L 2 SO 126/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1382/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 126/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zu den Voraussetzungen, wann eine sozialhilferechtlich schützenswerte Sterbegeldversicherung bzw. ein Bestattungsvorsorgevertrag vorliegt.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Hilfe zur stationären Pflege in der Zeit vom 26.6.2018 bis 31.1.2020 - ohne die Monate Februar und März 2019, in denen bedarfsdeckende Leistungen gewährt wurden.

Die 1945 geborene, mittlerweile verwitwete Klägerin ist pflegebedürftig, zunächst in Pflegegrad 2 und ab August 2018 in Pflegegrad 4. Seit 7.6.2018 lebt sie im B-Heim in W und wird dort vollstationär gepflegt.

Die Klägerin erhält eine Altersrente (215,41 €, ab 1.7.2018 monatlicher Zahlbetrag 222,36 €, ab 1.4.2019 in Höhe von 251,06 €) und Leistungen der Pflegekasse (in Pflegegrad 2: 770 €, ab 1.8.2018 in Pflegegrad 4: 1.775 € pro Monat). Neben einem Girokonto verfügte sie über zwei Sparkonten, Geschäfts- bzw. Genossenschaftsanteile in Höhe von 320 € (Bl. 111 VA) und eine Trauerfall-Direkt-Schutz Versicherung (Nr. 1011051810786) mit Zuwachs-Garantie der E Direkt Lebensversicherung AG mit einem Todesfallschutz über 8.788 € bzw. 9.036 € zum 31.10.2018 (Bl. 51, 269 VA), auf die sie monatlich 80,93 € zahlte (vgl. Kontoauszug Bl. 125 VA, vereinbart waren 49,59 €), der Rückkaufswert betrug 2.588 € bzw. zum 31.10.2018 2.668,83 € (Bl. 107, 269 VA); die Versicherung hatte am 1.8.2007 begonnen und dauerte lebenslang (lebenslange Todesfallversicherung, Bl. 287 VA). Begünstigt sind die Kinder der Klägerin. Ihr Ehemann verfügte ebenfalls über eine Trauerfall-Vorsorge-Versicherung bei der E Direkt (Nr. 10110363759) mit einer Gesamtleistung von 4.259 € zugunsten der Klägerin (Bl. 53 VA). Der Rückkaufwert betrug 1.766,08 €. Für eine private Haftpflichtversicherung zahlten sie 97,54 € jährlich. Der Ehemann ist am 4.11.2018 verstorben. Seit 1.4.2019 bezieht die Klägerin laufende große Witwenrente in Höhe von 678,54 €. Wohngeld hat sie im streitigen Zeitraum noch nicht bezogen.

Das Pflegeheim stellte der Klägerin ab 1.7.2018 nach Pflegegrad 2 2.365,96 € in Rechnung (Bl. 243 VA), abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung verblieb ein Betrag von 1.595,96 € (Bl. 265 VA). In Pflegegrad 4 erhöhten sich die Heimkosten auf 3.668,04 €, abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung verblieb ein Betrag von 1.893,04 €.

Am 26.6.2018 beantragte die Tochter der Klägerin beim Beklagten die Übernahme der ungedeckten Pflegekosten als ergänzende Hilfe zur stationären Pflege. Sie legte u.a. Kontoauszüge und Unterlagen über die Versicherungen bei der E Direkt vor.
Mit Bescheid vom 15.11.2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab (Bl. 337 VA). Nach Auswertung der aktenkundigen Unterlagen habe die Klägerin mit Stand 7.6.2018 über ein Vermögen von insgesamt 11.963,88 € verfügt.

Girokonto 520 027 02                                    5.106,57 €
Sparkonto 607 621 970 0                                          3.895,19 €
Sparkonto 476 219 701                                                  17,60 €
Geschäftsanteile                                                          241,26 €
Geschäftsanteile                                                            34,43 €
Lebensversicherung (E), Rückkaufwert                   2.668,83 €

Damit überschreite die Klägerin die für sie maßgebliche Vermögensfreigrenze von 10.000 € im Zeitpunkt der Antragstellung um 1.963,88 €. Mit dem übersteigenden Vermögen und ihrem Einkommen sei sie in der Lage, den sozialhilferechtlichen Bedarf selbst zu decken. Sobald das Vermögen bis zu einem Betrag von 10.000 € bei Verheirateten bzw. bis zu einem Betrag von 5.000 € bei Alleinstehenden aufgebraucht sei, könne die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB XII beantragen.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 375 VA). Der angefochtene Bescheid sei schon formell rechtswidrig, da in seiner Begründung weder der monatliche Bedarf noch das monatlich zur Verfügung stehende Einkommen gegenübergestellt werde. Im Übrigen bleibe unklar, ob sie nicht - wegen einer „Abschmelzung“ des Vermögens – wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt Sozialhilfe beanspruchen könne. Auch auf den Tod des Ehemannes und die geänderte Vermögenslage durch den Erbfall gehe der Bescheid mit keinem Wort ein. Zudem beruhe der angeführte Rückkaufwert der „Trauerfall-Versicherung“ auf dem Stichtag 1.10.2018 und nicht 7.6.2018, wobei unberücksichtigt bleibe, dass der diesbezügliche Wertanstieg auf einer eigenen Beitragszahlung (monatlich 49,59 €) beruhe.

Der Beklagte forderte daraufhin aktualisierte Unterlagen an, die die Klägerin vorlegte. U.a. legte die Klägerin die Abrechnung des Bestattungsunternehmens über die Bestattungskosten für den Ehemann vor (Abrechnung der 1. W-Bestattungsunternehmen eG vom 30.11.2018, Bl. 387 VA). Danach verblieb bei der Klägerin aus der E Direkt Lebensversicherung des Ehemannes nach Abzug der Bestattungskosten ein Betrag von 1.992,86 € zu ihren Gunsten. Die Pflegekasse gewährte ab 1.8.2018 Leistungen nach Pflegegrad 4 in Höhe von 1.775 € monatlich (Bl. 407 VA).

Am 30.11.2018 rechnete der Rentenservice der Deutschen Post den Rentenvorschuss ab (1.130,26 € mal 3 Monate abzüglich bereits geleisteter Zahlung 2.260,52 €, Bl. 411 VA). Die Deutsche Rentenversicherung gewährte große Witwenrente ab 1.12.2018, der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 678,54 € (Bescheid vom 28.2.2019, Bl. 469 VA).

Die E Direkt bezifferte die ab dem 1.3.2019 beitragsfrei gestellte Versicherungssumme aus der Versicherung der Klägerin auf 3.221,00 € (Bl. 479 VA). Der Rückkaufswert betrug am 31.7.2019 2.787 €.

Mit Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 gewährte der Beklagte der Klägerin Hilfe zur stationären Pflege für die Zeit ab 1.2.2019 bis 31.1.2020. Auf Basis von 30,42 Kalendertagen pro Monat und einem täglichen Vergütungssatz bei Pflegestufe 4 von 126,67 € könne die Klägerin unter Berücksichtigung des anrechenbaren Einkommens für den Monat Februar 2019 eine Hilfe von 1.291,89 €, für den Monat März 2019 eine Hilfe von 1.234,77 € und für die Zeit ab April 2019 - bei zusätzlicher Berücksichtigung von 206,04 € an Vermögen über dem Vermögensfreibetrag von 5.000 € und somit in Höhe des ungedeckten Restbedarfs - eine monatliche Hilfe von 1.057,15 € beanspruchen. Es wurde folgendes Einkommen angerechnet:

 

 

Februar 2019

März 2019

ab April 2019

Altersrente

222,36 €

222,36 €

251,06 €

Witwenrente

678,54 €

678,54 €

678,54 €

Nachzahlung
„Mütterrente“

-

  57,12 €

-

Summe

900,90 €

958,02 €

929,60 €

abzüglich Barbetrag

114,48 €

114,48 €

114,48 €

Eigenanteil

 

 

815,12 €


Darüber hinaus blieb der Widerspruch erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.4.2019, Bl. 577 VA). Zur Begründung führte der Beklagte aus, bei der Gegenüberstellung des vorhandenen Vermögens mit dem sozialhilferechtlichen Bedarf bleibe es bei dem Grundsatz, dass der nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts (= Monat) nicht verbrauchte Teil des Einkommens dem Vermögen zuwachse. Dies habe zur Konsequenz, dass das im Zuflussmonat nicht abgerufene Einkommen im Folgemonat bei der Bewertung des Vermögens berücksichtigt werden müsse. Auf dieser Basis erstellte die Beklagte aus den aktenkundigen Kontoständen unter Berücksichtigung des Rückkaufwerts der Sterbefall- bzw. Lebensversicherungen der Klägerin und - erst ab Juli 2018 und soweit bis zu seinem Tod relevant - ihres Mannes bei der E sowie von Geschäftsanteilen bei der Genossenschaft folgende Übersicht (vgl. Bl. 581 ff. VA):
 

Monat

Einzusetzendes Vermögen

Vermögens-schongrenze

Überschuss

Juni 2018

11.813,88 €

10.000,00 €

1.813,88 €

Juli 2018

13.740,95 €

10.000,00 €

3.740,95 €

August 2018

14.279,16 €

10.000,00 €

4.279,16 €

September 2018

14.468,73 €

10.000,00 €

4.468,73 €

Oktober 2018

12.775,65 €

10.000,00 €

2.775,65 €

November 2018

14.249,21 €

10.000,00 €

4.249,21 €

Dezember 2018

10.486,03 €

5.000,00 €

5.486,03 €

Januar 2019

7.972,86 €

5.000,00 €

2.972,86 €

Februar 2019

4.728,57 €

5.000,00 €

   271,43 € (Unterschreitung)

März 2019

3.759,76 €

5.000,00 €

1.240,24 € (Unterschreitung)

April 2019

5.206,04 €

5.000,00 €

   206,04 €


Unter Berücksichtigung des Einkommenseinsatzes ergebe sich dann folgende Übersicht:
 

Monat

Heim-kosten

Barbe-trag

Zahlung Pflegekasse

Anzurechnendes Einkommen

Ungedeckter Bedarf

Vermögens-einsatz

Ergeb-
nis

Juni 2018

2.662,96 €

112,32 €

770,00 €

596,03 €

1.409,25 €

1.813,88 €

404,63 €  (-)

Juli 2018

2.662,96 €

112,32 €

770,00 €

596,03 €

1.409,25 €

3.740,95 €

2.331,70 € (-)

August 2018

3.668,04 €

112,32 €

1.775,00 €

596,03 €

1.409,33 €

4.279,16 €

2.869,83 € (-)

Septem-ber 2018

3.668,04 €

112,32 €

1.775,00 €

596,03 €

1.409,33 €

4.468,73 €

3.059,40 € (-)

Oktober 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

596,03 €

1.593,07 €

2.775,65 €

1.182,58 € (-)

Novem-ber 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

596,03 €

1.593,07 €

4.249,21 €

2.656,14 € (-)

Dezem-ber 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

1.352,62 €

836,48 €

5.486,03 €

4.649,55 € (-)

Januar 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

900,90 €

1.291,89 €

2.972,86 €

1.680,97 € (-)

Februar 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

900,90 €

1.291,89 €

-

1.291,89 € (+)

März 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

958,02 €

1.234,77 €

-

1.234,77 € (+)

ab April 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

929,60 €

1.263,19 €

206,04 €

1.057,17 € (+)


Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin bis einschließlich Januar 2019 keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege habe. Für die Monate ab Februar 2019 ergebe sich ein Anspruch, welcher durch den Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 bereits bewilligt worden sei.

Dagegen hat die Klägerin am 8.5.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erheben lassen. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass während des gesamten Zeitraumes seit Antragstellung Bedürftigkeit vorgelegen habe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sie ebenso wie ihr verstorbener Ehemann jeweils über eine Trauerfall-Vorsorge-Versicherung verfügt habe. Zum einen habe der Beklagte den Rückkaufswert dieser Versicherungen unzutreffend bewertet. Zum anderen beruhe deren Wertsteigerung auf einer monatlichen Beitragszahlung, so dass es letztlich eine „doppelte Berücksichtigung“ darstelle, wenn das Sozialamt sowohl das Einkommen, aus dem die Beiträge finanziert worden seien, als auch die betreffende Wertsteigerung sozialhilfemindernd berücksichtige. Unabhängig hiervon müsse eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall ohnehin geschont werden. Dies ergebe sich aus § 90 Abs. 3 SGB XII und der diesbezüglichen Rechtsprechung. Folglich müsse das Vermögen der Eheleute bis einschließlich November 2018 um monatlich 4.434,91 € (Trauerfall-Vorsorge des Ehemannes) und darüber hinaus um weitere 2.668,83 € (eigene Trauerfall-Vorsorge) vermindert werden. Auch die Berücksichtigung der Genossenschaftsanteile scheide aus, denn diese beruhten darauf, dass die Eheleute eine genossenschaftliche Wohnung bewohnt hätten. Deshalb seien die Genossenschaftsanteile erst nach der Wohnungskündigung (Februar 2019) verfügbar gewesen. Dies habe zur Konsequenz, dass sich das Vermögen um weitere 241,26 € und 34,43 € (Summe: 275,69 €) vermindere. Im Übrigen wolle sie auch der Annahme widersprechen, dass Einkommen, welches im laufenden Kalendermonat nicht verbraucht worden sei, im Folgemonat als Vermögen angesehen werden müsse. Auch dies komme einer doppelten Berücksichtigung der monatlichen Renten (Altersrente und Hinterbliebenenrente) gleich, da diese jeweils nachschüssig gezahlt würden. Diese Praxis des beklagten Sozialamts lasse in rechtswidriger Weise die tatsächliche Leistungsfähigkeit außer Acht. Deshalb sei es geboten, in Bezug auf die laufenden Renten eine normativ modifizierte Zuflusstheorie zur Anwendung gelangen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 22.8.2019 hat die Klägerin noch mitgeteilt, dass sich das Klagebegehren auch über den 31.1.2019 hinaus erstrecke. Einzig in den Monaten Februar und März 2019 sei die Berechnung des Beklagten zutreffend, weshalb insoweit keine Beschwer mehr bestehe. Ab April 2019 gehe das Sozialamt aber erneut von einem übersteigenden Vermögen aus, so dass sich ab diesem Zeitpunkt dieselben Rechtsfragen wie für den Zeitraum bis zum 31.1.2019 stellten.

Der Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegengetreten. Er hat nochmals dargestellt, dass Einkommen, welches im Kalendermonat des Zuflusses nicht verbraucht worden sei, im Folgemonat Vermögen darstelle. Hierin liege keine Doppelberücksichtigung, vielmehr handele es sich dabei lediglich um die konsequente Anwendung des Nachranggrundsatzes bzw. um eine Ausprägung der Zuflusstheorie.


Mit Urteil vom 10.12.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass im Hinblick auf die fehlende Beschwer in den Monaten Februar und März 2019 durch den Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 nur die Zeit vom 26.6.2018 bis Januar 2019 und von April 2019 bis einschließlich Februar 2020 streitgegenständlich sei. Der Ausgangsbescheid vom 15.11.2018 und der Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 seien formell rechtmäßig, da etwaige Begründungsmängel durch die ausführliche Darstellung der Berechnungsgrundlagen im Widerspruchsbescheid vom 18.4.2019 geheilt worden seien.
Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Einkommen, das in einem Kalendermonat zugeflossen und in diesem Monat nicht (vollständig) verbraucht worden sei, im Folgemonat dem Vermögen zuordne. Dies gelte selbst dann, wenn der Einkommenszufluss erst am Schluss des Vormonats erfolgt sei. Das SG hat hierzu auf eigene Rechtsprechung der Kammer mit weiteren Nachweisen Bezug genommen.
Auch sei die Trauerfall-Vorsorge bei der E-Versicherung als Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) zu berücksichtigen. Ein Vermögensschutz nach § 90 Abs. 3 SGB XII scheide aus. Zwar dürfe die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, wenn und soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Es sei zwar anerkannt, dass Bestattungskostenvorsorgeverträge, durch welche die Kosten der Bestattung und der Grabpflege abgesichert werden, unter den Vermögensschutz nach § 90 Abs. 3 SGB XII fallen könnten. Das Interesse, für eine menschenwürdige Bestattung Vorsorge zu treffen, sei auch dann anzuerkennen, wenn die betreffende Person zur Sicherung ihres Lebensbedarfs auf Sozialhilfe angewiesen sei. Vorliegend ergebe eine Auswertung der Versicherungsverträge mit der E jedoch, dass die betreffenden Versicherungen, was schon in ihrer Bezeichnung zum Ausdruck komme („Trauerfall-Direkt-Schutz mit Zuwachs-Garantie“), nicht nur das Bestattungs- und Grabpflegerisiko abdeckten, sondern einen darüberhinausgehenden weiteren Zweck verfolgten. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie eine Gewinn-Beteiligung und feste Garantiewerte vorsähen und eine jederzeitige Kündigung der Verträge mit vertraglich vereinbarten Rückkaufwerten vorgesehen sei. Die garantierten beitragsfreien Versicherungssummen gingen zudem mit zunehmender Länge der Vertragslaufzeit bei weitem über den Bedarf für eine angemessene, einfache Bestattung hinaus. Vor diesem Hintergrund könnten die betreffenden Verträge nicht als reine „Bestattungskosten-Vorsorge“ qualifiziert werden. Vielmehr hätten sie einen „Mischcharakter“ und schlössen (letztlich zu Gunsten des überlebenden Ehepartners bzw. der Erben) Merkmale einer Risikolebensversicherung mit ein. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes stelle es keine besondere Härte dar, wenn die Klägerin die betreffenden Verträge (durch Rückkauf) verwerten müsse, bevor die Sozialhilfe einsetzen könne. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe schließe es aus, Vermögenswerte zu schonen, die letztlich (auch) dem Vermögensaufbau dienten.
Auch als Lebensversicherung könnten die betreffenden Verträge nicht geschont werden. Denn schon eine überschlägige Berechnung zeige, dass das Verhältnis zwischen Beitragssumme und garantiertem Rückkaufswert äußerst ungünstig sei und sich mit zunehmender Vertragsdauer weiter verschlechtere. Vor diesem Hintergrund stelle es keinen Härtefall dar, wenn die Klägerin die betreffenden Verträge schon jetzt auflösen müsse, obwohl der Erlös weit hinter den hierfür aufgewendeten Beiträgen zurückbleibe.
Bezüglich der Genossenschaftsanteile, welche in der Summe nur einen Betrag von 275,69 € ausmachten, ergebe sich im Anschluss an die dem Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 zu Grunde liegende Übersicht, dass sich auch bei Abzug dieses Werts eine der Sozialhilfe entgegenstehende Vermögensüberschreitung ergeben würde. Das in der letzten Spalte der zweiten Tabelle dargestellte „Ergebnis“ sei bis einschließlich Januar 2019 durchweg deutlich höher als der Wert der Genossenschaftsanteile. Vor diesem Hintergrund könne für die erste Periode des Streitgegenstandes (bis einschließlich Januar 2019) offenbleiben, ob es sich bei den Genossenschaftsanteilen um zu verwertendes Vermögen gehandelt habe. Selbst wenn dies zu Gunsten der Klägerin verneint würde, würde sich nämlich gleichwohl kein Sozialhilfeanspruch ergeben. Für die zweite Periode des Streitgegenstandes (ab April 2019) stelle sich die Frage der Verwertbarkeit der Genossenschaftsanteile offenkundig nicht mehr, da mit der Auflösung der Mietwohnung (Februar 2019) eine Verwertung offenkundig möglich gewesen und wohl auch erfolgt sei.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Steigerung der Rückkaufwerte der angeführten Versicherungen bei der E (teilweise) auch darauf beruhten, dass die Klägerin bzw. ihr Ehemann die Beitragsmittel nach Eintritt des Pflegebedarfs aus eigenem Einkommen aufgebracht haben. Dies stelle keine „Doppelberücksichtigung“ dar, sondern sei vielmehr Ausdruck der strengen Nachrangigkeit der Sozialhilfe. Der Klägerin bzw. ihrem Ehemann sei es zudem schon deutlich früher möglich und zumutbar gewesen, die betreffenden Verträge aufzulösen oder beitragsfrei zu stellen. Es würde der Zielsetzung der Sozialhilfe zuwiderlaufen, wenn die Beiträge, die nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit bzw. nach Beanspruchung der Sozialhilfe weiter aufgebracht worden seien, von der Einkommensanrechnung ausgeklammert würden. Denn dies würde letztlich dazu beitragen, aus Steuer- bzw. Fürsorgemitteln mittelbar einen Vermögensaufbau mitzufinanzieren.
Unerheblich sei auch, dass seinerzeit beim Einrichtungsträger offenkundig nicht unerhebliche Schulden aufgelaufen seien. Der sozialhilferechtliche Vermögensbegriff umfasse nur die Summe des Aktivvermögens und schließe eine Saldierung mit auf der Gegenseite vorhandenen Schulden aus.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 13.12.2019 zugestellte Urteil hat er am 10.1.2020 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sich zur Begründung (vgl. PKH Antrag) auf den Vortrag erster Instanz bezogen. Die erstinstanzliche Entscheidung habe sich mit der klägerseitig angeführten Rechtsprechung zur Schonung von Bestattungsvorsorgeverträgen im Schriftsatz vom 1.8.2019 (Bl. 65 SG) nicht auseinandergesetzt. Weiter gehe das SG von einem „Mischcharakter“ der Sterbevorsorgeversicherungsverträge aus. Nahegelegen hätte dementsprechend eine lediglich teilweise Verwertungspflicht unter Berücksichtigung eines tatsächlichen Vorsorgeanteils einerseits und eines unterstellten Anlageanteils andererseits in Erwägung zu ziehen. Insoweit lasse das SG mit seiner Entscheidung auch nicht erkennen, welche quotalen Mischanteile es jeweils in den Vorsorgeversicherungsverträgen erkennen möchte. Mit dem anlässlich des Todes des Ehegatten der Klägerin erfolgten Einsatzes dieser Sterbevorsorgebeträge, und somit mit der nachgewiesenen tatsächlichen Zweckbestimmung der Vorsorgeansparung, setze sich das SG gleichfalls nicht auseinander.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2019 aufzuheben, den Teilabhilfebescheid vom 17. April 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin in der Zeit vom 26. Juni 2018 bis 31. Januar 2019 Leistungen der Hilfe zur stationären Pflege zu gewähren und ihr vom 1. April 2019 bis 31. Januar 2020 ohne Berücksichtigung von Vermögen höhere Leistungen der Hilfe zur stationären Pflege zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das SG habe die beiden Versicherungen bei der E Direkt „Trauerfall-Direkt-Schutz mit Zuwachsgarantie“ zugunsten der Klägerin und zu Gunsten ihres Ehemannes nicht als reine Bestattungskosten-Vorsorgeverträge qualifiziert. Es spreche ihnen aufgrund ihrer Ausgestaltung zu Recht einen Mischcharakter und Merkmale einer Risikolebensversicherung zugunsten des überlebenden Ehegatten bzw. der Erben des Letztversterbenden zu. Eine Zweckbestimmung enthielten die Versicherungen bzw. die daraus fließenden Beträge zu Lebzeiten im Falle einer vorzeitigen Kündigung oder auf den Todesfall hin nicht. Unter diesen Umständen habe es das SG nicht beanstandet, dass der Beklagte die Rückkaufwerte als Vermögen berücksichtigt habe. Die von der Klägerin zuletzt geforderte differenzierte Betrachtung und Unterscheidung der Versicherungsverträge in einen Vorsorgeanteil und einen Anlageanteil sei weder praktikabel noch angezeigt.


Der Klägervertreter hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine schriftliche Zweckbindung hinsichtlich des Vertrages bei der E Direkt nicht existiert (Bl. 17 LSG).

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 17.3.2021 erörtert. Der Klägervertreter hat mitgeteilt, dass seit 1.3.2019 der Vertrag bei der E von der Beitragszahlung freigestellt sei. Der Vertrag sei stillgelegt, aber nicht ausgezahlt. Derzeit erhalte die Klägerin die Hilfe zur Pflege kostendeckend, da trotz des Rückkaufswertes der E Versicherung sie mit ihrem Vermögen unter dem Freibetrag von 5.000 € bleibe.

Mit Beschluss vom 31.5.2022 hat der Senat die Pflegeeinrichtung zum Verfahren beigeladen.

Der Klägervertreter und der Beklagte haben sich im Erörterungstermin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 21 LSG). Der Beigeladene hat mit Schreiben vom 20.6.2022 zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe


Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen bzw. keinen höhergehenden Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, als mit dem Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 bewilligt.

Zutreffend hat das SG den streitgegenständlichen Zeitraum auf die Zeit vom 26.6.2018, dem Datum der Antragstellung, bis zum 31.1.2020, dem Ende des Bewilligungszeitraums mit dem Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 bestimmt und die Monate Februar und März 2019 ausgenommen. Für die Zeit vom 26.6.2018 bis 31.1.2019 wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen die Ablehnung der begehrten Leistungen zur Hilfe bei stationärer Pflege, die mit dem Bescheid vom 15.11.2018 abgelehnt worden ist. Für die Monate Februar und März 2019 hat der Beklagte die begehrte Hilfe im vollen Umfang mit dem Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019 bewilligt, weshalb die Klägerin insoweit nicht mehr beschwert ist. Für den Folgezeitraum vom 1.4.2019 bis 31.1.2020 begehrt die Klägerin höhere als die unter Berücksichtigung eines Vermögensüberhangs bewilligten Leistungen.

Der Sache nach zielt das Begehren der Klägerin auf einen Schuldbeitritt des Beklagten zu seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Einrichtungsträger (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R – juris Rn. 22 ff.; BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 20/14 R – juris Rn. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 25.9.2019 – L 7 SO 4349/16 – juris Rn. 31 und Urteil vom 19.11.2020 – L 7 SO 3752/19 –, Rn. 26, juris). Der Einrichtungsträger war daher nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen, was der Senat zulässig mit Beschluss vom 31.5.2022 nachgeholt hat (vgl. zur Beiladung im Revisionsverfahren BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 20/14 R – juris Rn. 17).

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 19 Abs. 3 SGB XII und § 61 Satz 1 SGB XII in der ab dem 1.1.2017 geltenden Fassung. Gem. § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches (§§ 82 ff. SGB XII) nicht zuzumuten ist. Gem. § 61 Satz 1 SGB XII haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen.
Pflegebedürftig im Sinne von § 61a Abs. 1 SGB XII sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne des Satzes 1 können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen. Die Klägerin, die im streitigen Zeitraum in den Pflegegrad 2 und ab August 2018 in Pflegegrad 4 eingestuft war, erfüllt diese Voraussetzungen. Bei ihr liegen auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen vor (§ 65 SGB XII), was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Der Bedarf der Klägerin ergibt sich aus dem von ihr der stationären Einrichtung auf Grundlage des Heimvertrages geschuldeten Entgelt, dessen Höhe sich nach der im Einvernehmen mit dem örtlichen Sozialhilfeträger zwischen dem Einrichtungsträger und den Pflegekassen geschlossenen Vergütungsvereinbarung bestimmt (§ 75 Abs. 5 SGB XII in der bis zum 25. April 2019 geltenden Fassung) sowie dem Barbetrag zur persönlichen Verfügung i.S.d. § 27b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII. Davon sind die der Klägerin von der Pflegekasse gewährten Leistungen abzusetzen.

Auf den sich so ergebenden Bedarf ist zunächst das Einkommen der Klägerin abzusetzen. Nach § 82 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Einkommen in diesem Sinne ist alles, was jemand in dem Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende also erst in der Bedarfszeit erhält – hier die Rentenzahlungen –, sind regelmäßig als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Für die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht normativ ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (modifizierte Zuflusstheorie; BSG, Urteil vom 19.5.2009 – B 8 SO 35/07 R – juris Rn. 14; vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE) 108, 296 ff.; ebenso für das Recht des SGB II: BSG, Urteile vom 30.7.2008 – B 14 AS 26/07 R – und vom 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, sowie – B 4 AS 57/07 R).

Der Beklagte hat danach auch zutreffend die Renten der Klägerin - ihre Altersrente und nach dem Tod des Ehemannes zusätzlich die große Witwenrente - im jeweiligen Zuflussmonat als Einkommen und das auf den Konten noch vorhandene Guthaben im Folgemonat als Vermögen berücksichtigt. Hiervon abzusetzen sind gem. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII die Kosten für eine Haftpflichtversicherung i.H.v. monatlich 8,13 €.

Der Beklagte hat die Bedarfe der Klägerin (Heimkosten, Barbetrag) und ihr Einkommen (Altersrente, große Witwenrente) monatsgenau tabellarisch im Widerspruchsbescheid vom 18.4.2019 erfasst. Dies ist grundsätzlich zutreffend. Lediglich für die Zeit vom 1.6.2018 bis 1.11.2018 kann nicht nachvollzogen werden, dass der Beklagte von einem monatlichen Einkommen der Klägerin in Höhe von 596,03 € ausgeht. Aktenkundig ist lediglich die Altersrente in Höhe von 215,41 € für Juni 2018 und 222,36 € ab 1.7.2018. Zudem ist der Haftpflichtbeitrag nicht abgezogen.

Danach ergab sich folgende Bedarfsberechnung mit durchgehender Unterdeckung:

 

Monat

Heimkosten

Barbe-trag

Zahlung Pflegekasse

Anzurechnendes Einkommen

Ungedeckter Bedarf

Juni 2018
 

2.662,96 €

112,32 €

770,00 €

207,28 €

1.798,00 €

Juli 2018
 

2.662,96 €

112,32 €

770,00 €

214,23 €

1.791,05 €

August 2018

3.668,04 €

112,32 €

1.775,00 €

214,23 €

1.791,13 €

September 2018

3.668,04 €

112,32 €

1.775,00 €

214,23 €

1.791,13 €

Oktober 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

214,23 €

1.974,87 €

November 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

214,23 €

1.974,87 €

Dezember 2018

3.851,78 €

112,32 €

1.775,00 €

1.352,62 €

   836,48 €

Januar 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

900,90 €

1.291,89 €

Februar 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

900,90 €

1.291,89 €

März 2019
 

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

958,02 €

1.234,77 €

ab April 2019

3.853,31 €

114,48 €

1.775,00 €

929,60 €

1.263,19 €


Weiter zu berücksichtigen ist das Vermögen der Klägerin. Gem. § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, wobei die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte, dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte für jede volljährige Person 5.000 €, bei Verheirateten - also bei der Klägerin bis zum Tod ihres Mannes im November 2018 - 10.000 €.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Trauerfall-Direkt-Schutz-Versicherungen der Klägerin und - zu dessen Lebzeiten - ihres Ehemannes als Vermögen zu berücksichtigen sind und vor diesem Hintergrund der angefochtene Bescheid vom 15.11.2018 und der Teilabhilfebescheid vom 17.4.2019, der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.4.2019 nicht rechtswidrig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Mehr als die bewilligten Leistungen kann die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht beanspruchen, weil der ungedeckte Bedarf in jedem Monat des streitigen Zeitraums (ohne Februar und März 2019) durch Vermögen über dem jeweiligen Vermögensfreibetrag gedeckt werden kann bzw. ab 1.4.2019 auf den Bedarf Monat für Monat noch ein geringer Vermögensüberhang anzurechnen ist. Der Senat nimmt deshalb auf das Urteil des SG Bezug, sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass der Beklagte das über dem jeweiligen Vermögensfreibetrag anzurechnende Vermögen der Klägerin ausgehend von den Kontoständen und den Rückkaufswerten der Versicherungen bei der E monatsgenau zutreffend tabellarisch im Widerspruchsbescheid vom 18.4.2019 erfasst hat. Hierauf wird Bezug genommen. Lediglich für den Monat Juni 2018 ist der Betrag noch um den Rückkaufswert der Trauerfall-Direkt-Schutz-Versicherung des Ehemannes in Höhe von 1.776,08 € zu ergänzen, da dieser in dem Monat noch nicht erfasst war. Danach ergibt sich folgende Übersicht über die Vermögensüberhänge, mit denen die Klägerin in der Lage war, ihren ungedeckten Bedarf zu decken:

 

Monat

Ungedeckter Bedarf

Vermögens-einsatz über Freibetrag

Ergebnis bzw. Überhang

Juni 2018

1.798,00 €

3.589,96 €

1.791,96 € (-)

Juli 2018

1.791,05 €

3.740,95 €

1.949,90 € (-)

August 2018

1.791,13 €

4.279,16 €

2.488,03 € (-)

September 2018

1.791,13 €

4.468,73 €

2.677,60 € (-)

Oktober 2018

1.974,87 €

2.775,65 €

   800,78 € (-)

November 2018

1.974,87 €

4.249,21 €

2.274,34 € (-)

Dezember 2018

   836,48 €

5.486,03 €

4.649,55 € (-)

Januar 2019

1.291,89 €

2.972,86 €

1.680,97 € (-)

Februar 2019

1.291,89 €

-

1.291,89 € (+)

März 2019

1.234,77 €

-

1.234,77 € (+)

ab April 2019

1.263,19 €

206,04 €

1.057,17 € (+)


Im Hinblick auf die hier allein streitige Einordnung der Versicherungsverträge ist noch auszuführen, dass die Versicherungen der Klägerin und ihres Ehemannes bei der E Direkt weder als Bestattungsvorsorgeverträge noch als Sterbegeldversicherung angesehen werden können und als solche im Rahmen der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII nicht als geschütztes Vermögen einzuordnen sind. Die Sicherung von Bestattungskosten ist nur im Rahmen der Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 SGB XII möglich (Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. § 90 Rn. 77). Sozialhilferechtlich schützenswert ist allein der Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen. Ihnen sind daher die Mittel zu belassen, die sie für eine angemessene Bestattung und angemessene Grabpflege zurückgelegt haben. Demnach ist Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzusehen (BSG 18.3.2008 – B 8/9b SO 9/06 R - juris Rn. 22 unter Anschluss an BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 5 C 84.02 - juris, Rn. 22). Weder der Bestattungsvorsorgevertrag noch der Grabpflegevertrag stellen einen eigenen Vertragstyp in der zivilrechtlichen Systematik dar, sodass jeder Vertrag für sich betrachtet und beurteilt werden muss (Gotzen, Grabpflege- und Bestattungsvorsorgeverträge, ZfF10,2014, S. 223).

Die Trauerfall-Direkt-Schutz Versicherungen mit Zuwachsgarantie der Klägerin und ihres Ehemannes bei der E Direkt sind keine Bestattungsvorsorgeverträge. Bei einem Bestattungsvorsorgevertrag handelt es sich um einen überwiegend dem Werkvertragsrecht unterliegenden Vertrag über die im Voraus bezahlte Bestattung ggf. unter Einschluss der Grabpflege (BSG 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R - juris Rn. 17; Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 90 SGB XII (Stand: 30.03.2020), Rn. 119). Der (Werk-)Vertrag wird mit dem Bestatter geschlossen, die Einzelheiten der Bestattung werden festgelegt und in der Regel wird Geld auf ein Treuhandkonto eingezahlt, das auf Grund von Abtretung nach dem Tod an den Bestatter zur Begleichung der Bestattungskosten ausgezahlt wird (vgl. Gotzen, aaO. S. 224). Um solche Verträge handelte es sich bei den Versicherungen der Klägerin und ihres Ehemannes bei der E Direkt schon auf Grund des Vertragsschlusses mit einem Versicherungsunternehmen unzweifelhaft nicht.

In der Rechtsprechung als unter Härtefallgesichtspunkten geschütztes Vermögen anerkannt sind darüber hinaus auch Sterbegeldversicherungen, die als einem Bestattungsvorsorgevertrag vergleichbar angesehen werden (Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 22.11.2018 – L 11 SO 12/17 - juris Rn. 25). Aber auch als solche sind die hier in Rede stehenden Versicherungen nicht zu qualifizieren. Bei Sterbegeldversicherungen handelt es sich um eine Lebensversicherung auf den Todesfall ohne Erlebensfall-Absicherung. Voraussetzung für den Vermögensschutz ist, dass eine vertragliche Disposition besteht, die eine andere Zweckverwendung des Vermögens ausschließt oder wesentlich erschwert (Gotzen, aaO. S. 225). Solche Sterbegeldversicherungen bietet auch die E an (vgl.
https://www.E.de/de/Ratgeber/todesfall/versicherung). Als weitere Variante der Lebensversicherung wird danach bei der Sterbegeldversicherung gegenüber der Kapitallebensversicherung und der Risikolebensversicherung eine geringere Versicherungssumme vereinbart, die lediglich die Bestattungskosten der Beerdigung decken soll.

Um eine solche Sterbegeldversicherung handelte es sich bei den in Rede stehenden Versicherungen nicht. Die Trauerfall-Direkt-Schutz Versicherungen mit Zuwachsgarantie der Klägerin und ihres Ehemannes weisen schon dem Namen nach nicht auf eine Versicherung zur Bestattungsvorsorge hin. „Trauerfall-Direkt-Schutz“ deutet lediglich darauf hin, dass es sich um eine Todesfallleistung handeln soll. Wie das SG zutreffend ausführlich ausgeführt hat, handelt es sich bei den Versicherungen um Risikolebensversicherungen, die auch dem Vermögensaufbau dienen, nachdem die Beitragszahlung nicht zeitlich begrenzt war und die Versicherungssumme mit zunehmender Beitragszahlung anwuchs, gerade auch nicht nur auf die Bestattungskosten begrenzt war. Die Risikolebensversicherung definiert die E auf ihrer Internetseite wie folgt: „Im Unterschied zur Kapitallebensversicherung wird die Versicherungssumme bei der Risikolebensversicherung nur in Ihrem Todesfall ausgezahlt. Es wird also kein Vermögen aufgebaut, auf das Sie nach Ablauf der Laufzeit zurückgreifen können. Ihre Angehörigen sichern Sie mit der Risikolebensversicherung aber rundum ab. So können diese mit der Versicherungssumme nicht nur die Beerdigungskosten, sondern auch die Kosten der Lebenshaltung und ggf. Kreditforderungen decken.“ (
https://www.E.de/de/Ratgeber/todesfall/versicherung). Dass es sich bei den Versicherungen der Klägerin und ihres Ehemannes um solche Risikolebensversicherungen und nicht um Sterbegeldversicherungen handelte, lässt sich sogar explizit dem Schreiben der E Direkt vom 26.2.2017 an den Ehemann der Klägerin (Bl. 53 VA) entnehmen. Darin heißt es, dass mit der lebenslangen Todesfall-Versicherung eine „sehr umsichtige Entscheidung getroffen“ worden ist. „Ihre Angehörigen sind im Ernstfall gut abgesichert“.

Erlebens- und Todesfallversicherungen sind von ihrem vertraglichen Zuschnitt her wie kapitalbildende Lebensversicherungen zu behandeln, ohne dass sie eine Zweckbestimmung für die Bestattung oder Grabpflege aufweisen (LSG Nordrhein-Westfalen v. 19. 3. 2009 - L 9 SO 5/07 - FEVS 61, 172, juris Rn. 44; Prof. Dr. Erika Lücking in: Hauck/Noftz SGB XII, § 90 Einzusetzendes Vermögen, Rn. 103) und stellen damit kein geschütztes Vermögen dar. Doch selbst wenn man diese Auffassung als zu weitgehend annehmen will (so Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 90 SGB XII (Stand: 30.03.2020), Rn. 121), so kann nicht jede Todesfallversicherung allein durch die Bestimmung der Auszahlung nur im Todesfall unter Härtegesichtspunkten nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII schützenswert sein, nur weil sie auch zur Deckung der Bestattungskosten verwendet werden kann. Vielmehr muss die geschützte Zweckbestimmung, nämlich die Erhaltung der Mittel, die für eine angemessene Bestattung zurückgelegt wurden, objektivierbar sein. Die Zweckbestimmung (Bestattung, Grabpflege) kann nur anerkannt werden, wenn vor dem Beginn des Leistungszeitraums die ausschließliche Zweckbestimmung vom dem Heimbewohner eindeutig und für ihn verbindlich getroffen, der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen eindeutig ausgegliedert und die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich niedergelegt worden ist (OVG Münster, Urteil vom 16.11.2009 - 12 A 1363/09 - amtlicher Leitsatz, BeckRS 2009, 42197; NVwZ-RR 2010, 151 Ls.; juris Rn. 60). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine derartige Zweckbestimmung war nicht vereinbart. Anders als bei dem vom Klägervertreter zitierten Urteil des Landessozialgerichts Hamburg (vom 25.1.2019 - L 4 SO 20/18 - , juris), das ebenfalls entscheidend auf die Aussonderung und Zweckbestimmung des für die Bestattung vorgesehenen Betrages als Erschwernis für die vorzeitige Verwendung des Geldes abstellt (aaO juris Rn.20), lag dem dortigen Fall eine durch Einmalzahlung bediente „Sterbegeldversicherung“ als lebenslange Risiko-Lebensversicherung zugrunde und eine dahingehende entsprechend dokumentierte Beratung durch die Versicherungsgesellschaft. Die Versicherungen bei der E Direkt im vorliegenden Fall waren jederzeit kündbar und für andere als Bestattungszwecke zu verwenden möglich. Damit lag auch eine wesentliche Erschwernis vorzeitiger Verwendung nicht vor. Dass die Versicherung des Ehemannes nach der Bestimmung der Begünstigten, der Ehefrau und Klägerin, nach dessen Tod tatsächlich an das Bestattungsunternehmen zur Auszahlung kam und für die Bestattungskosten verwendet wurde, rechtfertigt nicht, von einer Sterbegeldversicherung auszugehen, weil auch jede andere Verwendung möglich gewesen wäre. Aus dem oben beschriebenen Schreiben der E Direkt vom 26.2.2017 an den Ehemann der Klägerin mit dem Hinweis auf die gute Absicherung der Angehörigen im Ernstfall ist zu schließen, dass nicht das eigene Interesse des Versicherungsnehmers an einer würdigen Bestattung nach dem Tod, sondern die Absicherung der Angehörigen mit der Versicherung bezweckt wurde und damit kein sozialhilferechtlich geschützter Zweck verfolgt wurde. Dies wird in dem Kontext auch - wie vom SG bereits ausführlich beschrieben - aus dem Charakter der Versicherung mit jederzeitigem Kündigungsrecht und Auszahlungsmöglichkeit des Rückkaufswertes deutlich, selbst wenn dies bei einer Sterbegeldversicherung nicht beachtlich sein soll (Landessozialgericht für das Saarland, aaO., juris Rn. 25).

Auch wenn man von einem Mischcharakter der Versicherungen mit teilweiser Deckung der Bestattungskosten ausgehen wollte, ergibt sich aus dem Vertrag überhaupt kein Ansatz für eine mögliche Splittung, da eine Aussonderung eben nicht erfolgt ist.


Von daher waren die Rückkaufswerte der Versicherungen bei der E Direkt als Vermögen zu berücksichtigen, ohne dass eine Härte in der Verwertung bestanden hätte, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin war dadurch in der Lage ihren Bedarf für die stationäre Heimpflege bis Ende Januar 2019 ganz und ab April 2019 teilweise entsprechend der reduzierten Bewilligung der Leistungen der Hilfe zur Pflege zu decken. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.




 

Rechtskraft
Aus
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