L 8 BA 110/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 9 BA 286/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 110/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.6.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.781,07 Euro festgesetzt.

 

 

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eine Beitragsnachforderung für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) als Kraftfahrer für den Kläger.

Der Kläger betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit landwirtschaftlichen Produkten, Maschinen und Geräten. Der am 00.00.1949 geborene Beigeladene zu 3) war bei ihm im Zeitraum vom 3.9.2013 bis 30.6.2015 als Kraftfahrer geringfügig beschäftigt. Anschließend übte er die Tätigkeit für den Kläger weiter aus, stellte nunmehr jedoch Rechnungen.

In der Zeit vom 26.6.2017 bis 6.7.2017 führte die Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 3.9.2013 bis 31.12.2016 durch und hörte ihn mit Schreiben vom 7.7.2017 zu ihrer beabsichtigten Entscheidung an, Beiträge zur Sozialversicherung und Umlagen in Höhe von insgesamt 2.781,07 Euro nachzufordern.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der Beigeladene zu 3) nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig gewesen sei und daher keine Pflicht zur Beitragszahlung bestehe. So führe dieser lediglich Fahrertätigkeiten ohne die üblichen Nebentätigkeiten wie Reinigung des Fahrzeugs sowie das Be- und Entladen aus. Seinen Fuhrpark nutze er ebenso wie die bei ihm, dem Kläger, angestellten Fahrer. Es liege ausschließlich im Ermessen des Beigeladenen zu 3), Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Weder bestehe eine Anwesenheitspflicht noch sei dieser an bestimmte Arbeitszeiten gebunden. Zudem erbringe er seine Fahrdienstleistung auch für andere Unternehmen.

Mit Bescheid vom 14.9.2017 forderte die Beklagte, die vom Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausging, insgesamt 2.781,07 Euro nach.

Der Kläger legte gegen den Beitragsbescheid am 11.10.2017 Widerspruch ein. Die Beklagte habe verkannt, dass der Beigeladene zu 3) auch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei. Der Sachverhalt müsse zudem weiter ermittelt und der Beigeladene zu 3) ergänzend befragt werden. Auch sei dieser Rentner und habe im Krankheitsfalle keine Entgeltfortzahlung erhalten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2018 zurück.

Mit seiner am 23.11.2018 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weiterverfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 14.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.10.2018 aufzuheben.

Die Beklagte, die die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet hat, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Das SG hat den Beigeladenen zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.6.2021 persönlich gehört. Dieser hat ausgeführt, er habe, als er beim Kläger noch geringfügig beschäftigt gewesen sei, vormittags einen Anruf vom Kläger mit der Mitteilung, dass er an diesem bestimmten Tag fahren müsse, bekommen. Er habe dann die Fahrzeuge beladen und das Fahrzeug überprüft, sei mit dem beladenen Fahrzeug zum Kunden gefahren, habe dort das Gut abgeladen, sei dann mit dem Leergut wieder zurück zum Kläger gefahren und habe die Ware für den nächsten Kunden auf das Fahrzeug geladen. Irgendwann hätten andere Kunden nachgefragt, ob er für sie nicht auch eine Fahrertätigkeit ausüben wolle. Er habe dann überlegt, dass er ein Gewerbe anmelden und sich als Fahrer buchen lassen könne. Beim Kläger habe er gekündigt, sei danach aber auch auf dessen Verlangen für diesen gefahren. Er habe einen Stundenlohn von 15 Euro für die Fahrertätigkeit verlangt. Er sei dann für mehrere Kunden gefahren. Er habe lediglich die Fahrzeuge, die er genutzt habe, auf die verkehrstechnische Sicherheit hin überprüft. Hierzu sei er als Fahrer verpflichtet. Er habe dann nicht mehr die Ladung übernommen, sondern die voll beladenen Fahrzeuge zu dem jeweiligen Ort gefahren. Entladen hätten andere Personen. Er habe über eine Betriebshaftpflicht- und auch über eine Haftpflichtversicherung für das Führen von fremden Fahrzeugen verfügt. Aufträge seien von ihm auch abgelehnt worden, nämlich dann, wenn er seine Ruhezeiten noch nicht eingehalten habe. Nach Zusage eines Auftrags sei er zu der vereinbarten Zeit gefahren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.6.2021 abgewiesen. Der Betriebsprüfungsbescheid sei rechtmäßig. Die Beklagte habe vom Kläger zu Recht Beiträge zur Sozialversicherung nachgefordert. Der Beigeladene zu 3) habe in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihm gestanden. Die Ermächtigung zur Nachforderung gegenüber dem Kläger als Arbeitgeber des bei ihm beschäftigten Beigeladenen zu 3) ergebe sich aus § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV i.V.m. § 28e Abs. 1 SGB IV. Gem. § 7 Abs. 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbständige Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Demgegenüber werde eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse, zu denen auch die zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Regelungen gehörten. Da die Klägerin und der Beigeladene zu 3) einen schriftlichen Vertrag nicht geschlossen hätten, komme es auf die Umstände der Tätigkeit an, wie sie sich aus dem Akteninhalt und den vorgelegten Unterlagen ergäben. Es fänden sich sowohl Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit, als auch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Für Selbstständigkeit sprächen die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 3) für die Ausübung von Fahrdienstleistungen, dessen Tätigkeit für verschiedene Vertragspartner, das Stellen von Rechnungen und die Versteuerung seiner Einkünfte gegenüber dem Finanzamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hingegen falle nicht ins Gewicht, dass der Kläger und der Beigeladene zu 3) eine selbstständige Tätigkeit gewollt hätten, da der sozialversicherungsrechtliche Status von den Parteien nicht willkürlich gewählt werden könne. Es fänden sich allerdings auch zahlreiche Indizien für Abhängigkeit. Der Beigeladene zu 3) verfüge nicht über eine eigene Betriebsstätte und habe kein Unternehmerrisiko getragen. Er habe keine Investitionen getätigt, nicht über ein eigenes Firmenfahrzeug verfügt und damit kein Kapital mit ungewissem Ausgang eingesetzt. Die Möglichkeit des Beigeladenen zu 3), Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, spreche nicht für Selbstständigkeit, da er bei Auftragsannahme seine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb ausgeübt habe. Zudem habe er keinen Einfluss auf die angebotenen Aufträge nehmen können, sodass er insoweit in Bezug auf die Gestaltung und den Umfang seiner Tätigkeit vom Kläger abhängig gewesen sei. Im Falle der Auftragsannahme seien zudem die Leistungszeit und der Leistungsort klar definiert worden. Gegen ein maßgebliches Unternehmerrisiko spreche ferner, dass der Beigeladene zu 3) als Gegenleistung für seine Tätigkeit einen festen Stundensatz entsprechend seines Zeitaufwands erhalten habe. Kein Unternehmerrisiko bestehe darin, dass diesem im Krankheitsfall kein Entgelt fortgezahlt worden sei. Das Vorenthalten von Arbeitnehmerrechten mache aus einer abhängigen Beschäftigung keine selbstständige Tätigkeit. Auch die Tatsache, dass der Beigeladene zu 3) auch für andere Auftraggeber tätig geworden sei, spreche nicht maßgeblich für eine selbstständige Tätigkeit. Bei der Abwägung aller Umstände, überwögen diejenigen für eine abhängige Beschäftigung. Wegen der Höhe der Nachforderung – gegen die der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben habe – folge das SG den zutreffenden Ausführungen im Bescheid vom 14.9.2017.

Gegen das ihm am 6.7.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.8.2021 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Beigeladene zu 3) sei auf der Grundlage von mündlichen Vereinbarungen für ihn tätig gewesen. Auch habe er Fahrertätigkeiten für weitere Kunden ausgeübt, teilweise am selben Tag. Dabei seien ihm die Fahrzeuge jeweils zur Verfügung gestellt worden, so auch von ihm, dem Kläger. Der Beigeladenen zu 3) habe – wie in einer Aufstellung einschließlich der Krankheitstage ohne Lohnfortzahlung ersichtlich – Aufträge abgelehnt, soweit er durch seine Kunden bereits anderweitig in Anspruch genommen worden sei. Er habe mit der Firmierung unter „Fahrerservice“ ganz bewusst aus der Abhängigkeit ausscheiden, sich selbst und seine Dienstleistung zur Verfügung stellen wollen, ohne diesbezügliche infrastrukturelle Notwendigkeiten, jedoch mit all seiner Erfahrung und seinem Wissen. Auch ohne eigenen Fuhrpark sei er am Markt wettbewerbsfähig gewesen. Die Vereinbarung eines Stundenlohnes sei nicht atypisch für Selbstständige. Der Beigeladene zu 3) habe im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit 15 Euro je Stunde erhalten, in der Zeit der abhängigen Tätigkeit hingegen 9 Euro je Stunde. Er sei bei der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) als Unternehmer versichert gewesen, habe vom Finanzamt N eine Steuernummer zwecks Besteuerung als Kleinunternehmer gem. § 19 UStG erhalten (Mitteilung vom 7.7.2015) und zur Firmengründung Investitionen im Umfang von 2.688,00 Euro für Büromöbel und -einrichtung, Telefon etc. getätigt. Die Einnahmen und Betriebsausgaben seien von ihm ordnungsgemäß im Rahmen der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG dokumentiert worden. Das unternehmerische Risiko des Beigeladenen zu 3) liege darin begründet, die Dienstleistung ordnungsgemäß, vertrauensvoll und verlässlich zu erbringen, da anderenfalls Folgeaufträge fehlen könnten und die wirtschaftliche Existenz insoweit in Gefahr gerate.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.6.2021 zu ändern und den Bescheid vom 14.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2018 aufzuheben.

Die Beklagte, die sich durch das Urteil des SG bestätigt sieht, beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte 9 Js 977/17 der Staatsanwaltschaft (StA) Krefeld beigezogen und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Ermittlungsakte 9 Js 977/17 der StA Krefeld verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

 

 

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).

Das SG hat die Klage hinsichtlich der streitigen Nachforderung von Beiträgen und Umlagen in Höhe von 2.781,07 Euro zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2018 beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er nicht rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren (Umlagen U1 und U2) insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleich (vgl. z.B. BSG Urt. v. 29.6.2021 – B 12 R 8/19 R – juris Rn. 10 m.w.N.). Der gesetzliche Auftrag der Beitragsüberwachung schließt auch die Insolvenzgeldumlage nach § 358 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III mit ein (vgl. Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, § 28p SGB IV, Rn. 42), die gem. § 359 Abs. 1 S. 1 SGB III zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen ist.

1. Der Bescheid vom 14.9.2017 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat den Kläger insbesondere vor Erlass dieses ihn belastenden Verwaltungsaktes mit Schreiben vom 7.7.2017 ordnungsgemäß angehört (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X).

2. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu bestanden.

a) Zutreffend hat die Beklagte für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) in den Zeiträumen vom 1.7.2015 bis 31.12.2015, vom 1.2.2016 bis 28.2.2016 und vom 1.4.2016 bis 30.6.2016 Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung erhoben.

aa) Gem. § 28d S. 1 und 2 SGB IV sind Beiträge u.a. zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.

Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI]).

Der Beigeladene zu 3) war in den streitbefangenen Zeiträumen beim Kläger gegen Arbeitsentgelt gem. § 14 SGB IV beschäftigt.

Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen. Solche in Bindungswirkung erwachsene Feststellungen, die ausschließlich in Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen können, liegen nicht vor.

Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit maßgeblich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st. Rspr., vgl. etwa BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu ermitteln. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. vom 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 15; Senatsurt. v. 10.6.2020 – L 8 BA 6/18 – juris Rn. 36).

Für die Beurteilung ist – entgegen der Auffassung des Klägers – auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen. Diese sind nach seinem glaubhaften Vorbringen individuell vereinbart worden. Erst durch die Annahme des Auftrags durch den Beigeladenen zu 3) ist seine rechtliche Verpflichtung, die zugesagte Fahrertätigkeit auch tatsächlich auszuüben, entstanden. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art ist für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der Einzelaufträge bestehen (vgl. BSG Urteil v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 21 m.w.N.; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 48).

Der Senat ist ausgehend von diesen Maßstäben zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 3) in seiner Tätigkeit als Fahrer in den streitigen Zeiträumen in einem Beschäftigungsverhältnis zum Kläger gestanden hat.

Ausgehend von den zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 3) - mündlich - getroffenen vertraglichen Regelungen und der zwischen ihnen gelebten Vertragspraxis war der Beigeladene zu 3) weisungsgebunden (hierzu unter (1) und eingegliedert in die Betriebsorganisation des Klägers tätig (hierzu unter (2). Eine selbstständige Tätigkeit ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen (hierzu unter (3). In der Gesamtschau überwiegen die für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte deutlich (hierzu unter (4).

(1) Der Beigeladene zu 3) unterlag bei der Durchführung der jeweiligen Transporteinsätze einem weitreichenden Weisungsrecht des Klägers. Letzterer bestimmte über die Bereitstellung des Fahrzeugs sowie über dessen jeweilige Ladung, über die Auslieferungsorte und die zu beliefernden Kunden sowie ggf. über weitere Einzelheiten der Auslieferungsfahrten. Hieran war der Beigeladene zu 3) nach Auftragsannahme gebunden. Eigene Kunden belieferte er bei den hier streitigen Fahrten nicht, sondern ausschließlich Kunden des Klägers nach dessen Vorgaben. Er führte dieselben Fahrten durch wie der Kläger selbst und dessen Angestellte und unterlag dessen Disposition, ohne dass insoweit noch relevante Freiheiten bei der Gestaltung seiner Tätigkeit erkennbar sind.

(2) Der Beigeladene zu 3) war bei der Ausführung der angenommenen Aufträge auch vollumfassend in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert, da er als sein Erfüllungsgehilfe zur Erfüllung der Vertragspflichten gegenüber dessen Auftraggebern und mit den Betriebsmitteln des Klägers tätig geworden ist. Der Beigeladene zu 3) seinerseits hat –  arbeitnehmertypisch – ausschließlich seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.

(3) Wesentliche Aspekte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht ersichtlich.

(a) Weder verfügte der Beigeladene zu 3) über eine eigene Betriebsstätte hinsichtlich der hier streitigen Transportfahrten noch trug er insbesondere ein Unternehmerrisiko. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, denen sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 54), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (st. Rspr., vgl. zB BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 36 m.w.N.; Urt. v. 28.5.2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn. 27; Urt. v. 25.1.2001 – B 12 KR 17/00 R – juris Rn. 24). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt – entgegen der Auffassung des Klägers – kein Unternehmerrisiko bzgl. der einzelnen Einsätze (vgl. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 36).

Kapital für eigene Betriebsmittel hat der Beigeladene zu 3) nicht in relevantem Maß eingesetzt. Insbesondere hat er für seine Tätigkeit bei dem Kläger kein eigenes Fahrzeug genutzt. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt im Rahmen der dargelegten Maßstäbe zur Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit der Einsatz von eigenen Betriebsmitteln und das damit verbundene Investitionsrisiko wie oben ausgeführt ein für eine Selbstständigkeit sprechendes Indiz dar, wenn damit tatsächlich größere Freiheiten bzw. Verdienstchancen verbunden sind (vgl. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R –  juris Rn. 36 m.w.N.; BSG Urt. v. 11.3.2009 – B 12 KR 21/07 R – juris Rn. 20). Fehlen – wie hier – derartige Investitionen, so mangelt es entsprechend an einem (positiven) Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Darüber hinaus ist zudem aus dem Fehlen eigener Arbeitsmittel grundsätzlich dann umgekehrt auf eine (abhängige) Beschäftigung zu schließen, wenn die ausgeübte Tätigkeit regelmäßig mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden ist. Nur wenn es sich bei der streitigen Tätigkeit um eine solche handelt, bei der (auch) typischerweise keine Investitionen erforderlich sind, ist deren Fehlen nicht als relevantes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden anzusehen (vgl. BSG Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 3/17 R – juris Rn. 18 m.w.N.). Zu derartigen Tätigkeiten zählen vorrangig reine Dienstleistungen (vgl. BSG a.a.O), somit Tätigkeiten, deren maßgeblicher Kern im Einsatz von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können besteht und die in Relation dazu nicht in nennenswertem Umfang Arbeitsmaterialien erfordern (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 56).

Transportfahrten wie hier vom Beigeladenen zu 3) vorgenommen, setzen regelmäßig und gerade ganz wesentlich das Vorhandensein und die Nutzung eines Transportfahrzeugs voraus. Verfügt ein im Transportgewerbe tätiger Auftragnehmer nicht über ein eigenes Fahrzeug, sondern wird ihm dieses kostenfrei vom Auftraggeber gestellt, spricht dies damit maßgeblich gegen eine selbstständige Tätigkeit (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 57, ebenso LSG Hessen Urt. v. 31.1.2020 – L 8 BA 45/19 – juris Rn. 24 m.w.N.; Sächsisches LSG Urt. v. 22.4.2016 – L 1 KR 228/11 – juris Rn. 40 m.w.N.; LSG NRW Urt. v. 10.12.2009 – L 16 R 5/08 – juris Rn. 38 f. m.w.N.).

Dem fehlenden eigenen Fahrzeug kommt bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit daher eine mehrfache Indizwirkung zu: Zum einen zieht die hieraus resultierende notwendige Nutzung des Betriebsmittels des Auftraggebers wie bereits ausgeführt eine Eingliederung in dessen Betriebsorganisation nach sich. Zum anderen liegt das Investitionsrisiko als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit beim Auftraggeber und gerade nicht beim Auftragnehmer. Darüber hinaus kann der Auftragnehmer mangels eigenen Fahrzeugs keine unternehmerischen Gestaltungsspielräume für eine anderweitige Tätigkeit am Markt des Warentransports außerhalb einer abhängigen Beschäftigung als Transportfahrer nutzen (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 58; ebenso LSG Hessen Urt. v. 31.1.2020 – L 8 BA 45/19 – juris Rn. 24; BSG Urt. v. 11.3.2009 – B 12 KR 21/07 R – juris Rn. 20). Gibt aber das Fahrzeug der Transporttätigkeit das maßgebliche Gepräge, kann dahinstehen, ob und vor welchem Hintergrund der Beigeladene zu 3), wie behauptet, mit Beginn der hier streitigen Tätigkeit in nennenswertem Umfang Büromöbel und -einrichtung angeschafft hat.

Soweit eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub nicht gewährt worden ist, bleibt dieser Umstand ohne Relevanz (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 3.5.2021 – L 8 BA 68/20 B ER – juris Rn. 24). Vertragsklauseln bzw. vertragliche Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, lassen, auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus haben sie bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr setzen derartige Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus und sind daher eher Folge einer rechtsirrigen Statuseinschätzung als Indiz für eine solche. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 27 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 7.4.2021 – L 8 BA 58/20 B ER – juris Rn. 21 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 93 m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 - L 8 BA 153/19 - juris Rn. 68).

(b) Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 3) spricht gleichfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit ohne Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (vgl. z.B. Senatsurt. v. 17.12.2014 – L 8 R 463/11 –  juris Rn. 113 m.w.N.). Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen können vielmehr ausschließlich in den Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 65).

(c) Ebenso wenig ist das Erstellen von Rechnungen durch den Beigeladenen zu 3) ein für Selbstständigkeit sprechendes Indiz. Vielmehr handelt es sich hierbei letztlich nur um eine Folge der rechtlich fehlerhaften Statuseinordnung (vgl. Senatsurt. v. 30.10.2019 – L 8 R 838/16 – juris Rn. 79).

(d) Auch die vom Beigeladenen zu 3) vorgenommene Versteuerung seiner Einkünfte aus der Tätigkeit für den Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ist kein Indiz für Selbstständigkeit. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung wird – entgegen der Ansicht des Klägers – durch die steuerrechtliche Bewertung nicht determiniert, da zwischen arbeits- und sozialrechtlicher Einordnung einerseits und ihrer steuerrechtlichen Behandlung andererseits keine wechselseitige Bindungswirkung besteht (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 14.6.2019 – L 8 BA 12/18 B ER – juris Rn. 6 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.1.2019 – L 8 R 1020/16 – juris Rn. 97 m.w.N.).

(e) Ebenfalls kann der Kläger seine Annahme einer Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 3) nicht aus der Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens gem. § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung herleiten. Bindende sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen können nur von den zuständigen Sozialleistungsträgern in den Verfahren gem. §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV und von den Sozialgerichten getroffen werden.

(f) Auch die Höhe der vom Beigeladenen zu 3) in Rechnung gestellten Vergütung kann die Annahme von Selbstständigkeit nicht begründen. Vielmehr ist die Honorarhöhe nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien (vgl. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 36 f. m.w.N.), das vorliegend keinen Ausschlag gibt. Die Höhe der Vergütung einer Leistung ist vielmehr als Ausdruck des Parteiwillens zu werten, dem generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zukommt, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er – anders als hier – durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Nicht hingegen kann eine Selbstständigkeit hierdurch vorfestgelegt werden (vgl. BSG a.a.O.; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 64).

(g) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt schließlich der Möglichkeit des Beigeladenen zu 3), insbesondere auch im Zusammenspiel mit der Auftragsausführung für andere Arbeitgeber frei über eine Auftragsannahme oder -ablehnung entscheiden zu können, keine relevante Indizwirkung für eine selbstständige Tätigkeit zu. Vielmehr stellt sich die Situation für ihn vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für jeden Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf. befristete Teilzeit-)Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind (vgl. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 28). Eine Selbstständigkeit wird auch nicht allein durch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber begründet. Vielmehr erhält dieses Kriterium erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotene Leistung, an Gewicht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 7.6.2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 33; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 63 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 12.2.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 19 m.w.N.). Derartige Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

(4) Nach der gebotenen Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte überwiegen die Kriterien, die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 3) sprechen.

Angesichts des Umstandes, dass sich die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV gesetzlich ausdrücklich hervorgehobenen ("insbesondere") Kriterien für eine abhängige Beschäftigung einer Weisungsgebundenheit und Eingliederung feststellen lassen und der Beigeladene im Streitzeitraum weder über eine eigene Betriebsstätte verfügt noch ein unternehmerisches Risiko getragen hat, sprechen alle wesentlichen Abgrenzungskriterien für eine abhängige Beschäftigung und damit gegen eine selbstständige Tätigkeit. Eine Selbstständigkeit kann demzufolge auch nicht dadurch begründet werden, dass dies von ihm und dem Antragsteller so gewünscht war. Der Wille der Beteiligten kann generell nur dann von Bedeutung sein, wenn der Abwägungsprozess – anders als hier – kein Überwiegen von Gesichtspunkten für den einen oder den anderen Status ergibt (vgl. z.B. BSG Urt. v. 14.3.2018 – B 12 R 3/17 R – juris Rn. 13 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105). Der sozialversicherungsrechtliche Status unterliegt keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 68 m.w.N.; BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 37 m.w.N.). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 3.4.2014 – B 5 RE 9/14 R – juris Rn. 47 m.w.N.; Senatsurt. v. 23.11.2020 – L 8 BA 155/19 – juris Rn. 105).

bb) Beiträge sind vom Kläger für den Beigeladenen zu 3)  in den Zeiträumen vom 1.7.2015 bis 31.12.2015, vom 1.2.2016 bis 28.2.2016 und vom 1.4.2016 bis 30.6.2016 auch zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu zahlen, wenngleich hier wegen Bezugs einer Regelaltersrente gem. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung und wegen Erreichens der Regelaltersgrenze gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit bestand (vgl. z.B. BSG Urt. v. 23.2.2021 – B 12 R 15/19 R – juris Rn. 37).

Die Beitragspflichten des Arbeitgebers für eine gem. §§ 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI, 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungsfreie Beschäftigung folgen aus §§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, 346 Abs. 3 S. 1 SGB III. Hiernach hat der Kläger als Arbeitgeber für den bei ihm beschäftigten – vgl. hierzu bereits oben – Beigeladenen zu 3) die Hälfte des Beitrages zu tragen, der bei Versicherungspflicht zu zahlen wäre.

b) Für die Zeiträume vom 1.1.2016 bis 31.1.2016, vom 1.3.2016 bis 31.3.2016, vom 1.7.2016 bis 31.7.2016 und vom 1.10.2016 bis 31.12.2016 waren – wie von der Beklagten ebenfalls zutreffend angesetzt – Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen. Zwar bestand hier wegen Entgeltgeringfügigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungsfreiheit. Gleichwohl hat der Kläger als Arbeitgeber Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gem. §§ 249b S. 1 SGB V, 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI zu entrichten. Beiträge zur Arbeitslosen- und zur Pflegeversicherung fallen hingegen nicht an und sind von der Beklagten auch nicht berechnet worden.

Umlagen U1 und U2 sind in den gesamten streitigen Zeiträumen gem. § 7 AAG vom Kläger zu erheben, die Umlage UI gem. § 358 Abs. 2 SGB III.

d) Hinsichtlich der Höhe der Nachforderung hat der Kläger Unrichtigkeiten nicht geltend gemacht. Diese sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder erstattungsfähig noch sind diese mit Kosten zu belasten, da sie von einer Antragstellung abgesehen haben (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 u. 3, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz und entspricht der zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung streitigen Beitragsforderung.

 

Rechtskraft
Aus
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