L 4 KR 581/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 1051/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 581/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur (hier bejahten) abhängigen Beschäftigung von Anästhesisten als "Honorarärzte", die für ein medizinisches Versorgungszentrum aufgrund eines "Konsiliararztvertrages" in (anderen) Krankenhäusern anästhesiologische Leistungen im Rahmen ambulanter und stationärer Operationen für das medizinische Versorgungszentrum anbieten.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die vom Beigeladenen zu 1 für die Klägerin im Oktober 2014 ausgeübte Tätigkeit als Anästhesist der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Klägerin ist ein medizinisches Versorgungszentrum, das durch niedergelassene Fachärzte für Anästhesie in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben wird. An ihrem Praxissitz betreibt die Klägerin ein OP-Zentrum für ambulante Operationen aus den Bereichen Augenheilkunde, Orthopädie und Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Darüber hinaus versorgt sie ambulante OP-Zentren und Arztpraxen mit anästhesiologischen Leistungen, gleichermaßen Krankenhäuser im Rahmen dort stattfindender Operationen. Für die Klägerin sind neben ihren Gesellschaftern angestellte Fachärzte für Anästhesiologie tätig, ausweislich ihres Internetauftritts aktuell (Stand 12. April 2022) insgesamt 24 Anästhesiologen.

Am 14. Juli 2008 schloss die Klägerin mit der R-Krankenhaus (RBK) GmbH in S einen Konsiliararztvertrag mit folgendem Inhalt:

 

„Präambel:

Zweck des Vertrages ist es, die anästhesiologische Versorgung der ambulanten Operationen des RBK sicherzustellen.

 

§ 1

Vertragszweck

(1) [Klägerin] wird im Fachgebiet der Anästhesiologie die vom RBK jeweils angeforderten konsiliarärztlichen Leistungen bei Patienten erbringen, die ambulant operativ durch die operativen Abteilungen des RBK versorgt werden.

(2) Konsiliarärztliche Leistungen im Sinne dieses Vertrages sind insbesondere

a) die Untersuchung und (Mit-)Behandlung des Patienten,

b) anästhesiologische Leistungen im Ambulanten OP,

c) anästhesiologische Betreuung im Aufwachraum,

d) postoperative Schmerztherapie,

e) Narkose-Vorgespräche.

 

§ 2

Erbringung der Leistungen, rechtliche Stellung

 

(1) [Klägerin] ist für eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung verantwortlich. Die Fachärzte von [Klägerin] sind in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig, sie unterliegen insoweit nicht den Weisungen des RBK.

(2) Die ausschließlich ärztlichen Leistungen werden von den Ärzten von [Klägerin] selbst oder durch einen von ihnen beauftragten qualifizierten Stellvertreter mit Facharztanerkennung selbstständig durchgeführt.

(3) Die Ärzte von [Klägerin] stehen zum RBK weder in ein Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz, finden keine Anwendung.

(4) [Klägerin] verpflichtet sich zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den im RBK tätigen Ärzten sowie allen nichtärztlichen Mitarbeitern.

 

§ 3

Durchführung der konsiliarärztlichen Leistungen

(1) [Klägerin] kann bei der Erbringung konsiliarärztlicher Leistungen im RBK nach vorheriger Absprache und im Rahmen des Möglichen Räume, Einrichtungen und Personal des RBK in Anspruch nehmen. Verwendet [Klägerin] bei der Erbringung konsiliarärztlichen Leistungen eigene Untersuchungs- oder Behandlungsgeräte, wird eine Entschädigung hierfür nicht gewährt.

(2) Die Durchführung der Narkosen und die Betreuung des Aufwachraumes durch [Klägerin] erfolgt bis auf weiteres ohne Inanspruchnahme von Personal des RBK.

(3) Die [Klägerin] zur Verfügung stehenden OP-Nutzungszeiten richten sich nach dem angemeldeten Bedarf. Ein Rechtsanspruch auf Zuteilung von bestimmten OP-Nutzungszeiten besteht nicht. Die Zuteilung von OP-Nutzungszeiten geschieht in Abstimmung zwischen der Geschäftsführung und den operativen Abteilungen des RBK mit [Klägerin].

(4) [Klägerin] verpflichtet sich, die bei der Untersuchung oder Behandlung erhobenen Befunde sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen dem RBK zur Aufnahme in das Krankenblattarchiv zur Verfügung zu stellen. Entsprechendes gilt für sonstige Unterlagen und technische Aufzeichnungen. [Klägerin] verpflichtet sich, dem RBK die zur Abrechnung der Leistungen durch das RBK erforderlichen Leistungsdaten und die für die Qualitätssicherung erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen.

(5) [Klägerin] ist weiter verpflichtet, erforderliche Leistungen, die zur Behandlung der ambulanten Patienten des RBK erforderlich sind, wie beispielsweise Laborleistungen etc., ausschließlich beim RBK anzufordern.

(6) [Klägerin] ist bei der Erbringung der konsiliarärztlichen Leistungen gegenüber dem zur Verfügung gestellten Personal – unbeschadet der Befugnis des RBK – fachlich weisungsberechtigt. Hierbei sind der berufliche Bildungsstand sowie die Arbeitsverträge des Personals zu beachten.

(7) Gemäß dem abgegebenen OP-Plan (in der Regel 2 Tage vor OP-Tag) wird die anästhesiologische Präsenz festgelegt. Bei fehlendem OP-Plan/fehlender Anforderung wird kein 2. Anästhesist (2. Saal) zur Verfügung gestellt.

 

§ 4

Abrechnung der Leistungen

(1) [Klägerin] rechnet ihre Leistungen gegenüber den Patienten, mit denen eine Vereinbarung über eine ambulante privatärztliche Behandlung besteht, nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab.

(2) Sofern [Klägerin] im Auftrag des RBK gegenüber ambulanten Patienten, mit denen keine wahlärztliche Vereinbarung besteht, Leistungen erbringt, werden diese Leistungen gegenüber dem RBK mit einem Pauschalbetrag in Höhe von

a. bei chirurgischen Patienten ohne Inanspruchnahme von Personal des RBK 140,00 €

b. bei gynäkologischen Patienten ohne Inanspruchnahme von Personal des RBK 100,00 €

je Anästhesie inkl. der erforderlichen vorbereitenden und nachbereitenden Arbeiten (§ 1 Abs. 2), die sich auch auf die Patienten-Nachbetreuung im Aufwachraum beziehen, abgerechnet.

In Fällen, in denen [Klägerin] ausnahmsweise Personal des RBK in Anspruch nimmt, werden diese Leistungen gegenüber dem RBK mit einem Pauschalbetrag in Höhe von

c. bei chirurgischen Patienten mit Inanspruchnahme von Personal des RBK 115,00 €

d. bei gynäkologischen Patienten mit Inanspruchnahme von Personal des RBK 90,00 €

je Anästhesie inkl. der erforderlichen vorbereitenden und nachbereitenden Arbeiten (§ 1 Abs. 2), die sich auch auf die Patienten-Nachbetreuung im Aufwachraum beziehen, abgerechnet.

Das [Klägerin] hiernach zustehende Entgelt wird fällig, sobald die entsprechende Rechnung des RBK gegenüber dem zuständigen Kostenträger ausgeglichen ist. Das Krankenhaus verpflichtet sich, die Rechnung spätestens 4 Wochen nach der Entlassung zu stellen.

(3) [Klägerin] verpflichtet sich, Verbrauchsmaterialien, Arzneimittel, Einmalartikel etc. aus den Beständen des RBK ggfs. über Rezept zu beziehen.

 

§ 4a

Vergütungsanpassung

 

§ 5

Nutzungsentgelt

 

(1) Soweit konsiliarärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme des RBK erbracht werden, hat [Klägerin] in den Fällen des § 4 Abs. 1 die dadurch dem RBK entstehenden Kosten zu erstatten. Das Nutzungsentgelt wird pauschaliert, es beträgt 100,00 €.

(2) Dem Nutzungsentgelt liegen insbesondere folgende Kostenarten zugrunde:

a. Personalkosten,

b. Kosten der Nutzung von Räumen, Einrichtungen und Geräten,

c. Sonstige Sachkosten im betriebswirtschaftlichen Sinn.

Zu den etwaigen Personalkosten gehören neben den Bruttovergütungen auch der Wert etwaiger Sachbezüge sowie Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und Zusatzversorgung, Beihilfe u.ä.

(3) [Klägerin] verpflichtet sich, Verbrauchsmaterialien, Arzneimittel, Einmalartikel etc. aus den Beständen des RBK mittels Rezept zu beziehen.

(4) Die gegenüber [Klägerin] abzurechnende Entgelte sind jeweils zum Ende eines Monats in Rechnung zu stellen und werden spätestens 4 Wochen nach Zustellung der Rechnung fällig.

 

§ 5 a

Anpassung des Nutzungsentgeltes

 

§ 6

Anzeigepflicht bei Verhinderung, Vertretung

(1) [Klägerin] ist verpflichtet, von allen Verhinderungen bei der Erbringung konsiliarärztlicher Leistungen, bei unvorhergesehener Verhinderung unverzüglich, ansonsten rechtzeitig Mitteilung zu machen. Eine Vertretungsregelung wird von [Klägerin] vorgenommen (siehe § 2 Abs. 2).

(2) [Klägerin] regelt die Vertretung für die Zeit der Abwesenheit ihrer Partner wegen Urlaub, Fortbildung, Krankheit und dergleichen im Benehmen mit dem RBK auf eigene Rechnung und Kosten.

 

§ 7

Haftung, Freistellung

(1) [Klägerin] haftet gegenüber den Patienten aus ihrer Tätigkeit im RBK für alle Schäden, gleichgültig ob sie von ihr selbst oder von ihren Erfüllungsgehilfen verschuldet sind. Mitarbeiter des RBK, die bei Leistungen im Verantwortungsbereich von [Klägerin] mitwirken, sind insoweit ihre Erfüllungsgehilfen.

 

§ 8

Vertragsdauer, Kündigung

§ 9

Schlussbestimmungen

…“

Die Klägerin und das RBK schlossen darüber hinaus am 27. Juni 2009 einen sog. Honorararztvertrag über die Erbringung anästhesiologischer Leistungen bei stationären Operationen („Präambel: Zweck des Vertrages ist es, die anästhesiologische Versorgung stationärer Operationen des RBK sicherzustellen.“). Die damit getroffenen Vereinbarungen sind mit Ausnahme der Regelungen zur Leistungsvergütung (§ 4 Abrechnung der Leistungen, § 5 Vergütung ärztlicher Leistungen und Sachmittel) und zum Nutzungsentgelt (§ 6) im Wesentlichen inhaltsgleich mit jenen in dem oben dargestellten Konsiliararztvertrag.

Der Beigeladene zu 1 wandte sich mit einem undatierten und nicht mit einem Eingangsstempel versehenen Schreiben an die Beklagte, nahm Bezug auf ein zuvor geführtes Gespräch und teilte dieser zur Durchführung der entsprechenden Prüfungen mit, er sei von Mai bis November 2014 beim Klinikverband Südwest in S1 beschäftigt gewesen und sei nunmehr seit November 2014 bei der Zeitarbeit P M GmbH beschäftigt. Zwischen 2012 und 2014 sei er darüber hinaus bei verschiedenen Auftraggebern, u.a. für die Klägerin im Oktober 2014, als Honorararzt tätig gewesen. Seine Tätigkeit sei in den Honorarvereinbarungen als „selbstständige Tätigkeit“ ausgewiesen gewesen, in der „gelebten Wirklichkeit“ sei jedoch von einer „scheinselbstständigen Tätigkeit“ auszugehen, die bekanntlich sozialversicherungspflichtig sei.

Mit Schreiben vom 30. März 2016 wandte sich die Beklagte mit der Mitteilung an die Klägerin, sie habe im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund den versicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1 in seiner Tätigkeit als Honorararzt im Oktober 2014 zu prüfen und bat um Übersendung des Arbeitsvertrags. Die Klägerin teilte daraufhin mit, der Beigeladene zu 1 sei am 13., 14. und 15. Oktober 2014 für sie als freiberuflicher Honorararzt tätig gewesen. Die Tätigkeit habe auf einer mündlichen Absprache zwischen dem Beigeladenen zu 1 und der Geschäftsführung basiert. Einen Vertrag hierüber gebe es nicht.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2016 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus, der Beigeladene zu 1 sei in der Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2014 bei ihr, der Klägerin, beschäftigt gewesen. Die Abrechnung der geleisteten Stunden sei zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1 erfolgt. Nach dem Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbands, der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vom 8./9. Mai 2012 seien Honorarärzte, die für einen begrenzten Zeitraum in einem Krankenhaus eingesetzt seien, in den Betrieb eingegliedert und die Tätigkeit werde in aller Regel als abhängige Beschäftigung erbracht. Das eingesetzte Personal sei hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -dauer und Arbeitsausführung weisungsgebunden in das Krankenhaus eingegliedert. Sie seien an die Weisungen der jeweiligen Leitung (Stationsarzt/-schwester, Anästhesist, OP-Arzt, Pflegepersonal) gebunden. Die Arbeitskraft unterscheide sich nicht von der abhängig beschäftigter Honorarärzte. Nur die Möglichkeit, ein Angebot ablehnen zu können mache den Honorararzt nicht zu einem selbstständig Tätigen, wenn sie nach Annahme des Angebots weisungsgebunden in die Organisation des Krankenhauses eingegliedert seien. Ein Unternehmerrisiko bestehe nicht, da lediglich die Vergütung ausfallen könne und je nach Ausgestaltung des Arbeitsvertrages sich auch die angestellten Honorarärzte ihre Arbeitskleidung selbst beschaffen müssten. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen sei daher festzustellen, dass der Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2014 der Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlegen habe. Die Klägerin möge daher die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Beitragsabrechnung vornehmen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, sie biete u.a. Anästhesieleistungen zur Durchführung von chirurgischen Operationen an verschiedenen Orten in S an. Sie betreibe kein Krankenhaus oder eine Privatklinik. Der Beigeladene zu 1 sei als selbstständiger Honorararzt am 13., 14. und 15. Oktober 2014 im Operationszentrum am RBK eingesetzt worden. Sie seien sich darüber einig gewesen, dass die Tätigkeit ausdrücklich nicht als Beschäftigung, sondern als selbstständige Tätigkeit ausgestaltet werde. Bereits in der Vertragsanbahnung habe sich dies widergespiegelt, da sich der Beigeladene zu 1 ausdrücklich als Honorararzt vorgestellt habe. Es sei der Nachweis seiner Berufshaftpflichtversicherung verlangt worden, die dieser auch beigebracht habe. Nach der vorgelegten Erklärung habe er gegenüber seiner Versicherung angegeben, ausschließlich freiberuflich als Honorararzt tätig zu sein und auch in dem vorgelegten Lebenslauf habe er angegeben, seit 2010 ausschließlich als Honorararzt tätig gewesen zu sein. In ihrer Buchhaltung sei er daher auch nicht als abhängig Beschäftigter geführt worden. Der Beigeladene zu 1 habe seine Tätigkeit selbstständig erbracht, auch wenn er entsprechend des Wesens der Tätigkeit eines Anästhesiearztes bei den geplanten Operationen örtlich und zeitlich habe anwesend sein müssen. Er sei nicht, insbesondere nicht fachlich weisungsgebunden gewesen. Er habe die erteilten Aufträge in eigener Verantwortung ausgeführt und dabei selbstverständlich zugleich auch ihre Interessen zu berücksichtigen gehabt. Ein Weisungs- und Direktionsrecht habe nicht bestanden. Das Vertragsverhältnis sei als freies Honorararztverhältnis gelebt worden. Es gebe keine Vorschrift, die es ihr als Arztpraxis verwehre, ärztliche Leistungen auf dem freien Markt einzukaufen. Es sei ein Stundensatz von 70,00 € vereinbart gewesen, wodurch sich bei jeweils acht Stunden täglich ein Betrag von 560,00 € am Tag, insgesamt mithin 1.680,00 € ergeben habe. Der Beigeladene zu 1 habe über diesen Betrag eine Rechnung gestellt; der Rechnungsbetrag sei am 24. August 2015 zur Zahlung angewiesen worden. Da kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, bestehe kein Anlass eine Meldung zur Sozialversicherung und eine Beitragsabrechnung vorzunehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach Darlegung der für eine abhängige Beschäftigung bzw. eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Kriterien führte sie aus, die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen, da der Beigeladene zu 1 in den Betriebsablauf eingegliedert gewesen sei und kein eigenes Unternehmerrisiko getragen habe. Er sei als Anästhesist unter Nutzung der Betriebsmittel des RBK tätig geworden. Es sei davon auszugehen, dass das Krankenhaus bei Bedarf für konkrete Operationen einen Anästhesisten angefordert habe. Er habe seine Tätigkeit nach den vom Krankenhaus geplanten Operationen ausgerichtet, wobei er jeweils acht Stunden täglich tätig gewesen sei. Dies alles spreche für eine Eingliederung in die durch das Krankenhaus vorgegebene Arbeitsorganisation. Damit sei der Beigeladene zu 1 nicht in der Bestimmung seiner Arbeitszeit, dem Arbeitsumfang und dem Arbeitsort frei gewesen. Allein aufgrund des Umstands, dass der Beigeladene zu 1 möglicherweise Aufträge habe ablehnen können, sei nicht von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Jedenfalls an den fraglichen Tagen habe er den Auftrag für die Operationen im RBK angenommen. Es sei nicht erkennbar, dass er ein Unternehmerrisiko getragen habe, da er unabhängig von der Güte seiner Arbeitsleistung einen festen Stundensatz von 70,00 € erhalten habe. Die Klägerin habe die Vergütung ausgezahlt und damit im Ergebnis die Arbeitgeberfunktion wahrgenommen. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung rechtfertige kein anderes Ergebnis, auch wenn dieser als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit zu werten sei. Bei einer Gesamtbetrachtung überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2017 forderte die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 auf, den Beigeladenen zu 1 zur Sozialversicherung anzumelden und die Beitragsberechnung vorzunehmen.

Am 2. März 2017 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und beantragte, ihr wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie machte geltend, weder bei ihr noch bei ihren Prozessbevollmächtigten sei der Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 eingegangen. Die Beklagte habe auf ihre Bitte, den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids nachzuweisen, nicht reagiert. Mit Schreiben vom 6. März 2017 übermittelte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 per Fax, das am 6. März 2017 bei diesen einging.

Zur Begründung ihrer Klage wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und machte insbesondere geltend, sie betreibe keine Klinik und auch nicht das RBK. Sie führe stattdessen Anästhesieleistungen bei Operationen im Krankenhaus auf Honorararztbasis durch. Es liege in der Natur von Anästhesieleistungen bei einer Operation, dass diese während einer Operation erbracht würden. Daher liege es auch in der Natur der Sache, diese Tätigkeit nach den geplanten Operationen auszurichten. Damit sei auch der Arbeitsumfang, nämlich die Erbringung der Anästhesie während der Operation, vorgegeben. Die Beklagte verkenne, dass der Beigeladene zu 1 nicht in den Betrieb der Klägerin im RBK eingegliedert gewesen sein könne. Denn sie – die Klägerin – betreibe weder das RBK noch sei sie selbst dort eingegliedert. Im RBK habe der Beigeladene zu 1 dieselben Tätigkeiten verrichtet, wie sie auch von ihren Gesellschaftern als Anästhesisten dort erbracht würden. Der Anästhesiearzt, der die Anästhesie während einer Operation durchführe, entscheide weisungsungebunden und selbstständig über deren Durchführung. Komme es zu ärztlichen Kunstfehlern, habe er diese zu verantworten, weshalb er für sich eine Berufshaftpflichtversicherung benötige. Dem Beigeladenen zu 1 habe es ebenso wie ihr – der Klägerin – freigestanden, angeforderte Anästhesieleistungen (Aufträge) anzunehmen oder abzulehnen. Bei Annahme des Auftrages könne der Anästhesiearzt die Leistungserbringung selbstverständlich nicht einstellen. Daher sei kein Anästhesiearzt während der Operation in seiner Arbeitszeit frei. Die Klägerin legte den Konsiliararztvertrag vom 14. Juli 2008 und den Honorararztvertrag vom 27. Juni 2009 vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, der Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 sei mit einfachem Brief abgesandt worden; ein Nachweis des Zugangs liege nicht vor. Entsprechend sei davon auszugehen, dass dieser erst am 6. März 2017 bekannt gegeben worden sei.

Mit Beschluss vom 11. Oktober 2018 lud das SG den Beigeladenen zu 1 zu dem Verfahren bei.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2020 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, das Weisungsrecht sei insbesondere bei sog. Diensten höherer Art aufs stärkste eingeschränkt und die Dienstleistung könne dennoch fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhalte, in deren Dienst die Arbeit verrichtet werde. Im Falle des Beigeladenen zu 1 habe der konkrete Inhalt, die Durchführung und die Dauer der zu erbringenden Leistungen der näheren Konkretisierung bedurft. Er habe für die Tätigkeit auf einer bestimmten Station bzw. in einem bestimmten Operationssaal eingeteilt werden müssen und seine Arbeitsleistung unter Führung bzw. in Abstimmung und arbeitsteiligem Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern erbringen müssen. Auch in zeitlicher Hinsicht sei er von den organisatorischen Vorgaben des Krankenhausbetriebes abhängig gewesen und habe die Arbeit nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt abbrechen können. Wenn ein Arzt eine vom Krankenhaus geschuldete Leistung innerhalb der vom Krankenhaus vorgegebenen Organisationsabläufe erbringe, die Einrichtung und Betriebsmittel des Krankenhauses nutze und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Krankenhauspersonal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeite, sei er auch in der Regel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert. Er setzte nicht anders als angestellte Krankenhausärzte seine Arbeitskraft ein. Der Beigeladene zu 1 sei auch keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen. Er habe einen festen Lohn für geleistete Stunden erhalten und keinen Verdienstausfall zu befürchten gehabt. Für ihn habe auch nicht die Chance bestanden, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, um das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend zu beeinflussen.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 20. Januar 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. Februar 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sie betreibe eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums mit dem Fachbereich Anästhesie und biete Anästhesieleistungen zur Durchführung von chirurgischen Operationen an verschiedenen Orten in S und in Baden-Württemberg an. Sie unterhalte weder eine Privatklinik noch ein Krankenhaus. Der Arzt für Anästhesiologie unterscheide sich in vielerlei Hinsicht von dem durch Tradition, Aufgabenstellung und rechtlicher Einschätzung geprägten Bild des heutigen Arztes in der Öffentlichkeit, was insbesondere für Anästhesisten in freier Praxis gelte. Der Anästhesist sei Funktionsarzt. Er erbringe beim Operateur die zum Heileingriff notwendigen Anästhesieleistungen als ambulant tätiger Anästhesist. Indem er in erster Linie damit betraut sei, beim Operateur die zum Heileingriff notwendigen Anästhesieleistungen zu erbringen, grenze er sich von dem Arzt als Diagnostiker, Therapeut und Hausarzt ab. Ihre Gesellschafter seien als Anästhesisten niedergelassene Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Diese verlange auch von ausschließlich ambulant tätigen Anästhesisten, die nur Operationen betreuen, im Falle von Krankheit, Urlaub etc. die Benennung von Vertretern (§ 32 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte [Ärzte-ZV]). Für die zu erbringenden Anästhesieleistungen an den unterschiedlichen Einsatzorten erstelle sie einen Einsatzplan (Dienstplan). Darin seien die einzelnen Anästhesisten für ihre jeweiligen Einsatztage und Einsatzorte aufgeführt. Die an den jeweiligen Einsatzorten eingesetzten Anästhesisten wechselten ständig, abhängig von der Einsatzfähigkeit der Anästhesisten und der Anforderung von Anästhesieleistungen der operativen Einheiten. Dies entspreche der Eigenart der Tätigkeit eines vertragsärztlichen Anästhesisten in freier Praxis. Diese Tätigkeit bringe es mit sich, dass der Anästhesist die Anästhesieleistungen für den Operateur, also während dessen Operation, zu erbringen habe. Insofern sei der Anästhesist nicht „frei“ in seiner Leistungserbringung. Auch die Vertretung eines anästhesiologischen kassenärztlichen Vertragsarztes sei nicht vergleichbar mit der persönlichen Vertretung eines Arztes in dessen bzw. in eigener Praxis. Es sei die Vertretung in dessen Funktion als Funktionsarzt bei einer Operation. Vorliegend hätten ihre Gesellschafter für die Kalenderwochen 43 und 44 des Jahres 2014 Urlaub vorgesehen gehabt. Nach der ursprünglichen Planung hätte der Beigeladene zu 1 am 27.,28., 29. und 30. Oktober 2014 einzelne Gesellschafter im Rahmen eines Einsatzes im RBK vertreten sollen. Da bei der Vertretung eines Anästhesisten als Funktionsarzt die Kenntnis der Örtlichkeit und des zur Verfügung stehenden Personals erforderlich sei, weil der Anästhesist sich in den „Operationsbetrieb“ einpassen müsse, um die zum Heileingriff notwendigen Anästhesieleistungen zu erbringen, seien die von ihr zur kassenärztlichen Vertretung herangezogenen „neuen“ Ärzte jeweils eingearbeitet worden. Entsprechend sei geplant gewesen, den Beigeladenen zu 1 am 13., 14., 15. und 16. Oktober 2014 am RBK einzuarbeiten. In der Einarbeitungsphase habe sich jedoch gezeigt, dass der Beigeladene zu 1 nicht die geforderten Anästhesieleistungen erbracht habe. Die Einarbeitung sei deshalb abgebrochen und von der Urlaubsvertretung durch den Beigeladenen zu 1 abgesehen worden. In § 2 des mit dem RBK geschlossenen Konsiliararzt- und Honorararztvertrags sei ausdrücklich vereinbart, dass die Ärzte der Klägerin im RBK fachlich nicht weisungsgebunden, sondern in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig seien und zum RBK weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stünden. Diese Verträge regelten ausschließlich die Beziehungen zwischen ihr – der Klägerin – und dem RBK. Das SG habe den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt. Es habe verkannt, dass der Beigeladene zu 1 nicht durch einen Krankenhausträger beschäftigt worden, sondern als Vertretungsarzt für anästhesiologische kassenärztliche Vertragsärzte tätig geworden sei und damit die Eigenart der anästhesiologischen ärztlichen Leistungserbringung in Form eines Funktionsarztes nicht erkannt. Es sei gerade die Eigenart der anästhesiologischen Leistungserbringung, dass die Arbeit nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt abgebrochen werden könne, da der Patient andernfalls zu Schaden kommen oder sogar versterben könne. Der Begriff des Honorararztes sei nicht legaldefiniert und umfasse verschiedene Ausführungsformen und Vertragsgestaltungen. Abzugrenzen sei er von den Beleg- und Konsiliarärzten, für die andere vergütungsrechtliche Vorgaben und regulatorische Rahmenbedingungen gelten würden. Das Bundessozialgerichts (BSG) habe in dem vom SG herangezogenen Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – ausdrücklich offengelassen, unter welchen Umständen Beleg- und Konsiliarärzte im Krankenhaus sozialversicherungsrechtlich selbstständig tätig seien. In jenem Verfahren sei die Tätigkeit einer Ärztin zu beurteilen gewesen, die ausschließlich die in dem betriebenen Krankenhaus vorhandenen Patienten des Krankenhauses behandelt habe. Demgegenüber sei vorliegend klärungsbedürftig, ob die Vertretung eines anästhesiologischen Vertragsarztes gemäß § 32 Ärzte-ZV in einer Gemeinschaftspraxis während der Zeit der Vertretungsbedürftigkeit angesichts der Eigenart der funktionsärztlichen Tätigkeit des Anästhesisten in freier Praxis eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sei. Wegen der Eigenart der funktionsärztlichen Tätigkeit eines Anästhesisten werde regelmäßig sowohl der Ort der Tätigkeit (Örtlichkeit der Operation) als auch die Zeit der Tätigkeit (Anästhesieleistungen in Begleitung einer Operation) vorgegeben sein. Dies gelte unabhängig davon, ob der Anästhesist selbstständiger Vertragsarzt mit eigener Praxis, angestellter Anästhesist oder „Honorararzt“ sei. Mit diesen Fragestellungen habe sich das SG nicht befasst. Die Klägerin hat Dienstpläne für die Kalenderwochen 42, 43 und 44 des Jahres 2014 vorgelegt.

 

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Beigeladene zu 1 hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Auch die mit Beschluss des Senats vom 21. Februar 2022 beigeladene Deutsche Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit sowie die H Krankenkasse - Pflegeversicherung haben sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie der Verwaltungsakte der Beklagten.

 

 

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte entschied, dass der Beigeladene zu 1 seine Tätigkeit als Anästhesist für die Klägerin im Oktober 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte und dementsprechend Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Ihr Begehren, diese Bescheide aufzuheben, weil der Beigeladene zu 1 aufgrund seiner Tätigkeit als Anästhesist am 13., 14. und 15. Oktober 2014 in den genannten Zweigen der Sozialversicherung nicht versicherungspflichtig sei, verfolgt die Klägerin in zulässiger Weise mit der Anfechtungsklage.

Die am 2. März 2017 mit dem Begehren erhobenen Klage, den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 aufzuheben, war zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Gemäß § 87 Abs. 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Maßgeblich für den Lauf der Klagefrist war somit die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016, der der Klägerin bzw. ihren Bevollmächtigten bekanntzugeben war (§ 85 Abs. 3 Satz 1 SGG). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nach Satz 3 der Regelung nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Nach dem Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren übermittelte die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 am 6. März 2017 per Fax an ihre Bevollmächtigten. Die Bekanntgabe des Bescheides erfolgte daher am 6. März 2017. Ein früherer Zeitpunkt der Bekanntgabe ist nicht festzustellen. Die Klägerin gab bei Klageerhebung an, der im Schreiben der Beklagten vom 14. Februar 2017 angesprochene Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 sei weder bei ihr noch bei ihren Bevollmächtigten eingegangen. Soweit die Beklagte auf die Rückfrage der Bevollmächtigten der Klägerin angegeben hatte, der Widerspruchsbescheid sei an die Bevollmächtigten der Klägerin übersandt worden, ist dies anhand der vorgelegten Verwaltungsakte nicht nachvollziehbar. Zwar wurde der Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 ausweislich seines Adressfeldes an die Bevollmächtigten der Klägerin adressiert, jedoch enthält die Verwaltungsakte der Beklagten keinen Abgangsvermerk, der die Aufgabe des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 zur Post dokumentieren würde und die Beklagte legte auch keinen Nachweis über einen früheren Zugang des nach ihrem Vorbringen mit einfachem Brief zur Post gegebenen Schriftstücks vor. Somit ist von einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids am 6. März 2017 auszugehen. Die Klagefrist von einem Monat endete mithin am 6. April 2017. Bei Klageerhebung am 2. März 2017 war die Klagefrist somit nicht abgelaufen, weshalb kein Raum vorhanden war, der Klägerin auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG zu gewähren.

Soweit die am 2. März 2017 erhobene Anfechtungsklage wegen der noch fehlenden Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 zunächst unzulässig war, wurde die Klage mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids am 6. März 2017 nachträglich zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 62/12 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 13. März 1985 – 9a RV 47/83 – juris, Rn. 15).

3. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1 unterlag in seiner Tätigkeit als Anästhesist für die Klägerin im Oktober 2014 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

a) Gemäß § 28h Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

Die Beklagte war als Einzugsstelle somit zur Entscheidung über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 zuständig.

b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind dabei eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R – juris, Rn. 12; BSG, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R – Juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15; Senatsurteil vom 16. Juli 2021 – L 4 BA 75/20 – juris, Rn. 59 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, das sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist also die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 R 2/14 R – juris, Rn. 22; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Beigeladene zu 1 im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin als Anästhesist am 13., 14. und 15. Oktober 2014 abhängig bei der Klägerin beschäftigt.

aa) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind die im Folgenden dargestellten Umstände, die der Senat aufgrund des Gesamtinhalts des Verfahrens, insbesondere den Angaben der Klägerin im Rahmen des Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahrens und den vorgelegten Unterlagen sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung feststellt.

Die Klägerin betreibt in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums mit dem Fachbereich Anästhesie. Sie bietet dabei Anästhesieleistungen zur Durchführung von chirurgischen Operationen an verschiedenen Orten an und wird hierbei in OP-Zentren, Arztpraxen und Krankenhäusern tätig. Die Erbringung der anästhesiologischen Leistungen erfolgt durch die Gesellschafter der Klägerin, die jeweils Fachärzte für Anästhesie sind, sowie durch bei ihr angestellte Fachärzte für Anästhesie und durch anästhesiologische Pflegekräfte. Die Organisation der jeweiligen Einsätze vor Ort wird mittels eines Einsatzplans (Dienstplan) geregelt, in dem unter Angabe des Einsatzorts, des Einsatztages und des Beginns des Einsatzes der bzw. die für den jeweiligen Einsatz vorgesehenen Anästhesisten aufgeführt sind.

Grundlage für die Erbringung anästhesiologischer Leistungen im Rahmen ambulanter und stationärer Operationen im RBK durch die Klägerin war der zwischen der Klägerin und dem RKB geschlossene Konsiliararztvertrag vom 14. Juli 2008 und der Honorararztvertrag vom 27. Juni 2009. Darin verpflichtete sich die Klägerin im Fachgebiet der Anästhesiologie die vom RBK jeweils angeforderten Leistungen bei Patienten zu erbringen, die ambulant operativ durch die operativen Abteilungen des RBK oder vor-/nachstationär, teilstationärer oder vollstationärer versorgt werden (§ 1 der genannten Verträge). Dabei war die Klägerin für eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung verantwortlich. Ihre Fachärzte waren in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und unterlagen insoweit keinen Weisungen des RBK. Die ausschließlich ärztlichen Leistungen hatte die Klägerin durch ihre Ärzte selbst oder durch einen von ihnen beauftragten qualifizierten Stellvertreter mit Facharztanerkennung selbstständig durchzuführen (§ 2 der genannten Verträge).

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 trafen eine mündliche Vereinbarung, wonach der Beigeladenen zu 1 bei Operationen im RBK für die Klägerin auf deren Anforderung anästhesiologische Leistungen erbringen sollte. Es wurde vereinbart, dass der Beigeladene zu 1 hierbei als Honorararzt tätig werden sollte. Der Beigeladene zu 1 war berechtigt, ihm von der Klägerin angetragene Aufträge abzulehnen. Als Vergütung wurde ein Stundensatz von 70,00 € vereinbart, die nach Rechnungstellung durch den Beigeladenen zu 1 zu zahlen war. Zur Absicherung des Risikos, bei der Durchführung anästhesiologischer Leistungen einen ärztlichen Kunstfehler zu begehen, hatte der Beigeladene zu 1 eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen.

Entsprechend des mit dem RBK geschlossenen Konsiliar- bzw. Honorararztvertrags hatte sich die Klägerin u.a. in den Kalenderwochen 42, 43 und 44 des Jahres 2014, mithin im Monat Oktober 2014 verpflichtet, jeweils von Montag bis Freitag im Rahmen von Operationen des RBK gegenüber deren Patienten anästhesiologische Leistungen zu erbringen. Da Gesellschafter der Klägerin in den Kalenderwochen 43 und 44 Urlaub geplant hatten und daher an einer Leistungserbringung verhindert waren, war seitens der Klägerin (zunächst) vorgesehen, den Beigeladenen zu 1 in der 44. Kalenderwoche am 27., 28., 29. und 30. Oktober 2014 im RBK als Vertreter einzusetzen. Da eine ordnungsgemäße Vertretung die Kenntnis der Örtlichkeit und des dort zur Verfügung stehenden Personals erforderte, sollte – wie bei allen „neuen“ zur Vertretung herangezogenen Anästhesisten – zunächst eine Einarbeitung des Beigeladenen zu 1 am Einsatzort stattfinden. Diese Einarbeitung im RBK war für den 13., 14., 15. und 16. Oktober 2014 vorgesehen. Nachdem der Beigeladene zu 1 am 13., 14. und 15. Oktober 2014 tätig geworden war, brach die Klägerin die Einarbeitungsphase ab, weil der Beigeladene zu 1 den fachlichen Anforderungen nicht genügte und es zu Beschwerden seitens der von der Klägerin gleichzeitig eingesetzten anästhesiologischen Pflegekräften kam. Auch nahm sie von dem Vorhaben Abstand, den Beigeladenen zu 1 als Vertreter für die in der 44 Kalenderwoche abwesenden Gesellschafter einzusetzen.

Der Beigeladene zu 1 war an den Einarbeitungstagen (13., 14. und 15. Oktober 2014) für die Klägerin jeweils acht Stunden täglich tätig. Vereinbarungsgemäß stellte er der Klägerin hierfür nachfolgend die vereinbarte Vergütung mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.680,00 € in Rechnung, die die Klägerin in der geltend gemachten Höhe zur Zahlung anwies.

bb) Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist der Senat unter Würdigung der vorliegenden Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 im streitbefangenen Zeitraum ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand.

Hierbei ist vorab darauf hinzuweisen, dass es sowohl im Hinblick auf die Vertragsgestaltung als auch im Hinblick auf die gelebte Praxis auf die Beziehungen der Klägerin zum Beigeladenen zu 1 ankommt und nicht auf die (Rechts-)Beziehungen zum RBK. Denn der Beigeladene zu 1 war in den Betrieb der Klägerin, nicht aber in den Betrieb des RBK eingegliedert (hierzu sogleich). Anhaltspunkte für eine (illegale) Arbeitnehmerüberlassung liegen nicht vor. Die Klägerin hat sich gemäß des Konsiliararztvertrags vom 14. Juli 2008 und des Honorararztvertrags vom 27. Juni 2009 gegenüber dem RBK verpflichtet, selbst anästhesiologische Leistungen zu erbringen. Dass diese Leistungen im RBK erbracht wurden, ist vorliegend unerheblich. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin (quasi als Verleiher) verpflichtet war, dem RBK (quasi als Entleiher) eigene Arbeitnehmer zu überlassen, sodass auch ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1 und dem RBK nicht schon aufgrund § 10 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fingiert wird. Vielmehr wurden die Hauptleistungspflichten im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem RBK direkt vereinbart (vgl. allgemein zu Dreieckskonstellationen BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris, Rn. 12). Der Beigeladen zu 1 sollte hierbei als Erfüllungsgehilfe der Klägerin eingesetzt werden (vgl. auch § 2 Abs. 2 und § 7 des Konsiliararztvertrags vom 14. Juli 2008; s. auch BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R – juris, Rn. 33).

Für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist im Streitfall auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme eines einzelnen Auftrags durch den Beigeladenen zu 1 bestanden. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin sollte der Beigeladene zu 1 Aufträge durchführen, ohne zu einer Übernahme verpflichtet gewesen zu sein. Er konnte ohne Angabe von Gründen im Einzelfall die Übernahme eines von ihr angebotenen Auftrags ablehnen. Die einzelnen Tätigkeiten und Einsätze des Beigeladenen zu 1 wurden von den Beteiligten insofern individuell vereinbart. Erst durch die Zusage des Beigeladenen zu 1 entstand eine rechtliche Verpflichtung, den Auftrag auch tatsächlich durchzuführen. Bei derartigen Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, sind im Hinblick auf die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich nur die einzelnen vergebenen bzw. übernommenen Aufträge zu bewerten (ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 KR 29/19 R – juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R – juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – juris, Rn. 19; Senatsurteil vom 20. Juli 2020 – L 4 BA 3646/18 – juris, Rn. 78). Dass der Beigeladenen zu 1 seine Tätigkeit frei und unabhängig selbst bestimmen konnte, da er sich zur Durchführung der von der Klägerin angebotenen Aufträge bereit erklären konnte, anderseits aber nicht verpflichtet war, Aufträge der Klägerin zu übernehmen, ist deshalb vorliegend für die Abgrenzung zwischen einer Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit nicht ausschlaggebend. Denn für die Beurteilung dieser Frage sind allein die Verhältnisse während der Durchführung der jeweiligen Einzelaufträge des Beigeladenen zu 1 maßgeblich.

Im Hinblick auf die Gewichtung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte sind – wie schon in den vom BSG am 4. Juni 2019 entschiedenen Verfahren (B 12 R 12/18 R; B 12 KR 14/18 R; B 12 R 22/18 R) – auch vorliegend die Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. hierzu Senatsurteile vom 16. Oktober 2020 – L 4 BA 732/19 – und 13. August 2021 – L 4 BA 328/19 –). In den erwähnten Entscheidungen hat das BSG in Bezug auf die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus insoweit deutlich gemacht, dass einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbständig kennzeichnen, von vorneherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungskriterien herangezogen werden können. Gleiches gilt auch für Honorarärzte als Notärzte oder Vertretungsärzte (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2021 – B 12 KR 29/19 R, B 12 KR 10/10 R, B 12 R 9/20 R und B 12 R 1/21 R). So handeln Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies schon deshalb nicht, weil nach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Umgekehrt kann auch nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden (BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – juris, Rn. 26, – B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 31, – B 12 R 22/18 R – juris, Rn. 26). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen auch für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Anästhesist für die Klägerin im RBK. Auch als Anästhesist ist der Beigeladene zu 1, selbst wenn er nicht im Rahmen des klassischen ärztlichen Berufsbildes als Therapeut und/oder Diagnostiker tätig wird, im Hinblick auf seine medizinischen Maßnahmen zur anästhesiologischen Behandlung und Betreuung der Patienten des RBK während der von deren Ärzten durchgeführten Operationen frei und eigenverantwortlich und keinen Weisungen unterworfen. Entsprechend ist in § 2 Abs. 1 Satz 2 des Konsiliar- und Honorararztvertrags über die Tätigkeit der Klägerin, die auch durch einen von ihr beauftragten qualifizierten Stellvertreter mit Facharztanerkennung selbständig durchgeführt werden kann (§ 2 Abs. 2 der genannten Verträge), jeweils ausdrücklich ausgeführt, dass die Klägerin und damit auch die eingesetzten Stellvertreter (Erfüllungsgehilfen), für eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung verantwortlich sind und ihre Fachärzte in ihrer Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet sind und insoweit nicht den Weisungen des RBK unterliegen. Nichts anderes gilt in Bezug auf das vorliegend zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Auch im Rahmen der für die Klägerin zu erbringenden anästhesiologischen Leistungen während der operativen Behandlungen im RKB unterlag der Beigeladene zu 1 nicht den Weisungen der Klägerin und war in seiner Therapiefreiheit nicht eingeschränkt.

Diese Weisungsfreiheit steht der Eingliederung eines auf Honorarbasis tätigen Arztes in den Betrieb seines Auftraggebers nicht entgegen (Senatsurteil vom 16. Oktober 2020 – L 4 BA 732/19 – juris, Rn. 79). In den erwähnten Urteilen vom 4. Juni 2019 hat das BSG deutlich gemacht, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen. Eine Eingliederung geht auch nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin als Gemeinschaftspraxis einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung, jedoch keine abschließenden Bewertungskriterien. Das BSG hat bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Chefärzten ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen würde, aufs stärkste eingeschränkt sein könne. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen zur „funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“. Dieses vom BSG entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit hat der Gesetzgeber wie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen (BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – juris, Rn. 29, – B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 34, – B 12 R 22/18 R – juris, Rn. 30).

(1) Ausgehend hiervon geht der Senat davon aus, dass die ärztliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 ihr Gepräge durch die Ordnung des Betriebs der Klägerin erhielt und er im Rahmen der Durchführung seiner anästhesiologischen Leistungsaufträge in deren Strukturen eingegliedert war, was maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist.

Der Beigeladene zu 1 erbrachte im Rahmen seiner Tätigkeit im RBK zusammen mit einer bei der Klägerin beschäftigten anästhesiologischen Pflegekraft anästhesiologische Leistungen für die Klägerin, zu denen sich diese gegenüber ihrem Vertragspartner, dem RBK, verpflichtet hatte und deren Erbringung ihm seitens der Klägerin angetragen wurde. Ein Kontakt mit dem RBK bzw. deren Patienten kam jeweils erst zustande, nachdem die Klägerin die dort an Patienten des RBK vorgesehenen Operationen, die durch sie anästhesiologisch zu begleiten waren, ausgewählt und dem Beigeladenen zu 1 die Übernahme der Leistungserbringung vorgeschlagen hatte. Auch der Vertrag über die anästhesiologische Versorgung der Patienten des RBK bestand nur zwischen der Klägerin und dem RBK.

Der Beigeladene zu 1 war nach Übernahme der ihm angetragenen anästhesiologischen Leistungen in die Ordnung des Betriebs der Klägerin eingegliedert. Für die vorgesehenen Einsätze im RBK wurde er – ebenso wie die anästhesiologischen Pflegekraft – in den Dienstplan der Klägerin an dem entsprechenden Tag und für den Zeitpunkt der dort angesetzten Operationen aufgenommen und er war dementsprechend verpflichtet, seine Tätigkeit im RBK entsprechend dem Einsatzplan aufzunehmen und die erforderlichen anästhesiologischen Leistungen zusammen mit der anästhesiologischen Pflegekraft im Rahmen der seitens des RBK durchgeführten Operationen zu erbringen.

Der Beigeladene zu 1 war im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit über die Erbringung der eigentlichen anästhesiologischen Leistungen hinaus auch zu einem Handeln im Sinne der Klägerin verpflichtet. Dabei hatte er dafür Sorge zu tragen, dass die Klägerin in die Lage versetzt war, ihren Verpflichtungen entsprechend des mit dem RBK abgeschlossenen Konsiliar- und Honorararztvertrags zu erfüllen. So war die Klägerin gemäß § 3 Abs. 4 der genannten Verträge verpflichtet, die bei der Untersuchung oder Behandlung eines Patienten des RBK erhobenen Befunde und die sich daraus ergebenden Beurteilungen dem RBK zur Aufnahme in das Krankenblattarchiv zu Verfügung zu stellen. Entsprechendes galt für sonstige Unterlagen und technische Aufzeichnungen. Diese wurden im Honorararztvertrag näher konkretisiert mit Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogrammen und ähnlichen Unterlagen und Aufzeichnungen. Gleichermaßen war die Klägerin verpflichtet, dem RBK die zur Abrechnung der Leistungen durch das RBK erforderlichen Leistungsdaten und die für die Qualitätssicherung erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. All dies erforderte, dass der Beigeladene zu 1 die während der Erbringung seiner anästhesiologischen Leistungen erhobenen Befunde und die daraus abgeleiteten Beurteilungen dokumentierte und zusammen mit technischen Aufzeichnungen und sonstigen Unterlagen der Klägerin zur Weiterleitung an das RBK zur Verfügung stellte. Daran wird deutlich, dass jedenfalls insoweit auch ein Weisungsrecht der Klägerin bestand und der Beigeladene zu 1 in die Arbeitsabläufe der Klägerin und deren betriebliche Organisation eingebunden war. Dies wird nicht zuletzt auch daran deutlich, dass die seitens der Klägerin geplante Übernahme der anästhesiologischen Leistungen im RBK durch den Beigeladenen zu 1 als Vertreter von Gesellschaftern der Klägerin eine Einarbeitung vor Ort erforderte, für die die Klägerin ursprünglich vier Tage vorgesehen hatte.

Schließlich erfolgte auch die Abrechnung der vom Beigeladene zu 1 im RBK erbrachten anästhesiologischen Leistungen nicht durch ihn, sondern allein durch die Klägerin. Bei ambulanten Operationen rechnete die Klägerin die Leistungen gegenüber den Patienten des RBK nach Maßgabe der Gebührenordnung für Arzte (GOÄ) ab, soweit mit diesen eine Vereinbarung über ambulante privatärztliche Behandlung bestand (§ 4 Abs. 1 Konsiliararztvertrag), im Übrigen gegenüber dem RBK mit dem jeweils vereinbarten Pauschalbetrag (§ 4 Abs. 2 Konsiliararztvertrag). Die anästhesiologischen Leistungen bei stationären Operationen bei Versicherten, die gemäß § 17 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) wahlärztliche Leistungen mit dem RBK vereinbart hatten, rechnete die Klägerin gegenüber den Patienten ab und bei allen anderen Patienten gegenüber dem RBK (§ 4 Abs. 1 Honorararztvertrag).

Soweit die Klägerin geltend macht, es sei ein freies Honorararztverhältnis vereinbart und gelebt worden, weshalb der Beigeladene zu 1 die Aufträge nicht weisungsgebunden, sondern in eigener Verantwortung durchgeführt habe, steht diese Weisungsfreiheit der Eingliederung des Beigeladenen zu 1 in die Gemeinschaftspraxis der Klägerin nicht entgegen. Denn die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb stehen – wie bereits dargelegt – weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen.

(2) Erhebliche Indizien, die für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Der Beigeladene zu 1 war im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris, Rn. 29 m.w.N.). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – juris, Rn. 36). Vorliegend trug der Beigeladene zu 1 kein relevantes Verlustrisiko. Seine Tätigkeit für die Klägerin erforderte keine relevanten Betriebsmittel und seine Arbeitskraft setzte er nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Denn er erhielt für die erbrachten anästhesiologischen Leistungen eine Vergütung in Höhe von jeweils 70,00 € je Stunde. Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil ihm von Seiten der Klägerin kein Auftrag angetragen wurde, stellt kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2004 – L 4 KR 3083/02 – juris, Rn. 20 und 27. März 2015 – L 4 R 5120/13 – nicht veröffentlicht). Entsprechendes gilt für das Risiko, aufgrund mangelnder Qualität der erbrachten Leistung keine Folgeaufträge zu erhalten Es muss vielmehr ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (Senatsurteile vom 23. Januar 2004 – L 4 KR 3083/02 –, 27. März 2015 – L 4 R 5120/13 – a.a.O. und 18. Mai 2018 – L 4 KR 3961/15 – juris, Rn. 52; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2009 – L 16 R 5/08 – juris, Rn. 38). Dies war beim Beigeladenen zu 1 nicht der Fall. Für seine Tätigkeit setzte er keine Betriebsmittel ein, die zu einem unternehmerischen Risiko führen würden.

Ein Unternehmensrisiko lässt sich auch nicht aus der vom Beigeladenen zu 1 abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung herleiten. Diese begründet kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko. Denn es handelt sich bei der Versicherung ohnehin nur um einen Aspekt, der für sich genommen die Tätigkeit nicht entscheidend prägt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R – juris, Rn. 28). Im Übrigen bedienen sich solcher Versicherungen zur Absicherung der mit der Erbringung von ärztlichen Leistungen verbundenen Risiken durchaus auch Ärzte in einem Beschäftigungsverhältnis.

(3) Unter Abwägung aller Merkmale führt das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin zum Vorliegen einer Beschäftigung. Mit der Übernahme von anästhesiologischen Leistungen bei Operationen des RBK an deren Patienten diente der Beigeladene zu 1 dem Betriebszweck der Klägerin, in deren Organisation er eingebunden war. Relevante für eine Selbständigkeit sprechende Aspekte liegen nicht vor und können daher den Eindruck einer abhängigen Beschäftigung nicht erschüttern.

Soweit die Klägerin es für klärungsbedürftig erachtet, ob die Vertretung eines anästhesiologischen Vertragsarztes gemäß § 32 Ärzte-ZV in einer Gemeinschaftspraxis angesichts der Eigenart der funktionsärztlichen Tätigkeit des Anästhesisten in freier Praxis eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzungsmaßstäbe des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht berufsrechtlich überlagert sind. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1 daher nicht relevant. Es kann daher auch offen bleiben, ob in einer Gemeinschaftspraxis wie der Klägerin bei Abwesenheit eines Gesellschafters überhaupt der Vertretungsfall des § 32 Ärzte-ZV eintritt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R – juris, Rn. 26).

(4) In seiner Beschäftigung als Anästhesist für die Klägerin war der Beigeladene zu 1 auch nicht versicherungsfrei. Insbesondere übte er die Tätigkeit auch nicht im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung aus, die nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 27 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB III zur Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung hätte führen können.

Nach § 8 Abs. 1 SGB IV (in der hier anzuwendenden, bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012, BGBl. I, S. 2474) lag eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn entweder das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 € nicht übersteigt (Nr. 1, sog. Entgeltgeringfügigkeit) oder aber die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 € im Monat übersteigt (Nr. 2, sog. Zeitgeringfügigkeit).

Beide Voraussetzungen waren beim Beigeladenen zu 1 nicht erfüllt. Denn das erzielte Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 betrug im streitbefangenen Monat Oktober 2014 1.680,00 € und überstieg damit deutlich die Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 € im Monat. Darüber hinaus bestand keine Vereinbarung über eine Begrenzung der Tätigkeit auf eine bestimmte Zeitspanne innerhalb eines Kalenderjahres. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 ergab sich eine solche Begrenzung nicht.

Aus denselben Gründen lag erst recht auch keine unständige, in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfreie Tätigkeit vor. Denn gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sind versicherungsfrei nur Personen in einer unständigen Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (Satz 2). Eine solche Beschränkung war zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 weder vereinbart, noch ergab sie sich aus der Natur der Sache.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, ihre Kosten nicht der Klägerin aufzulegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 GKG.

 

Rechtskraft
Aus
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