S 43 KA 113/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KA 113/15
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

I. Die Klage wird abgewiesen.


II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung von sachlich-rechnerischen Berichtigungen in insgesamt 20 Quartalen (1/08, 2/08, 3/08, 4/08, 1/09, 2/09, 3/09, 1/10, 2/10, 3/10, 4/10, 1/11, 2/11, 3/11, 4/11, 1/12, 2/12, 3/12, 4/12 und 1/13) in einer Höhe von insgesamt € 88.972,96.
Die Klägerin ist Fachärztin für Humangenetik und seit 2015 ärztliche Leiterin des MGZ, einer Berufsausübungsgemeinschaft, Medizinisch Genetisches Zentrum MVZ, in M.-Stadt.
Die Beklagte berichtigte das vertragsärztliche Honorar der Klägerin in den obengenannten 20 Quartalen von nach Nrn. 11320 bis 11322 EBM-Ä abgerechneten Leistungen mit Bescheiden vom 20.11.2013 und vom 14.02.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.12.2014 unter Hinweis darauf, dass die Nrn. 11320 bis 11322 EBM-Ä im Krankheitsfall nicht neben der Nr. 01793 EBM-Ä abrechnungsfähig sind.
Die Klage sieht für den Abrechnungsausschluss keine Rechtfertigung. In den Regelungen zum EBM bis 1/05 seien die streitbefangenen Leistungen unter der Nr. 112 EBM (heute Nr. 01793) und den Nrn. 1035 bis 1037 EBM kodifiziert gewesen. Ein Abrechnungsausschluss sei nicht festgeschrieben gewesen, weil die beschreibende Stufendiagnostik bei Auffälligkeiten, die sich aus einer zytogenetischen Untersuchung ergeben und eine molekulargenetische Untersuchung erforderlich machen, gewünscht und gewollt gewesen sei. Die Leistungen seien zu dieser Zeit nicht bestimmten Fachgruppen zugeordnet gewesen. Um im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000 plus, mit der eine Fachgruppenzuordnung vieler Leistungen eingeführt worden sei, die gewünschte und erforderliche Stufendiagnostik abrechenbar zu machen, andererseits aber eine Doppelabrechnung der molekulargenetischen Untersuchungen nach den Nrn. 11320-11322 und 32855-32857 auszuschließen, sei der streitgegenständliche Abrechnungsausschluss aufgenommen worden. Mit dem EBM ab 2/06 seien die Leistungen nach den Nrn. 32855-32857 EBM aus dem EBM genommen worden und stattdessen durch eine Änderung der Präambel des 11.Kapitels den Laborärzten (Pathologen etc.) der Zugriff auf die Leistungen Nrn. 11320-11322 EBM aus dem humangenetischen Kapitel erlaubt worden. Eine Anpassung des Abrechnungsausschlusses sei versehentlich unterblieben. Sollte seinerzeit die sinnvolle Stufendiagnostik zulässig abrechenbar und lediglich eine Doppelabrechnung derselben Leistung ausgeschlossen sein, so sei nunmehr ungewollt die Stufendiagnostik ausgeschlossen gewesen. Der Abrechnungsausschluss entbehre jeder Rechtfertigung und sei somit willkürlich. Ein rechtskräftiges Urteil des SG Dresden, das eben dies feststelle, hätten weder die Beklagte noch der beigeladene GKV-Spitzenverband angefochten.
Die Beklagte, der beigeladene GKV-Spitzenverband und die beigeladene KBV sehen in ihren schriftlichen Stellungnahmen im Verfahren die Berichtigungen als durch den Wortlaut des EBM gerechtfertigt und dessen Bestimmungen als rechtswirksam an.


Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen, die Bescheide der Beklagten vom 20.11.2013 und vom 14.02.2014 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.12.2014 über die sachlich rechnerische Richtigstellung in den Quartalen 1/2008 bis einschließlich 1/2013 (ausgenommen Quartal 4/09) aufzuheben. Weiter wird beantragt, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für notwendig zu erklären.


Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten der unter dem führenden Aktenzeichen S 43 KA 113/15 miteinander verbundenen Verfahren S 43 KA 113/15 und S 43 KA 114/15 sowie die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Beklagten in den Bescheiden vom 20.11.2013 und vom 14.02.2014 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.12.2014 sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist für die Auslegung des EBM-Ä in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Danach ist die Abrechnung der Nrn. 11320 (bewertet mit 780 Punkten), die Nr. 11321 (bewertet mit 630 Punkten) und die Nr. 11322 EBM-Ä (bewertet mit 2.825 Punkten) im Krankheitsfall neben der Nr. 01793 EBM-Ä (bewertet mit 11.705 Punkten) ausgeschlossen. Zum Inhalt der Leistungslegenden sowie ihrer medizinischen Bedeutung und zum Inhalt des Behandlungskomplexes der Nr. 01793 EBM-Ä wird auf die sorgfältigen Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 22.09.2015 verwiesen. Der Abrechnungsausschluss wurde mit Wirkung zum 01.04.2005 durch den Bewertungsausschuss eindeutig und abschließend festgelegt.

Die strittige Regelung des EBM verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist daher als wirksam anzusehen.
Die Gerichte haben nicht darüber zu entscheiden, ob es versorgungspolitisch uneingeschränkt sinnvoll war, die Abrechnung von zuvor abrechenbaren Leistungen in bestimmten Konstellationen auszuschließen. Sie greifen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht punktuell in das Gefüge des EBM ein (vgl. Urteil des BSG vom 16.12.2015, B 6 KA 39/15 R). Der weite Regelungsspielraum der Selbstverwaltungsorgane ist zu respektieren. Ausnahmen davon kommen nach der Rechtsprechung des BSG nur in seltenen Fällen in Betracht, in denen die zur Bewertung der Leistung berufenen Selbstverwaltungsorgane ihren Regelungsspielraum überschritten oder ihre Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt haben. Die Gerichte entscheiden allein darüber, ob der Normgeber bei seiner Gestaltung die ihm durch das Gesetz gesetzten Grenzen eingehalten hat (vgl. BSG, aao). Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen höherrangiges Recht nennt die Klage nicht wirklich. Sie trägt umgekehrt unermüdlich zusammengefasst vor, dass aus Sicht der Klägerin der Ausschluss nicht einsichtig, nicht angemessen sei, es an einem sachlichen Grund für den Abrechnungsausschluss fehle. Dieser Vortrag kann nicht den Nachweis ersetzen, dass sich der Bewertungsausschuss bei dem strittigen Ausschluss von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen bzw. willkürlich die Arztgruppe der Humangenetiker benachteiligt hat. Die vorgetragene "Sinnhaftigkeit" der Stufendiagnostik, die zuvor auch abrechnungstechnisch voll vergütet wurde, reicht jedenfalls dafür nicht aus.
Der beigeladene GKV-Spitzenverband und die beigeladene KBV kommen in ihren schriftlichen Stellungnahmen zum Ergebnis, dass der Abrechnungsausschluss nicht willkürlich ist (vgl. Schriftsätze vom 26.02.2016, Blatt 130 ff dA und Schriftsatz vom 18.05.2016, Blatt 146 ff dA). Sie weisen darauf hin, dass der Beklagten eine Verwerfungskompetenz nicht zusteht, sie ist an die klare und eindeutige Abrechnungsbestimmung des EBM gebunden.
Dabei wird nicht übersehen, dass die Erbringung einer molekulargenetischen Untersuchung nach den Nrn. 11320 bis 11322 auch nach einer zytogenetischen Untersuchung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge nach der Nr. 01793 erforderlich bzw. sinnvoll sein kann, dann aber bereits mit der Vergütung nach der Nr. 01793 EBM-Ä abgegolten war. Daraus, dass es damit über einige Quartale an einer Vergütung fehlte, obwohl es medizinisch-fachliche Gründe für die Erbringung der weiteren Leistung gab, kann noch keine Willkür bzw. Sachwidrigkeit der Regelung geschlossen werden. Nur wenn der Ausschluss der Honorierung der einzelnen Leistung dazu führt, dass der Vertragsarzt bei der dem Gesamtsystem der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen zulässig zugrundeliegenden Mischkalkulation insgesamt keinen Anspruch mehr auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung realisieren kann, führt dies zur Rechtswidrigkeit des Ausschlusses. Die Beklagte führt hier zutreffend die Rechtsprechung des BSG an, wonach derartige Abrechnungsausschlüsse und die damit verbundenen Honorareinbußen vom Vertragsarzt hinzunehmen sind (vgl. Seite 3 Schriftsatz der Beklagten vom 07.09.2017). Der beigeladene GKV-Spitzenverband weist in diesem Zusammenhang noch auf die (zwischenzeitlich) bestehende Möglichkeit der Abrechnung von gegebenenfalls notwendiger molekulargenetischer Diagnostik im Anschluss an pränatale Zytogenetik über die indikationsgebundenen Leistungen des Abschnittes EBM 11.4.2 hin. Leistungen, die zuvor über die Nrn. 11320 bis 11322 EBM-Ä abgerechnet werden konnten, wurden mit Wirkung zum 01.11.2011 in eigene indikationsbezogene Pauschalen im neuen Abschnitt 11.4 EBM überführt, ggf. auch deshalb, um weitere Leistungs- und Kostenausweitung durch verfahrensbezogene Nrn. des EBM-Ä zu verhindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Absatz 1VwGO.

 

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved