der Verfahrensdauer wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 34 und – B 10 ÜG 12/13 R –Rn. 41, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 35 sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 38, alle zitiert nach juris). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind daher aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 40 ff., 50), wobei kleinste relevante Zeiteinheit stets der Kalendermonat ist (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

 

Vorliegend begann das Erinnerungsverfahren – auf das der Kläger seine Entschädigungsklage zulässigerweise beschränkt hat (vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2020 – B 10 ÜG 4/19 R, juris, Rn. 11) – mit Eingang des Rechtsbehelfs am 19. Juli 2018 und fand mit dem Beschluss vom 10. Februar 2020 – dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2020 - seinen Abschluss. Innerhalb dieser Zeit wurde es von September 2018 bis einschließlich Januar 2020, mithin in 17 Kalendermonaten, nicht gefördert. Soweit der Kläger davon ausgeht, dass bereits der August 2018 als Monat der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten ist, folgt der Senat ihm nicht. Denn in diesem Monat hat das Sozialgericht dem Erinnerungsgegner den Schriftsatz des Klägers vom 19. Juli 2018 nach Registrierung des Erinnerungsverfahrens Anfang August zur Stellungnahme zugeleitet, auf  welche dieser dann kurz darauf ausdrücklich verzichtet hat. Soweit die Akte des Ursprungsverfahrens im September 2018 (wie schon zuvor im August 2018) der 124. Kammer auf deren Anforderung zur Verfügung gestellt wurde, resultiert hieraus keine gerichtliche Aktivität im September 2018, denn die Akte befand sich lediglich für 3 Tage bei der 124. Kammer.

 

b)    Dies heißt jedoch nicht, dass von einer Unangemessenheit der Verfahrensdauer im Umfang von 17 Kalendermonaten auszugehen wäre. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei ist zu beachten, dass den Gerichten – über die Phasen der aktiven Verfahrensförderung hinaus - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen zuzugestehen sind, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, jeweils zitiert nach juris). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden können (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - Rn. 43, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 43, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 51, - B 10 ÜG 2/14 R- Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Da Anknüpfungspunkt für die Angemessenheitsprüfung nach § 198 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Nr. 1 GVG das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss insgesamt ist, geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL -, juris, Rn. 58) davon aus, dass insoweit eine instanzübergreifende Betrachtung zu erfolgen hat und in einem erstinstanzlichen Verfahren aufgetretene Verzögerungen noch durch die zügige Bearbeitung im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren zu kompensieren sind sowie umgekehrt im Falle einer sehr zügigen Bearbeitung einer Sache vor dem Sozialgericht das zweitinstanzliche Verfahren entsprechend länger dauern kann. Dabei können die dem jeweiligen Gericht für seinen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Überzeugung des Senats vollumfänglich auf das Verfahren der jeweils anderen Instanz übertragen werden, soweit sie nicht "aufgebraucht" sind. Übertragen auf das hier streitgegenständliche Erinnerungsverfahren bedeutet dies:

 

aa)    Kriterien, die es rechtfertigen würden, für ein von einer Richterin/einem Richter zu bearbeitendes Erinnerungsverfahren von einer geringeren als der den Gerichten regelmäßig zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von zwölf Monaten auszugehen, vermag der Senat unter Berücksichtigung der Bedeutung des Streitgegenstandes, die eine bevorzugte Erledigung dieser Verfahren nicht geboten erscheinen lässt, nicht zu erkennen. Bei einem Erinnerungsverfahren handelt es sich vielmehr – anders als z.B. bei einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - um ein dem Hauptsacheverfahren nachfolgendes Kostenverfahren mit einem in der Regel eher geringen Streitwert, dem im Vergleich zu den sonstigen richterlich zu bearbeitenden Fällen eine eher untergeordnete Bedeutung beizumessen ist. Dies gilt auch für das streitgegenständliche Verfahren, in dem der Kläger als Rechtsanwalt eine Vergütung in Höhe weiterer 238,00 € begehrt hat. Allerdings können durchaus auch diese Verfahren für die bearbeitenden Richterinnen und Richter schwierigere Rechtsfragen aufwerfen. Umgekehrt weisen Erinnerungsverfahren im Vergleich zu typischen sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren eine eher geringe Komplexität auf, sind jedenfalls nicht von Ermittlungen oder üblicherweise – und so auch vorliegend - dem intensiven Austausch von Schriftsätzen geprägt. Der Senat sieht daher auch keine Gründe, die es rechtfertigen würden, zum Nachteil eines Erinnerungsführers von einer längeren als zwölfmonatigen Bearbeitungs- und Bedenkzeit auszugehen. Er geht vielmehr davon aus, dass den Gerichten für Erinnerungsverfahren in der Regel – und so auch vorliegend – eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von zwölf Monaten zusteht (so auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 22.01.2018 – L 1 SF 45/16 EK – Rn. 67 und Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteile vom 30.11.2018 – L 12 SF 71/17 EK - Rn. 40 sowie – L 12 SF 67/17 EK - Rn. 34, a.A.– nur sechs Monate -: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.11.2015 – L 12 SF 23/14 EK AS –, Rn. 19, vgl. auch: Hessisches LSG, Urteil vom 01.08.2018 – L 6 SF 2/18 EK SB - Rn. 47: Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren zusammen zwölf Monate, alle zitiert nach juris).

 

bb)      Da ein Erinnerungsverfahren weiter nicht isoliert steht, sondern sich regelmäßig an eine Kostenfestsetzung wie z.B. hier im PKH-Vergütungsverfahren anschließt, es sich mithin auch insoweit um ein – vergleichbar z.B. dem Klage- und Berufungsverfahren - zweistufiges Verfahren handelt, sieht der Senat schließlich keine Veranlassung, von der – wie oben ausgeführt – von ihm regelmäßig angenommenen Kompensationsmöglichkeit abzuweichen. Denn auch wenn in einem PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren Angehörige eines einzigen Gerichts tätig werden, ändert dies nichts daran, dass zunächst durch eine Urkundsbeamtin/einen Urkundsbeamten eine Entscheidung über die Höhe der Vergütung/zu erstattenden Kosten getroffen und sodann – auf den Rechtsbehelf hin – deren/dessen Entscheidung durch eine Richterin/einen Richter überprüft wird.

 

cc)    Allerdings hält der Senat es mit Blick auf das PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungsverfahren nicht für angemessen, von einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von mehr als in der Regel drei Monaten auszugehen (so auch: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.11.2015 – L 12 SF 23/14 EK AS – Rn. 18, LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.06.2016 – L 12 SF 9/14 EK AS – Rn. 14 ff., LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.02.2017 – L 12 SF 39/15 EK AS – Rn. 13 ff., 16, Sächsisches LSG, Urteil vom 22.01.2018 – L 11 SF 45/16 EKRn. 66, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.07.2019 – L 2 SF 1441/19 EK AS – Rn. 29, alle zitiert nach juris). Die personelle Ausstattung der Gerichte muss vielmehr im nichtrichterlichen Bereich zu seiner Überzeugung so gestaltet sein, dass es den Urkundsbeamten grundsätzlich möglich ist, dem verständlichen Wunsch ehemaliger Beteiligter eines gerichtlichen Klage- oder Antragsverfahrens auf zügige Erstattung der ihnen im Laufe dieses Verfahrens entstandenen Kosten zügig zu entsprechen. Hierzu gehört es, dass es nicht erforderlich sein darf, einen Vergütungs-/Kostenfestsetzungsantrag um mehr als drei Monate zurückzustellen.

 

dd) Vorliegend bedeutet dies, dass von den aufgetretenen 17 Kalendermonaten der gerichtlichen Inaktivität letztlich nur zwei als entschädigungsrelevant anzusehen sind. Denn im Laufe des mit dem Antrag vom 09. März 2018 eingeleiteten und durch fünf Tage später zugestellten Beschluss der Urkundsbeamtin vom 15. Juni 2018 abgeschlossenen PKH-Vergütungsverfahrens sind keine dem Beklagten anzulastenden Verzögerungen aufgetreten. Im Gegenteil wurde in diesem Verfahren wenige Tage nach Antragseingang im März 2018 ein rechtlicher Hinweis erteilt und beim Kläger angefragt, ob im Hinblick auf diesen Hinweis der Vergütungsfestsetzungsantrag reduziert werde, worauf der Kläger jedoch trotz Erinnerungen vom April und Mai 2018 nicht reagierte. Diese Verzögerungen in den Monaten April und Mai 2018 sind daher allein dem Verhalten des Klägers geschuldet. Daraufhin erfolgte im Juni 2018 die Festsetzung der Vergütung. Von den für diesen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden drei Monaten Vorbereitungs- und Bedenkzeit wurde mithin kein einziger Monat in Anspruch genommen, sodass diese Zeit vollumfänglich zur Kompensation zur Verfügung steht.

 

2.    Dies heißt jedoch nicht, dass dem Kläger eine finanzielle Entschädigung für zwei Kalendermonate zusteht. Denn zwar nimmt der Senat nicht an, dass die gesetzliche Vermutung des Eintritts eines Nachteils (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG) widerlegt ist. Wohl aber geht er mit Blick auf die geltend gemachte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Nachteil davon aus, dass eine Entschädigung insoweit nicht erforderlich ist, vielmehr eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 GVG ausreichend ist.

 

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kommt eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens zwar nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich dann, wenn das zu beurteilende Verfahren sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher    oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abhebt (vgl. BSG Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R -, juris, Rn. 36). Vom Vorliegen derartiger Besonderheiten ist der Senat vorliegend jedoch überzeugt. Mit dem Bundessozialgericht geht er davon aus, dass ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für die Beteiligten im Allgemeinen von nur noch untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BSG, Urteile vom 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – Rn. 31 und vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – Rn. 40, zitiert jeweils nach juris). Anderes kann weder für ein auf ein PKH-Vergütungsverfahren folgendes Erinnerungsverfahren im Allgemeinen noch im vorliegenden Fall gelten.

 

Auch wenn der Senat durchaus nachvollziehen kann, dass es für Rechtsanwälte ein Ärgernis darstellt, wenn sie aufgrund verzögerter Bearbeitung ihrer Kostenangelegenheiten lange auf ihre Vergütung warten müssen, vermag er nicht zu erkennen, dass hier – jedenfalls typischerweise – Fallkonstellationen vorlägen, für die der Gesetzgeber die Gewährung einer finanziellen Entschädigung im Auge hatte. Mit den Regelungen der §§ 198 ff. GVG strebt dieser eine Kompensation von Verstößen gegen Grund-/Menschenrechte an, und nach seinen Vorstellungen gehört zu den zu kompensierenden immateriellen Nachteilen eines überlangen Verfahrens insbesondere die durch die Unangemessenheit der Verfahrensdauer verursachte seelische Unbill auf Seiten des Klägers (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 19). Dass Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege, deren beruflicher Alltag gerade vom Führen von Prozessen geprägt ist und die wissen, wie ein Verfahren vor Gericht typischerweise abläuft, durch die Dauer eines gerichtlichen PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren in auch nur annähernd vergleichbarem Maße wie juristische Laien in Hauptsacheverfahren seelisch belastet werden, dürfte in aller Regel nicht anzunehmen sein. Jedenfalls geht der Senat im vorliegenden Fall nicht davon aus, dass der Kläger vergleichbaren Belastungen ausgesetzt war. Hinzu kommt hier die letztlich geringe Überlänge von zwei Monaten.

 

Die vom Kläger behauptete erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger hat als Rechtsanwalt im streitgegenständlichen Erinnerungsverfahren eine weitergehende Vergütung in Höhe von 238,00 € verfolgt. Davon, dass es sich hierbei um einen für ihn erheblichen, gar seine Berufsausübungsfreiheit tangierenden Betrag handeln könnte, vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Insbesondere wird dies von dem Kläger auch selbst nicht nachvollziehbar dargetan. Nachdem er vielmehr bereits im Erinnerungsverfahren nicht auf besondere Umstände hingewiesen hatte, die die Angelegenheit für ihn als von wesentlicher Bedeutung erscheinen ließen (vgl. zu diesem Rechtsgedanken § 198 Abs. 3 Satz 3 und 4 GVG), hat er auch im Entschädigungsverfahren nicht dargetan, warum gerade dieses einzelne Verfahren für ihn von derartiger Bedeutung sein sollte. Ebenso wenig hat er nachvollziehbar dargelegt, warum sich womöglich aufgrund der Vielzahl von ihm geführten Kostenfestsetzungs-/PKH-Vergütungs- und Erinnerungsverfahren diese als bedeutsam darstellen könnten. Allein die Tatsache, dass er eine in Vollzeit angestellte Bürokraft zur Organisation der für die Beantragung von PKH notwendigen Unterlagen seiner Mandanten beschäftigt, vermittelt dem konkreten Ausgangsverfahren keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung. Hierbei bleibt unbestritten, dass dem Kläger wie ein Unternehmer laufende Kosten für den Betrieb (etwa in Gestalt von Personal- oder Raumkosten) anfallen, welche er durch seine Einnahmen zu decken erstrebt. Schwankende Einnahmen sowie die Schwierigkeit, Honoraransprüche – sei es gegen den Beklagten, das Land oder die Mandanten – durchzusetzen, sind jedoch zunächst schlicht Teil des unternehmerischen Risikos. Jedenfalls vermag der Senat - unabhängig davon, ob er überhaupt weitere vom Kläger geführte Verfahren in die Bewertung einbeziehen könnte -, nicht festzustellen, dass die Gesamtzahl der vom Kläger vor dem Senat zu diesem Themenkomplex anhängig gemachten Verfahren einen Umfang hat, der es nahelegen würde, dass die verzögerte Bearbeitung des Erinnerungsverfahrens für ihn erhebliche nachteilige Wirkungen gehabt haben könnte. Unabhängig davon, ob derartige Aspekte überhaupt für die Frage, ob ein immaterieller Nachteil durch Zahlung einer Entschädigung zu kompensieren ist, von Bedeutung sein können, ist jedenfalls im hiesigen Verfahren auch zu beachten, dass der Kläger im Erinnerungsverfahren gerade keinen Erfolg hatte, sodass dessen Dauer auf seine wirtschaftliche Situation keinerlei Auswirkungen hatte, insbesondere nicht zu einem Zinsverlust hat führen oder gar eine nur verspätete Rückzahlung von Krediten hat nötig machen können. Selbst wenn das streitgegenständliche Verfahren innerhalb weniger Tage zum Abschluss gebracht worden wäre, hätte dies an der finanziellen Situation des Klägers nichts geändert. Letztlich befindet der Kläger sich im PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren in einer einem Unternehmer vergleichbaren Situation, der versucht, eine (vermeintliche) Forderung durchzusetzen. Dabei hat der Kläger den Vorteil, dass er mit dem Staat einen möglicherweise säumigen, aber letztlich solventen „Vertragspartner“ hat, sodass durch die verzögerte Bearbeitung der Angelegenheit auch nicht droht, eine letztlich zwar bestehende Forderung nicht durchsetzen zu können.

 

II. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch des Klägers auf gerichtliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Denn zur Überzeugung des Senats ist dieser so genannte kleine Entschädigungsanspruch (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 57 und vom 15.12.2015 – B 10 ÜG 1/15 R – Rn. 15 f., zitiert jeweils nach juris) vorliegend bereits erfüllt. 

 

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG ist in den Fällen, in denen nach den Umständen des Einzelfalles die Gewährung einer Entschädigung nicht erforderlich ist, Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, möglich. Die gerichtliche Feststellung stellt mithin nur eine Form der Wiedergutmachung auf andere Weise dar. Sie kann in der Praxis hingegen auf vielfältige Art erfolgen. Denkbar sind dabei verschiedene Arten einer nichtfinanziellen Genugtuung, beispielsweise der Verweis auf bereits erfolgte dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen, eine Aussprache beim Gerichtspräsidenten mit einer Erläuterung der Belastungssituation des Gerichts oder auch eine Entschuldigung von Seiten des Beklagten (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 159 f. m.w.N.). Vorliegend hat der – den Beklagten im vorprozessualen Verfahren vertretende - Präsident des Sozialgerichts Berlin auf den an ihn vor Einleitung des Klageverfahrens herangetragenen Entschädigungsanspruch hin mit Schreiben an den Kläger vom 03. März 2020 ausdrücklich eine überlange Dauer des Kostenerinnerungsverfahrens anerkannt und hierüber im eigenen sowie im Namen des Beklagten sein Bedauern zum Ausdruck gebracht. Zur Überzeugung des Senats ist damit der kleine Entschädigungsanspruch erfüllt. Er vermag keinen Grund zu erkennen, der es erfordern könnte, darüber hinaus nunmehr auch noch gerichtlich festzustellen, dass das Verfahren eine unangemessene Dauer aufwies. Dass dies für den Kläger einen im hiesigen Verfahren beachtenswerten Mehrwert haben sollte, hat bereits der Kläger selbst nicht nachvollziehbar geltend gemacht und ist auch sonst für den Senat nicht erkennbar.

 

III. Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Beklagten. Zwar können die für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs angefallenen Anwaltskosten grundsätzlich eine Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellen. Dies allerdings nur, soweit sie notwendig waren (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27.02.2014 - 5 C 1/13 D - juris, Rn. 40, unter Bezugnahme auf BT-Drs. 17/3802, S. 19; BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 - juris Rn. 48, 50: zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig; siehe auch Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. A. 2017, § 198 GVG, Rn. 108). Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch eines Klägers, der Mandant eines Rechtsanwaltes ist, ist gegenüber dem beklagten Land unmittelbar § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (vgl. auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. A. 2019, Rn. 244 zu § 1), während der Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen seinen Mandanten – den Kläger – aus Vertrag hat. Maßgeblich ist für die Feststellung der Notwendigkeit die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 – IX ZR 280/14 – juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - VIII ZR 277/11 -, NZM 2012, 607 Rn. 4). Hierbei geht der BGH davon aus, dass etwa eine erste Leistungsaufforderung gegenüber einer Versicherung in einem einfach gelagerten Schadensfall grundsätzlich vom Geschädigten ohne Einschaltung eines Anwalts zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17 – juris 12; Müller-Rabe a.a.O. Rn. 263, 270). Verfügt der Geschädigte über eigene Fachkenntnisse und Erfahrungen, muss er diese in zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung eines Schadens einsetzen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 175/05 – juris Rn. 11).

 

Vertritt ein Rechtsanwalt sich selbst, ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Vermögenseinbuße bzw. Schaden des Klägers/Rechtsanwaltes vorliegt. Denn im Gegensatz zu der Konstellation Rechtsanwalt – Kläger/Mandant – Beklagter fehlt es an einer vom Kläger gegenüber dem Rechtsanwalt vertraglich geschuldeten Vergütung. Der Kläger/Rechtsanwalt schuldet nicht sich selbst eine Vergütung. Allenfalls könnte ein Vermögensnachteil in dem Fall in Frage kommen, dass aufgrund der Tätigkeit in eigener Sache ein anderes Mandat hätte abgelehnt werden müssen. Hierfür ist vorliegend allerdings nichts ersichtlich. Darüber hinaus fehlt es aber – einen Vermögensnachteil grundsätzlich unterstellt – an der Notwendigkeit der Rechtsanwaltskosten im oben genannten Sinne. Zwar ist umstritten, ob in dem Fall, in dem sich der Rechtsanwalt - wie hier – außergerichtlich selbst vertritt, auf dessen eigene Sachkunde abzustellen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06. Mai 2004 – I ZR 2/03 – juris Rn. 10ff; Bundesarbeitsgericht <BAG>, Beschluss vom 27. Juli 1994 – 7 ABR 10/93 – juris Rn. 38; zum Streitstand auch: Pankatz in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. A. 2015, Rn 178 zu § 1). Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts in eigener Sache jedenfalls nicht herangezogen werden (BGH, Urteil vom 06. Mai 2004 a.a.O. Rn. 14). Letztlich kann hier aber dahin stehen, ob im vorliegenden Fall auf die konkrete Sachkunde des Klägers als Rechtsanwalt oder eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Person abzustellen ist. Denn bei dem vorliegenden Fall – erste außergerichtliche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs für ein objektiv langes und tatsächlich auch überlanges Gerichtsverfahren bei einem überschaubaren Sachverhalt und weitgehend geklärter obergerichtlicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs – war auch für einen vernünftigen Laien die Heranziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich. Vielmehr wäre einem vernünftigen Laien zuzumuten gewesen – wie bei einer ersten Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber seiner Versicherung -, sich ohne anwaltliche Hilfe direkt an das beklagte Land, ggf. über das Ausgangsgericht, zu wenden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vorgerichtliche Geltendmachung zwar zur Reduktion des Kostenrisikos in einem eventuell nachfolgenden Prozess sinnvoll sein mag (BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 – 5 A 2/17 D – juris Rn 43), jedoch das Durchlaufen eines solchen vorprozessualen Verfahrens im Gegensatz zu dem im SGG oder in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgeschriebenen Widerspruchsverfahren gerade keine Bedingung für die Zulässigkeit einer Entschädigungsklage ist. Zur Minimierung des Kostenrisikos wiederum ist es ausreichend, den Anspruch unter Hinweis auf die aus Sicht des Anspruchstellers vorhandene Überlänge zu benennen, weitergehender juristischer Ausführungen bedarf es hierfür nicht. Entscheidend für die Reduzierung des Kostenrisikos in einem späteren Klageverfahren ist nämlich allein, dass das (später beklagte) Land sich zu dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch äußert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Heranziehung des Rechtsgedankens des § 1835 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] (siehe etwa § 1 Abs. 2 Satz 3 RVG). Danach kann ein Vormund Ersatz seiner Aufwendungen verlangen; als solche gelten auch Dienste, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören. § 1835 Abs. 3 BGB ist zu entnehmen, dass ein Dritter nicht davon profitieren soll, dass der Rechtsanwalt eine Tätigkeit selbst vornimmt, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage sich vernünftigerweise eines Rechtsanwaltes bedienen würde (vgl. Müller-Rabe a.a.O. Rn. 278; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – 5 W 14/20 – juris Rn. 6). Ein juristischer Laie in gleicher Lage hätte sich wiederum – wie bereits dargelegt - angesichts der geringen Anforderungen an eine solche mit einer Geltendmachung eines Schadens bei einer Versicherung vergleichbaren Anmeldung eines Entschädigungsanspruchs bei dem beklagten Land - auch zur Minimierung seiner Kosten – weder eines Rechtsanwaltes bedienen müssen noch bedient.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.

Rechtskraft
Aus
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