L 1 AS 382/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 79/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 AS 382/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 5. April 2022 wird zurückgewiesen.

 

Der Antragsgegner hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2) aus dem Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

 

Die am 13. April 2022 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangene Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihn am 7. April 2022 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts vom 5. April 2022 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit Recht und mit zutreffender Begründung den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung dem Grunde nach verpflichtet, der Antragstellerin zu 2) vom 10. Februar 2022 bis 30. November 2022 Leistungen zu gewähren. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners rechtfertigt keine andere Entscheidung.

 

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Maßgebender Zeitpunkt ist der der Entscheidung des Gerichts über den gestellten Antrag (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2020 § 86b Rn 42).

 

Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin zu 2) zu dem Personenkreis gehört, der nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) dem Grunde nach leistungsberechtigt ist, und dass das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Zu Unrecht wendet der Antragsgegner dagegen ein, dass die Hilfebedürftigkeit bereits durch ein von ihm angebotenes Darlehen abgewendet werden könne, dessen Bedingungen sich die Antragstellerin zu 2) jedoch ohne Not verweigere.

 

Der Antragsgegner bekräftigt damit zunächst, dass die Antragstellerin zu 2) aktuell hilfebedürftig ist. Er verweist zur Abwendung der Hilfebedürftigkeit aber auf sein Schreiben vom 4. April 2022, in dem er ein Darlehen anbietet, für das er unter Verweis auf § 24 Abs. 5 SGB II eine dingliche Sicherheit fordert. Nach seinem Beschwerdevorbringen meint der Antragsgegner, dass er die Gewährung eines Darlehens von der Eintragung einer Sicherungshypothek entweder auf dem von den Antragstellern selbst bewohnten Hausgrundstück in N oder aber auf ihren in W gelegenen Grundstücken abhängig machen darf. Die Antragstellerin zu 2) ist zwar Miteigentümerin der Grundstücke in N und W. Der Antragsgegner verkennt indessen, dass nach dem Gesetz eine Darlehensgewährung gegen die Einräumung dinglicher Sicherheiten nur in Betracht kommt, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar nicht sofort, jedoch innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne autonom durch eigenes Handeln des Berechtigten (zumutbar) wieder beseitigt werden kann (BSG v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 R – juris Rn. 13). Daran fehlt es aber.

 

Das von der Antragstellerin zu 2) zusammen mit ihrem Ehemann selbst bewohnte Hausgrundstück stellt schon nach der eigenen Einschätzung des Antragsgegners aus seinem Bescheid vom 3. Februar 2022 Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II dar. Wenn der Einsatz dieses Vermögenswertes zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nicht verlangt werden darf, kann sein Vorhandensein die Gewährung eines Darlehens statt eines Zuschusses zur Abwendung einer akuten Notlage nicht rechtfertigen und ist erst recht ausgeschlossen, die Gewährung eines Darlehens von dem Einsatz dieses Grundstücks als Sicherheit abhängig zu machen. Die Sicherung eines Darlehens nach § 24 Abs. 5 SGB II dient nämlich ausschließlich dazu, die Zeit zu überbrücken, die es braucht, um einen nicht sofort verwertbaren Vermögensgegenstand, insbesondere eine Immobilie, zu verwerten (BSG, Urt. v. 24. Mai 2017 - B 14 AS 16/16 R - juris Rn. 43). Sie setzt demnach das Vorhandensein eines verwertbaren Vermögensgegenstands bei dem Hilfebedürftigen voraus. Das selbstbewohnte Hausgrundstück in N erfüllt diese Voraussetzung nicht. Der Antragsgegner hat keinen Anspruch, dass für ihn an diesem Grundstück eine dingliche Sicherheit bestellt wird.

 

Bezüglich der Grundstücke in W hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 2) – abgesehen davon, dass sie nur Miteigentümerin dieser Grundstücke ist – an deren Verwertbarkeit durch das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung ihrer Schwiegermutter gehindert ist. Dieses Zustimmungserfordernis erfasst nach § 4 des notariellen Übergabevertrags mit Auflassung sowohl eine Veräußerung als auch eine Belastung der Grundstücke. Ohne die Zustimmung ihrer Schwiegermutter kann die Antragstellerin zu 2) die Grundstücke nicht veräußern und dem Antragsgegner auch keine Sicherheiten bestellen. Insoweit ist auch hier daran zu erinnern, dass die Gewährung eines Darlehens gegen eine dingliche Sicherheit an einem Gegenstand nur insoweit zulässig ist, wie das mit Rücksicht auf die bis zur Verwertung des Vermögensgegenstandes erforderliche Zeit geschieht (BSG, Urt. v. 24. Mai 2017 - B 14 AS 16/16 R - juris Rn. 43). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin zu 2) verweigert ihre Schwiegermutter die Zustimmung zur Veräußerung und Belastung der Grundstücke in W. Das ist von dem Antragsgegner nicht substantiiert in Frage gestellt worden; eine Zustimmungserklärung der Schwiegermutter hat er nicht vorgelegt. Im Übrigen setzt nach dem BSG die Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes im Sinne des SGB II voraus, dass sie autonom vom Hilfeberechtigten innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeit herbeigeführt werden kann (BSG v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 R – juris Rn. 13). Daran fehlt es aber jedenfalls, weil die Antragstellerin zu 2) für die Verwertbarkeit der Grundstücke in W nicht nur auf das Einverständnis ihres Ehemannes, sondern auch auf die Zustimmung ihrer Schwiegermutter angewiesen ist.

 

Über die Frage, ob im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin zu 2) zumutbar auch durch die Gewährung eines Darlehens abgewendet werden könnte, hat der Senat nicht zu entscheiden. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin zu 2) kein Darlehen zu zulässigen Bedingungen angeboten.

 

Nach alledem war die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Einer Entscheidung über den Antrag des Antragsgegners nach § 199 SGG bedurfte es nicht mehr.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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