L 9 U 4382/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1206/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4382/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Oktober 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV – im Folgenden: BK 5101) streitig.

Die 1969 geborene Klägerin ist gelernte Krankenschwester und übt diesen Beruf nach einem Pflegepraktikum seit 01.10.1993 aus. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester in den Klinken B war sie bis 2004 auf verschiedenen Stationen tätig. Von 2004 bis 2008 befand sie sich in Elternzeit. Von 2008 bis 2012 arbeitete sie als Springerin im Nachtdienst in einem zeitlichen Umfang von zehn Stunden/Woche (1 Nacht/Woche). Von September 2012 an arbeitete sie in einer unfallchirurgischen Abteilung und war dort vier Stunden/Tag im Abenddienst (20 Stunden/Woche) tätig. Daneben war sie bis Ende 2012 nach ihren Angaben ca. 20 - 30 Std. mit der Pflege der Mutter betraut. Ab Juni 2015 war sie zwei Stunden/Tag und 10 Stunden/Woche auf der Gynäkologie beschäftigt und mit dem Richten von Tabletten für die Patienten, gelegentlich auch mit administrativen Aufgaben betraut. Seit September 2018 ist sie in einer Apotheke mit vorwiegend beratender Tätigkeit beschäftigt.

Mit einem am 06.02.2012 bei der Badischen Unfallkasse eingegangenen Hautarztbericht teilte der Hautarzt Dr. Z die Diagnosen atopisches Handekzem, Kontaktallergien (Typ IV-Sensibilisierungen) gegen Duftstoffmix, Bronopol, Quaternium sowie multiple Typ I-Sensibilisierungen mit und hielt eine beruflich verursachte Hauterkrankung für möglich, weil berufsrelevante Sensibilisierungen vorlägen. Die Klägerin gab an, Hautreizerscheinungen bestünden bereits seit ca. 8 Jahren (Fragebogen der Beklagten, 23.01.2012).

Die Klägerin nahm an einem von der Badischen Unfallkasse geförderten Hautschutzseminar teil (Bericht Dr. K, schu.ber.z. K1, vom 18.06.2012, Diagnose: 1. atopisches Handekzem, 2. Sensibilisierungen gegen Duftstoff-Mix, Quaternium 15, Bronopol und Imidazolidinylharnstoff – eine berufliche Relevanz sei möglich – bei den drei Bioziden handele es sich um sogenannte Formaldehydabspalter, die in „Kosmetika“ eingesetzt würden, 3. Burnout – aktuell in Behandlung). Der Berufsbezug sei unklar, anamnestisch bestehe zwar eine Arbeitsabhängigkeit; es bestehe aber weiterhin ein florides Ekzem auch unter sechsmonatiger AU (hautunabhängig). Während des sechswöchigen Heilverfahrens sei eine leichte Besserung zu verzeichnen gewesen, es bestehe weiterhin Behandlungsbedürftigkeit.

Unter Berücksichtigung von beigezogenen Behandlungsberichten des Dr. Z vom 01.08.2012, 26.09.2012 und 29.10.2012 sowie des Fragebogens „Zustand Haut“, den die Klägerin am 07.09.2012 beantwortete, wies der Hautarzt Dr. W in einer von der Beklagten veranlassten Stellungnahme nach Aktenlage unter dem 10.11.2012 darauf hin, dass der Hautbefund trotz Wiederaufnahme der Tätigkeit besser sei, als er während der fast sechsmonatigen Krankmeldung gewesen sei. Er vertrat die Auffassung, dass der Krankheitsverlauf nicht als arbeitskongruent angesehen werden könne. Es liege ein berufsunabhängiger Verlauf eines atopischen
Handekzems bei nicht berufsrelevanten Kontaktsensibilisierungen vor.

Mit Schreiben vom 20.11.2012 teilte die Badischen Unfallkasse der Klägerin mit, dass die im Bereich der Hände aufgetretenen akuten Hautreizerscheinungen inzwischen soweit abgeklungen seien, dass diese die berufliche Tätigkeit unter Beachtung entsprechender Hautschutz- und Pflegemaßnahmen weiterhin ausüben könne. Der Erkrankungsverlauf könne nicht als arbeitskongruent angesehen werden. Eine arbeitsplatzrelevante Allergie liege nicht vor. Vielmehr liege ein berufsunabhängiger Verlauf eines atopischen Handekzems bei nicht berufsrelevanten Kontaktallergien vor. Weil die berufliche Tätigkeit als Krankenschwester nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Hauterkrankung sei, bestehe ab sofort keine Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers für eine Heilbehandlung oder weitere Maßnahmen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.

Unter dem 28.07.2014 legte Dr. Z erneut einen Hautarztbericht vor. Die Badische Unfallkasse gab hierauf das Verfahren zuständigkeitshalber an die Beklagte ab (Schreiben vom 07.08.2014). Mit seiner ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine BK vom 23.10.2014 wegen eines persistierenden Handekzems vertrat Dr. Z die Auffassung, dass jetzt eindeutig ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bestehe. Unter dem 17.11.2014 gab er u. a. an, die Klägerin habe sich zwischen dem 25.07.2012 und 28.07.2014 nicht bei ihm vorgestellt. Am 29.10.2014 habe er ausgeprägte Erytheme und eine feinlammelläre Schuppung an beiden Händen festgestellt. Die Hauterscheinungen hätten sich während der beruflichen Tätigkeit verschlechtert. Zuletzt habe ununterbrochen Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen.

Die Klägerin teilte am 22.10.2014 telefonisch mit, ihr seien 2002 Zytostatika über die Hand gelaufen. Es sei ein Unfall gewesen, ein Regalbrett sei gekippt und die Mittel seien heruntergefallen. Die Hand sei danach empfindlicher geworden.

Die Beklagte zog Vorerkrankungsverzeichnisse bei der AOK U-B sowie Berichte bei der Hausärztin, der Ärztin für Innere Medizin E-R (Bericht vom 20.11.2014, Bl. 131 der Akten), der Hautärzte Dres. S, die die Klägerin erstmals am 28.02.1997 wegen eines Handekzems behandelten (Bericht vom 05.12.2014, Bl. 145, Bericht vom 12.02.2016, Bl. 328, Bericht vom 05.04.2016, Bl. 133), beim Betriebsarzt Dr. P (Bl. 151) sowie von Prof. Dr. S-K, Universitätsklinikum U, Tagesklinik Dermatologie, und Prof. Dr. W1 Klinik für Dermatologie und Allergologie (Berichte vom 02.03.2015 über die Behandlung der Klägerin ab 29.12.2014, Bl. 162, 166, Bericht vom 02.04.2015, Bl. 173 f., vom 24.04.2015, Bl. 186 und vom 05.04.2016, Bl. 382) bei.

In ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.05.2015 (nach einer persönlichen Untersuchung der Klägerin) vertrat die Fachärztin für Dermatologie, Allergologie, Umweltmedizin Dr. R (Bl. 193) die Auffassung, dass neben einer persönlichen Veranlagung der Atopie sich anhand des Krankheitsverlaufes ein zumindest teilursächlicher Zusammenhang der Hauterkrankung mit der beruflichen Tätigkeit mit Wahrscheinlichkeit annehmen lasse.

Vom 25.11. bis 16.12.2015 nahm die Klägerin an einem berufsdermatologischen Heilverfahren im Universitätsklinikum H teil. In diesem Rahmen zeigten sich Typ-IV-Sensibilisierungen auf Formaldehyd und Thiomersal, welche die aktuellen Bläschenschübe und das vesikuläre Handekzem nicht erklärten. Es sei möglich, dass diese Typ-SGB IV-Sensibilisierungen beruflich erworben seien, eine aktuelle klinische oder berufliche Relevanz sei wenig wahrscheinlich, sollte jedoch abgeklärt werden. Zusammenfassend spreche der bisherige Verlauf der Hauterkrankung mit auch arbeitsunabhängig aufgetretenen Bläschenschüben für eine genuine Genese (Bericht Prof. Dr. D et al. vom 16.12.2015 (Bl. 277). Es schlossen sich ambulante Behandlungen der Klägerin am 12.01.2016 (Bericht vom 13.01.2016, Bl. 302) und am 25.02.2016 (Bericht vom 26.02.2016, Bl. 341) an.

Der Präventionsdienst der Beklagten teilte mit Schreiben vom 05.04.2016 mit, dass Bestandteile von Formaldehyd und Thiomersal in den von der Klägerin verwendeten Produkten von den Herstellerfirmen verneint worden seien (Bl. 350).

In einer ergänzenden Stellungnahme nach Aktenlage führte Prof. Dr. D aus, dass er einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Entstehung für unwahrscheinlich halte. Zu diskutieren sei eine berufliche Verschlimmerung, die erst dann beurteilt werden könne, wenn unter optimalen Hautschutz- und Hautpflegemaßnahmen die berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen werde.

Nach einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R vom 31.05.2016 (Bl. 413) lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hauterkrankung der Klägerin als BK 5101 der Anlage 1 zur BKV mit Bescheid vom 21.06.2016 ab. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen einer BK entgegenwirken. Sie führte zur Begründung aus, die Klägerin habe zwar an ihrem Arbeitsplatz Kontakt zu hautgefährdenden Stoffen (z.B. Desinfektionsmittel) gehabt, diese hätten die Hauterkrankung aber weder verursacht noch verschlimmert.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Beiziehung von Berichten der Hautärztin Dr. S vom 03.01.2017 (Bl. 29e), die über den Behandlungsverlauf seit 28.02.1997 unter Vorlage eines Ausdruckes der Patientenakte berichtete, sowie der Hausärztin Dr. E-R vom 06.04.2016 (Bl. 36e) und 10.01.2017 (Bl. 48e) sowie des Reha-Entlassungsberichtes vom 21.11.2016 nach einer medizinischen Rehabilitation auf B1 vom 24.08. bis 14.09.2016 (Bl. 39e) mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2017 und mit der Begründung zurück, es liege eine außerberuflich erworbene Hautempfindlichkeit vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.04.2017 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages daran festgehalten, dass die Hauterkrankung als BK anzuerkennen sei.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines dermatologisch-allergologischen Gutachtens beim Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. H1, S1. Dieser hat in seinem Gutachten vom 11.10.2017 zum einen ein beruflich kumulativ-subtoxisch erstprovoziertes, intermittierend reprovoziertes und intensiviertes, zunehmend sich verselbstständigendes, zuletzt seit 2012 chronisch persistierendes dyshidrosiformes, zeitweilig dyshidrosiform-hyperkeratotisch-rhagadiformes Handekzem (nur die Leistenprofilhaut der Hände betroffen) mit anhaltender Minderbelastbarkeit der Haut der Hände diagnostiziert, zum anderen Kontaktallergien gegen Formaldehyd, Thiomersal, Duftstoff-Mix, Bronopol, Quaternium unbekannter Akquisition und unbekannter klinischer Relevanz. Erstere Gesundheitsstörung sei zweifelsfrei entscheidend durch die Berufstätigkeit der Klägerin als Krankenschwester verursacht und unterhalten worden (conditio sine qua non).

Die Beklagte ist der Klage und dem Gutachten entgegengetreten.

Mit Urteil vom 08.10.2018 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Hauterkrankung der Klägerin als Berufskrankheit nach Ziffer 5101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Zur Begründung hat es sich der Argumentation im Gutachten von Dr. H1 angeschlossen.

Gegen das ihr am 21.11.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.12.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. D vom 28.02.2019 vorgelegt. Dieser hat u. a, ausgeführt, er könne sich dem Gutachten von Dr. H1 nicht anschließen; es liege eine überwiegend konstitutionelle Hauterkrankung vor, die auch ohne berufliche Tätigkeit bzw. Hautbelastung chronisch rezidivierend in den letzten Jahren aufgetreten sei. Dies sei durch den Krankheitsverlauf gut belegt und stimme mit den Aussagen der behandelnden Hautärzte und Gutachter überein. Bei der konstitutionellen Hauterkrankung handele es sich um ein idiopathisches dyshidrosiformes Handekzem mit teilweiser hyperkeratotisch-rhagadiformer Ausprägung, wofür der Verlauf als auch die Lokalisation der Hauterkrankung spreche. In Übereinstimmung mit Dr. H1 würden sich keine Hinweise auf ein beruflich verursachtes subtoxisch-kumulatives Handekzem ergeben. Wichtig sei, dass auch Verrichtungen des täglichen Lebens zu Ekzemschüben führten. So sei im Anhang zum Gutachten von Dr. H1 eine Stellungnahme der Klägerin vom 30.0.2017 beigefügt, in der sie manuelle Tätigkeiten, die sie nicht mehr verrichten könne, aufgeführt habe (Haarewaschen, Körperpflege, Schwimmen im Schwimmbad, aber auch allgemeine Einschränkungen wie Autofahren, das nicht ohne Baumwollhandschuhe möglich sei, sowie das Tragen von Einkaufstaschen, Getränkeflaschen, Spazierengehen mit dem Hund, Gartenarbeiten, die nur mit Schutzhandschuhen und zusätzlich Baumwollhandschuhen durchführbar seien, ebenso Hausarbeiten). Dies bedeute, dass es auch bei Verrichtungen des täglichen Lebens immer wieder zu Ekzemschüben komme. Nach der Bamberger Empfehlung werde insoweit von einer Gelegenheitsursache gesprochen. Auch wenn es sich hier nicht um eine Atopie handle, sondern um ein idiopathisches dyshidrosiformes (oder vesikuläres) Handekzem, sei dies als gleichrangig zu werten.

Dr. R hat in der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2020 zusammenfassend festgestellt, dass Kontaktallergien und eine atopische Diathese für die Manifestation und Unterhaltung des Krankheitsgeschehens weitestgehend ausgeschlossen werden konnten. Nachdem auch ein typisches kumulativ-subtoxisches Handekzem aufgrund der Lokalisation (Auftreten bevorzugt an den Handrücken) nicht favorisiert worden sei, weil bei der Versicherten die Ekzemmorphe sich vorherrschend an der nicht härchentragenden Leistenprofilhaut der Hände manifestiere, sei letztlich ein dyshidrosiformes, zeitweilig dyshidrosiform-hyperkeratotisch-rhagadiformes Handekzem, idiopathisch oder zumindest mit idiopathischer Komponente zu konstatieren. Diese Diagnose erscheine ihr unstreitig zu sein. Sie hat sich insoweit der Einschätzung von Prof. Dr. D angeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines fachärztlich dermatologisch/allergologischen Gutachtens bei dem Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Allergologie des UKGM, Prof. Dr. J, G, und hat auf dessen Veranlassung ein Mitglieds- und Vorerkrankungsverzeichnis der AOK U-B (Stand 14.09.2021), einen Auszug aus der Krankenakte der Klägerin von Dr. Z, sowie eine Aufstellung der Arbeitstage/Jahr im Zeitraum von 2012 bis 2018 (Austritt im September 2018) der Sana Kliniken Landkreis B GmbH beigezogen.

Prof. Dr. J hat hierauf in seinem Gutachten vom 28.01.2022 in Auswertung der Berufsanamnese, einer Tätigkeits- und Arbeitsplatzbeschreibung, der durchgeführten Arbeitsschutzmaßnahmen, des Krankheitsverlaufs unter Berücksichtigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten und der vorliegenden Vorbefunde ausgeführt, dass bei der Klägerin ein atopisches Handekzem auf der Grundlage einer atopischen Konstitution mit 1998 manifestierter Neurodermitis bestand. Die Neurodermitis gehe einher mit einer teils massiv verminderten Hautbelastbarkeit. Die Klägerin leide nicht an einer beruflich bedingten schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung. Die Klägerin leide an einem atopischen Handekzem, bei dem allerdings bereits alltägliche Hautbelastungen zur Manifestation ausreichten. Der insgesamt als nicht berufskongruent zu beschreibende Verlauf anhand der ärztlich dokumentierten Befunde spreche nicht für eine wesentliche Teilursache einer beruflichen Hautbelastung, insbesondere weil spätestens ab Juli 2015 keine relevante berufliche Hautbelastung mit dem Richten von Medikamenten (zwei Stunden arbeitstäglich) mehr nachvollziehbar gewesen sei. Dennoch habe das atopische Handekzem weiterhin einen therapieresistenten Verlauf über viele Monate trotz Arbeitsunfähigkeit gezeigt. Es bestehe eine anlagebedingte Hauterkrankung, die sich in einer starken Minderbelastbarkeit der Haut, besonders der Hände zeige. Bereits durch geringe Hautbelastungen des alltäglichen Lebens könne es zu neuen Ekzemschüben an den Händen kommen. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass trotz vielmonatiger Arbeitsunfähigkeitsphasen weiterhin ein eigendynamischer Ekzemverlauf ohne Heilungstendenz erkennbar gewesen sei. Selbst 2019 sei von Dr. Z noch ein Hand-ekzem dokumentiert worden. Das Gutachten von Dr. H1 habe sich auf die sehr ausführlich dokumentierte Anamnese gestützt. Dabei sei der ärztlich dokumentierte Akteninhalt viel zu kurz gekommen. Aus diesem ergebe sich eindeutig ein nicht berufskongruenter Verlauf des atopischen Handekzems. Im Gegensatz zu Prof. Dr. D gehe er von einem atopischen Handekzem aus, da sich bei sämtlichen Dermatologen Atopiehinweise fänden, die in ihrer Summe mit hoher Sicherheit das atopische Handekzem diagnostizieren ließ. Hinsichtlich des eigendynamischen Verlaufes und der Auslösung bereits durch Gelegenheitsursachen stimme er Prof. Dr. D zu.

Die Beteiligten haben hierzu Stellung genommen. Die Klägerin regt insoweit eine ergänzende Stellungnahme von Dr. H1 an, nachdem diesem vorgeworfen werde, sein Gutachten sei „praktisch nicht verwertbar“.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, „die Hauterkrankung der Klägerin als Berufskrankheit nach Ziffer 5101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen“, weil die beantragte BK nicht vorliegt.

Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetz-buch (SGB VII), denn die vorliegend streitbefangene Hauterkrankung hat sich erstmals 1997 (so die dokumentierte Erstbehandlung am 28.02.1997 in den Patientenakten der Hautärzte Dres. S) bemerkbar gemacht. Ein potentieller Versicherungsfall liegt damit zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 (Art. 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2, 1. HS SGB VII).

Eine BK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. Nr. 5101 der Anlage bzw. - seit 01.07.2009 - der Anlage 1 zur BKV ist eine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung. Der bisher in der BK-Bezeichnung enthaltene sog. Unterlassungszwang wurde mit Wirkung vom 01.01.2021 durch das 7. SGB SGB IV-ÄndG gestrichen (BGBl. I 2020, Nr. 28, S. 1248 ff., Art. 7 Nr. 3 und Art. 24 Nr. 3a)).

Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich bei einer in der Anlage 1 zur BKV aufgeführten Erkrankung (Listen-BK) in der Regel folgende tatbestandliche Voraussetzungen, die ggf. bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.2021 - B 2 U 11/19 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 30, Rn. 12, m.w.N zur st. Rspr.). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung. (Hinreichende) Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R -, in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R -, in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 -, in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein:
Bei der Klägerin muss eine Hauterkrankung vorliegen, 
diese muss schwer oder wiederholt rückfällig sein und
sie muss durch Einwirkungen entstanden sein, denen die Klägerin infolge ihrer versicherten Tätigkeit ausgesetzt war
.

Der vom Senat gehörte Sachverständige Prof. Dr. J geht zunächst davon aus, dass die Tätigkeit einer Krankenschwester ohne Zweifel mit einer erhöhten Hautbelastung durch Seife, Desinfektion und Handschuhtragezeit einhergeht und eine Provokation eines atopischen Handekzems hierdurch denkbar ist. Von einer insoweit potentiellen schädigenden Einwirkung hierdurch geht der Senat daher aus. Soweit Sensibilisierungen gegen Duftstoff-Mix, Quaternium 15, Bronopol und Imidazolidinylharnstoll als schädigende Einwirkungen diskutiert wurden, hat sich deren berufliche Relevanz nicht feststellen lassen, zumal in der Hautklinik U im März 2015 sich nur eine Typ IV-Sensibilisierung gegenüber dem Formaldehydabspalter Quaternium-15 reproduzieren ließ, nicht auch gegenüber den anderen vorbenannten Substanzen, und die Sensibilisierung auf Quaternium-15 im Universitätsklinikum H im Dezember 2015 nicht reproduziert werden konnte. Dies ist insoweit unstreitig, nachdem auch Dr. H1 solche Expositionen seiner Beurteilung nicht zugrunde legte.

In Übereinstimmung mit den Feststellungen von Prof. Dr. J geht der Senat ferner vom Vorliegen eines atopischen Handekzems aus. Das atopische Ekzem ist eine anlagebedingte, das berufliche Entstehen begünstigende Dermatose. Die Entstehung ist multifaktoriell; neben erblicher Belastung führen bestimmte Modulationsfaktoren wie Stress, Hitze, Hormone, Aeroallergene, Klima, Nahrungsmittel, Mikroorganismen, Kontaktirritanzien zum Ausbruch des atopischen Ekzems (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 894 ff.). Atopiker tragen ein ca. 110-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Berufsdermatose. Die Haut des Atopikers ist vermindert belastbar. Bei Atopikern konnte ein genetischer Barrieredefekt, der Hauterscheinungen und Schleimhautallergien begünstigt, nachgewiesen werden und eine Bedeutung des Barrieredefektes für Betroffene mit Berufsdermatosen gezeigt werden. Irritativen Noxen sowie physikalischen und chemischen Einwirkungen kann der Atopiker nur reduziert begegnen, häufiges und intensives Reinigen belastet dabei die Haut zusätzlich und führt zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes. Erleidet der Versicherte mit atopischer Disposition im Rahmen hautbelastender Tätigkeit ein Hautleiden, welches nach Wegfall des Schadstoffes abheilt, handelt es sich um ein beruflich verursachtes kumulativ-toxisches Ekzem auf dem Boden einer atopischen Genese (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.).

Prof. Dr. J hat diese Diagnose unter Berücksichtigung der nach Aktenlage ableitbaren Befunde und der von den behandelnden Ärzten und Einrichtungen gestellten Diagnosen schlüssig und überzeugend begründet. Die atopische Diathese steht in Übereinstimmung mit den Diagnosen, die auch die behandelnden Ärzte Dr. Z (Nachweis von IgE-Antikörpern gegenüber Steinobstmischung und grünem Apfel am 11.01.2012), Dres. S, Dr. K, schu.ber.z. K1, und die Hautklinik U gestellt haben. Soweit Dr. H1 (und auch Prof. Dr. D) eine atopische Genese verneinen, folgt der Senat dem nicht. Seine Grundannahme, dass es nie gelungen sei, eine Bereitschaft zu Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis wie z.B. Heuschnupfen, allergisches Bronchialasthma oder Neurodermitis zu beweisen, sieht der Senat mit Blick auf die Ausführungen von Prof. Dr. J, der als Berufsdermatologe über besondere Fachkunde verfügt, als hinreichend gesichert an. Der Senat sieht insoweit die aktenkundigen Angaben der Hautärzte Dres. St nicht hinreichend gewürdigt, die im vorliegenden Auszug aus der Patientenakte (Anlage zum Schreiben an die Beklagte vom 03.01.2017) neben einem Handekzem im Februar 1997 ein Ekzem am linken Unterschenkel im Juli 1998, im Dezember 1998 Lid-Ekzeme, Ekzeme der Ohren und eine Pericheilitis sowie im Dezember 2002 beiderseitige Lid-Ekzeme beschrieben und eine Neurodermitis diagnostizierten. Eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ hat Dr. H1 in Anbetracht der im Universitätsklinikum H bzw. im Universitätsklinikum U erhobenen Atopie-Scores zudem jedenfalls nicht in Abrede gestellt.

Das Hautleiden der Klägerin ist im Wesentlichen durch die atopische Disposition verursacht und wird nur gelegentlich einer beruflichen Tätigkeit ausgelöst. Der Senat folgt auch insoweit dem Gutachten von Prof. Dr. J sowie den beratungsärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. D vom 02.05.2016 und 28.02.2019, die der Senat als qualifizierten Beteiligtenvortrag wertet. Soweit Prof. Dr. D eine atopische Hauterkrankung ausschließt und von einem idiopathischen dyshidrosiformen Handekzem ausgeht, ergibt sich für die Wertung insoweit im Übrigen nichts anderes, weil es sich auch insoweit um eine überwiegend konstitutionelle Hauterkrankung handelt, deren Verursachung durch berufliche Einwirkungen nicht wahrscheinlich gemacht werden kann (Prof. Dr. D, Stellungnahme vom 28.02.2019).

Unter Berücksichtigung des klinischen Verlaufs lässt sich nicht mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die berufliche Tätigkeit der Klägerin eine wesentliche (Teil-)Ursache für die Entstehung der Hauterkrankung gewesen ist, hier also dass ein atopisches Ekzem etwa durch Feuchtarbeit, durch das Tragen von Handschuhen während der Arbeitszeit, tatsächlich rechtlich wesentlich provoziert worden ist, was nach den Ausführungen von Prof. Dr. J zwar denkbar wäre, aber vorliegend nicht zu belegen ist. Die Berufsbezogenheit des Auftretens der Handekzeme lässt sich anhand der objektiven Befundlage nicht begründen. Dies hat der Sachverständige anschaulich, nachvollziehbar und überzeugend anhand der Aktenlage und der im Berufungsverfahren beigezogenen Unterlagen begründet.

Ausgehend von der Erstmanifestation des Handekzems am 28.02.1997 („ekzematöse Veränderungen beider Hände“, vgl. Bericht Dres. S vom 05.12.2014) wurde die Klägerin (trotz Konsultationen aufgrund anderer Erkrankungen im Dezember 1998, im Juli 2000, im Juni 2001 und im September 2001) erstmalig erst fünf Jahre nach dem Erstbefund (am 09.02.2002) wegen diagnostizierten „palmar beiderseits ekzematisierten Hautveränderungen“ und „Handekzem“ vorstellig, danach erst wieder am 15.05.2003 (vgl. Auszug aus der Patientenakte Dres. S, Anlage zum Schreiben an die Beklagte vom 03.01.2017). Bis zur Elternzeit (Geburt der Tochter im Dezember 2004, des Sohnes im Juli 2006) finden sich keine weiteren Behandlungen der Klägerin, auch nicht durch die Hausärztin oder den Betriebsarzt. Bei nur dreimaliger Inanspruchnahme hautärztlicher Behandlung während dieser Zeit ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Handekzem auch während der arbeitsfreien Zeit (Elternzeit) von 2004 bis 2008 ebenfalls dreimal diagnostiziert worden war (vgl. Dres. S: am 09.09.2005, am 27.11.2007 und 28.01.2008), nachvollziehbar, wenn Prof. Dr. J entgegen den Ausführungen von Dr. H1 festhält, dass sich ein eindeutig berufskongruenter Verlauf anhand des Akteninhalts nicht nachvollziehen lässt. Denn für das Auftreten von Handekzemen lässt sich eine rechtlich wesentliche berufliche Einwirkung nicht festmachen, wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin in dieser Zeit als Krankenschwester auf der Chirurgie „stundenlang, die ganze Schicht hindurch“ Handschuhe getragen hat, im Tagdienst bis zu fünf Stunden, in der Notaufnahme in der Nacht (10,5 Stunden) acht Stunden und mit handschuhfreien Intervallen nur selten bis zu einer Stunde. Die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. H1 zu dieser Zeit, wonach die Hautveränderungen immer wieder bzw. durch die Arbeit aufgetreten sind und immer wieder Arztbesuche erforderlich machten, lassen sich durch die in der Akte vermerkten Befunde nicht nachvollziehen. Gleiches gilt für die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. H1 (Seite 5 des Gutachtens), dass sich das Handekzem dann ab 2003 nicht mehr durch die Anwendung von Kortisoncreme oder über das Wochenende gebessert habe. Denn auch dies lässt sich anhand von Behandlungsdaten bei Haut- oder Hausarzt oder über Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht verifizieren, da von Dres. S für 2003 und 2004 nach mehr als einjähriger Lücke (zuletzt: 09.02.2002) allein für den 15.03.2003 und lediglich einmalig ein „dyshidrotisches Handekzem“ vermerkt wurde.

Nach den Angaben der Klägerin hat sie 2008 ihre Arbeit wieder aufgenommen mit einer 30%-Stelle im Springernachtdienst, wobei kumulative Handschuhtragezeiten von in der Regel bis zu neun Stunden angefallen sind. Ab 2009 sind die Hautveränderungen und Schübe, so die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. H1, immer stärker geworden und die Intervalle, welche zur Linderung bzw. der Abheilung der Hautveränderungen benötigt wurden, immer länger geworden. Ab 2010 reduzierte die Klägerin die Arbeitszeit auf eine 25%-Stelle „bei zunehmend starken Hautveränderungen“ mit 10,5-Stunden-Schichten. Faktisch habe sie 1-2x/Woche 10,5-Stunden-Schichten gearbeitet, bevor es dann 2012 zu einer massiven Exazerbation der Hautveränderungen gekommen ist. Auch hierzu merkt Prof. Dr. J zutreffend an, dass bis Dezember 2011 weder bei Dr. Z noch bei Dres. S und – abgesehen von einer einmaligen Konsultation der Hausärztin, die im März 2010 „Ecural-Salbe“ verschrieb (ohne konkreten Bezug auf ein Handekzem) –, keine Behandlungsdaten dokumentiert sind, die einen arbeitskongruenten berufsabhängigen Verlauf des atopischen Handekzems belegen könnten. Danach sind Behandlungen aufgrund eines „atopischen Handekzems“ bei Dr. Z am 16.12.2011 und 29.12.2011 dokumentiert. Ab 16.01.2012 und bis 15.10.2012 war die Klägerin allerdings wegen einer hautunabhängigen Erkrankung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auch bei der letzten dokumentierten Behandlung bei Dr. Z am 25.07.2012 und damit rund sechs Monate nach Ende der hautbelastenden Tätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer hautunabhängigen Arbeitsunfähigkeit war noch keine Abheilungstendenz feststellbar, worauf Prof. Dr. J hinweist, nachdem dort weiterhin Rhagaden an den Händen beschrieben wurden. Dies lässt sich auch nicht mit einer Pflegetätigkeit für die Mutter erklären, nachdem die Klägerin gegenüber Dr. H1 angegeben hat, dass sie nach der Stattgabe des Pflegestufenantrages 2009 nur noch aushilfsweise pflegend tätig geworden sei, weil die Pflege von einer Pflegestation übernommen und ferner Putzhilfen und Nachbarschaftshilfen in Anspruch genommen wurden. Eine berufliche Auslösung oder Unterhaltung lässt sich jedenfalls unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze aufgrund der fehlenden Besserung des Handekzems in einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit bis Oktober 2010 nicht nachvollziehbar begründen. Auch hierauf geht Dr. H1 in seinem Gutachten nicht dezidiert ein. Dies gilt umso mehr, als für die Zeit zwischen 2008 und 2011 keine Behandlungen dokumentiert wurden.

Nachdem sich bereits für die Inanspruchnahme von Behandlungen wegen eines atopischen Ekzems für die Zeit ab Beginn der damals vollschichtig ausgeübten Tätigkeit bzw. dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung 1997 ein Zusammenhang mit beruflichen Einwirkungen nicht hinreichend begründen lässt, ist eine plausible berufliche Verursachung auch für die Folgezeiträume nicht belegt. So ist festzustellen, dass ärztliche Inanspruchnahmen auch bis 2014 nur in größeren und teilweise über Jahre hinweg dauernden Intervallen erfolgten. Erst seit Oktober 2014 ist – worauf Prof. Dr. D zu Recht hinweist – ein fast anhaltender Verlauf zu verzeichnen trotz langwieriger und langwährender Zeiten von Arbeitsunfähigkeit (08.10.2014 bis 16.01.2015, 29.01.2015 bis 06.07.2015, 12.01.2016 bis 21.10.2016) und einer seit Ende 2012 nur als allenfalls moderat zu bezeichnenden hautbelastenden Tätigkeit. Dabei ist auch für den Zeitraum bis zur erneuten Einleitung des Hautarztverfahrens durch Dr. Z am 28.07.2014 und dem Befund der Hausärztin („ekzematöser Hautbefund der Fingerbeugen“) im Juni 2014 lediglich eine einmalige dermatologische Vorstellung bei Dres. S aufgrund eines Handekzems am 26.04.2013 dokumentiert. Mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Oktober 2012 arbeitete die Klägerin in der Unfallchirurgie im Abenddienst vier Stunden täglich bzw. 41 Stunden/monatlich. Die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. H1, dass bei anfänglich guten Hautverhältnissen sich nach einem schleichenden Verlauf innerhalb eines Jahres eine Hautverschlechterung eingestellt habe mit erneut starken Hautveränderungen bei einer damals (nach Würdigung durch Prof. Dr. J) eher als moderat zu bezeichnenden Hautbelastung durch die Berufstätigkeit, sind aufgrund fehlender dokumentierter ärztlicher Hautbefunde mit nachvollziehbaren Angaben zu Therapiebemühungen nicht belegt. Letztlich folgt dies auch aus dem von Dr. Z festgehaltenen Hautbefund in der Zeit vom 28.07.2014 bis 29.10.2014 bei bestehender Arbeitsunfähigkeit vom 08.10.2014 bis 16.01.2015. In Auswertung der beigezogenen Farbausdrucke/Bilder der Hände der Klägerin lässt sich nach Wertung von Prof. Dr. J insoweit nur ein wellenförmiger Verlauf mit Wechsel der betroffenen Hautstellen auch während der Arbeitsunfähigkeit feststellen, wobei die Hautläsionen vom 31.10.2014 (während der Arbeitsunfähigkeit) deutlich ausgeprägter imponierten als am 01.10.2014 mit fast blandem Hautbefund. Am 29.12.2014 fanden sich hingegen wieder an multiplen Fingern zahlreiche dyshidrosiforme Bläschen und unscharf erythyrose Plaques mit feinlamellöser Schuppung. Ein solch wellenfömiger Verlauf, ohne Abheilungstendenz trotz langandauernder Arbeitsunfähigkeit und Therapiemaßnahmen lässt sich – so Prof. Dr. J – auch bis zum 08.01.2015 bzw. dem Ende der Arbeitsunfähigkeit (16.01.2015) unter Berücksichtigung der Befunde von Dres. S und der Hautklinik am Universitätsklinikum U (teilstationäre Behandlung in der Zeit vom 29.12.2014 bis 08.01.2015) feststellen. Auch die sich anschließende Arbeitsunfähigkeit vom 16.01.2015 bis 06.07.2015 nach einer Hautverschlechterung nach zwei Tagen Arbeit (ohne dass ein blander Hautbefund vor Aufnahme der Tätigkeit dokumentiert worden war) und diagnostizierter „erneute Erytheme und Rhagaden an den Fingern I und II beiderseits“ belegt den ursächlichen Zusammenhang nicht, weil sich auch für diesen Zeitraum die Besserung und Verschlechterung der Befundes (24.04.2015, Hautklinik U: Dyshdrosiformes Handekzem bei Manifestation von Bläschen und Rhagaden an den Endgliedern peringual der Finger III und IV beiderseits und eher milder Hautbefund bei der Vorstellung bei Dr. R [11.05.2015]: einzelne eingetrocknete Bläschen und trocken schuppende Haut linksseitig Daumenkuppe und Seitenkante des Zeigefingers) ebenfalls während andauernder Arbeitsunfähigkeit abwechselten. Dass es am 02.05.2015 während bestehender Arbeitsunfähigkeit zu einem Arbeitsversuch gekommen sein soll mit umgehend massiver Befundexazerbation, der allein von der Hautklinik U (Hautarztbericht vom 02.04.2015) erwähnt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal ein Abheilungszustand vor der Aufnahme nicht dokumentiert ist (und damit Rückschlüsse auf eine Exazerbation nicht sicher möglich sind) und der wiedergegebene Befund am 02.05.2015 mit „eingetrockneten Bläschen und Schuppung für mehrere seitliche Fingerkanten und -kuppen“ gegen akut an diesem Tag frisch aufgetretene neue Hautläsionen spricht. Vielmehr dürfte insoweit mit Prof. Dr. J der Verlaufszustand eines stattgehabten Bläschenschubes einige Tage zuvor beschrieben sein. Für eine arbeitsbedingte akute Exazerbation liegen damit keine hinreichend eindeutigen Befunde vor, zumal sich ein solcher in der beschriebenen Gesamtschau ebenfalls nicht ableiten lässt.

Schließlich bestand Arbeitsunfähigkeit auch für den Zeitraum ab 25.11.2015 nach einer innerbetrieblichen Umsetzung im Juli 2015, in deren Folge die Klägerin im Krankenhaus B eine neue Tätigkeit aufnahm und damit betraut war, in einem zeitlichen Umfang von zwei Stunden am Tag an fünf Tagen in der Woche Medikamente zu richten und administrative Aufgaben zu erledigen, wobei Handschuhe nicht getragen werden und die Hände nur einmal zu desinfizieren sind. In diesem Kontext weisen Prof. Dr. D und Prof. Dr. J zu Recht darauf hin, dass die Klägerin mit dieser Umsetzung praktisch keiner nennenswerten beruflichen Hautbelastung mehr ausgesetzt gewesen ist und es trotz dieser Umsetzung zu keiner Besserung oder Abheilung der Hauterkrankung gekommen ist. Vielmehr traten auch während des stationären Aufenthaltes vom 25.11. bis 16.12.2015 im Universitätsklinikum H erneut Bläschenschübe an den Händen auf und bei Entlassung fanden sich im Bereich einzelner Finger der rechten Hand noch Schuppungen und betont an der linken Hand palmar noch einzelne frische und in Abheilung befindliche Bläschen und Schuppungen. Auch in der Zeit nach Durchführung des stationären Heilverfahrens traten – bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit – immer wieder Bläschenschübe betont an der linken Hand beugeseitig (Bericht vom 13.01.2016) bzw. (bei nicht abgeheiltem Befund am 25.02.2016) an den Fingern (Bericht vom 25.05.2016) auf, weshalb ein Arbeitsversuch nicht stattfinden konnte. Die rezidivierende Manifestation des Handekzems trotz langdauernder Arbeitsunfähigkeit ist zudem auch durch die Befunddokumentation von Dres. S für den 21.12.2015, 11.01.2016, 18.01.2016, 25.01.2016, 08.06.2016, 20.06.2016, 07.07.2016, 21.07.2016 und 16.09.2016 belegt – ebenfalls für Zeiten einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Schließlich wies Prof. Dr. J darauf hin, dass auch im Rahmen des dermatologischen Heilverfahrens auf B1 vom 24.08. bis 14.09.2016 eine Abheilung nicht erreicht werden konnte und auch bei der Begutachtung durch Dr. H1 kein vollständig abgeheiltes Handekzem vorgelegen hat.

Für den Senat ist unter Beachtung dessen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass konstitutionelle Faktoren als ursächlich für das Auftreten der Hauterkrankung angesehen werden müssen, die unabhängig von der beruflichen Tätigkeit Schübe verursachen. Ferner ist mit Prof. Dr. D zu berücksichtigen, dass die Klägerin angegeben hat, dass Verrichtungen des täglichen Lebens zu Ekzemschüben führen. Die Klägerin hat insoweit in einer Stellungnahme im Rahmen des Gutachtens bei Dr. H1, die diesem Gutachten beigefügt ist, manuelle Tätigkeiten aufgeführt, die sie nicht mehr verrichten kann, weil es hierdurch zu Hautveränderungen kommt (Haare waschen, Körperpflege, Schwimmen im Schwimmbad, Autofahren ohne Baumwollhandschuhe, Tragen von Einkaufstaschen, Getränkeflaschen, Spazierengehen mit Hund, Gartenarbeiten nur mit Schutzhandschuhen und zusätzlichen Baumwollhandschuhen, Hausarbeiten). Damit kommt es immer wieder auch bei Verrichtungen des täglichen Lebens zu Ekzemschüben, die zudem gut erklären (so Prof. Dr. J), warum es trotz langdauernder Arbeitsunfähigkeitsphasen nicht zur Abheilung, sondern zu dem dargelegten wellenförmigen Verlauf mit ständigen Rezidiven des Handekzems gekommen war und kommt. Damit ist auch nachgewiesen, dass es zur Auslösung der Hautveränderungen nicht beruflicher Einflüsse bedarf, sondern insoweit schon jede einfache Irritation und gewöhnliche Belastungen des täglichen Lebens ausreichen. Eine rechtlich wesentliche Verursachung durch berufliche Einwirkungen lässt sich insoweit nicht begründen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen vermochte sich der Senat dem Gutachten von Dr. H1, der sich zur Begründung des von ihm angenommenen Ursachenzusammenhanges nahezu ausschließlich auf die Angaben der Klägerin in der Anamnese bezieht, ohne diesen zu hinterfragen und mit dem oben beschriebenen aktenkundigen Verlauf abzugleichen und zu würdigen, nicht anzuschließen.

Soweit von Prof. Dr. D die Frage einer Verschlimmerung der anlagebedingten Erkrankung durch berufliche Einwirkungen aufgeworfen wurde, ist auch eine solche nicht belegt. Mit dem Begriff Verschlimmerung werden Tatbestände erfasst, in welchen eine Gesundheitsstörung vor Eintritt des Versicherungsfalles als Krankheitszustand bereits nachweisbar vorhanden war. Zeitlich wird in eine vorübergehende und eine dauernde Verschlimmerung unterschieden. Vorübergehend ist eine Verschlimmerung dann, wenn die Erkrankung durch die beruflichen Einwirkungen nur für eine bestimmte Zeit einen schwereren Verlauf nimmt. Wird die Erkrankung dagegen auf Dauer in ein höheres Niveau gehoben, so handelt es sich um eine dauerhafte Verschlimmerung. Eine richtunggebende Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung liegt nur dann vor, wenn der gesamte Ablauf der Erkrankung nachhaltig wesentlich beschleunigt und befördert wurde, einen anderen schweren Verlauf genommen hat und damit das gesamte auch heute feststellbare Erkrankungsgeschehen durch die berufliche Einwirkung wesentlich geprägt wird (Hessisches LSG, Urteil vom 23.03.2012 - L 9 U 134/10 -, juris). Eine Exazerbation durch einen Arbeitsversuch am 02.04.2015, der (allein) im Hautarztbericht des Universitätsklinikums U vom 02.04.2015 erwähnt wird, lässt sich nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Prof. Dr. J mit den dokumentierten Befunden, die von eingetrockneten Bläschen und Schuppung für mehrere seitliche Fingerkanten und –kuppen berichten, und damit nicht von frisch aufgetretenen neuen Hautläsionen, nicht in Einklang bringen. Vielmehr beschreibt der Befund einen Verlaufszustand mit stattgehabtem Bläschenschub einige Tage zuvor und ist damit nicht plausibel für eine arbeitsbedingte Auslösung der Ekzeme. Dieselbe Einschätzung ergibt sich insoweit – so Prof. Dr. J – auch nach Auswertung der von der Hautklinik U vorgelegten und in der Akte vorliegenden Farbfotos. Aufgrund des deutlich wellenförmigen Verlaufes gerade während der beschriebenen langandauernden Arbeitsunfähigkeitszeiten sind weder die Voraussetzungen einer vorübergehenden noch einer dauerhaften richtungsgebenden Verschlimmerung nachgewiesen.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen hat das SG die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die Hauterkrankung der Klägerin als Berufskrankheit anzuerkennen. Das Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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