S 38 KA 206/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 206/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Bei einer Genehmigung eines Assistenten handelt es sich um eine statusbegründende Entscheidung. Dies bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl BSG, Urteil vom 11.05.2009, Az B 6 KA 15/08 R; SG Düsseldorf, Urteil vom 01.08.2011, Az S 2 KA 235/10), dass davon erst mit vorliegender Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann.

II. Eine bewusste und unzulässige Verzögerung in der Bearbeitung des Genehmigungsantrags nach § 101 SGB V führt nicht dazu, die Wirksamkeit der Genehmigung auf einen früheren Zeitpunkt als den Zeitpunkt, der im Genehmigungsbescheid genannt ist, zu fingieren und die Abrechnung zuzulassen, auch wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von Anfang an vorliegen sollten und der Antrag von Anfang an als genehmigungsfähig anzusehen wäre. Denn mit einem statusbegründenden Akt als formellem Akt (z.B. Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, Ermächtigungen, Genehmigungen nach § 101 SGB V, Genehmigungen zur Erbringung bestimmter Leistungen) sind eine Reihe von Rechten und Pflichten für die an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden verbunden.

III. § 32 Ärzte-ZV zählt mehrere Vertretungsgründe auf. Es kann dahinstehen, ob diese Aufzählung abschließend ist. Zumindest ist vorauszusetzen, dass ein Grund vorliegt, der es ausnahmsweise rechtfertigt, vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, einem der wesentlichen Grundsätze im Vertragsarztrecht abzuweichen. Eine anderweitige ärztliche Tätigkeit an einem anderen Ort ist weder unter die in § 32 Ärzte- ZV genannten Vertretungsgründe zu subsumieren ist, noch rechtfertigt sie bei erweiternder Auslegung der Vertretungsgründe eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, es sei denn, es handelt sich um eine ehrenamtliche oder eine solche, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahekommt.

IV. Schweigen bzw. eine mündliche Zustimmung der Beklagten zu einem Vertretungshinweis begründet kein Vertrauen darauf, die Vertretung sei ordnungsgemäß (vgl. in anderem Zusammenhang auch BSG, Urteil vom 28.08.2013, Az B 6 KA 43/12 R) und der Vertretene könne die Leistung seines Vertreters abrechnen.

 

I. Die Klage wird abgewiesen.


II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Gegenstand des beim Sozialgericht München anhängigen Verfahrens ist die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/07-2/09 (sachlich-rechnerische Berichtigung), welche mit Bescheid vom 28.11.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2020 durch die Beklagte verfügt wurde. Der Kläger war vom 01.07.2000 bis zum 01.04.2015 als Augenarzt vertragsärztlich zugelassen. Nach dem Vortrag der Beklagten hat diese von einer Sprechstundenhilfe die Information erhalten (Juni 2008), der Kläger sei nur mittwochs und samstags erreichbar. An seiner Stelle sei hier Johnny V. (im Folgenden: Dr. V.) in der Praxis tätig. Für Dr. V. habe aber erst mit Wirkung zum 01.10.2008 bis 31.01.2009 eine Genehmigung als Job-Sharing-Assistent nach § 101 SGB V vorgelegen. Außerdem wurden zwei ärztliche Mitarbeiter (Herr Dr. K und Frau Dr. G.) in der Praxis tätig, für die keine Genehmigungen der KVB vorgelegen hätten. Eine Überprüfung der Rezepte habe bestätigt, dass ungenehmigte Ärzte in der Praxis in A-Stadt tätig gewesen seien. Außerdem sei festgestellt worden, dass mehrere Patienten mit Wohnort Hannover behandelt und über die HNR 66/04087 der Erlanger Praxis abgerechnet wurden. Es bestehe daher ein Anfangsverdacht auf Abrechnungsbetrug, sodass die Beklagte Strafanzeige erstattet habe. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass der Kläger auch an Tagen, an denen er nicht in H1.-Stadt tätig war, sondern in E2.-Stadt Vertreter in der Praxis beschäftigt habe.

Der anwaltliche Vertreter teilte mit, Dr. K. habe den Kläger im März, April, Oktober, November und Dezember 2007, Januar und März 2008 sowie Februar bis April 2009 an einzelnen Tagen vertreten. Gleiches gelte für Frau Dr. S., die im Januar 2008 an 2-3 Tagen die Vertretung übernommen habe. Ab dem 01.02.2008 seien die Vertretungen in der Praxis in E2.-Stadt von Herrn Dr. V. übernommen worden.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten kam eine Rückzahlungsvereinbarung über 99.814 € zustande, betreffend die nicht ordnungsgemäßen Honoraranforderungen für die in Hannover behandelten und unter der HNR 66/04087 abgerechneten Patienten.

Das Ermittlungsverfahren (902 Js 141785/09 wurde mit Beschluss vom 21.11.2011 nach § 153a Abs. 1 StPO nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von insgesamt 10.000 € eingestellt.

Der Widerspruch gegen den Honoraraufhebungs-und Neufestsetzungsbescheid vom 05.07.2011 wurde mit Bescheid vom 29.01.2014 zurückgewiesen. Er wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 08.07.2019 stellte der Prozessbevollmächtigte (O.) den Antrag, die vorgenannten Bescheide nach § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beklagte sei von einem Sachverhalt ausgegangen, der zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung geführt habe. Die KVB habe die Assistentengenehmigung für Herrn Dr. V. aus fadenscheinigen Gründen verzögert, zurückgehalten und verweigert (vorsätzliche Täuschung/betrügerische Ablehnung; zu Unrecht sei für Dr. V. ein neuer Arztregistereintrag gefordert worden), obwohl darauf ein Rechtsanspruch bestanden habe. Zudem seien Vertretungszeiten immer ordnungsgemäß vom Kläger angezeigt worden.

Die Beklagte führte in den angefochtenen Bescheiden aus, die Voraussetzungen für eine Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X lägen nicht vor. Eine Anmeldung von Herrn Dr. V. genüge nicht. Erforderlich sei vielmehr eine Genehmigung für die Beschäftigung als Job-Sharing-Assistent nach § 101 SGB V. Diese wurde für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.01.2009 erteilt. Eine Beschäftigung eines Assistenten sei erst ab dem Zeitpunkt entsprechend der Genehmigung zulässig. Außerdem seien weitere Ärzte ungenehmigt beschäftigt bzw. unzulässig als Vertreter eingesetzt worden, damit der Kläger seiner ärztlichen Tätigkeit in Hannover habe nachgehen können. Die angefochtenen Bescheide seien daher offensichtlich nicht rechtswidrig. Im Übrigen sei für die Genehmigung nicht die KVB, sondern der Zulassungsausschuss zuständig. Abgesehen davon sei ein hinausgezögertes Genehmigungsverfahren nicht erkennbar und hätte auch keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Honoraraufhebungs-und Neufestsetzungsbescheides vom 05.07.2011. Soweit vorgetragen werde, Herr Dr. V. habe wegen der urlaubs-krankheitsbedingten Abwesenheit von R. die Vertretung übernehmen müssen, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zum eigenen Vortrag des Klägers. Denn R. sei in H1.-Stadt tätig gewesen, Dr. V. dagegen in E2.-Stadt.

Mit Schreiben des Klägers vom 17.10.2019 wurde mitgeteilt, er kündige die Rückzahlungsvereinbarung vom 28.06.2011/05.07.2011 gemäß § 59 SGB X. Mit Schreiben vom 26.11.2019 teilte die Beklagte mit, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung nicht erfüllt seien.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 29. Januar 2022 vom Kläger selbst begründet. Er spricht von zahlreichen Missständen innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung Mittelfranken (KVM) und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) im Zusammenhang mit der Genehmigung der ÜBAG/MVZ Hannover ("gezielte und systematische Falschinformationen seitens der Körperschaften des öffentlichen Rechts, Verstoß gegen den Amtseid und bewusst fehlende Amtspflichterfüllung/mit bewusst fehlender sorgfältiger und fehlender gewissenhafter Sachbearbeitung, Amtsmissbrauch, Verwahrungsbruch, Betrügereien, Prozessbetrug"). H1. habe ihm widerrechtlich und entgegen seiner Amtspflicht 10/2007 dazu geraten, den Antrag auf Gründung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis zurückzuziehen. Deshalb seien ihm die zusätzlichen Rechtsanwaltskosten, Verfahrenskosten und die entgangenen Honorarsummen für die widerrechtliche Nichtgenehmigung/den Versuch des widerrechtlichen Ausredens des ÜBAG-Antrags von der KV zu erstatten. Außerdem spricht er von weiteren amtswidrigen Aktivitäten des Justiziars der KV Hannover S1.

Das SG Nürnberg/Fürth, das LSG München und das SG München seien trotz zahlreicher Gegengutachten/Gegendarstellungen mehrfach wiederholt getäuscht und zu einem falschen Endurteil genötigt worden.

Beantragt werde die Hinzuziehung der Akten des Disziplinausschusses im Komplex H1.

Ferner werde beantragt, die Honorare für die Beschäftigung von V. für die Quartale 1, 2, und 3/2008 zurückzuerstatten. Dementsprechend verringere sich auch der fälschlich angegebene Rückzahlungsbetrag im Komplex H.

Er beantrage außerdem, ihm umgehend die Zulassung wieder zu erteilen.

In einem weiteren Schriftsatz (eingegangen beim SG München am 05.05.2022) weist der Kläger auf den Sicherstellungsauftrag der Beklagten hin.

Wegen der Krankheitsvertretungen für R. habe er mit der KVB mehrfach telefoniert und nachgefragt. Die Antworten hierauf seien positiv gewesen. Deshalb sei es als richtig angesehen worden, Herrn Dr. K. an fünf Freitagen im März 2007, an drei Freitagen im April 2007 und für den Oktober und November 2007 als Vertreter in der Praxis in E2.-Stadt zu beschäftigen.

Der Kläger erklärte seine Bereitschaft, die bereits getätigten Rückzahlungen der oben genannten Vertretungsart zu akzeptieren.

In der mündlichen Verhandlung am 25.05.2022 wiederholte der Kläger seine Behauptung, die Bearbeitung seines Antrags auf Genehmigung des Assistenten sei bewusst und unzulässig verzögert worden. Dr. V sei vorher als Vertreter beschäftigt worden. Dies sei auch der Beklagten mitgeteilt worden. Zudem wies der Kläger darauf hin, Dr. V. sei vorher in der Praxis J. tätig gewesen, zu der er später wieder zurückgewechselt sei. Der Kläger telefonierte mit Dr. V. während der mündlichen Verhandlung und trug vor, dieser habe ihm bestätigt, er sei seit Beginn in der Augenarztpraxis J. im Arztregister eingetragen gewesen.

Dem entgegnend trug die Vertreterin der Beklagten vor, die Verzögerung sei dem Kläger anzulasten, da er die Unterlagen erst verzögert eingereicht habe. Im Übrigen sei Dr. V. erst am 26.08.2008 in das Arztregister eingetragen worden. Soweit bekannt, sei Dr. V. vor seinem Tätigkeitsbeginn in der klägerischen Praxis nicht bei J. genehmigt gewesen, was der Kläger bestreitet. Die Genehmigung als Assistent nach § 101 SGB V bei dem Kläger sei erst kurz nach Eintragung von Dr. V. im Arztregister erteilt worden. Dr. V. sei im Übrigen deshalb eingesetzt worden, damit der Kläger seiner Beschäftigung in H. habe nachgehen können. Außerdem habe eine Vertretungsmöglichkeit durch Dr. V. und andere Ärzte nicht bestanden, da ein Vertretungsgrund im Sinne der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte - ZV) nicht vorhanden gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides nach § 44 SGB X lägen nicht vor.

Der Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Der Kläger persönlich ergänzte diesen Antrag mit folgenden Anträgen:
"Es wird beantragt, die Kataraktoperationen in H. im I. und II. Quartal 2008 durchgeführt und über E2.-Stadt abgerechnet, anzuerkennen, da die Genehmigung der ÜBAG bereits im Januar 2008 durch den zweiten Berufungsausschuss der KVB erfolgte. Ebenso wird beantragt, die Kataraktoperationen der Quartale III und IV/2008 und I und II/2009, sowie die Honorare für die entgangene, nicht operative Mitarbeit für die Quartale III/2008 - II/2011 zu erstatten, da die genehmigte überörtliche Gemeinschaftspraxis durch die nicht zuständige KV Niedersachsen widerrufen wurde und auch mein Antrag auf nicht operative und operative Tätigkeit im MVZ Hannover widerrechtlich nicht genehmigt wurde."

Die Beklagtenvertreterin beantragte, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 25.05.2022 verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zum Sozialgericht München erhobene Klage ist, soweit über den Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu entscheiden war - es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs-und Verpflichtungsklage nach § 54 SGG - zulässig, jedoch unbegründet.

Was die persönlich vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2022 zusätzlich neu gestellten Anträge betrifft, sind diese Anträge sowohl nicht sachdienlich, als auch als unzulässig anzusehen. Zwar sieht § 54 Abs. 5 SGG eine allgemeine echte Leistungsklage vor. Diese setzt jedoch voraus, dass ein Rechtsanspruch auf eine Leistung geltend gemacht wird und ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen braucht (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/Schmidt, Komment. zum SGG, Rn 41 zu § 54). Gegenstand einer Anfechtungsklage, verbunden mit einer Verpflichtungsklage kann nur der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides sein (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/Schmidt, Komment. zum SGG, Rn 4 zu § 54). Die persönlich vom Kläger gestellten Anträge sind - soweit ersichtlich - teilweise bereits Bestandteil der Anfechtungs-und Verpflichtungsklage. Insofern besteht für eine allgemeine echte Leistungsklage keine Klagebefugnis. Was das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der ÜBAG betrifft, ist dieses weder Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-und Leistungsklage, noch kann dieses Gegenstand einer allgemeinen echten Leistungsklage sein. Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung wiederholt versucht, dass der Kläger sachdienliche Anträge gestellt. Der Kläger hat sich aber nicht davon abhalten lassen, weitere, neben der Sache liegende Anträge zu stellen. Das Gericht geht auch davon aus, dass die ursprünglich schriftsätzlich gestellten Anträge (Schreiben des Klägers vom 29.01.2022) nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem der Kläger persönlich in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2022 neue weitere Anträge stellte.

Im Rahmen der materiellen Überprüfung durch das Gericht ist somit zu klären, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Rechtsgrundlage für die Aufhebung rechtswidriger, nicht begünstigender Bescheide ist § 44 SGB X. Der Aufhebungs-und Neufestsetzungsbescheid vom 05.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 wurde bestandskräftig. Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 44 SGB X ist, dass bei Erlass der oben genannten Bescheide Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der bestandskräftige Aufhebungs-und Neufestsetzungsbescheid vom 05.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 ist rechtmäßig. Es handelte sich um eine Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/07 bis 2/09, die zu einer Rückforderung in Höhe von 125.035,22 € führte. Rechtsgrundlagen für die Plausibilitätsprüfung sind §§ 75 Abs. 1, 83 Satz 1 SGB V, § 7 Abs. 1 Gesamtvertrag-Primärkassen bzw. § 8 Gesamtvertrag Ersatzkassen in Verbindung mit der Anlage 8 Gesamtvertrag-Ersatzkassen, § 106 a Abs. 2 SGB V, § 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (= BMV-Ä) bzw. § 42 Arzt/Ersatzkassen-Vertrag (= A-EKV) bzw. § 50 Abs. 1 SGB X. Danach ist die Beklagte generell berechtigt, die Abrechnungen der Vertragsärzte auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Im Fall des Klägers hat eine solche Prüfung in den Quartalen 1/07 bis 2/09 stattgefunden.

Eine Plausibilitätsprüfung findet grundsätzlich dann statt, wenn aufgrund von Aufgreifkriterien der Verdacht der Implausibilität besteht. Abrechenbar und vergütungsfähig sind nur solche Leistungen, die in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften, vor allem dem EBM, dem HVV bzw. dem HVM und den sonstigen Abrechnungsbestimmungen erbracht werden. Wird eine Implausibilität festgestellt, erfolgt die Rückforderung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X.

Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen.

Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist eine der Grundpflichten eines Arztes, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, sei es im Rahmen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 1 SGB V oder im Rahmen einer Ermächtigung zum Beispiel nach § 116 SGB V (BSG, Urteil vom 24.11.1993, Aktenzeichen 6 RKa 70/91). Die vertragsärztliche Tätigkeit ist persönlich auszuüben (§ 32 Ärzte-ZV).

Der Kläger hat bei der Beklagten laut deren Vorbringen im März 2008 eine Genehmigung eines Assistenten nach § 101 SGB V beantragt. Hierüber wurde mit Bescheid vom September entschieden und dem Antrag für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.01.2009 stattgegeben. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang mehrfach, insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2022 betont, dass es sich bei einer Genehmigung eines Assistenten nach § 101 SGB V um eine statusbegründende Entscheidung handelt. Dies bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2009, Az B 6 KA 15/08 R; SG Düsseldorf, Urteil vom 01.08.2011, Az S 2 KA 235/10), dass davon erst mit vorliegender Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann. Gleichwohl hat der Kläger Leistungen von Dr. V. schon vor Erhalt der Genehmigung abgerechnet. Da die Leistungen somit von einem ungenehmigten Sicherstellungsassistenten erbracht wurden, wurden sie zu Unrecht abgerechnet, weshalb die Beklagte berechtigt war, diese sachlich-rechnerisch richtig zu stellen und zu korrigieren.

Eine laut Behauptung des Klägers bewusste und unzulässige Verzögerung in der Bearbeitung des Genehmigungsantrags nach § 101 SGB V führt nicht dazu, die Wirksamkeit der Genehmigung auf einen früheren Zeitpunkt als den Zeitpunkt, der im Genehmigungsbescheid genannt ist, zu fingieren und die Abrechnung zuzulassen, auch wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von Anfang an vorliegen sollten und der Antrag von Anfang an als genehmigungsfähig anzusehen wäre. Denn mit einem statusbegründenden Akt als formellem Akt (z.B. Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, Ermächtigungen, Genehmigungen nach § 101 SGB V, Genehmigungen zur Erbringung bestimmter Leistungen) sind eine Reihe von Rechten und Pflichten für die an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden verbunden. Es muss daher klar sein,

ab wann die Genehmigung wirksam ist. Abgesehen davon ist für die Genehmigung nach § 101 SGB V nicht die Beklagte, sondern das Zulassungsgremium/die Zulassungsgremien zuständig, sodass etwaige Verzögerungen in der Bearbeitung der Beklagten nicht anzulasten sind. Hinzu kommt, dass eine rasche Bearbeitung des Genehmigungsantrages nach § 101 SGB V nach dem Vorbringen der Beklagten deshalb nicht möglich war, weil Unterlagen, so auch der Arztregistereintrag für Dr. V. fehlten. Dr. V. wurde erst am 26.08.2008 in das Arztregister eingetragen. Kurz darauf wurde die Genehmigung nach § 101 SGB V erteilt.

Soweit der Kläger in dem Zusammenhang ausführt, Dr. V. sei bereits vorher in das Arztregister eingetragen gewesen und darauf hinweist, Dr. V. sei bereits vorher in der Praxis J. tätig gewesen, und sich durch das mit Dr. V. während einer Sitzungsunterbrechung geführte Telefonat bestätigt fühlt, mag dies zutreffen, ändert aber nichts daran, dass die Genehmigung nach § 101 SGB V erst später erteilt wurde. Im Übrigen, sollte Dr. V. bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger in das Arztregister eingetragen gewesen sein, verwundert der Neueintrag, da der Kläger und auch Dr. V. den Nachweis der bereits erfolgten Arztregistereintragung ohne Weiteres und umgehend hätten führen können. Schließlich hätte der Kläger für den Fall, dass über seinen Antrag auf Genehmigung nach § 101 SGB V nicht zeitgerecht (nach Ablauf von sechs Monaten seit der Antragstellung erst möglich, wenn keine zureichenden Gründe vorliegen) entschieden wird, Untätigkeitsklage nach § 88 SGG einlegen können, was nicht geschehen ist.

Grundsätzlich könnte, nachdem mangels zunächst vorliegender Genehmigung Dr. V. nicht als Assistent tätig werden durfte, in Erwägung gezogen werden, diesen dann als Vertreter des Klägers anzusehen. Abgesehen davon, dass, wenn überhaupt notwendig, unklar ist, ob eine Meldung an die Beklagte überhaupt erfolgte, müsste ein Vertretungsgrund nach § 32 Ärzte-ZV vorliegen. Die genannte Vorschrift zählt mehrere Vertretungsgründe auf. Hierzu zählen Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an einer Fortbildung oder einer Wehrübung. Es kann dahinstehen, ob diese Aufzählung abschließend ist. Zumindest ist vorauszusetzen, dass ein Grund vorliegt, der es ausnahmsweise rechtfertigt, vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, einem der wesentlichen Grundsätze im Vertragsarztrecht abzuweichen. Hintergrund für das Tätigwerden von Dr. V. für den Kläger war, dass der Kläger an seinem Vertragsarztsitz in E2.-Stadt wegen seiner Tätigkeit in H.-Stadt nicht anwesend war. Es handelt sich somit um eine anderweitige ärztliche Tätigkeit an einem anderen Ort, die weder unter die in § 32 Ärzte- ZV genannten Vertretungsgründe zu subsumieren ist, noch bei erweiternder Auslegung der Vertretungsgründe eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung rechtfertigt. Vielmehr diente das Tätigwerden von Dr. V. dazu, zusätzliche Honorareinnahmen bei Abwesenheit des Klägers zu gerieren, was mit Sinn und Zweck der Vertretungsregelung in § 32 Ärzte - ZV nicht zu vereinbaren ist. Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn die Tätigkeit des Klägers ehrenamtlich erfolgte bzw., wenn die Tätigkeit des Klägers einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahekommen würde, was aber nicht der Fall ist. Nicht nachvollziehbar ist ferner die Aussage des Klägers, Dr. V. sei für die erkrankte R. tätig geworden. Denn diese war in H.-Stadt tätig und nicht in E2.-Stadt.


Für andere Ärzte, die bei Abwesenheit des Klägers die Vertretung übernommen haben, gilt dasselbe. Auch hier besteht kein Vertretungsgrund im Sinne von § 32 Ärzte-ZV.

Daran ändert auch der Hinweis des Klägers nichts, er habe die Vertretungen stets ordnungsgemäß bei der Beklagten angezeigt und diese habe nicht zu erkennen gegeben, dass dies rechtlich unzulässig sei. Denn abgesehen davon, dass hierfür jegliche Nachweise fehlen, vermag ein Schweigen bzw. eine mündliche Zustimmung der Beklagten zu einem Vertretungshinweis kein Vertrauen darauf begründen, die Vertretung sei ordnungsgemäß (vgl. in anderem Zusammenhang auch BSG, Urteil vom 28.08.2013, Az B 6 KA 43/12 R) und der Vertretene könne die Leistung seines Vertreters abrechnen.

Der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides, betreffend die Plausibilitätsprüfung in den Quartalen 1/07 - 2/09 ist daher rechtmäßig mit der Folge, dass auch die Voraussetzungen nach § 44 SGB X für eine Aufhebung der Bescheide nicht vorliegen.

Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

Rechtskraft
Aus
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