L 1 AS 456/21 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 17463/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 AS 456/21 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2018 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 04. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Februar 2017 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Dezember 2016 i.H.v. 75,45 € und für die Zeit vom 01. Februar bis zum 31. Juli 2017 i.H.v. monatlich 76,45 € zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 40% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (BUH) für den Zeitraum vom 01. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017.

 

Die im Januar 1967 geborene Klägerin bewohnt seit dem 01. Juli 1999 die unter der im Rubrum genannten Adresse gelegene Wohnung. Bei dieser Wohnung handelt es sich laut Mietvertrag um ursprünglich 2 Wohnungen mit insgesamt 93 qm Wohnfläche (3 Zimmer, 2 Küchen, 2 Korridore, 2 Toiletten mit Bad/Dusche und 2 Balkone). Gemäß dem Mietvertrag ist es der Klägerin gestattet, durch Entfernung einer Zwischenwand in den Wohnzimmern der Wohnungen beide Wohnungen miteinander zu verbinden, wobei bei Auszug der vorherige Zustand wiederherzustellen ist. Von dieser Gestattung hat die Klägerin Gebrauch gemacht. Die Wohnung wird mittels 2 Gasthermen beheizt. Die Warmwasserversorgung erfolgt dezentral über diese Gasthermen. Die beheizbare Gesamtgebäudefläche (Wohnfläche) liegt ausweislich des von der Klägerin mit Schreiben vom 02. Oktober 2015 eingereichten Vermieterfragebogens zwischen 501 und 1.000 qm.

 

Am 31. August 2015 beantragte die Klägerin, die anfangs noch mit ihrem im Februar 1994 geborenen Sohn zusammenwohnte, erstmals die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Die Bruttokaltmiete betrug zu diesem Zeitpunkt 518,55 € (385,56 € Grundmiete + 132,99 € Vorauszahlung <VZ> für Betriebskosten), die monatlichen Gasabschläge beliefen sich auf 57,00 € sowie 21,00 €. Zum 07. September 2015 zog der Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. Ab Februar 2016 beliefen sich die monatlichen Gasabschläge auf 64,00 € und 32,00 €.

 

Der Beklagte bewilligte der Klägerin nachfolgend mit Bescheid vom 18. September 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Februar 2016 Leistungen nach dem SGB II für September 2015 i.H.v. insgesamt 935,90 € (399,00 € Regelbedarf <RB> + 536,90 € BUH), für Oktober 2015 bis einschließlich Dezember 2015 i.H.v. monatlich insgesamt 995,55 € (399,00 € RB + 596,55 € BUH), für Januar 2016 i.H.v. insgesamt 1.083,68 € (404,00 € RB + 679,68 € BUH inkl. einer Nachzahlung für Gas) sowie für Februar 2016 i.H.v. insgesamt 1.018,55 € (404,00 € RB + 614,55 € BUH). Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom Februar 2016 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2016 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. März bis zum 31. August 2016 i.H.v. monatlich insgesamt 1.018,55 €.

 

Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 hörte der Beklagte die Klägerin zur Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung an. Der für die Klägerin maßgebliche Richtwert für die Bruttokaltmiete betrage 364,50 €, der Grenzwert für die Heizkosten 71,50 €. Die Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete überschritten den Richtwert um 154,05 € und seien daher als unangemessen hoch zu bewerten. Die Aufwendungen für Heizkosten überschritten den für sie maßgeblichen Grenzwert um 24,50 € und seien daher ebenfalls unangemessen. Mit Schreiben vom 10. März 2016 teilte die Klägerin mit, sie wohne bereits seit 17 Jahren in der Wohnung. Ferner legte sie ein Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom 11. März 2016 vor, wonach die Klägerin verurteilt wurde, der Erhöhung der Bruttokaltmiete auf monatlich 542,12 € ab dem 01. August 2015 zuzustimmen.

 

In Reaktion hierauf bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 31. März 2016 nunmehr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von September 2015 bis einschließlich Februar 2016 unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete i.H.v. 542,12 € (Höhe des Arbeitslosengeldes II für Februar 2016: 1.042,12 € <404,00 € RB + 638,12 € BUH>). Mit weiterem Änderungsbescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin auch für die Zeit vom 01. März bis zum 31. August 2016 monatliches Arbeitslosengeld II i.H.v. insgesamt 1.042,12 €. Mit Änderungsbescheiden vom 15. April 2016 berücksichtigte der Beklagte für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 sowie für März bis August 2016 noch einen Mehrbedarf (MB) für dezentrale Warmwasserversorgung (zuletzt im August 2016 Leistungen i.H.v. insgesamt 1.051,41 € = 404,00 € RB + 9,29 € MB + 638,12 € BUH).

 

Mit Schreiben vom 26. April 2016 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage von Eigenbemühungen zur Senkung ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung (542,12 € bruttokalt + 96,00 € VZ für Heizkosten) auf die als angemessen erachteten Kosten für Unterkunft und Heizung (400,95 € bruttokalt + 71,00 € VZ für Heizkosten) bis zum 30. November 2016 auf. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass ab dem 01. Dezember 2016 nur noch die angemessenen BUH übernommen würden.

 

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 03. August 2016 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 04. August 2016 Leistungen für die Zeit vom 01. September bis zum 30. November 2016 i.H.v. monatlich insgesamt 1.051,41 € und für die Zeit vom 01. Dezember 2017 bis zum 31. Juli 2017 unter Zugrundelegung der von ihm als angemessen erachteten BUH i.H.v. monatlich 885,24 € (404,00 € RB + 9,29 € MB + 400,95 € Bruttokaltmiete + 71,00 € VZ für Heizkosten).

 

Ihren hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie sich aufgrund der langen Wohndauer keine neue Wohnung suchen müsse.

 

Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 bewilligte ihr der Beklagte aufgrund der Anpassung der Regelbedarfe ab dem 01. Januar bis zum 31. Juli 2017 monatliche Leistungen nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 890,36 € (409,00 € RB + 9,41 € MB + 400,95 € Bruttokaltmiete + 71,00 € VZ für Heizkosten).

 

Ab dem 01. November 2016 belief sich die monatliche Bruttokaltmiete auf 596,33 € (Urteil des Amtsgerichts Wedding vom 05. April 2017 – 15a C 275/16 -).

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und stützte sich zur Begründung auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. den ab dem 01. Juli 2015 geltenden Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) in der aktuellen Fassung. Gemäß Ziffer 3.2. der AV-Wohnen i.V.m. der Anlage 1 ergebe sich für die alleinstehende Klägerin ein Angemessenheitswert für die Bruttokaltmiete i.H.v. monatlich 364,50 €. Gemäß Ziffer 5.2 i.V.m. der Anlage 2 zur AV-Wohnen ergebe sich ein Angemessenheitswert für die Heizkosten i.H.v. 71,00 € monatlich. Die konkret angemessene monatliche Bruttokaltmiete belaufe sich wegen der langen Wohndauer (Erhöhung um 10%) auf 400,95 €. Die tatsächliche Bruttokaltmiete i.H.v. 542,12 € übersteige den Angemessenheitswert ebenso wie die tatsächlichen VZ für Heizkosten i.H.v. 71,00 €. Nach Durchführung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs sei ein Kostensenkungsverfahren durchzuführen gewesen. Ein atypischer Ausnahmefall, der eine Übernahme der tatsächlichen unangemessenen Aufwendungen über 6 Monate rechtfertigen könne, sei weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Dezember 2016 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

 

Die Klägerin hat am 28. Dezember 2016 eine Gutschrift i.H.v. 586,70 € aus der GASAG-Abrechnung vom 23. Dezember 2016 für den Zeitraum vom 19. Dezember 2015 bis zum 21. Dezember 2016 erhalten. Die weitere GASAG-Abrechnung vom 23. Dezember 2016 für die zweite Gastherme hat für denselben Zeitraum eine Nachzahlung mit Fälligkeit zum 08. Januar 2017 i.H.v. 456,88 € ergeben (auf dem Konto belastet am 10. Januar 2017). Die monatlichen Gasabschläge haben sich ab Februar 2017 auf 60,00 € und 7,00 € vermindert. Mit Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 hat der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. Februar bis zum 31. Juli 2017 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. monatlich insgesamt 886,36 € unter Berücksichtigung von BUH i.H.v. monatlich 467,95 € (400,95 € Bruttokaltmiete +67,00 € VZ für Heizkosten) bewilligt.

 

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, ein Wohnungswechsel oder die Senkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien ihr nicht zumutbar. Sie leide unter einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung mit schweren depressiven Episoden und Konzentrationsschwäche, Aufmerksamkeitsdefiziten, Gedächtnis- und Schlafstörungen, Traurigkeit sowie Weinkrämpfen. Aufgrund dieser Erkrankung sei es mehr als üblich notwendig, das soziale Umfeld, die vertraute Umgebung und die vertraute Wohnsituation zu erhalten. Ferner würde der bei Umzug erforderlicher Rückbau in der Wohnung hohe Kosten verursachen. Die zusammengelegte Wohnung verfüge nur noch über 1 Küche. Sie hat Bezug genommen auf ein Attest der Dipl.-Psych. L vom 25. April 2017.

 

Das SG hat einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Dipl.-Psych. L vom 19. Oktober 2017 eingeholt. Darüber hinaus hat das SG zur Frage der Umzugsfähigkeit Beweis erhoben durch deren Vernehmung als sachverständige Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05. März 2018 Bezug genommen.

 

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 05. März 2018 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017. Der Beklagte sei im streitgegenständlichen Zeitraum nur noch verpflichtet gewesen, die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Denn die sechsmonatige Regelübergangsfrist in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sei bereits abgelaufen gewesen. Eine Kostensenkungsaufforderung sei in dem Schreiben vom 26. April 2016 und damit mehr als 6 Monate vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum zu sehen.

Die Senkung der Unterkunftskosten sei der Klägerin auch möglich bzw. zumutbar. Es könne nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob der ihr – den Ausführungen im Befundbericht vom 19. Oktober 2017 und den Angaben der sachverständigen Zeugin L im Termin folgend – aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug nicht zuzumuten sei. Zweifel der Kammer bestünden hier schon hinsichtlich einer Unzumutbarkeit des Umzugs im gleichen Stadtbezirk. Ungeachtet dessen sei es der Klägerin zur Überzeugung der Kammer aber jedenfalls möglich und zumutbar, durch eine Untervermietung von Teilen der Wohnung ihre Unterkunftskosten zu senken. Die aus ursprünglich 2 separaten Wohnungen bestehende Wohnung der Klägerin sei mit 3 Zimmern und 2 Bädern mit WC und Dusche objektiv zur Untervermietung geeignet. Selbst wenn – abermals den Ausführungen der sachverständigen Zeugin L folgend – davon auszugehen sei, dass der Klägerin ein Zusammenleben mit einer fremden Person im Rahmen einer Untervermietung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar wäre, bestünde noch immer die Möglichkeit der Wiederherstellung der räumlichen Trennung der beiden aktuell zusammengelegten Wohnungen. Etwaige gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin stünden einer Untervermietung dann nicht mehr entgegen. Dass die Wiederherstellung der räumlichen Trennung zum Zwecke der Untervermietung mit Kosten verbunden sei, habe keinen Einfluss auf diese Möglichkeit der Klägerin zur Senkung der Unterkunftskosten. Denn dieser Kostenanfall beruhe auf dem von ihr mit Abschluss der entsprechenden mietvertraglichen Vereinbarung selbst eingegangenen Risiko. Im Übrigen komme für die Bewältigung dieser Kosten die Übernahme im Sinne von Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II in Betracht. Einer etwaigen Untervermietung stehe auch nicht im Wege, dass diese nach § 8 des Mietvertrages einer Erlaubnis des Vermieters bedürfe. Denn es sei davon auszugehen, dass die Klägerin gegenüber ihrem Vermieter einen Anspruch auf Gestattung dieser Gebrauchsüberlassung an Dritte nach § 553 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe. Entstehe danach für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so könne er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen. Hierbei sei ein berechtigtes Interesse des Mieters jeder nachvollziehbare Grund, also jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang stehe, wozu insbesondere auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Mieters zähle, durch die er – wie vorliegend – auf Erzielung von Untermieteinnahmen zur Reduzierung seines Wohnkostenanteils angewiesen sei.

Zur Ermittlung der danach zu gewährenden angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung habe der Beklagte die AV-Wohnen vom 16. Juni 2015 herangezogen. Diese begegne – mit Ausnahme der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche für Haushalte mit mehr als 3 Personen – keinen rechtlichen Bedenken. Die Angemessenheitsprüfung setze eine Einzelfallprüfung voraus und habe für die Unterkunftskosten und die Heizkosten getrennt zu erfolgen. Nach der AV-Wohnen in der oben genannten Fassung sei in Berlin grundsätzlich für eine Person eine Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche bis höchstens 50 qm angemessen. Die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete für den streitgegenständlichen Zeitraum sei mit 364,50 € ausgewiesen (5,71 €/qm Nettokaltmiete zzgl. 1,58 €/qm kalte Betriebskosten). Hinzu komme ein Zuschlag i.H.v. 10 % aufgrund der langen Wohndauer, was zu der insgesamt abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete von 400,95 € führe. Zusätzlich seien die tatsächlichen Heizkosten zu übernehmen, soweit diese angemessen seien. Der Grenzwert, bis zu welchem Heizkosten übernommen werden müssten, sei nach Maßgabe des Bundesdeutschen Heizkostenspiegels ermittelbar. Nach dem Bundesdeutschen Heizkostenspiel 2017 liege der monatliche Grenzwert einer Gasheizung und einer Gebäudefläche von zwischen 501 qm bis 1000 qm bei 70,00 € (16,80 € × 50 : 12). Nach Addition der nach der AV-Wohnen als angemessen anzusehenden Bruttokaltmiete von 400,95 € sowie der angemessenen Heizkosten von 70,00 € ergäben sich für die Klägerin für den Zeitraum vom 01. Dezember 2016 bis zum 31. Januar 2017 angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. von insgesamt 470,95 €, was unter dem vom Beklagten monatlich angesetzten Betrag von 471,95 € liege. Insoweit sei die Klägerin nicht beschwert. Da die tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen der Klägerin ab dem 01. Februar 2017 nur noch 67,00 € betrügen, seien auch diese zu gewähren. Für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 31. Juli 2017 ergäben sich – wie vom Beklagten zutreffend berücksichtigt – angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich 467,95 € (400,95 € Bruttokaltmiete +67,00 € VZ für Heizkosten).

Auch aus der der Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 zugegangenen Heizkostenabrechnung der GASAG folgten keine weiteren Leistungsansprüche. BUH nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II umfassten auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit wie hier eine Nachforderung in einer Summe fällig sei, sei sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Der von der Klägerin nachzuzahlende Betrag i.H.v. 456,88 € stelle zwar aufgrund seiner Fälligkeit zum 08. Januar 2017 einen (zusätzlichen) Bedarf im Zeitraum Januar 2017 dar. Die von der Klägerin am 28. Dezember 2016 erhaltene Gutschrift aus der weiteren Heizkostenabrechnung i.H.v. 586,70 € mindere aber nach § 22 Abs. 3 SGB II den BUH für den Monat nach der Gutschrift, mithin ebenfalls für Januar 2017. Im Ergebnis verbleibe ein um 129,82 € geminderter BUH für den Monat Januar 2017. Durch die Gewährung der vollen angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für diesen Zeitraum sei die Klägerin nicht beschwert.

 

Gegen das ihr am 20. März 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. April 2018 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin. Entgegen der Ansicht des SG sei es ihr nicht möglich und zumutbar, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu senken. Es liege ein die Weiterbewilligung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung auch über den Zeitraum von 6 Monaten rechtfertigender atypischer Sachverhalt vor. Die Unzumutbarkeit ergebe sich aus der vom Durchschnitt abweichenden Belastungssituation aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung, weshalb es notwendig sei, das soziale Umfeld sowie die vertraute Umgebung und Wohnsituation zu erhalten. Es sei ihr weder möglich, in eine neue Wohnung zu ziehen, noch sei ihr eine räumliche Trennung der Wohnung und eine daraufhin folgende Untervermietung zuzumuten. Die Entscheidung des SG stehe im Widerspruch zu den Einschätzungen der behandelnden Psychologin L Diese haben in ihrem Befundbericht ausdrücklich beschrieben, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung nicht fähig sei, mit einer Umgebungsveränderung umzugehen.

 

Nachdem die Klägerin ein ihr von ihrer Vermieterin unter dem 12. Juni 2018 unterbreitetes Angebot zum Wohnungstausch im selben Haus aus medizinischen Gründen abgelehnt hat, hat die Vermieterin den Mietvertrag mit Schreiben vom 02. Juli 2018 fristgemäß zum 31. März 2019 gekündigt. Seit dem 01. September 2018 übt sie eine geringfügige Beschäftigung in einem Sonnenstudio aus gegen eine monatliche Entlohnung i.H.v. 160,00 €.

 

Das Gericht hat ermittelt durch Beiziehung einer Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und ärztlichen Behandlungen der AOK Nordost vom 13. November 2018 betreffend den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 21. März 2018. Darüber hinaus hat der Senat die Behandlungsunterlagen der Klägerin von der behandelnden Dipl.-Psych. L beigezogen. Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. In seinem am 15. Mai 2019 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 08. Mai 2019 erstellten Gutachten hat dieser bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:

  • Limitierte depressive Episode
  • Panikattacken
  • arterielle Hypertonie
  • Diabetes mellitus.

Die Klägerin sei jetzt und auch in der Vergangenheit in der Lage (gewesen), einen Wohnungswechsel durchzuführen, ohne dass dies mit Wahrscheinlichkeit zu einer dauerhaften Verschlimmerung der Gesundheitsstörung bzw. dem Auftreten weiterer Beeinträchtigungen führen würde bzw. geführt hätte. Sie sei nicht zwingend auf intensive Zuwendung von Dritten angewiesen wie z.B. jemand, der eine Pflegestufe habe oder der aufgrund einer körperlichen Behinderung neben dem den ihn versorgenden Nachbarn weiterleben müsse. Bei jedem Menschen, der sein gewohntes Wohnumfeld gegen seinen Willen verlassen müsse, komme es zu dem, was psychiatrischerseits im weitesten Sinne als Anpassungsstörung gewertet werden könne. Die neue Umgebung erfordere eine gewisse Anpassungsleistung. Schwere psychopathologische Symptome, die eine solche Anpassungsfähigkeit verhinderten, lägen bei der Klägerin allerdings nicht vor, sodass allenfalls von einer passageren leichten Verschlechterung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden könne. Definitiv könne sie im eigenen Haus umziehen. Sie sei auch in der Lage, innerhalb des Bezirks oder außerhalb des Bezirks eine neue Wohnung zu suchen. Sie sei mobil, suche bereits jetzt mit der U-Bahn mit einmaligem Umsteigen ihre Arbeitsstelle auf. Sie könne ebenso mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Freunde und Bekannte aufsuchen, eine Hilfestellung beim Umzug sei nicht erforderlich. Psychiatrischerseits sei sie auch in der Lage, sich selbstständig eine neue Wohnung zu suchen, den Umzug zu planen und durchzuführen. Schwere körperliche Veränderungen bzw. dauerhafte Erkrankungen fehlten ebenfalls. Allenfalls bei sehr schweren Möbeln oder sperrigen Möbelstücken bedürfe sie, wie jeder andere, der Hilfe von Dritten. Besonderheiten hinsichtlich der Wohnumgebung bzw. den Wohnverhältnissen seien aus medizinischen Gründen nicht zu beachten. Der Klägerin sei in der Vergangenheit und auch derzeit eine Untervermietung von Räumen ihrer derzeit bewohnten Wohnung möglich. Dies würde nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen bzw. dem Auftreten weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen führen.

 

Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 23. April 2021 darauf hingewiesen, dass unter Zugrundelegung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03. September 2020 (- B 14 AS 40/19 R – sowie – B 14 AS 37/19 R -) gravierende Zweifel daran bestünden, dass es sich bei der AV-Wohnen vom 16. Juni 2015 um ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG handele. Darüber hinaus ist dem Beklagten Gelegenheit gegeben worden, nachträglich ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum vorzulegen.

 

Die Klägerin hat daraufhin die Auffassung vertreten, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG sei die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten alternativlos. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass selbst ein Verweis auf die im streitigen Zeitraum geltende Wohngeldtabelle nicht ausreichend wäre. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den Aufsatz „Die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit der Unterkunftsbedarfe am Beispiel von Berlin“ (Gunter Rudnik in ZFSH SGB Heft 3/2021, S. 121 ff.).

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 04. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Februar 2017 zu verurteilen, ihr weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Auf die Frage der abstrakten Verfügbarkeit von Wohnraum komme es im konkreten Fall nicht an, denn die Klägerin hätte die Kosten durch einfaches Wiederaufbauen der Wand zwischen den ursprünglich zwei Wohnungen und Weitervermietung der hälftigen Wohnfläche senken können. Ein nachgebessertes Konzept zur Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft hat der Beklagte nicht vorgelegt.

 

Die Beteiligten haben unter dem 15. Juli 2021 bzw. 19. Juli 2021 einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akte S 65 AS 17462/16 ER, der kopierten Teile aus der Akte S 203 AS 9228/18 ER und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da alle Beteiligte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

 

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bescheid vom 04. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Februar 2017 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

 

Streitig ist die Bewilligung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017 unter Berücksichtigung der tatsächlichen BUH.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, welches gemäß Satz 3 dieser Vorschrift Regelbedarf (§ 20 SGB II), Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) und den BUH (§ 22 SGB II) umfasst. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die 1967 geborene, damals nicht erwerbstätige Klägerin erfüllte im streitgegenständlichen Zeitraum diese Voraussetzungen. Zutreffend ist der Beklagte von einem Regelbedarf i.H.v. 404,00 € in der Zeit bis zum 31. Dezember 2016 und i.H.v. 409,00 € ab dem 01. Januar 2017 ausgegangen. Ebenso nicht zu beanstanden ist der von ihm bewilligte Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung (§ 21 Abs. 7 SGB II) i.H.v. 9,29 € für die Zeit bis zum 31. Dezember 2016 und i.H.v. 9,41 € ab dem 01. Januar 2017.

 

Der Klägerin standen im streitigen Zeitraum weiteren Leistungen für BUH gemäß § 22 SGB II im tenorierten Umfang zu. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden BUH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

 

Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ beinhaltet keinen gerichtlicher Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum der Verwaltung, sondern unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (st. Rspr. des BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; SozR 4-4200 § 22 Nr. 27; SozR 4-4200 § 22 Nr. 42). Die Prüfung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung erfordert zwei Prüfungsschritte: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln (hierzu unter 1.); dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit (hierzu unter 2.) dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen (st. Rspr. BSG ebd. Rn. 19 m.w.N.). Auf der ersten Ebene werden danach die Gegebenheiten und zugleich die Besonderheiten des jeweils relevanten örtlichen Wohnungsmarktes erfasst und insofern die für den Einzelfall maßgebenden tatsächlichen Umstände der örtlichen Wohnungssituation, allerdings noch abstrakt berücksichtigt. Erst auf der nächsten Ebene, mit dem zweiten „größeren Schritt“ vervollständigt sich die Einzelfallprüfung der Angemessenheit im Sinne des Individualisierungsgrundsatzes durch Berücksichtigung individueller Umstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs oder auf Besonderheiten im Wohnbedarf durch den Umgang von Sorgeberechtigten mit ihren Kindern (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2019 - B 14 AS 43/18 R - juris Rn. 24).

 

1. Die abstrakte Angemessenheitsprüfung hat nach Wortlaut und Systematik des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft einerseits (a) und der Bedarfe für Heizung andererseits (b) getrennt zu erfolgen (BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 23, Rn. 18).

 

a) Die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft der Klägerin belaufen sich im streitigen Zeitraum auf 477,10 € monatlich.

 

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, welches das BSG in der Entscheidung vom 30. Januar 2019 - B 14 AS 24/18 R – (juris Rn. 20 ff.) ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammengefasst und konkretisiert hat:

 

(1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en),

(2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards,

(3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept,

(4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.

 

Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen: Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R – juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - München I, juris Rn. 21), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist (vgl. auch BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R – Essen, juris Rn. 32 ff.) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl. in Abgrenzung hierzu BSG vom 01.06.2010 - B 4 AS 60/09 R - Umzug in anderen Vergleichsraum, juris Rn. 18 ff.). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R – juris Rn. 22 m.w.N.).

 

Für Berlin hat das BSG geklärt, dass das Stadtgebiet einen Vergleichsraum bildet (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R – juris Rn. 24; Urteil vom 13.04.2011, - B 14 AS 32/09 R – juris Rn. 19).

 

aa) Der Senat sieht mit der ganz herrschenden Rechtsprechung für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnungsgröße von 50 qm als angemessen an. Hierzu ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen, die zur Referenzgruppe zählen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i.V.m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Da das Land Berlin zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, kann zur Bestimmung der örtlichen Angemessenheitsgrenze an die (unveröffentlichten) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15. Dezember 2004, Hinweis 8) zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG angeknüpft werden, die ihrerseits auf die Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin Nr. 57 vom 10. November 1995, S. 4462) zurückgreifen. Danach darf an Einpersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 50 qm und an Zweipersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden (so auch für Einpersonenhaushalte in Berlin: BSG, Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R – juris Rn. 17 und - B 14 AS 65/09 R – juris Rn. 22 f.).

 

Die Wohnung der Klägerin mit einer Gesamtwohnfläche vom 93 qm ist daher hinsichtlich ihrer Größe ungemessen. Darauf kommt es indes wegen der anzuwendenden Produkttheorie im Ergebnis nicht an.

 

bb) Nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG und unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 22a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne einen gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören damit von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete heranzuziehen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - Dresden, juris Rn. 18). Solche Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad sind insbesondere Wohnungen mit Ofenheizung und Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R – a.a.O. Rn. 24), Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad (BSG, Urteil vom 12.2011 - B 4 AS 19/11 R - Duisburg, juris Rn. 28); Wohnungen, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R - München, Rn. 21).

 

cc) Der Beklagte hat jedoch für den streitigen Zeitraum bezogen auf den Vergleichsraum kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG vorgelegt. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat der Beklagte auch kein nachgebessertes Konzept vorgelegt.

 

Nach den Grundsätzen, welche die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG im Zusammenhang mit der Feststellung eines Ausfalls der lokalen Erkenntnismöglichkeiten entwickelt haben, ist die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet er ohne ein solches schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (so schon: BSG, Urteile vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R – juris Rn. 19; vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R – juris Rn. 24; vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R – juris Rn. 21; vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R – juris Rn. 25). Liegen dennoch keine ausreichenden Daten vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann.

 

Ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Netto- oder Bruttokaltmiete erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum unter Beachtung von mehreren, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung betreffen (BSG, Urteil vom 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R juris Rn. 27 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BSG soll das schlüssige Konzept die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist.

 

Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. etwa BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 82/20 R – juris Rn. 34):

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

- Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

- Angaben über den Beobachtungszeitraum;

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel);

- Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

- Validität der Datenerhebung;

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

 

Die von dem Beklagten der Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft im streitigen Zeitraum zugrunde gelegten Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 16.06.2015 sind schon deswegen zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil in der dazugehörigen Anlage 1 („Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft (Bruttokaltmieten) gemäß Nummer 3.2“) unter 1.4. lediglich der Mittelwert der einfachen Wohnlage des Berliner Mietspiegels berücksichtigt worden ist, ohne dafür die rechtlich relevanten Gesichtspunkte erkennbar zu machen. Der Berliner Mietspiegel unterscheidet zwischen einfachen, mittleren und guten Wohnlagen und bestimmt für diese Wohnlagen, bestimmte Baualtersklassen und Wohnungsgrößen Mittelwerte jeweils als Median-Werte. Für bestimmte – wenige – Ausstattungsvarianten sieht er konkrete Auf- bzw. Abschläge vor. Im Übrigen erlaubt er im Rahmen von Unter- und Oberspannen pauschale Ab- und Zuschläge bei vom angesetzten Standard nach unten oder nach oben abweichenden Qualitätsmerkmalen der Wohnungen. Diese Spanneneinordnung als Schätzgrundlage zählt jedoch nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels. Aussagekraft haben die Merkmale, die nach dem Mietspiegel zu pauschalen Ab- und Zuschlägen führen, dennoch, weil sie einen Rückschluss auf die Bestimmung des maßgeblichen Standards für den Mittelwert erlauben. Danach markieren die Mittelwerte aller Wohnlagen recht genau den für die Angemessenheit zugrunde zu legenden einfachen Standard. Dies zeigt sich daran, welche wohnwertmindernden Merkmale zu Abschlägen vom Mittelwert führen, wie beispielsweise: kein Handwaschbecken in Bad oder WC, Bad nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, keine ausreichende Warmwasserversorgung im Bad oder in der Küche, keine Kochmöglichkeit oder Gas-/Elektroherd ohne Backofen, keine Spüle, Küche nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, überwiegend Einfachverglasung, unzureichende Elektroinstallation etc. Diese Merkmale zählen sämtlich zur untersten, d.h. grundsicherungsrechtlich unzumutbaren Unterkunftskategorie oder bestimmen den unteren Rand des einfachen Standards (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01. Dezember 2021 – L 32 AS 579/16 – juris Rn. 57). Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung aber nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen (BSG, Urteile vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – juris Rn. 21; vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R – Cuxhaven, juris Rn. 24; vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R – Duisburg, juris Rn. 33). Dies hat der Beklagte nicht getan. Darüber hinaus enthält die Anlage 2 zur AV-Wohnen 2015 keinerlei Erklärung oder Begründung zur Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten des Mietspiegels (z.B. Darstellung und Auswertung der Grundlagendaten, Auswahl, eventuelle Bereinigung im Einzelnen).

 

dd) Der Senat sieht sich nicht in der Lage, einen Grenzwert für die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit für Wohnungen von Einpersonenhaushalten im Jahr 2016/2017 zu bestimmen und bestimmt die abstrakt angemessenen Aufwendungen für Unterkunft daher unter Rückgriff auf § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der Fassung vom 02. Oktober 2015 zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10% auf 477,40 €.

 

Zur Herstellung der Spruchreife bei der Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für Unterkunft kann das Gericht nur auf schon vorhandene Datengrundlagen zurückgreifen (BSG, Urteil vom 03.09.2020 – B 14 AS 37/19 R – juris Rn. 24). Diese Datengrundlagen müssen die vergleichsraumbezogene, zeit- und realitätsgerechte Bestimmung abstrakter Angemessenheitswerte gewährleisten können. Wesentliche Faktoren sind durch normative Entscheidungen bestimmt (angemessene Wohnungsgröße) oder vorgeprägt (Vergleichsraum) (BSG, Urteil vom 03.09.2020 – B 14 AS 37/19 R – a.a.O. Rn. 26 m.w.N.).

 

Zugleich hat sich das Gericht aber auch davon zu überzeugen, dass für den von ihm festgelegten abstrakten Angemessenheitswert Wohnraum in hinreichender Anzahl tatsächlich verfügbar ist. Die richterliche Betragsbestimmung trägt anders als die Bestimmung abstrakter Angemessenheitswerte durch ein behördliches Konzept, das die Anforderungen des BSG an die Schlüssigkeit erfüllt, die Gewähr der Richtigkeit nicht in sich. Ihre Grundlage ist die Orientierung an konkreten Erkenntnisquellen, die im Grundsatz geeignet sind, die maßgeblichen Gegebenheiten im örtlichen Vergleichsraum abzubilden. Dass eine (erste) gerichtliche Betragsbestimmung durch ein in allen Punkten hinreichend geeignetes Verfahren getragen wird, was Grundlage der Bewertung eines Konzepts der Verwaltung als schlüssig ist, ist nicht vorgegeben. Eine - unter weiteren Voraussetzungen - auf der Datengrundlage "Mietspiegel" bestehende Vermutung für die Verfügbarkeit von Wohnraum wirkt auf der Ebene der konkreten Angemessenheit. Sie setzt voraus, dass der abstrakte Angemessenheitswert rechtsfehlerfrei festgesetzt worden ist. Die Summe aus Kaltmiete und Betriebskosten kann nur dann einen zutreffend gebildeten abstrakten Angemessenheitswert darstellen, wenn in Betracht kommender Wohnraum zu diesem Preis auch tatsächlich in nennenswerter Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wird und damit generell verfügbar ist. Wegen der im Verhältnis von § 22 Abs. 1 Satz 1 zu § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II angelegten Risikozuweisung obliegt es nicht erst den Leistungsberechtigten, zur generellen Anmietbarkeit von Wohnraum im örtlichen Vergleichsraum vorzutragen (BSG a.a.O. Rn. 24, 28 f.).

 

Der Senat sieht sich nicht in der Lage, etwa aus dem Mietspiegel 2017 und den dazu gehörigen Grundlagendaten einen Grenzwert für die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit für Wohnungen von Einpersonenhaushalten im Jahr 2016/2017 zu bestimmen.

 

Darüber hinaus lässt sich retrospektiv nicht feststellen, dass vorliegend Wohnraum angemessener Größe (50 qm) und angemessenen Standards (einfacher Standard) im Vergleichsraum Berlin im streitigen Zeitraum zu einem bestimmten – etwa dem vom Beklagten festgesetzten - Wert tatsächlich zur Verfügung stand und in hinreichender Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wurde. Aus den Verwaltungsvorgängen und dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich hierzu keinerlei Erkenntnisse. Die in der Vergangenheit vom LSG und zahlreichen Kammern des SG Berlin - anhand des sog. Schifferdecker Modells - zur Bestimmung der Angemessenheitswerte herangezogenen Datensammlungen enthalten keine Aussagen zu der Frage der tatsächlichen Verfügbarkeit. Aus anderen Verfahren hat der Senat für den lange zurückliegenden streitigen Leistungszeitraum 2016/2017 ebenfalls keine belastbaren Erkenntnisse, um eine Verfügbarkeit preiswerteren Wohnraums im Vergleich zu dem konkret in Rede stehenden Wohnraum auf dem außerordentlich dynamischen und deshalb nach Ablauf von so vielen Jahren regelmäßig nicht mehr rekonstruierbaren Wohnungsmarkt von Berlin zu prüfen, zumal hier nicht nur auf ein einzelnes Angebot, sondern aus materiell-rechtlichen Gründen auf eine hinreichende Anzahl von Wohnungen sowie (wg. der tatsächlichen Verfügbarkeit) auf die Zahl der Nachfragenden in dem entsprechenden Preissegment abgestellt werden muss. Eine entsprechende Unterstützung zu dieser Frage durch den Beklagten bzw. die Verwaltung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 65/08 R – juris Rn. 21) ist ausgeblieben. Soweit das SG und auch der 18. Senat des LSG nach Kenntnis des Senats in anderen Verfahren zum Teil Gutachten zur Frage der Verfügbarkeit eingeholt hat, sieht sich der Senat zu einer derartigen Beweiserhebung nicht veranlasst. Denn unabhängig davon, welchen Wert man zugrunde legt, lässt sich schon kein Maß der Verfügbarkeit bestimmen, das den Anteil der im streitgegenständlichen Zeitraum zu den von der Kammer ermittelten Bruttokaltwerten zur Anmietung verfügbaren angemessen großen Wohnungen an den insgesamt angebotenen Wohnungen des Segments ausdrückt. Welcher Anteil einer ausreichenden Verfügbarkeit von Wohnungen entspricht, wird weder vom Gesetz noch in Rechtsprechung oder Literatur konkret vorgegeben. Einzubeziehen sein dürften Überlegungen der Nachfragekonkurrenz und eventueller Hemmnisse bei der Anmietung von Wohnungen durch SGB II-Leistungsempfänger sowie die Vorgaben des Gesetzgebers zur Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen (vgl. § 22a Abs. 3 S. 2 Nr. 4 SGB II) einerseits, aber auch die Begrenzung der Ansprüche auf einen einfachen Standard (§ 22a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II) und die Vermeidung von mietpreiserhöhenden Wirkungen (§ 22a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II) andererseits. Der Anteil muss in jedem Fall so bemessen sein, dass Wohnungen auch für SGB II-Leistungsberechtigte anmietbar waren (so auch: SG Berlin, Urteil vom 19.07.2021 – S 155 AS 14941/16 – juris Rn. 36).

 

Gerade die Nachfragekonkurrenz lässt sich zur Überzeugung des Senats rückblickend jedoch nicht zuverlässig bestimmen. Selbst wenn sich noch die Anzahl der Leistungen nach dem SGB II, Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehenden Ein-Personen-Haushalte in Berlin bestimmen lässt (lt. Tabelle 11, S. 52 des Wohnraumbedarfsberichts 2019 zum 31.12.2017 223.400 Personen; https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsmarkt/wohnraumbedarfsbericht/download/Wohnraumbedarfsbericht2019.pdf), ist damit nicht die Nachfragekonkurrenz abgebildet. Zum einen sind auch Haushalte, die aufgrund ihres geringen – aber noch oberhalb der Grenzen für den Sozialleistungsbezug liegenden – Einkommens potentielle Nachfrager. Dabei handelte es sich zum 31.12. 2017 um weitere rund 136.000 Personen (Tabelle 12, S. 52 des Wohnraumbedarfsberichts 2019). Zum anderen dürften angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt auch Haushalte mit mehreren Personen oder bislang auswärtige Studenten kleine günstige Wohnungen von bis zu 50 qm suchen. Lässt sich schon nicht die Gesamtanzahl der potentiell Nachfragenden sicher bestimmen, so gilt dies auch für die Zahl der tatsächlich Nachfragenden, da die genaue Anzahl von Personen oder Bedarfsgemeinschaften in Berlin, die zeitgleich nach einer neuen Wohnung gesucht haben, statistisch nicht erfasst wurde und wird sowie auch nicht erfassbar ist. Tatsächlich Nachfragende sind von vornherein nämlich nicht allein solche, die mit einer Kostensenkungsaufforderung belegt worden sind, sondern auch Personen, die etwa wegen einer vermieterseitigen Kündigung oder aus sonstigen Gründen (z.B. Wohnungsmängel oder sonstige private Gründe) eine neue Wohnung suchen.

 

Soweit in der Rechtsprechung zum Teil die Ansicht vertreten wird, die Verfügbarkeit von Wohnraum in Berlin lasse sich nur aus dem Anteil der angebotenen Wohnungen bestimmen, die zu einem als angemessen angesehenen Mietwert anmietbar waren und unter Hinweis auf das Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) auf die unteren 20% der verfügbaren Wohnungen (SG Berlin, Urteil vom 06.07.2021 - S 179 AS 1083/19 – juris Rn. 60 ff.) oder unter Hinweis auf eine Passage in dem Urteil des BSG vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R – (juris Rn. 37) auf einen Anteil von 33% (SG Berlin, Urteil vom 19.07.2021 – S 155 AS 14941/16 – juris Rn. 37) abgestellt wird, überzeugt dies nicht. Der Wert von 33% entbehrt jeder rechtlichen oder empirischen Grundlage. Allein der Umstand, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 17.09.2020 – B 4 AS 22/20 R – (Rn. 37) die in keiner Weise unterfütterte Setzung des LSG Nordrhein-Westfalen, ein Anteil von 33% an allen erfassten Angebotsmieten sei ausreichend, um das untere Segment des Wohnungsmarktes abzubilden, nicht beanstandet hat, stellt keine rechtlich valide Grundlage dafür dar, generell für die Verfügbarkeit einen solchen Prozentsatz zugrunde zu legen. Es erscheint dem Senat auch nicht überzeugend, auf die unteren 20% der verfügbaren Wohnungen abzustellen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) sind als Referenzhaushalte für die Bestimmung des Regelbedarfs nach ihrem Nettoeinkommen aufsteigend gereiht die jeweils unteren 20% der Haushalte zu berücksichtigen. Aus der Sicht des Sensts besteht jedoch keinerlei Vergleichbarkeit zwischen der Bestimmung der Referenzgruppe für die Ermittlung der Regelbedarfe und einem Verfügbarkeitswert. Wollte man die Referenzgruppe im Rahmen der Bestimmung der Verfügbarkeit wie nach dem RBEG bestimmen, müsste im Übrigen die Referenzgruppe unter Ausgliederung der Grundsicherungsempfänger erst bereinigt werden, um Zirkelschlüsse zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, - juris Rn. 168; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 – juris Rn. 102); vgl. auch mit weiteren Ausführungen: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.12.2021 – L 32 AS 579/16 – juris Rn. 86)

 

Der mithin vorhandene Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10% nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich (BSG, Urteile vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R - juris Rn. 25 ff.; vom 03.09.2020 – B 14 AS 34/19 R – juris Rn. 38 f.; vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R – juris Rn. 34). § 12 Abs. 1 WoGG sieht monatliche Höchstbeträge für Miete und Belastung nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder und der jeweils gültigen Mietstufe vor. Mietenniveau wird vom Statistischen Bundesamt für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von 10.000 und mehr gesondert festgestellt und bei einer Einwohnerzahl von weniger als 10.000 und gemeindefreien Gebieten nach Kreisen zusammengefasst ausgewiesen (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 WoGG). Dem folgend hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats in der WoGV i.d.F. vom 02. Oktober 2015 für alle Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland Mietstufen festgelegt (vgl. § 38 Nr. 2 WoGG). Gemäß der Anlage zu § 1 Abs. 3 WoGV ist der maßgebliche Vergleichsraum Berlin der Mietenstufe IV zugeordnet. Der nach § 12 Abs. 1 WoGG maßgebliche Höchstbetrag für Miete und Belastung beläuft sich danach im maßgeblichen Streitzeitraum für eine Person auf 434,00 €. Mithin ermittelt sich unter Einbeziehung des 10%igen Sicherheitszuschlags eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete i.H.v. 477,40 €.

 

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Rudnik in der ZFSH SGB Heft 3/2021, S. 121 ff. die Auffassung vertritt, auch ein Rückgriff auf die Wohngeldtabelle mit Sicherheitsaufschlag wäre nicht ausreichend, kann dem angesichts der ständigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt bestätigt mit Urteil vom 21. Juli 2021 - B 14 AS 31/20 R – juris Rn. 32 f.) nicht gefolgt werden.

 

b) Die Prüfung der abstrakten Angemessenheit der Heizkosten hat nicht nur getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft zu erfolgen, sondern auch nach anderen Prüfungsmaßstäben (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 – Rn. 26).

 

Die Heizkosten sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der unangemessenes Heizen indiziert. Zur Bestimmung dieses Grenzwertes ist im Regelfall der jeweilige kommunale Heizspiegel oder – falls ein solcher für das Gebiet des jeweiligen Leistungsträgers fehlt – der bundesweite Heizspiegel (www.heizspiegel.de) heranzuziehen. Aus dem bundesweiten Heizspiegel ergeben sich Vergleichswerte für mit Erdöl, Erdgas und Fernwärme beheizte Wohnungen, gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden Wohnfläche, die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen „günstig“, „mittel“, „erhöht“ und „zu hoch“ unterscheiden. Der für die Angemessenheit der Heizkosten maßgebliche Grenzwert ist das Produkt aus dem Wert, der auf „zu hohe“ Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet, und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene – nicht konkret innegehabte - Wohnfläche ergibt. Insofern wird der Wert für „zu hohe“ Heizkosten nur bezogen auf die angemessene Quadratmeterzahl zu Grunde gelegt, was bereits ein Korrektiv hinsichtlich der Höhe der Heizkosten darstellt, zugleich aber auch die Vergleichbarkeit der Heizkosten mit denen einer typischerweise angemessenen Wohnung ermöglicht. Der Grundsicherungsempfänger kann also im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für „zu hohe“ Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche in Quadratmetern geltend machen. Dabei ist den kommunalen Heizspiegeln, die für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern erstellt werden können und die in Zusammenarbeit mit den Städten auf der Grundlage der dort vorhandenen Datenbanken erarbeitet werden, wegen der ortsbezogenen Datenauswertung der Vorzug zu geben. Ist ein solcher kommunaler Heizspiegel nicht vorhanden, so kann auf den bundesweiten Heizspiegel zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R – juris Rn. 22).

 

Nach dieser Maßgabe ist der Berliner Heizspiegel (www.heizspiegel-berlin.de) nicht anzuwenden, da er nicht die vom Bundessozialgericht vorausgesetzten Kategorisierungen des bundesweiten Heizspiegels und anderer kommunaler Heizspiegel enthält, sondern bei den Verbrauchswerten nur zwischen den Kategorien „Maximum“, „Minimum“ und „Durchschnitt“ unterscheidet. In der Kategorie „Maximum“ wird – anders als in der Kategorie der „zu hohen“ Heizkosten des bundesweiten Heizspiegels und anderer kommunaler Heizspiegel, die hierfür einen Mindestwert festlegen – lediglich ein Maximalwert mitgeteilt, so dass daraus kein Grenzwert ablesbar ist.

 

Hinsichtlich des streitigen Zeitraumes ist auf den bundesweiten Heizspiegel 2016 vom 02. November 2016 abzustellen. Maßgeblich ist stets der Heizspiegel, der zum Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung (hier der Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017) bereits veröffentlicht war. Den Werten der Heizspiegel aus späteren Jahren kommt hingegen keine Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R – juris Rn. 25).

 

Die im vorliegenden Fall zu betrachtende Wohnung wird dezentral mit Warmwasser versorgt. Die Vergleichswerte in den Tabellen des „Heizspiegels für Deutschland“ beziehen sich demgegenüber auf die Gesamtfläche eines zentral beheizten Gebäudes (Gesamtheit aller Wohnflächen) und beinhalten die Kosten für Raumwärme und Warmwasserbereitung.

 

Um eine Vergleichbarkeit der – tatsächlich geschuldeten – reinen Heizkosten mit den abstrakt angemessenen Heizkosten zu gewährleisten, sind die Aufwendungen für die Warmwasseraufbereitung von dem sich aus dem „Heizspiegel für Deutschland“ ergebenden Wert für Raumwärme und Warmwasseraufbereitung in Abzug zu bringen.

 

Ausweislich einer Auskunft der den „Heizspiegel für Deutschland“ erstellenden CO2-online-GmbH können die Raumwärme und die Warmwasserkosten der ermittelten Vergleichswerte für öl-, erdgas- und fernwärmebeheizte Wohnungen nicht einzeln ausgewiesen werden. Der Senat stützt sich daher zur Ermittlung der aus den Vergleichswerten herauszurechnenden Warmwasserkosten auf die in § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV ausgewiesene Möglichkeit der Ermittlung eines Pauschalwerts der Kosten der zentralen Warmwasserbereitung (vgl. dazu etwa Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 9 HeizkostenV Rn. 20ff.). Danach ist bei einer zentralen Ölheizung eine auf die Wassererwärmung entfallende Wärmeenergie von 32 kWh/m² zugrunde zu legen. Für Erdgas beträgt der Wert gemäß § 9 Abs. 2 Satz 6 Nr. 1 HeizkostenV 35,52 kWh/m², da in der Mehrzahl der Gasrechnungen der Brennwert des Gases ausgewiesen wird (vgl. Wall WuM 2009, S. 3, 13). Bei einer zentralen Fernwärmeheizung ist schließlich gemäß § 9 Abs. 2 Satz 6 Nr. 2 HeizkostenV ein Wert von 27,83 kWh/m² zu Grunde zu legen. Diese Beträge hat der Senat aus den Vergleichswerten des „Heizspiegels für Deutschland“ herausgerechnet.

 

Der nach dem „Heizspiegel für Deutschland“ für das Jahr 2016 maßgebliche, entsprechend bereinigte Faktor für zu hohe Heizkosten beträgt somit 1,239 € je qm und Monat. Multipliziert mit der höchstens angemessenen Wohnungsgröße von 50 qm ergibt sich ein Grenzwert für angemessene Heizkosten von 69,13 € - gerundet 70,00 € -  je Monat. Ebenso wie das BSG (vgl. Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R – juris Rn. 25; so auch z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2017 – L 32 AS 3316/14 –, juris Rn. 80) legt der Senat hier zugunsten der Klägerin den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde, da dieser den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage (Gasetagenheizung) am nächsten kommt.

 

Die tatsächlich geschuldeten Heizkosten beliefen sich auf 96,00 € (Dezember 2016), - 129,82 € (Januar 2017: im Dezember zugeflossenes Guthaben <§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II> i.H.v. 586,70 € abzügl. im Januar getätigter Nachzahlung i.H.v. 456,88 €) und ab Februar 2017 auf 67,00 €. Danach überstiegen die tatsächlichen Heizkosten im Dezember 2016 den Grenzwert um 26,00 €, im Januar 2017 sind keine Bedarfe für Heizung angefallen, während sie ab Februar 2017 unterhalb des Grenzwerts blieben.

 

2. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden müssen.

 

a) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

 

Der Beklagte hat die Klägerin erstmals mit Schreiben 24. Februar 2016 aufgefordert, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf das von ihm für angemessene erachtete Maß (364,50 € Bruttokaltmiete zzgl. 71,50 € Heizkosten) zu senken. Mit Schreiben vom 26. April 2016 wurde die Klägerin erneut aufgefordert, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf das nunmehr vom Beklagten für angemessen erachtete Maß von 400,95 € Bruttokaltmiete zzgl. 71,00 € Heizkosten zu senken. Gleichzeitig hat er für den Fall des fehlenden Nachweises von Bemühungen zur Reduzierung der Wohnkosten die Absenkung der im Rahmen der Leistungsberechnung zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf diese Werte ab dem 01. Dezember 2016 angekündigt.

 

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte eine unzutreffende Angemessenheitsgrenze benannt hat. Denn der der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten zutreffend ist oder nicht, ist im Rahmen der Klärung der Frage auszutragen, welche Bedarfe für Unterkunft und Heizung angemessen sind (vgl. BSG, Urteile vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R – juris Rn. 44 und vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R – juris Rn. 19). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen BUH einzutreten (BSG Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R – München I, juris Rn. 40).

 

b) Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat ihrerseits keine Bemühungen einer Wohnungssuche vorgetragen. Auch sonstige Bemühungen, die Unterkunftskosten zu senken, sind nicht dargetan.

 

Auch die individuelle Zumutbarkeit der Kostensenkung ist zu bejahen. Dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen in Folge des vorgetragenen psychischen Leidens an einem Umzug, Wohnungstausch im selben Haus oder der Kostensenkung durch Untervermietung eines Teils der Wohnung gehindert und auf ein Verbleiben in der jetzigen Wohnung angewiesen war, ist nicht nachgewiesen. Aus dem Senat vom Senat eingeholten psychiatrischen Gutachten des Dr. M vom 15. Mai 2019, dem die Klägerin nicht entgegen getreten ist, ergibt sich vielmehr, dass die Klägerin in der Lage war, einen Wohnungswechsel durchzuführen, ohne dass dies mit Wahrscheinlichkeit zu einer dauerhaften Verschlimmerung der Gesundheitsstörung bzw. dem Auftreten weiterer Beeinträchtigungen führen würde bzw. geführt hätte. Gleiches gilt für die Aufnahme eines Untermieters oder einen Wohnungstausch im selben Haus. Die Klägerin mag dazu aus verschiedenen Gründen (möchte nicht, dass ein Fremder durch ihre Wohnung geht, braucht 64 Stufen für ihre körperliche Bewegung, das soziale Umfeld ist in der Nähe) nicht willens sein, gesundheitliche Gründe, die einem Wohnungswechsel oder einer konkreten Kostensenkung durch Untervermietung entgegenstehen, konnte der Sachverständige aber nicht feststellen. Diese ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der vorliegenden Behandlungsunterlagen der behandelnden Dipl.-Psych. L oder ihren Aussagen vor dem SG. Die tatsächlich durchgeführte Behandlung war eher niederfrequent, eine Richtlinienpsychotherapie bzw. eine teilstationäre oder stationäre Therapie hat nicht stattgefunden. Aussagekräftige psychopathologische Befunde sind den Unterlagen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu entnehmen. Eine von Dipl.-Psych. L noch diagnostizierte schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F32.2. nach dem ICD 10) konnte der Sachverständige ebenso wenig feststellen wie eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom oder eine Panikstörung.

Auch der Umstand, dass die Klägerin langjährig in der bewohnten Wohnung lebt, begründet keine subjektive Unzumutbarkeit. Vor dem Hintergrund des exzeptionellen Charakters der Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, liegt dieser Umstand bei vielen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vor und kann daher nicht maßgeblich berücksichtigt werden.

 

3. Der Klägerin standen somit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in folgender Höhe zu:

Dezember 2016

404,00 € RB + 9,29 € MB + 547,40 € BUH = 960,69 €

Januar 2017

409,00 € RB + 9,41 € MB + 347,58 € BUH = 765,99 €

Februar 2017 bis Juli 207

409,00 € RB + 9,41 € MB + 544,40 € BUH = 962,81 €

 

Eine Gegenüberstellung mit den vom Beklagten bereits gezahlten Leistungen ergibt noch folgende weitere Ansprüche der Klägerin:

Monat

Gezahlt in €

Tatsächlicher Anspruch in €

Noch zustehende Leistung in €

Dezember 2016

885,24

960,69

75,45

Januar 2017

885,24

765,99

0

Februar 2017

886,36

962,81

76,45

März 2017

886,36

962,81

76,45

April 2017

886,36

962,81

76,45

Mai 2017

886,36

962,81

76,45

Juni 2017

886,36

962,81

76,45

Juli 2017

886,36

962,81

76,45

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved