S 58 AL 520/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
58
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 520/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Nur für den Personenkreis Leistungsberechtigter nach dem SGB III oder SGB II-Leistungsberechtigte, für die AA Eingliederungsleistungen gemäß § 22 Abs. 4 SGB III erbringt, ist die Unfreiwilligkeitsbescheinigung der AA konstitutive und die Jobcenter bindende Leistungsvoraussetzung für die SGB-II-Leistungen.

2. Die an der Sperrzeitregelung des § 159 SGB III orientierten Prüfkriterien der AA entsprechen nicht dem europarechtlichen Begriff der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit.

3. Europarechtskonform ist § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG so auszulegen, dass die Bestätigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit für Personen, die noch keinen Arbeitslosengeldanspruch erworben haben, auch vom zuständigen Jobcenter im Rahmen der Prüfung des Alg-II-Anspruchs erfolgen kann, weil allein das Jobcenter für die Arbeitsvermittlung zuständig ist und hierüber prüft, ob sich die Antragsteller dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.

Im Namen des Volkes

Urteil

 

 

S 58 AL 520/19

 

In dem Rechtsstreit

         …, 

            Berlin,
 

 

- Kläger -

Proz.-Bev.:

Rechtsanwältin …,  

 Berlin,
 

gegen

         Bundesagentur für Arbeit,
vertreten durch die Geschäftsführerin des Operativen Service der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte

Charlottenstr. 87-90, 10969 Berlin,
 

- Beklagte -

         Jobcenter Berlin Neukölln,  

Mainzer Str. 27, 12053 Berlin,
 

- Beigeladener -

 

 

hat die 58. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 1. Juli 2022 durch den Richter am Sozialgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin Frau … und den ehrenamtlichen Richter Herrn … für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist, ob die von der Beklagten erteilte Bescheinigung über die Unfreiwilligkeit bzw. hier die Freiwilligkeit der Arbeitslosigkeit des Klägers zur Erlangung eines SGB II-Leistungsanspruchs auf einer zutreffenden Beurteilung der Umstände der Kündigung beruht.

 

Der Kläger ist rumänischer Staatsbürger. Er reiste laut eigener Angabe im Juli 2014 ins Bundesgebiet ein.

 

Im November 2018 beantragte er für sich, seine ebenfalls aus Rumänien stammende Ehefrau sowie die vier gemeinsamen Kinder SGB II-Leistungen.

 

Eine vom Kläger ausgeübte Beschäftigung bei der Fa. D… war im März 2018 betriebsbedingt beendet worden. Im November 2018 war der Kläger bei bestehender Wohnungslosigkeit noch arbeitslos.

 

Den Alg II-Antrag hatte der Beigeladene daher unter Verweis auf den Status als bloß Arbeitsuchender EU-Bürger nach Ablauf der 6-monatigen Suchfrist auf die im März 2018 vom früheren Arbeitgeber herbeigeführte Arbeitslosigkeit abgelehnt (Bescheid vom 21.11.2018).

 

Im Verlauf des gegen den Bescheid vom 21.11.2018 gerichteten Widerspruchsverfahrens nahm der Kläger am 17.12.2018 eine Beschäftigung bei der Fa. XX Personaldienste auf, die zu einer vorläufigen Leistungsbewilligung ab 17.12.2018 bis Ende Mai 2019 führte (Bescheid vom 1.2.2019).

 

Zum 8.2.2019, hilfsweise zum 16.2.2019 kündigte der Arbeitgeber fristlos, woraufhin der Kläger vom Beigeladenen aufgefordert worden war, eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit (AA), dass die Arbeitslosigkeit unfreiwillig eingetreten ist, beizubringen. Leistungen wurden vorläufig noch bis Mai 2019 bewilligt (Änderungsbescheid vom 21.3.2019), die Auszahlung aber einstweilen nach § 331 SGB III gestoppt (Schreiben an den Kläger vom 21.3.2019).

 

Am 29.3.2019 legte der Kläger die geforderte Bescheinigung der AA vom 27.3.2019 vor, die eine Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit unter Bezugnahme auf die Arbeitsbescheinigung der Fa. XX nicht bestätigte.

 

Der Beigeladene verfügte daher mit Bescheid vom 10.4.2019 eine Ablehnung des Antrags vom 1.12.2018 – dies bezieht sich auf die Arbeitsaufnahme im Dezember 2018 – für die Zeit ab 1.4.2019; der Kläger verfüge wegen der freiwilligen Verlustes der Beschäftigung bei der Fa. XX nur noch über den Status eines Arbeitsuchenden EU-Bürgers, der von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sei.

 

Mit weiterem Bescheid vom 17.4.2019 lehnte der Beigeladene SGB II-Leistungen seit Eintritt der Arbeitslosigkeit am 8.2.2019 ab.

 

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er u.a. einwandte, die Arbeit nicht freiwillig verloren zu haben.

 

Zuvor hatte der Kläger auch die Bescheinigung der AA zur Unfreiwilligkeit bzw. Freiwilligkeit der Arbeitslosigkeit mit einem Widerspruch angefochten, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.4.2019 als unzulässig verwarf; bei der Bescheinigung vom 27.3.2019 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt.

 

Die flankierend zur Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 9.4.2019 erhobene Klage gegen den Beigeladenen auf Bewilligung von SGB II-Leistungen über den 8.2.2019 hinaus ist nach abschlägigem Urteil in erster Instanz noch beim Landessozialgericht anhängig, das das Berufungsverfahren in der Annahme einer Bindung des Beigeladenen an die Bescheinigung der AA vom 27.3.2019 ausgesetzt hat.

 

Mit hiesiger Klage macht der Kläger geltend, angesichts der Bedeutung der Bescheinigung für einen SGB II-Leistungsanspruch beinhalte diese eine Regelung mit Außenwirkung, zumindest müsse es möglich sein, gegen die Beurteilung der AA eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit feststellen zu lassen.

 

Die Unfreiwilligkeit liege darin begründet, dass dem Kläger in der Probezeit gekündigt worden sei, ohne dass er die Umstände, die zur Kündigung geführt hätten, zu vertreten habe.

 

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

 

             den Bescheid vom 27.3.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides

vom 9.4.2019 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger die Beschäftigung bei der Fa. XX unfreiwillig verloren hat

 

Die Beklagte beantragt,

 

         die Klage abzuweisen.

 

Sie bezieht sich auf die zur Bescheinigung für einen Alg II-Anspruch nach § 2 Abs. 3 Frei-zügG/EU ergangenen Durchführungshinweise.

 

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Das Gericht hat die Fa. XX zu den Umständen der Kündigung befragt. Insoweit wird auf das Antwortschreiben vom 12.1.2022 Bezug genommen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten   Schriftsätze, den Vorgang der Beklagten sowie den beigezogenen SGB II-Verwaltungsvorgang des Beigeladenen verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

 

Die fristgemäß erhobene Klage ist als Anfechtungsklage unzulässig. Die streitgegenständliche Bescheinigung stellt keinen Verwaltungsakt dar; es handelt sich vielmehr um eine das Alg II-Bewilligungsverfahren begleitende, unselbstständige Verfahrenshandlung i. S. von § 56a SGG (so in Bezug auf die ausländerbehördliche Feststellung der Freizügigkeit auch Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, III. Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft, Rn. 124).

 

Das erkennende Gericht hält insoweit an seiner bereits im Urteil S 58 AL 243/18 vertretenen Auffassung fest, erachtet abweichend davon aber eine Klage auf Feststellung der Unfreiwilligkeit der eingetretenen Arbeitslosigkeit für zulässig, die über die Beiladung auch den SGB II-Leistungsträger bindet.

 

Entgegen der Auffassung des LSG kommt der Unfreiwilligkeitsbescheinigung als solcher bei Personen, die noch keinen Leistungsanspruch nach den §§ 136 ff SGB III erworben haben, wie hier der Kläger, keine (echte) Tatbestandswirkung für einen SGB II-Leistungsanspruch zu.

 

Nur für den Personenkreis Leistungsberechtigter nach dem SGB III oder SGB II-Leistungsberechtigte, für die die AA Eingliederungsleistungen gemäß § 22 Abs. 4 SGB III erbringt, gelten die Ausführungen der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 3 FreizügG/EU (Ziff 2.3.1.2), dass die „Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit …Voraussetzung für das Fortbestehen des Freizügigkeitsrechts [ist]. Die Bestätigung erfolgt, wenn der Arbeitnehmer sich arbeitslos meldet, den Vermittlungsbemühungen der zuständigen Arbeitsagentur zur Verfügung steht und sich selbst bemüht, seine Arbeitslosigkeit zu beenden (§ 138 SGB III)."

 

M. a. W.: Die Bestätigung kann nicht erfolgen, wenn über die Verfügbarkeit keine Feststellungen getroffen werden. Denn maßgeblich für die Prolongierung der Freizügigkeit ist nicht die bloße Bestätigung, dass die Beschäftigung unfreiwillig zu Ende ging, sondern die Meldung als Arbeitsuchender bei der zuständigen Stelle, d. i. die Stelle, die Vermittlungsleistungen erbringen muss. Die Meldung als Arbeitsuchender setzt im Grundsatz voraus, dass ein Anspruch auf eine geschuldete Vermittlungsleistung besteht (vgl. dazu BFH vom 7.4.2011 - III R 24/08).

 

Für Personen, die noch keinen Arbeitslosengeldanspruch erworben haben, ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 22 Abs. 4 SGB III) allein das Jobcenter für die Arbeitsvermittlung zuständig und kann nur das Jobcenter hierüber prüfen, ob sich die Antragsteller dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und sich selbst bemühen, die Arbeitslosigkeit zu beenden; in der Terminologie des EuGH: „…der Aufnahmemitgliedstaat [ist] verpflichtet, einem Unionsbürger einen angemessenen Zeitraum einzuräumen, der zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem sich dieser Unionsbürger als Arbeitsuchender hat registrieren lassen, um es ihm zu ermöglichen, von Stellenangeboten, die für ihn in Betracht kommen, Kenntnis zu nehmen und die für eine Einstellung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Während dieses Zeitraums kann der Aufnahmemitgliedstaat vom Arbeitsuchenden den Nachweis verlangen, dass er auf der Suche nach Arbeit ist (EuGH vom 17.12.2020 - C-710/19).

 

Das Arbeitnehmer-Freizügigkeitsrecht besteht mithin nur fort, wenn Beides gegebenen ist: Die Unfreiwilligkeit des Arbeitsplatzverlustes und die Verfügbarkeit, d.h. die Bereitschaft, ernsthaft Arbeit zu suchen und angebotene Arbeitsstellen anzunehmen. Der Sinn einer isolierten Bescheinigung über die Umstände der eingetretenen Arbeitslosigkeit seitens der AA, wenn für die Eingliederung, bzw. die Prüfung der ernsthaften Arbeitsuche die Jobcenter zuständig sind, erschließt sich nicht.

 

Das BSG bestätigt im Urteil vom 9.3.2022 - B 7/14 AS 79/20 R diese Auffassung insofern, als es die Unfreiwilligkeitsbescheinigung zutreffend für entbehrlich hält, wenn die AA Arbeitslosengeld (nach dem SGB III) ohne Sperrzeit gewährt. Denn für Alg I-Bezieher mit ergänzendem Alg II-Anspruch ist die AA zuständiges „Arbeitsamt“ für die Vermittlung i.S. von Art. 7 Abs. 3 c) RL 2004/38/EG.

 

Daraus folgt indes nicht, dass die Prüfung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit „nach Maßgabe der nationalen Systemstruktur“ (BSG, a.a.O.) generell der Agentur für Arbeit zugewiesen worden ist. Denn in SGB II-Leistungsfällen mit EU-Bezug wird Alg II nicht ohne Rücksicht darauf gezahlt, warum Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Vielmehr haben die SGB II-Träger zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit überhaupt eine Arbeitnehmer-Freizügigkeit begründet hatte, ob ein Fall der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Alg II nach Beendigung der Erwerbstätigkeit vorliegt, was essentiell eine Prüfung der Umstände einschließt, wie die Arbeit zustande kam und warum sie beendet wurde (s. dazu OVG Lüneburg vom 24.2.2021 - 13 LA 24/21).

 

So auch Hailbronner, a.a.O., Rn. 124:

 

 „Die Bestätigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit kann nicht erteilt werden, wenn der Arbeitnehmer eine andere ihm zumutbare Arbeit nicht angenommen hat oder entsprechenden Aufforderungen durch die Arbeitsagentur, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit (Vorstellungsgespräche usw.) zu unternehmen, nicht beachtet hat. Insoweit können die nach dem SGB II geltenden Obliegenheiten für die Erhaltung der Rechte nach dem SGB II in gleicher Weise auf die Erhaltung des Freizügigkeitsrechts angewendet werden.“

 

Die Jobcenter bei Erfüllung dieser Aufgabe an die „mit möglichst geringem Aufwand“ (RD-Information der BA vom 26.6.2015) erstellte Unfreiwilligkeits-Bescheinigung der AA zu binden, wäre geradezu widersinnig. Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte von Art 7 Abs. 3 c) RL 2004/38/EG stützen die Auffassung einer Bindung der SGB II-Leistungsbehörde an Unfreiwilligkeitsbestätigungen der AA nicht (Hailbronner, a.a.O., Rn. 121).

 

Überdies ist fraglich, ob die an § 159 SGB III orientierten Prüfkriterien der AA dem europarechtlichen Begriff der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit entsprechen. So mag ein Arbeitnehmer, der auf Drängen des Arbeitgebers mit Verweis auf die schlechte Auftragslage einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, zwar eine Sperrzeit realisiert haben, „freiwillig“ arbeitslos ist er damit nicht geworden.

 

Dass die Bescheinigung der Freiwilligkeit/Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit seitens einer AA keine echte Tatbestandswirkung für einen Alg II-Anspruch entfaltet, erhellt schließlich auch daraus, dass die AA nach klarem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG nicht prüft bzw. beurteilt, ob eine aufgegebene Selbständigkeit auf Gründen beruht, die die selbständig tätig gewesene Person nicht zu vertreten hat. Selbst wenn die Betreffenden über § 28a SGB III einen Arbeitslosengeldanspruch erworben haben oder noch einen unverbrauchten Restanspruch geltend machen können, findet das Reglement der Sperrzeitvorschriften hier keine Anwendung. Warum bei identischer Prüfaufgabe für die Fortwirkung der Freizügigkeit ehemals erwerbstätiger Personen nur arbeitslos gewordene Arbeitnehmer eine konstitutive Bescheinigung der AA benötigen sollen, ist nicht erkennbar; sie wären mit dieser Zusatzvoraussetzung für einen Alg II-Anspruch willkürlich schlechter gestellt und entgegen dem „effet utile“-Grundsatz gegenüber ehemals selbständig erwerbstätigen Personen benachteiligt.

 

Europarechtskonform ist § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG mithin so zu lesen, dass die Bestätigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit auch vom zuständigen Jobcenter im Rahmen der Prüfung des Alg II-Anspruchs erfolgen kann (vgl. auch dazu die Rechtsprechung des BFH, der die für den Kindergeldanspruch nötige Registrierung als Ausbildungsplatzsuchender auch bei einem Jobcenter ausreichen lässt - z. B. Urteil vom 22.9.2011- III R 78/08) - weil die Jobcenter die Erbringung von Eingliederungsleistungen des SGB III im eigenen Namen und im Außenverhältnis in eigener Verantwortung wahrnehmen.

 

Hat eine AA die un/freiwillige Arbeitslosigkeit bestätigt, werden die aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II resultierenden Prüfpflichten der Jobcenter weder beschränkt noch teilweise entbehrlich – es sei denn, die Antragsteller haben auch einen Arbeitslosengeldanspruch nach dem SGB III erworben (BSG vom 9.3.2022 - B 7/14 AS 79/20 R).

 

Damit bleibt festzuhalten, dass die Feststellung der Freiwilligkeit/Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit voller gerichtlicher Kontrolle unterliegt und nicht mit den zu § 159 SGB III entwickelten Maßstäben zusammenfällt.

 

Eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit i.S. v. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG ist zu bejahen, wenn sie vom Willen der Betroffenen unabhängig eingetreten oder durch einen legitimen Grund gerechtfertigt ist (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 104).

 

Ausgehend hiervon ist die Kammer nach Prüfung der vom früheren Arbeitgeber eingeholten Auskünfte zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger die Kündigung zu vertreten hat. Seine damalige Situation (Ablehnung des Alg II-Antrags) rechtfertigt nicht die verspäteten Arbeitsantritte Ende Januar 2019, nachdem das erste Gehalt gezahlt worden war. Der Kläger befand sich noch in der Probezeit, konnte mithin nicht darauf setzen, wegen gelegentlicher Verspätungen erst nach einer Abmahnung mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

 

Dass ein bedrohlich wirkendes Verhalten gegenüber einer weiblichen Mitarbeiterin des Arbeitgebers auch unterhalb der Schwelle eines strafrechtlich relevanten Verhaltens zu einer Kündigung führen kann, liegt auf der Hand, wenn der Vorgang, hier die Ermahnung, Schutzausrüstung zu tragen, keinerlei schikanierendes Verhalten der Mitarbeiterin erkennen lässt. Der Kläger hat die Beendigung der Arbeit daher verschuldet, was eine Fortwirkung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit mit Leistungszugang ausschließt.

 

Die Klage musste nach alldem abgewiesen werden.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

 

                                                                                                         

 

 

 

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