L 6 SB 3746/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 3904/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3746/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Klägerin begehrt die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 30.

Sie ist 1969 geboren. Nach Abschluss der Hauptschule machte sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskaufrau und war von 1989 bis 1990 als Filialleiterin einer Bäckerei beschäftigt. Von 1992 bis 1995 hielt sie sich in den USA auf und absolvierte dort eine Ausbildung zur Familienkinderpflegerin. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war sie bis 1999 als Kassiererin in einem Schreibwarengeschäft beschäftigt. Es schlossen sich weitere Beschäftigungen an, zuletzt war die Klägerin drei bis vier Jahre lang, bis 2008, selbständig mit einem Internethandel und einem Ladengeschäft tätig. Seit 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt, seit November 2018 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Sie reitet täglich zur Muskelerhaltung (vgl. Sachverständigengutachten G).   

Am 9. April 2018 beantragte die Klägerin beim Landratsamt G1 (LRA) die Erstfeststellung des GdB. Als zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen gab sie ein Lipödem, eine Fibromyalgie, eine Endometriose, ein chronisches Schmerzsyndrom und ein rezidivierender Pap IIId an.

Zur Vorlage kamen mehrere Behandlungsberichte des D aus den Jahren 2005 bis 2008. Der letzte Bericht vom 14. März 2008 nannte als Diagnosen ein Lumbalsyndrom mit Wurzelreizung, eine SIG-Blockierung und ein chronisches Lymphödem. Es habe eine Schwellung beider Arme und Beine ohne stehende Hautfalten und Wasseransammlungen vorgelegen, die Schwellungen seien ausstreichbar gewesen.

Dem Bericht des E, vom 18. Juni 2001 ließ sich als Diagnose ein hyperkinetisches Herzsyndrom bei Trainingsmangel und Nikotinkonsum entnehmen. 

Aus dem Bericht der F über die Vorstellung der Klägerin am 2. August 2007 ergaben sich die Diagnosen eines schmerzhaften Lipödem-Syndroms, eines Z. n. Endometriose und eines Z. n. OSG-Bandruptur (Juni 2007). Beide Arme und Beine hätten eine klassische lipödermatöse, über das Ernährungsmaß hinausgehende Fettgewebsvermehrung aufgewiesen. Ein Dellen hinterlassendes Ödem sei allseits nicht nachweisbar bei allerdings ausgeprägter Berührungsempfindlichkeit gewesen. Aufgrund der Anamnese sowie des körperlichen Untersuchungsbefundes habe es sich um ein klassisches, sehr schmerzhaftes Lipödem-Syndrom gehandelt, das häufig mit einer hormonellen Dysbalance im Bereich des hypophysealt/thyreoidalen bzw. hypophyseal/ovariellen Hormonkreises einhergehe.

Der Bericht des B, vom 9. Oktober 2009 über eine ambulante Untersuchung der Klägerin führte als Diagnosen ein primäres Fibromyalgie-Syndrom, ein Karpaltunnelsyndrom rechts (anamnestisch) und ein chronisches Lipödem auf. Die Klägerin habe über eine wechselhafte Ganzkörperschmerzsymptomatik berichtet, die sich innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre zunehmend intensiviert habe. Deswegen sei sie seit Mai 2009 durchgehend arbeitsunfähig. Es bestünden ganztägliche und nächtliche Schmerzen, zeitweise begleitende Nachtschweißigkeit, Unruhe im Bereich der unteren Extremitäten, Muskelkrämpfe sowie wechselhafte arthralgieforme Beschwerden. Eine Besserung der Schmerzsymptomatik sei in den letzten drei Monaten durch den Einsatz von Amitriptylin in moderater Form erreicht worden, unter dieser Therapie habe sich die Nachtschlafsymptomatik deutlich verbessert. Rheumatologisch seien die Gelenke der oberen Extremitäten schmerzfrei ohne Einschränkung beweglich, das Gaenslenzeichen an den Händen und Füßen sei jeweils negativ gewesen, insgesamt hätten keine tastbaren floriden oder ältere synovitischen Gelenkschwellungen bestanden. Bei der Klägerin ergebe sich derzeit aus der klinischen Beurteilung unter Zusammenschau der Befundsituation die Diagnose eines primären Fibromyalgie-Syndroms. Es bestehe eine typische Ganzköperschmerzsymptomatik, die Diagnosekriterien der ACR für die Krankheit würden, auch unter Berücksichtigung der positiven Tenderpoints, erfüllt.

Der ärztliche Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 16. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014 in der F1klinik A, S, nannte als Diagnosen ein diskret ausgeprägtes Lipödem der Beine seit circa 2002 bei geringer LHT vom Becken-Knietyp, ein Lipödem der Arme bei geringer LHT vom Oberarmtyp, eine Endometriose, ein Fibromyalgie-Syndrom und eine Migräne. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt habe ein zeitliches Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr, für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Selbständige im Verkauf von unter drei Stunden bestanden. Die Klägerin habe typische Ödembeschwerden in Form eines Schwere- und Spannungsgefühls in den Beinen und Armen, ein druckschmerzhaftes Fettgewebe und das schnelle Auftreten von blauen Flecken, vor allem an den Beinen, berichtet. Sie sei in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt gewesen, aber in ihrer Belastbarkeit. Das Knien, Hocken und Bücken und die Gebrauchsfähigkeit der Arme seien eingeschränkt gewesen. An der Wirbelsäule (WS) sei über den Dornfortsätzen kein Klopf- oder Stauchungsschmerz angegeben worden, alle großen Gelenke seien in allen Ebenen aktiv und passiv frei beweglich gewesen. Der psychische Status habe sich unauffällig gezeigt. Es habe eine geringe Lipohypertrophie, die sich über die Hüften ausgebreitet habe, bestanden. Die Füße und Zehen seien typischerweise ödem- und verdickungsfrei gewesen, das Gewebe der Oberschenkel prall gefüllt, wie für ein Ödem typisch. Hinweise auf ein Lymphödem oder Phlebödem hätten sich nicht ergeben, ödembedingte Einschränkungen aller Beingelenke hätten nicht bestanden. Eine Lipohypertrophie an den Oberamen, aktuell gering ausgeprägt, mit weichem und druckdolentem Gewebe habe vorgelegen. Bei der Abschlussuntersuchung habe sich eine Entödematisierung des linken Armes von 26 ml, des rechten Armes von 30 ml, des linken Beines von 299 ml und des rechten Beines von 346 ml gezeigt. Durch die intensive lymphologische Behandlung sei eine wesentliche Besserung der ödembedingten Beschwerden eingetreten gewesen.

Der D legte dem LRA weitere Untersuchungsberichte von Januar 2017 und Januar 2018 vor, aus denen sich die Diagnosen einer Schulterluxation links, einer Bankardläsion links, einer Peritendinitis der Tibialis posterior-Sehne links und eines Senk-Spreizfuß ergaben.   
 
Die R bewertete eine Lymphstauung der Beine und Arme mit einem Einzel-GdB von 20, der dem Gesamt-GdB entsprach. Kein Einzel-GdB von 10 hätten ein auffälliger Abstrich, eine Sehnenscheidenentzündung am Unterschenkel, eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, eine Migräne, ein chronisches Schmerzsyndrom, degenerative Veränderungen der WS, Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke, eine Herzleistungsminderung und eine Endometriose erreicht.

Das LRA stelle daraufhin durch Bescheid vom 14. Mai 2018 einen GdB von 20 seit dem 9. April 2018 fest.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin die Unterbewertung der bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen geltend. Der GdB sei auf mindestens 30 zu erhöhen.

Im Widerspruchsverfahren führte der D aus, dass die Klägerin im Jahr 2018 nicht wegen Beschwerden an der WS, eines Fibromyalgie-Syndroms, Beschwerden der Schultergelenke oder eines Schmerzsyndroms bei ihm in Behandlung gewesen sei.

Der G2 teilte mit, die Klägerin leide unter einseitigen, starken Kopfschmerzen mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit, teilweise auch mit Übelkeit, mindestens ein- bis dreimal wöchentlich. Aufgrund des Lip- und Lymphödems bestünde eine deutliche Bewegungseinschränkung aller Gelenke der unteren Extremitäten und Schmerzen. Zusätzlich liege eine Peritendinitis vor, das Gangbild sei etwas staksend und breitbeinig. Im Bereich der Hände, Finger und Arme lägen deutliche Schwellungen und hieraus resultierende Bewegungseinschränkungen vor. Die Klägerin trage an allen vier Extremitäten Kompressionswäsche, ohne diese wären die Schmerzen nicht auszuhalten. Es bestünden Schmerzen im Bereich des gesamten Rückens, paravertebrale Muskelverspannungen, eine Hyperlordosierung im Lendenwirbelsäulen(LWS)-Bereich und eine Steilstellung der Halswirbelsäule (HWS). Die Klägerin sei glaubhaft an keinem Tag schmerzfrei. Sie sei körperlich nur reduziert belastbar, was nach über zehn Jahren auch Auswirkungen auf die Psyche habe. Es werde die Vergabe eines GdB von 100 und des Merkzeichens „G“ empfohlen. Ergänzend legte G2 den Bericht des D vom 4. April 2018 vor, der unter den Diagnosen Peritendinitis der Tibialis posterior-Sehen links und Senk-Spreizfuß bei anamnestischer Angabe von Belastungsschmerzen am OSG links als Untersuchungsbefund eine freie Beweglichkeit, eine Blockierung des Gelenks und keine Entzündungszeichen nannte.

Die Z und H berichteten von einer Stabilität der Endometriose durch die Minipille (Seculat) und einem unauffälligen Befund bei der Krebsvorsorgeuntersuchung im Mai 2018.

H1 hielt versorgungsärztlich eine Höherbewertung des GdB für nicht angezeigt. Ein so häufig, wie von G2 beschrieben, auftretendes Kopfschmerzsyndrom sei bei der mehrfachen klinischen Überwachung der Klägerin nicht auffällig gewesen. Bei der geltend gemachten Schwere der Ausprägung lägen entsprechende Befunde (Therapie, Verlauf mit verwertbaren Angaben zur Dauer, Ausprägung und Häufigkeit) nicht vor. Der bisherige Einzel-GdB von 20 für die Lymphstauung der Beine und Arme sei reichlich bemessen. Rezidivierende Entzündungszeichen seien nicht belegt, ein Dellen hinterlassendes Ödem sei allseits nicht nachweisbar gewesen, ödembedingte Bewegungseinschränkungen der Beingelenke bestünden nicht. Die Befunde zur WS belegten keinen Wirbelsäulenschaden, der wiederkehrende Schmerzsymptome hervorrufen könnte. Die Endometriose sei stabil.
Der Beklagte wies darauf gestützt den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2018 zurück.

Mit der am 27. November 2018 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 verfolgt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) erhobene Sachverständigengutachten beigezogen.

Der D hat angegeben, die Klägerin seit 2005 zu behandeln, zuletzt am 16. April 2018. Als Diagnosen habe er eine Peritenditis der Tibialis posterior-Sehne links und einen Senk-Spreizfuß erhoben. Am 4. April 2018 habe eine freie Beweglichkeit des OSG links und eine Blockierung des Gelenks ohne Entzündungszeichen vorgelegen. Der Schweregrad der Beeinträchtigung sei leicht bis mittelschwer. 

G2 hat ausgeführt, die Klägerin seit April 2008 zu behandeln. Sie leide unter einem Lipo-Lymphödem an allen vier Extremitäten mit deutlicher Bewegungseinschränkung und Schmerzen. Der Gang sei breitbeinig und staksig. Es bestünden Rückenschmerzen im Bereich der gesamten WS, ein paravertebraler Muskelhartspann, eine Steilstellung der HWS, eine Hyperlordosierung der LWS und eine Lungenkontusion beidseits mit schmaler Pneutasche links nach einem Reitunfall im Januar 2019. Die Klägerin trage eine Kompressionsversorgung an allen vier Extremitäten, regelmäßige Lymphdrainagen mit anschließender Kompressionstherapie fänden seit über zehn Jahren statt. Auch habe die Klägerin immer wieder Migräne mit starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Lärmscheu beklagt. In der Kombination der Beschwerden bestehe eine sehr schwere Behinderung, die Vergabe eines GdB von 100 und des Merkzeichens „G“ seien indiziert. Neben bereits im Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Befundberichten hat G2 ergänzend den Entlassbrief der A1Kliniken über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 27. bis zum 30. Januar 2019 vorgelegt. Anamnestisch sei die Klägerin vom Pferd gestürzt. Als Diagnosen hätten eine Lungenkontusion bds. dorsobasal, eine undislozierte Fraktur der 7. Rippe links, eine schmale Pneutasche links im ventrobasalen Recessus und eine Schürfwunde an der linken Handinnenfläche vorgelegen. Die Entlassung sei in gutem Allgemeinzustand und beschwerdegelindert mit guter Inspirationstiefe erfolgt.   

Aus dem von G3 im Auftrag der DRV auf dem Gebiet Chirurgie/Orthopädie nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 8. Juni 2018 erstellten Sachverständigengutachten haben sich als Diagnosen ein operativ versorgter Labrumabriss und Abriss der Supraspinatussehne des linken Schultergelenks sowie ein chronisches diffuses Schmerzsyndrom ergeben. Bei der klinischen Untersuchung sei eine Bewegungseinschränkung am linken Schultergelenk insbesondere in der Abduktion festzustellen gewesen (Bewegungsmaße: Arm seitw./körperw. rechts 180-0-30°, links 180-0-30°, Arm rückw./vorw. rechts 40-0-180°, links 40-0-180°, Arm. ausw./einw. drehen [Oberarm anliegend] rechts 90-0-90°, links 50-0-90°, Arm. ausw./einw. drehen [Oberarm 90° seitw. abgeh.] rechts 90-0-90°, links 80-0-60°), weitere Funktionsausfälle im Bereich des Bewegungsapparats hätten nicht bestanden. Röntgenologisch habe sich eine geringfügige linkskonvexe Skoliose der LWS sowie ein in guter Stellung knöchern fest verheilter Labrumabriss am linken Schultergelenk gezeigt. Das arbeitstägliche Leistungsvermögen habe sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr betragen. Die Klägerin habe angegeben, seit ihrem 16. Lebensjahr unter Schmerzen an der LWS, seit ihrem 20. Lebensjahr unter Schmerzen in beiden Kniegelenken und seit circa zehn Jahren unter Schmerzen in den Fingern beider Hände und Schmerzen am ganzen Körper zu leiden. Seit einer Schulterluxation im Januar 2017 habe sie dort immer wieder Schmerzen, insbesondere bei Tätigkeiten über Kopf, die Beweglichkeit sei eingeschränkt und es bestehe eine ausgeprägte Wetterempfindlichkeit.

P, hat in dem im Auftrag der DRV aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 16. Juli 2018 erstellten Sachverständigengutachten das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin sowohl für die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit „Ausfahren von Essen“ als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit unter drei Stunden beurteilt. Er hat als Diagnosen ein chronifiziertes Schmerzsyndrom in allen Extremitäten und Gelenken, ein Fibromyalgie-Syndrom und Lipödeme erhoben. Anamnestisch habe die Klägerin von Ganzköpernervenschmerzen vom Kopf bis zu den Beinen berichtet. Ursache sei das Lipödem, das auf die Nerven drücke. Sie sei kaum belastbar, könne nicht anhaltend gehen oder stehen und müsse die Beine hochlegen. Im Haushalt könne sie maximal 20 Minuten am Stück arbeiten, das Staubsaugen sei zu schwer, beim Bodenwischen müsse sie Pausen einlegen. Bergaufgehen könne sie nicht mehr, auf dem Weg zu ihrer Wohnung müsse sie zwei Etagen überwinden, hierbei müsse sie zwei- bis fünfmal stehen bleiben. Auch könne sie nicht lange mit dem Auto fahren, da die Finger verkrampften. Das Lipödem sei bereits im Teenageralter entstanden und habe nach der Geburt ihres zweiten Kindes im Jahr 1999 erheblich zugenommen. Die Beine würden nicht mehr abschwellen; einmal wöchentlich erhalte sie Lymphdrainage und mache zweimal wöchentlich Reittherapie, dorthin fahre sie mit dem Auto. Der klinische Befund habe ein mäßiges Lymphödem beidseits an Beinen und Armen, eine freie Beweglichkeit der großen Gelenke, Finger druckschmerzhaft, Schmerzen beim Faustschluss, keine Rötungen oder Entzündungen und eine leichte rechtskonvexe Skoliose ergeben. Neurologisch habe sich kein Befund ergeben. Diskrepant zu den erheblichen Einschränkungen der Klägerin hätten nur wenige objektivierbare Befunde vorgelegen; es habe eine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der Gelenke bestanden, die Beine und Arme seien wegen des Lymphödems geschwollen gewesen. Allerdings habe die Klägerin die bei ihr bestehende Symptomatik sehr eindrucksvoll geschildert; sie sei deswegen seit circa 2010 nicht mehr arbeitsfähig, eine Rehabilitationsmaßnahme habe keine Besserung erbracht, multiple Schmerztherapieversuche teils mit Antidepressiva seien wegen der Unverträglichkeit der Medikamentation abgebrochen worden. Es habe sich um ein chronifiziertes Krankheitsbild gehandelt, eine klare Ansatzmöglichkeit zur Verbesserung oder therapeutischer Intervention habe nicht bestanden. Mit dem jetzigen Krankheitsbild sei die Klägerin allerdings nicht arbeitsfähig gewesen, auch nicht in geringem Umfang. Eine Erwerbsminderungsrente sei geboten.

Der Beklagte hat vergleichsweise angeboten, den GdB mit 30 ab dem 9. April 2018 festzustellen. Zu Grunde hat dem Vergleichsangebot die Stellungnahme des Versorgungsarztes Groß gelegen, wonach die Lymphstauung der Beine mit einem Einzel-GdB von 20, die Lymphstauung der Arme und die Funktionsbehinderung des Schultergelenks mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 und das Fibromyalgie-Syndrom sowie muskuläre Verspannungen mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet worden sind. Im August 2007 sei in der Spezialpraxis der F ein schmerzhaftes Lipödem-Syndrom diagnostiziert worden, es sei eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einer lymphologischen Klinik in S erfolgt. Das Lipödem der Beine sei als diskret ausgeprägt bezeichnet worden, darüber hinaus sei noch ein Lipödem der Arme vom Oberarmtyp aufgeführt worden. Eine funktionelle Beeinträchtigung resultiere hieraus nicht. Es bestehe ein Schmerzsyndrom. Laut den Angaben des G2 erfolge die regelmäßige Verordnung manueller Lymphdrainagen, an den Beinen würden Kompressionsstrümpfe getragen. Die Peritendinitis der Sehne des Musculus tibialis sei gut behandelbar und führe nicht zur Erhöhung des Einzel-GdB, der für die Lymphstauung der Arme und Beine 20 betrage. An den oberen Extremitäten bestehe neben dem Lipödem beider Arme mit Betonung der Oberarme eine bei einem privaten Unfallereignis erfolgte traumatische Schulterluxation, ein aktueller Befundbericht über eine persistierende Funktionseinschränkung oder ein Rezidiv der Luxation liege nicht vor, im hausärztlichen Attest vom 16. September 2018 sei eine relevante Funktionseinschränkung der rechten Schulter nicht aufgeführt worden. Der Einzel-GdB betrage für die oberen Extremitäten 20. An der WS sei eine relevante Funktionseinschränkung nicht belegt, es werde noch ein Fibromyalgie-Syndrom aufgeführt, der diesbezüglich Einzel-GdB sei 10.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen. Die versorgungsärztliche Stellungnahme des Beklagten habe sich im Wesentlichen auf den Rehabilitationsentlassungsbericht aus dem Jahr 2014 gestützt, seitdem habe sich ihr Gesundheitszustand jedoch signifikant verschlechtert, was die vorgelegten Befundberichte ihrer behandelnden Ärzte bestätigten. Nach der Einschätzung des G2 betrage der GdB 100. Er habe Bewegungseinschränkungen aller großen und kleinen Gelenke an allen vier Extremitäten beschrieben. Zusätzlich bestünden erhebliche Rückenschmerzen aufgrund des Wirbelsäulenleidens und des Fibromyalgie-Syndroms. Wegen der erheblichen Beschwerdesymptomatik des Lip-Lymphödems sei sie täglich außerhalb ihrer Wohnung auf einen Rollstuhl angewiesen; sie könne nicht lange Stehen, Sitzen oder Laufen, sei körperlich nur reduziert belastbar und schnell erschöpft. Vor diesem Hintergrund habe ihr die DRV seit Oktober 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Darüber hinaus leide sie unter Migräne mit den typischen Symptomen starke Kopfschmerzen, Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie Übelkeit- und Erbrechen. Wegen der beschriebenen Beschwerdesymptomatik sei neben der körperlichen Leistungsfähigkeit auch erheblich die gesellschaftliche Teilhabefähigkeit gemindert, hieraus resultiere ein sozialer Rückzug und eine Isolation in Bezug auf ihr gesellschaftliches und privates Leben. Ergänzend hat die Klägerin die Bewilligung der Techniker Krankenkasse vom 10. Oktober 2017 über eine Hilfsmittelversorgung mit einem Leichtgewichtrollstuhl vorgelegt.

Das SG hat am 25. November 2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Die Sitzung wurde zur Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen vertagt (vgl. Protokoll vom 25. November 2019).

Daraufhin hat das SG bei G, Sozialmediziner, Internist, Notarzt, Diabetologie DDG, Ernährungsmedizin DGE, Schwerpunkt Kardiologie, Allgemeinmedizin, aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 19. Dezember 2019 ein sozialmedizinisches Gutachten erhoben. Als Diagnosen hätten ein progredient schmerzhaftes Lipödem-Syndrom, eine Endometriose, degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat, eine episodenhaft auftretende Migräne, ein Z. n. Lungenkontusion, ein Z. n. undislozierter Fraktur der 7. Rippe links und ein Z. n. Labrumabriss und Abriss des Supraspinatussehne vorgelegen. Im Vordergrund habe ein progredient schmerzhaftes Lipödem-Syndrom, das sehr wahrscheinlich seinen Ursprung in der Endometriose mit Hormonbehandlung habe, gestanden; bei einer mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigung resultiere hieraus ein Einzel-GdB von 30. Die Schmerzsymptomatik habe zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geführt, was ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Die übrigen Erkrankungen seien Residuen, die nach der aktuellen körperlichen Untersuchung einen Einzel-GdB von 10 nicht überschritten hätten bzw. in die ambulante Behandlung gehörten und keinen Schwerbehindertengrad erreichten. Die in der Magnetresonanztomographie (MRT) von November 2019 dargestellte ventrale Sinterung des 2. Lendenwirbelköpers (LWK) sei stabil geblieben. Die beidseitige hypertrophe Spondylarthrose mit segmentaler Einengung des Spinalkanals und auch mäßig eingeengter Neuroforamina bei geringgradiger Pseudospondylolistehese seien degenerativer Natur, bisher seien Caudafasern oder Nervenwurzeln nicht beeinträchtigt. Der Gesamt-GdB betrage 40.

Die Klägerin habe angegeben, im Vordergrund stehe ein Ganzköperschmerz, der auch spontan ohne Druck auftrete. Immer wieder schwellten alle Finger an, die Beine und Arme seien permanent ohne Ulcusbildung geschwollen und es bestehe ein Berührungsschmerz der ganzen Haut. Sie könne nicht lange sitzen, stehen oder gehen, vor allem das Treppensteigen sei beschwerlich. Auch habe sie eine Neigung zu hohem Puls und niedrigem Blutdruck. Seit zwei Jahren verfüge sie über einen Rollstuhl. Bei Bedarf nehme sie Ibuprofen ein und im Notfall zur Schmerzlinderung das Antidepressivum Amitriptylin 50 mg. Seit November 2018 beziehe sie eine Rente. Zur Tagestruktur habe die Klägerin angegeben, den Haushalt zu versorgen und zu kochen; bei Schmerzen übernehme diese Tätigkeiten ihr Lebenspartner. In der Freizeit übe sie schon seit ihrer Kindheit Reitsport aus.

Der körperliche Untersuchungsbefund habe einen übergewichtigen Ernährungszustand und einen ausreichenden Allgemeinzustand ergeben. Hinsichtlich der Psyche sei die Stimmung neutral gewesen. Auffällig sei ein ubiquitärer Druckschmerz der Haut gewesen, gleich an welcher Stelle die Haut eingedrückt worden sei. Es hätten ein Lipödem der Beine und Arme sowie ein positiver Dermographismus an den Beinen vorgelegen, eindrückbare Unterschenkelödem hätten nicht bestanden. Das Gangbild sei unauffällig gewesen, die Maße nach Schober hätten 10/14,4 cm, nach Ott 30/31 cm und der Finger-Boden-Abstand (FBA) 7 cm betragen. Die Iliosakralfugen seien beidseitig hoch druckdolent gewesen, allerdings kaum unterscheidbar von der Schmerzhaftigkeit der übrigen Haut; es habe eine spinale und paravertebrale Druck- und Klopfempfindlichkeit bei wiederum ubiquitärer Druckdolenz vorgelegen. An den oberen Extremitäten hätten sich bis auf die sehr niedrige Kraft beim Faustschluss beidseits keine Auffälligkeiten ergeben, an den unteren Extremitäten seien bei der Prüfung der Hüftgelenksbeweglichkeit Beschwerden im Gastrocnemiusbereich und bei der Prüfung der Kniegelenksbeweglichkeit eine lokale Druckdolenz im Kniegelenkspalt beidseits medial und lateral angegeben worden. Eine hochgradige Druckdolenz habe zusätzlich im Knöchelbereich beidseits bestanden. Psychisch sei die Klägerin örtlich, zeitlich, zur Situation und Person vollständig orientiert, bei normaler Stimmung, protahierten Bewegungen und psychomotorisch unauffällig gewesen. Das Resonanzverhalten und der Antrieb seien normal, das formale und inhaltliche Denken sowie die mnestischen Funktionen intakt und ohne auffällige Konzentrationsstörungen gewesen. Die bei der körperlichen Untersuchung durch nur leichten Druck auf die Haut erzeugten Schmerzen seien weder eingebildet noch psychisch bedingt gewesen, dies sei durch Ablenkung gut überprüfbar gewesen. Man müsse nicht auf den Allgemeinbegriff der „Fibromyalgie“ zurückgreifen, denn es gebe weitere Möglichkeiten, wie diese Symptomatik hervorgerufen werde. Leitsymptom sei das Lipödem an Armen und Beinen. Es sei eine Fettverteilungsstörung zwischen Stamm und Extremitäten auffallend gewesen, zwischen den dünnen „Ballerinafüßchen“ und den dicken Unterschenkeln. Ein solches Phänomen sehe man bei normaler Adipositas eher weniger und beim männlichen Geschlecht eigentlich gar nicht. Dieser Geschlechtsunterschied habe eine Assoziation zum Hormonstatus gebracht. Die Klägerin nehme wegen einer Endometriose seit vielen Jahren ein Gestagenpräparat ein. Das schmerzhafte Lipödem-Syndrom werde durch hormonelle Veränderungen getriggert. Daneben bestehe seit dem Teenageralter eine Migräne. Verwunderlich sei, dass die Klägerin in den Jahren 2018 und 2019 in der Lage gewesen sei, Reitsport zu betreiben.

Der Beklagte hat sich den Ausführungen des G nicht anschließen können. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B1 hat eine seelische Störung, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei, nicht anerkannt werden können. Psychisch habe ein Normalbefund vorgelegen, das Medikament Amitriptylin werde nur im Notfall eingenommen. Der Einzel-GdB betrage demnach 0. In Zusammenschau mit den erhobenen Befunden könne allenfalls für die Lymphstauung der Arme und Beine unter Berücksichtigung der Schmerzsymptomatik ein Einzel-GdB von 30 empfohlen werden. Zusammenfassend betrage der Gesamt-GdB weiterhin 30 (Lymphstauung der Beine, Lymphstauung der Arme, chronisches Schmerzsyndrom [Einzel-GdB 30], Fibromyalgie-Syndrom, muskuläre Verspannungen [Einzel-GdB 10], Migräne [Einzel-GdB 10], Reizzustände nach Thorax-Kontusion, Labrumabriss, Rippenfraktur [Einzel-GdB 10]).

Die Klägerin hat die Ausführungen des Beklagten für nicht nachvollziehbar gehalten. Sie hat ausgeführt, es handele sich bei einem Lipödem und einem Lymphödem um unterschiedliche Erkrankungen. Hinsichtlich der Benutzung des Rollstuhls sei zu beachten, dass sie zwar durchaus in der Lage sei zu laufen, jedoch nicht länger als 20 Minuten am Stück. Das Reiten betreibe sie nicht im sportlichen Kontext, sondern ausschließlich zur Muskelerhaltung. Das bei ihr gesicherte Fibromyalgie-Syndrom habe B1 zu Unrecht nur mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Sie leide an einem Ganzköperschmerz. Insbesondere die Schmerzen, die durch die Lipödeme sowie die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, das Fibromyalgie-Syndrom sowie das chronische Schmerzsyndrom verursacht würden, seien kaum zu ertragen.                                                   

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2020 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2018 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 9. April 2018 einen GdB von 30 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Im Vordergrund stehe bei der Klägerin das Lipödem, das wegen den von G beschriebenen, hieraus resultierenden mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Soweit G außerdem für eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einen weiteren Einzel-GdB von 30 vorgeschlagen habe, sei dieser Einschätzung aufgrund des erhobenen psychischen Befundes nicht zu folgen gewesen. Es erscheine allenfalls die Bewertung einer leichtgradigen Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt. Schließlich rechtfertigten auch die sporadisch auftretende Migräne und die Restzustände nach Thorax-Kontusion einen Einzel-GdB von jeweils 10. Der Gesamt-GdB sei mit 30 angemessen bewertet. Eine Erhöhung durch die Somatisierungsstörung erfolge nicht, da mit Blick auf die Ausführungen des G eine starke Überschneidung mit dem Lipödem bestehe.    

Am 25. November 2020 hat die Klägerin gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 30. Oktober 2020 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Zur Berufungsbegründung führt die Klägerin aus, die bei ihr bestehenden Funktionsbehinderungen rechtfertigten einen GdB von 50, zumindest jedoch von 40. Das SG habe sich zu Unrecht nicht den gutachterlichen Feststellungen des G, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertet habe, angeschlossen und habe sich auch nicht mit den eingeholten ärztlichen Befunden auseinandergesetzt. In der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass nicht dem Ergebnis des Gerichtsgutachtens gefolgt werde. Wäre ein entsprechender Hinweis erfolgt, hätte sie darauf gedrängt, dass ein fachspezifisches Sachverständigengutachten eingeholt werde. Denn das SG habe die erhebliche Beschwerdesymptomatik des Lipödems verkannt, weshalb es eines phlebologischen Sachverständigengutachtens bedurft habe. Insofern werde im Berufungsverfahren die Erhebung eines lymphologischen oder phlebologischen Sachverständigengutachtens angeregt.  

Die Klägerin beantragt – sinngemäß ­–,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19. Oktober 2020 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2018 zu verpflichten, einen Grad der Behinderung von 50, hilfsweise von 40, seit dem 9. April 2018 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine weitere Beweiserhebung erscheine nicht erforderlich.

Die Klägerin hat auf Anfrage des Berichterstatters mitgeteilt, dass sie sich nicht in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung befinde.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 28. Mai 2021 hat die Klägerin nochmals bekräftigt, sich nicht in einer fachärztlichen Behandlung zu befinden und keine Antidepressiva einzunehmen. Als Schmerzmittel verwende sie Ibuprofen 800 mg. Auf den Hinweis des Berichterstatters, dass die Berufung wohl keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, ist die Klägerin nicht bereit gewesen, die Berufung zurückzunehmen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr als 10 bis 20 Minuten laufen könne, dass aufgrund ihrer Erkrankungen ihr Auto habe umgebaut werden müssen, dass es wegen ihrer eingeschränkten Gehfähigkeit notwendig gewesen sein, von einer Wohnung im ersten Stock in eine solche im Erdgeschoss zu ziehen, und dass sie einmal wöchentlich für 60 Minuten eine Lymphdrainage-Behandlung in Anspruch nehme. Im Weiteren führe sie auch täglich eine Reittherapie durch, deren Kosten sie selbst tragen müsse, um einen weiteren Abbau der Muskulatur zu verhindern bzw. den Erhalt der Muskulatur zu gewährleisten.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 19. Oktober 2020, mit dem das SG der kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2018 (§ 95 SGG) ab dem 9. April 2018 einen GdB von 50 festzustellen, lediglich insoweit entsprochen hat, als es den Beklagten unter Abänderung des vorgenannten Bescheides zur Feststellung eines GdB von 30 ab dem 9. April 2018 verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Da der Beklagte selbst weder Berufung noch Anschlussberufung erhoben hat, ist im Berufungsverfahren nicht streitgegenständlich, ob das SG den Beklagten zu Recht unter Abänderung des vorgenannten Bescheides verpflichtet hat, einen GdB von 30 ab dem 9. April 2018 festzustellen. Der Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2020 ist insoweit rechtskräftig geworden (§§ 105 Abs. 3, 141 SGG). 

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, BSGE 104, 116 [124]; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung, demnach der 18. November 2021.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage in dem im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Umfang. Der Bescheid vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2018 ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), wie der Beklagte nicht ab dem 9. April 2018, dem Zeitpunkt der Erstantragstellung, einen GdB von 30 festgestellt hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab diesem Zeitpunkt. Zu Recht hat demnach das SG die weitergehende Klage durch Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2020 abgewiesen.

Der Rechtmäßigkeit des Gerichtsbescheides vom 19. Oktober 2020 steht nicht entgegen, dass das SG in der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht darauf hingewiesen hat, dass es dem Sachverständigengutachten des G nicht folgen wird. Nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG sind die Beteiligten vor einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu dieser Verfahrensweise anzuhören; das SG muss in der Anhörungsmitteilung aber grundsätzlich nicht darauf hinweisen, wie es zu entscheiden beabsichtigt (vgl. Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 27. September 2021, § 105 Rz. 58).

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX).

Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung ­­– VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2, c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.

Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2, e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG, Teil A, Nr. 3, a). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG, Teil A, Nr. 3, c). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d).

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Einzel- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 13). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Einzel-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin keinen höheren Gesamt-GdB als 30 ab dem 9. April 2018 rechtfertigen.

Im Funktionssystem „innere Sekretion und Stoffwechsel“ leidet die Klägerin an Lipödemen an beiden Armen und Beinen. Dies entnimmt der Senat dem im erstinstanzlichen Verfahren bei G erhobenen Sachverständigengutachten, der sachverständigen Zeugenaussage des G2 sowie den weiteren im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Berichten und Unterlagen (insbesondere Bericht der F, Bericht des B, ärztlicher Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der F1klinik A, S, und Sachverständigengutachten des P), die im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet werden.

Die VG, Teil B, Nr. 15 (Stoffwechsel, innere Sekretion) enthalten keine Vorgaben für die Bewertung eines Lipödems. Nach den VG, Teil B, Nr. 1, b) ist bei Gesundheitsstörungen, die in der GdB-tabelle nicht aufgeführt sind, der GdB in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen. Für die Bewertung eines Lipödems sind demnach die Bewertungsvorgaben für das mit diesem vergleichbare Lymphödem heranzuziehen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. Dezember 2014 –  L 7 SB 69/09 –, juris, Rz. 48). Nach den VG, Teil B, Nr. 9.2.3 ist ein Lymphödem an einer Gliedmaße ohne wesentliche Funktionsbehinderung und dem Erfordernis einer Kompressionsbandage mit einem GdB von 0 bis 10 und mit einer stärkeren Umfangsvermehrung (mehr als 3 cm) je nach Funktionseinschränkung mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten.

Der Senat hält insofern eine Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 unter Berücksichtigung der Betroffenheit beider Arme und Beine der Klägerin und der infolge des Lipödems nicht bestehenden oder nur äußerst geringfügig ausgeprägten Funktionsbehinderungen für angemessen. Ein Einzel-GdB von 30, wie gutachterlich von G vertreten, wird hingegen nicht erreicht. G hat die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30 maßgeblich auf die vom Lipödem herrührenden Schmerzen gestützt, die der Senat im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ berücksichtigt (vgl. unten).
Gegen eine Bewertung der Lipödeme mit einem höheren Einzel-GdB als 20 spricht, dass infolge der Lipödeme an beiden Armen und Beinen die Klägerin unter keinen wesentlichen Funktionsbehinderungen leidet und die Lipödeme zu keinen Folgeerkrankungen geführt haben. Nach dem Bericht der F war ein Dellen hinterlassendes Ödem allseits nicht nachweisbar. Gegenüber G hat die Klägerin eine Ulcusbildung verneint. Dem ärztlichen Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 16. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014 entnimmt der Senat, dass die Klägerin zwar über typische Ödembeschwerden in Form eines Schwere- und Spannungsgefühls berichtet hat, sie in ihrer Mobilität jedoch nicht ödembedingt eingeschränkt gewesen ist. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang beklagte geminderte Gebrauchsfähigkeit der Arme und die Einschränkung des Kniens, Hockens und Bückens sowie das schnelle Auftreten blauer Flecken sind mit Lipödemen an allen Gliedmaßen typisch einhergehende Beschwerden, die bei der Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 bereits mitberücksichtigt sind. Aus dem von G3 im Auftrag der DRV erstellen orthopädischen/chirurgischen Sachverständigengutachten, das urkundsbeweislich verwertet wird, haben sich bis auf eine – nicht mit den Lipödemen im Zusammenhang stehende – eingeschränkte Beweglichkeit des linken Schultergelenks keine Funktionsstörungen im Bereich des Bewegungsapparats ergeben. Hiermit korrespondierend hat P in dem ebenso im Auftrag der DRV erstellten und urkundsbeweislich verwerteten internistischen Sachverständigengutachten nur jeweils mäßig ausgeprägte Lipödeme an beiden Armen und Beinen sowie eine freie Beweglichkeit der großen Gelenke festgestellt. Diskrepant zu den von der Klägerin beschriebenen erheblichen Funktionseinschränkungen hat P nur wenige objektivierbare Befunde feststellen können. Dem entspricht im Weiteren der von G gutachterlich erhobene Befund, wonach das Gangbild unauffällig war und sich an den oberen Extremitäten bis auf eine sehr niedrige Kraft beim Faustschluss keine Auffälligkeiten gezeigt haben. Für den Senat überzeugend hat demnach versorgungärztlich H1 darauf hingewiesen, dass ein höherer Einzel-GdB als 20 nicht angezeigt ist, weil insbesondere rezidivierende Entzündungen nicht aufgetreten sind. Die von G2 in seiner sachverständigen Zeugenaussage als Folgen der Lipödeme beschriebene deutliche Bewegungseinschränkung ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen.

Zu einer höheren Bewertung des Einzel-GdB im Funktionssystem „innere Sekretion und Stoffwechsel“ sieht sich der Senat auch nicht aufgrund des von der Klägerin zwischenzeitlich verwendeten, von ihrer Krankenkasse als Hilfsmittel bewilligten Rollstuhls veranlasst. Nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Sachverständigengutachten ergibt sich nicht, dass die Klägerin wegen der Lipödeme erheblich in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt ist (vgl. oben) und dass demnach die Verwendung eines Rollstuhls wegen der aus den Lipödemen herrührenden Funktionsbeeinträchtigungen notwendig ist. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts im Berufungsverfahren hat die Klägerin darüber hinaus angegeben, dass sie nicht ständig auf den Rollstuhl angewiesen ist, sondern durchaus in der Lage ist, 10 bis 20 Minuten zu laufen, was die Notwendigkeit der Rollstuhlnutzung relativiert.

Die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bestehenden Funktionsstörungen sind nach Ansicht des Senats nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 zu bewerten. Die Klägerin leidet in diesem Funktionssystem, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des P entnimmt, an einem chronischen Schmerzsyndrom. Für die Bewertung der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht entscheidungserheblich, ob dieses chronische Schmerzsyndrom teilweise als Fibromyalgie-Syndrom bezeichnet wird, wie sich dies aus dem Bericht des B ergibt.
Denn das Fibromyalgie-Syndrom ist nach den VG, Teil B, Nr. 18.4 im Einzelfall entsprechend seiner funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Als Vergleichsmaßstab kommen insofern die in den VG, Teil B, Nr. 3.7 bewerteten Funktionsbehinderungen in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2012 – L 6 SB 4838/10 –, juris, Rz. 33 m. w. N.; vgl. auch BSG, Beschluss vom 16. März 2016 – B 9 SB 85/15 B –, juris, Rz. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. September 2015 – L 11 SB 35/13 –, juris, Rz. 31). Ebenso nicht für die Bewertung entscheidend ist, ob, wie G ausgeführt hat, die Schmerzen der Klägerin ihre Ursache in der Endometriose mit Hormonbehandlung haben, denn auch unter dieser Annahme wäre eine eigenständige Bewertung der Schmerzen angezeigt, da sie über die üblichen, mit einer Endometriose verbundenen Schmerzen hinausgehen (VG, Teil A, Nr. 2, j).

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Orientiert an diesen Vorgaben leidet die Klägerin an einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung, die unter Ausschöpfung des diesbezüglichen Bewertungsrahmens (GdB von 0 bis 20) mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist. Eine stärker behindernde Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 30 oder 40 zu bewerten wäre, liegt hingegen nicht vor. Hiergegen spricht der von G erhobene psychische Befund. Die Stimmung der Klägerin war neutral; sie war örtlich, zeitlich, zur Situation und Person vollständig orientiert und psychomotorisch unauffällig gewesen. Das Resonanzverhalten und der Antrieb waren normal bei intaktem formalem und inhaltlichem Denken und intakten mnestischen Funktionen; auffällige Konzentrationsstörungen haben nicht bestanden. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 16. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014 hat sich ebenso ein unauffälliger psychischer Befund ergeben. Auch wenn die Schilderung des Tagesablaufs der Klägerin gegenüber G nur rudimentär erfolgt ist, lässt sich dieser eine hinreichende Fähigkeit zur Strukturierung entnehmen, was zusätzlich gegen das Vorliegen einer stärker behindernden Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit spricht. So ist die Klägerin, wenn auch teilweise durch die Schmerzen eingeschränkt, in der Lage, den Haushalt zu versorgen und zu kochen. Auch kann sie täglich eine Reittherapie zum Erhalt ihrer Muskulatur durchführen; es ist ihr damit möglich, täglich vorgegebene Termine einzuhalten und ihren Tagesablauf entsprechend zu strukturieren. Darüber hinaus spricht gegen die Bewertung mit einem höheren Einzel-GdB als 20, dass die Klägerin, wie sie nochmals im Termin zur Erörterung des Sachverhalts im Berufungsverfahren ausgeführt hat, sich wegen der bestehenden Schmerzen nicht in einer speziellen fachärztlichen Behandlung befindet und keine medikamentöse Therapie stattfindet; sie nimmt lediglich das Schmerzmittel Ibuprofen 800 mg ein. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts erhebliche Beeinträchtigungen infolge der Schmerzen beschrieben hat, wegen denen sie in eine im Erdgeschoss gelegene Wohnung umziehen und ein Umbau ihres Autos erfolgen musste. Wie bereits ausgeführt, äußert sich die Stärke des empfundenen Leidensdrucks nach ständiger Rechtsprechung des Senats aber auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ ebenso zu berücksichtigenden Kopfschmerzen sind nicht mit einem zusätzlichen Einzel-GdB zu bewerten (VG, Teil B, Nr. 2.3); sie sind bei der Bewertung der chronischen Schmerzen mitberücksichtigt (vgl. oben). Die von G2 beschriebene Ausprägung dieser Kopfschmerzen als stark mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit, teilweise auch mit Übelkeit, und deren Auftreten in einem Umfang von mindestens ein- bis dreimal wöchentlich, hält der Senat nicht für überzeugend. Eine derart schwere Verlaufsform der Kopfschmerzerkrankung ergibt sich aus keinem weiteren ärztlichen Bericht, insbesondere nicht aus dem Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der F1klinik A, S. Auch wäre bei Kopfschmerzen in einem Ausprägungsgrad, wie von G2 beschrieben, neben einer fachärztlichen Behandlung nicht nur eine entsprechende Medikamentation, sondern auch eine medikamentöse Prophylaxe zu erwarten.

Im Funktionssystem „Rumpf“ liegen keine Funktionseinschränkungen vor, die mit einem höheren Einzel-GdB als 10, wie ihn zuletzt der Beklagte nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B1 angenommen hat, zu bewerten sind.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der WS (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der WS (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen.

Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Einzel-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der WS; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Aus dem von G3 im Auftrag der DRV erstellen orthopädischen/chirurgischen Sachverständigengutachten ergibt sich, dass die Klägerin allenfalls an Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen leidet, die zu einem Einzel-GdB von 10 führen. Röntgenologisch hat sich eine geringfügige linkskonvexe Skoliose des LWS gezeigt, Funktionsausfälle haben nicht bestanden. Auch G hat gutachterlich eine Beweglichkeit der WS festgestellt (Schober 10/14,4 cm, Ott 30/31 cm, FBA 7 cm), die keinen höheren GdB rechtfertigt. Wegen Beschwerden an der WS hat die Klägerin im Jahr 2018 auch keine fachärztliche Behandlung beim D in Anspruch genommen, was ebenso gegen eine Funktionsstörung der WS spricht, die mit mehr als geringen Auswirkungen einhergeht.

Im Funktionssystem „Arme“ leidet die Klägerin an den Folgen eines Labrumbriss am linken Schultergelenk nach einem Reitunfall. G3 hat insofern ausgeführt, dass dieser in guter Stellung fest verheilt ist. Die von ihm festgestellte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks (Bewegungsmaße: Arm seitw./körperw. rechts 180-0-30°, links 180-0-30°, Arm rückw./vorw. rechts 40-0-180°, links 40-0-180°, Arm. ausw./einw. drehen [Oberarm anliegend] rechts 90-0-90°, links 50-0-90°, Arm. ausw./einw. drehen [Oberarm 90° seitw. abgeh.] rechts 90-0-90°, links 80-0-60°), bedingt nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 nicht einen Einzel-GdB von mindestens 10. Ein solcher wird erst erreicht bei einer Armhebung nur bis zu 120° mit einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, die bei der Klägerin nicht vorliegt.      
Auch im Funktionssystem „Beine“ ergibt sich kein Einzel-GdB von mindestens 10. Die von G2 beschriebenen Belastungsschmerzen des OSG gehen mit keiner Bewegungseinschränkung einher. Der D hat eine freie Beweglichkeit mitgeteilt, wie sie sich auch aus dem Sachverständigengutachten des G3 ergibt (VG, Teil B, Nr. 18.14). Auch die von G mitgeteilten Beschwerden bei der Prüfung der Hüftgelenksbeweglichkeit führen nach dessen gutachterlichen Feststellungen nicht zu GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen (VG, Teil B, Nr. 18.14).  

Die im Funktionssystem „Atmung“ zu bewertende beidseitige dorobasale Lungenkontusion, die infolge eines Sturzes der Klägerin vom Pferd bestanden hat, hat zu keinen bleibenden Funktionsbehinderungen geführt und ist demnach nicht mit einem Einzel-GdB zu bewerten (VG, Teil B, Nr. 8.3). Nach dem Entlassbrief der A1Klinken ist die Entlassung der Klägerin in gutem Allgemeinzustand und beschwerdegelindert bei guter Inspirationstiefe erfolgt.

Zuletzt besteht im Funktionssystem „Geschlechtsapparat“ kein Einzel-GdB von mindestens 10. Die Z und H haben ausgeführt, dass der Verlauf der Endometriose bei Einnahme der Minipille (Seculat) stabil ist (VG, Teil B, Nr. 14.5). Die Krebsvorsorgeuntersuchung im Mai 2018 hat einen unauffälligen Befund ergeben.   


Unabhängig davon, dass die Klägerin im Berufungsverfahren keinen förmlichen Beweisantrag auf Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens gestellt hat, sondern nur dessen Erhebung angeregt hat, haben die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, sachverständigen Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Bei weiteren Sachverhaltsermittlungen würde es sich mithin um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln und um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).    

Aus den vorliegenden Einzel-GdB-Werten von 20 („innere Sekretion und Stoffwechsel“) weiteren 20 („Gehirn einschließlich Psyche“) und 10 („Rumpf“) ergibt sich ein Gesamt-GdB von 30. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 3, c) in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein: Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen (VG, Teil A, Nr. 3, d), aa). Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken. Dies ist vor allem der Fall, wenn Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen – also z. B. an beiden Armen oder beiden Beinen oder beiden Nieren oder beiden Augen – vorliegen (VG, Teil A, Nr. 3, d), bb). Die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden (VG, Teil A, Nr. 3, d), cc) oder die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung werden durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt (VG, Teil A, Nr. 3, d), dd). Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d), ee). Unter Beachtung dieser Grundsätze wird ein höherer Gesamt-GdB als 30 nicht erreicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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