L 11 R 406/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 193/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 406/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand

Die Klägerin macht als Sonderrechtsnachfolgerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für ihren im Laufe des Verfahrens 2021 verstorbenen Ehemann (im Nachfolgenden: Versicherter) geltend.

Der 1968 geborene Versicherte war Fischwirt und zuletzt als Mitarbeiter im Bereich der Agrarwissenschaft der U G versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde im Jahr 2015 aufgelöst. Seither war der Versicherte arbeitsunfähig bzw arbeitslos. In dem Versicherungsverlauf des Versicherten (vgl Versicherungsverlauf vom 07.12.2020, Bl 207 ff der Akte des Sozialgerichts < SG-Akte >) waren zunächst bis 30.04.2016 Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen, teilweise aufgrund von Bezug von Leistungen eines Sozialleistungsträgers oder der Bundesagentur für Arbeit gespeichert. Für die Zeit vom 01.05.2016 bis 30.05.2016 ist Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug und für die Zeit vom 01.11.2019 bis 31.12.2019 der Bezug von Arbeitslosengeld II vermerkt.

Am 11.01.2016 stellte der Versicherte einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, da sich seine Leistungsfähigkeit seit einer Herzoperation im Jahr 2012 massiv verschlechtert habe. Er leide nach wie vor an deren Folgen sowie an Wirbelsäulenbeschwerden, einer angeborenen Hörminderung, Kreislaufbeschwerden, Konzentrationsproblemen, Schwindel und Depressionen.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den M. In seinem Gutachten vom 12.04.2016 nannte dieser folgende Diagnosen: Restbeschwerden nach kombinierter Herzoperation im September 2012, Schwindel bei Lagewechsel, allgemeine Leistungsminderung, 09/2012: Aortenklappenersatz bei hochgradiger Insuffizienz, jetzt leichte Stenose der Bioprothese, Bypass-Operation bei koronarer Herzerkrankung und Operation eines Aneurysmas der Aorta ascendens, Anpassungsstörung, somatoforme Beschwerdezuflüsse möglich, subjektive Beeinträchtigung des Gedächtnisses und der Konzentration, hochgradige Hörminderung beidseits, Verständigung möglich mit Hörgerät rechts, Raynaud-Syndrom, Kälteempfindlichkeit, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumbalbeschwerden ohne neuromuskuläres Defizit, Kniebeschwerden beidseits, endgradige Streckminderung beidseits, keine Gehbehinderung, beginnende Polyarthrose der Fingergelenke bei erhaltenem Greifvermögen, Analtresie, Operation als Säugling, gelegentlich Stuhlinkontinenz, grenzwertige Einschränkung der Nierenfunktion, Erhöhung der Harnsäure, anamnestisch: transitorische ischämische Attacke 2011, kein neurologisches Defizit. M stellte in der Untersuchung am 11.04.2016 keine Auffälligkeiten fest, die das zeitliche Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschränkten, wenn angemessene Funktionseinschränkungen berücksichtigt würden. Bei der Vielfalt der Beschwerden sollte jedoch vor der Entscheidung über den Rentenantrag eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden, wobei insbesondere der Schwerpunkt auf der Herzerkrankung und den psychischen Erkrankungen liegen sollte.

Vom 31.05.2016 bis 21.06.2016 wurde diese Reha-Maßnahme in der M1 Klinik B (Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie) durchgeführt. Im Entlassungsbericht sind die Diagnosen leichte depressive Episode, Zustand nach Aortenklappenersatz mittes Conduit-Ersatz (Bioprothese) am 10.09.2012 und Operation eines Aneurysmas der Aorta ascendens, Zustand nach 2-fach aortocoronarem Venenbypass am 10.09.2012 bei koronarer Herzkrankheit, hochgradige Hörminderung beidseits und Raynaud-Syndrom aufgeführt. Der Versicherte sei aus psychosomatischer und psychotherapeutischer Sicht für seine zuletzt ausgeübte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Fischwirt unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen sowie gegebenenfalls einer leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes für sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er aus psychosomatischer/psychotherapeutischer Sicht unter Berücksichtigung der aktuellen Funktionsstörungen und qualitativen Einschränkungen bei Durchführung einer angemessenen psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlung vollschichtig leistungsfähig. Es könne eine leichte (gegebenenfalls bis zeitweise mittelschwere) Tätigkeit zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen und überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr ausgeübt werden.

Mit Bescheid vom 11.07.2016 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Der Versicherte sei nach ihren medizinischen Ermittlungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Dagegen legte der Versicherte am 03.08.2016 Widerspruch ein. Die Aussagekraft des Reha-Entlassungsberichts sei fraglich. Insbesondere sei dort kein Belastungselektrokardiogramm durchgeführt worden. Seit seiner Herzoperation im September 2012 sei er nicht mehr belastbar, er würde in seiner Verfassung nirgendwo eine Probezeit überstehen. Es gehe dabei nicht nur um die Verfassung seines Herzens, sondern wie sein Körper insgesamt bei Belastungen verschiedener Art reagiere und massive Probleme mache.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien nach Auffassung ihres Sozialmedizinischen Dienstes keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Versicherten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.

Am 19.01.2017 hat der Versicherte Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, täglich sechs Stunden oder mehr zu arbeiten. Er leide unter einer Vielzahl von körperlichen Einschränkungen. Aufgrund des Zusammenspiels der Beschwerden sei es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Er hat einen Befundbericht des R vorgelegt. Außerdem hat er erneut geltend gemacht, dass kein Belastungselektrokardiogramm durchgeführt worden sei.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des H vom 14.08.2017. Dieser hat bei der Untersuchung des Versicherten am 07.08.2017 ein derzeitiges Leistungsvermögen von unter drei Stunden festgestellt und eine Herzkatheteruntersuchung für erforderlich erachtet. Die Diagnosen deckten sich weitgehend mit dem bisherigen Stand des Rentenverfahrens, jedoch habe sich der Schweregrad verändert. Es komme im Belastungselektrokardiogramm zu einer deutlichen Angina pectoris-artigen Symptomatik, auch hätten sich Endstreckenveränderungen gezeigt. Daher sei von einer Progression der koronaren Herzerkrankung auszugehen, eine Herzkatheteruntersuchung sei daher dringend zu empfehlen. Auch sei der BNP-Wert (B-Typ Natriuretisches Peptid-Wert; kardialer Marker in der Diagnostik der Herzinsuffizienz) in Ruhe erhöht, eine Herzinsuffizienz liege somit vor, es handele sich dabei um eine diastolische Herzinsuffizienz. Diese Diagnose sei bisher nicht gestellt worden. Die Leistungseinschränkungen seien seit Erstellung des Gutachtens festzustellen.

Nach Vorlage der Befunde des M2 (Medizinische Klinik II, Kardiologie und Angiologie des Klinikums O A) vom 28.08.2017 und des vorläufigen Entlassbriefs der chirurgischen Klinik I des O-Klinikums (S vom 05.09.2017) über den stationären Aufenthalt vom 28.08.2017 bis 06.09.2017 hat H das Leistungsvermögen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2019 nach Aktenlage mit über sechs Stunden täglich beurteilt.

Auf Antrag des Versicherten wurde der K mit der Erstellung eines Gutachtens auf dem Fachgebiet der Angiologie beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.09.2019 auf seinem Fachgebiet ein ausgeprägtes Raynaud-Syndrom der unteren Extremitäten mit Zustand nach distalen akralen Nekrosen unter Betablocker-Therapie, nach Absetzen vollständig abgeheilt und fortbestehend aber eine massive Kälteempfindlichkeit, ausgelöst durch eine ausgeprägte Vasospasmus-Neigung, am ehesten ausgelöst durch eine Critical-Illness-Polyneuropathie festgestellt. Es bestünde ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich. Herr K hat eine nervenärztliche Begutachtung angeregt.

Auf weiteren Antrag des Versicherten hat der E ein Gutachten über den Versicherten erstattet. In seinem Gutachten vom 27.04.2020 hat er auf seinem Fachgebiet die Diagnosen schwere depressive Episode und generalisierte Angststörung gestellt. Die Gesundheitsstörungen wirkten sich vor allem auf das Konzentrations- und Denkvermögen aus und insoweit auf die Fähigkeit, bei einer Sache zu bleiben, also auch auf das Durchhaltevermögen. Denkblockaden seien bei der psychiatrischen Exploration gut erkennbar gewesen (Dauer 90 Minuten). Eine Leistungserbringung über mehr als drei Stunden täglich sei nicht realistisch. Man werde davon ausgehen müssen, dass sich das psychiatrische Störungsbild seit Auslösung im Jahre 2012 stetig verschlechtert habe. Insoweit könne der Zeitpunkt des Beginns der Leistungsminderung nur grob geschätzt werden. Unter Berücksichtigung des aktenkundigen Befundes einer leichten depressiven Störung im Jahr 2016 (M1 Klinik/B), die aus Sicht der hiesigen Befunderhebung und unter Würdigung der übrigen Vorbefunde (vorbestehende psychische Vulnerabilität) nicht komplett nachvollziehbar sei, wäre der Beginn der Leistungsminderung ab dem 01.01.2018 anzunehmen. Die abweichende Einschätzung gegenüber der Beurteilung der psychosomatischen M1 Klinik/B 2016 gründe sich vor allem auf Denkhemmungen und Denkblockaden, die beim Versicherten evident seien und die somit auch die Introspektionsfähigkeit einschränkten. Das heiße, der Versicherte sei krankheitsbedingt zu einer Auflösung von dysfunktionalen Kognition nicht in der Lage. Insoweit könne er sich auch nicht mit dem von der M1 Klinik vermuteten Verleugnungstendenzen der psychischen Anteile an der Herzerkrankung verhaltenswirksam auseinandersetzen.

Mit Urteil vom 21.12.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Eintritt der Erwerbsminderung könne frühestens zum Zeitpunkt der Begutachtung durch E am 30.04.2020 angenommen werden, da dieser erstmals ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden festgestellt habe. Der Versicherte erfülle zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da er in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Ein Eintritt der Erwerbsminderung vor dem 01.07.2018, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch gegeben gewesen seien, sei nicht feststellbar.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 07.01.2021 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 01.02.2021 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Versicherten. Es sei in zeitlicher Hinsicht nicht nachzuvollziehen, dass hier vom SG erstmals ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden ab dem 30.04.2020 angenommen worden sei. Natürlich könne E nicht punktgenau den Zeitpunkt des Eintritts der für eine Erwerbsminderungsrente erforderlichen geringen Leistung feststellen. Er könne jedoch aufgrund der Eckpunkte (Auslösung des psychiatrischen Störungsbildes im Jahr 2012, Feststellung einer leichten depressiven Störung im Jahr 2016 sowie der Untersuchung des Versicherten im Rahmen der Begutachtung in 2020 andererseits und somit über einen Zeitraum von insgesamt acht Jahren) aufgrund fachärztlicher Erfahrung sehr wohl eine nachvollziehbare und schlüssige Einschätzung des Beginns der rentenrechtlich relevanten Leistungsminderung ab dem 01.01.2018 feststellen. Das SG verweise einerseits auf die psychische Vulnerabilität des Versicherten und bezeichne diese als nachvollziehbar, während es andererseits ausführe, dass eine fachspezifische Analyse der psychiatrischen Vorgeschichte fehle. Diese zunächst augenscheinlichen Widersprüche hätte das SG zu Gunsten des Versicherten auflösen müssen, indem es der Einschätzung von E gerade auch unter Berücksichtigung der gesamten Krankengeschichte, insbesondere auf der Grundlage der unstreitigen Verschlechterung der psychischen Erkrankung des Versicherten seit 2012 gefolgt wäre.

Nachdem der Versicherte 2021 verstorben ist und seine Ehefrau den Rechtsstreit fortgeführt hat, beantragt nunmehr die Klägerin,

das Urteil des Sozialgerichtes Ulm vom 21.12.2020 und den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten für diesen Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.01.2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 05.08.2021, die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.08.2021 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für den Versicherten.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung des streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung für den Versicherten aktivlegitimiert. Sie ist gem § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten, ihrem Ehemann. Sie lebte zum Zeitpunkt seines Todes 2021 mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Neben der Erwerbsminderung ist für die Gewährung einer Rente aber auch erforderlich, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass der Versicherte ua in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 bzw § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI).

Die erforderliche 3/5-Belegung ist für einen beliebigen Leistungsfall nach dem 01.07.2018 nicht erfüllt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nur vor, wenn die Erwerbsminderung spätestens im Juni 2018 eingetreten ist.

Bei Eintritt einer Erwerbsminderung im Juni 2018 konnte der Versicherte letztmals die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Der Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung (30.06.2013 bis 29.06.2018) verlängerte sich gemäß § 43 Abs 4 Nr 1 SGB VI um einen Monat aufgrund der im Fünf-Jahreszeitraum liegenden Anrechnungszeit von einem Monat. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug im Mai 2016 stellt gemäß § 58 Abs 1 Nr 6 iVm Abs 2 SGB VI eine Anrechnungszeit dar, weil hierdurch eine versicherte Beschäftigung unterbrochen ist. Zwar beträgt der Abstand der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug zur letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr als einen Monat, der notwendige Anschluss wird jedoch durch den Überbrückungstatbestand der Beitragszeit iSv § 55 Abs 1 SGB VI (vgl hierzu KassKomm/Gürtner, 116. EL September 2021, SGB VI § 58 Rn 80) aufgrund des Bezug von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, für die Pflichtbeiträge entrichtet worden sind, hergestellt. In dem verlängerten Zeitraum vom 30.05.2016 bis 29.06.2018 sind insgesamt 36 Monate mit Pflichtbeiträgen vorhanden (2013: 8 Monate; 2014: 12 Monate; 2015: 12 Monate; 2016: 4 Monate).

Bei Eintritt einer Erwerbsminderung im Juli 2018 lief der um die vorgenannte Anrechnungszeit von einem Monat aufgrund der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug verlängerte Fünf-Jahreszeitraum vom 01.06.2013 bis 30.06.2018. Es waren jedoch lediglich 35 Monate mit Pflichtbeiträge belegt (2013: 7 Monate, 2014: 12 Monate; 2015: 12 Monate; 2016: 4 Monate). Auch nach dem 01.07.2018 hat der Versicherte zu keiner Zeit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erneut erfüllt.

Der Eintritt einer Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß spätestens bis zum 30.06.2018 lässt sich jedoch beim Versicherten nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen. Der Nachweis für die den Anspruch begründenden Tatsachen muss hierbei im Wege des sog Vollbeweises erfolgen. Dies erfordert, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dies bedeutet, das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können; es darf kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen. Von dem Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen muss insoweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können (vgl BSG 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, juris; BayLSG 26.07.2006, L 16 R 100/02, juris; BSGE 45, 285; BSGE 58, 80). Können die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl BSG 23.10.1996, 4 RA 1/96, juris).

Im Vordergrund standen beim Versicherten Beschwerden auf kardiologischem und auf nervenärztlichem Fachgebiet. Daneben bestanden eine Hörminderung, Wirbelsäulenbeschwerden, die Folgen einer als Säugling operierten Analtresie und eine nach abgeklungenem Renaud-Syndrom zurückgebliebene Kälteempfindlichkeit. Die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen führten jedoch nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung, sondern nur zu solchen qualitativer Art. Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf die im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten des H vom 14.08.2017 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 15.01.2019), des Herrn K vom 30.09.2019 und des E vom 27.04.2020 sowie auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten des M vom 12.04.2016, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie auf den Reha-Entlassungsbericht über die vom 31.05.2016 bis 21.06.2016 in der M1 Klinik durchgeführte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation.

Hinsichtlich der vom Versicherten vordergründig beklagten kardiologischen Erkrankungen konnte der Eintritt einer Erwerbsminderung bis zum 30.06.2018 nicht nachgewiesen werden. Der Versicherte litt an einem Zustand nach Aortenklappenersatz mittels Conduit-Ersatz (Bioprothese) am 10.09.2012 und Operation eines Aneurysmas der Aorta ascendens und Zustand nach zweifach aortocoronarem Venenbypass am 10.09.2012 bei koronarer Herzkrankheit. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des M, dem Reha-Entlassungsbericht und dem Gutachten des H.

Im Jahr 2012 wurde beim Versicherten ein kombinierter Eingriff am Herzen vorgenommen. Im Vordergrund stand eine zunehmende schwere Aorteninsuffizienz, gleichzeitig wurde im Vorfeld eine koronare Herzerkrankung festgestellt, die mit einem Bypass versorgt wurde. Bei derselben Operation wurde ein Aneurysma der Aorta ascendens operiert. Nach den folgenden kardiologischen Kontrollen war von einem guten Operationsergebnis auszugehen. 2013 war eine Belastung bis max 135 W möglich. Im Rahmen der kardiologischen Kontrolle im September 2015 wurde von einem guten Operationsergebnis ausgegangen. Echokardiografisch konnte keine relevante Herzleistungsminderung festgestellt werden. Es zeigte sich eine leichte Stenose der Bioprothese beider Aortenklappen. Ein deutliches Herzgeräusch war zu hören. Klinisch fanden sich jedoch keine Hinweise einer schweren Herzleistungsminderung. Dies entnimmt der Senat dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten des M. Auch im Rahmen der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme 2016 konnten den subjektiv empfundenen Beschwerden am Tag nach Aufnahme (Schwindelgefühl, Gefühl von Schweißausbruch, thorakales Druckgefühl) im Rahmen einer zusätzlichen Überwachung auf der internistischen Überwachungsstation von den Kardiologen kein akutes somatisches Korrelat zugeordnet werden. Ein Herzinfarkt konnte ausgeschlossen werden. Es erfolgte die Sonografie des Herzens und der Carotiden. In dem Bericht des R vom 30.06.2016 war zwar beim Echokardiogramm nur eine Belastung bis 60 W möglich, dann erfolgte ein Abbruch wegen Atemnot. Medikamentöse Konsequenzen wurden hieraus jedoch nicht gezogen, auch ergab sich keine Indikation für invasive Maßnahmen. Bei der Untersuchung durch H am 07.08.2017 war wiederum eine Belastung bis 100 W möglich. H stellte zwar ein unter dreistündiges Leistungsvermögen fest. Diese Feststellung gründete sich jedoch auf eine Veränderung des Schweregrades der Herzerkrankung. Im Belastungsechokardiogramm kam es zu einer deutlichen Angina pectoris-artigen Symptomatik und es zeigten sich Endstreckenveränderungen. H ging von einer Progression der koronaren Herzerkrankung aus. Als Zeitpunkt des Eintritts der quantitativen Leistungsminderung gab er jedoch den Zeitpunkt des Gutachtens an. In dem kurz vor der Untersuchung durch H gefertigten Bericht des K1 vom 01.06.2017 wurde zwar ebenfalls ein Kollaps nach geringer Belastung im Belastungsechokardiogramm berichtet. Eine Angina pectoris-Symptomatik oder signifikante ST-Streckenveränderungen waren dort hingegen noch nicht feststellbar, auch wenn hier bereits eine Koronarangiographie empfohlen worden ist. Diese wurde am 28.08.2017 durchgeführt. Es stellte sich eine koronare 2-Gefäßerkrankung dar ohne aktuelle hämodynamisch bedeutsame Stenosierungen. Indikationen für eine Katheterintervention oder anderweitige Maßnahmen wurden nicht gesehen, eine konservative medikamentöse Behandlung wurde angeraten. Es kann in Anbetracht des geschilderten Verlaufs vor und nach der Untersuchung durch H nicht von einer mehr als sechs Monate andauernden Leistungsminderung ausgegangen werden. H kam dementsprechend nach Auswertung der Berichte im Januar 2019 nachvollziehbar zu einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen. Auch aus dem später noch vorgelegten Bericht des H vom 14.07.2020 ergab sich keine Zunahme der Beeinträchtigungen.

Insgesamt lässt sich keine rentenrelevante Erwerbsminderung durch die Beeinträchtigungen auf kardiologischem Gebiet nachweisen. Vielmehr hätte den Gesundheitsstörungen mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden können. Zumutbar wären nur noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gewesen. Vermieden werden sollten Arbeiten mit besonderer nervlicher Belastung, Arbeiten mit Voraussetzung einer ausreichenden Hörfähigkeit, Schichtarbeit, Akkordarbeit, Nachtarbeit und Arbeiten mit besonderer Exposition gegen Kälte und Zugluft. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des H vom 15.01.2019.

Neben den kardiologischen Erkrankungen lagen beim Versicherten im Schwerpunkt Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet vor. Bereits im Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2016 ist ausgeführt, dass sich hinsichtlich der kardiologischen Beschwerden Hinweise auf eine psychische Überlagerung ergeben haben. So konnten den subjektiv empfundenen Beschwerden am Tag nach Aufnahme im Rahmen einer zusätzlichen Überwachung auf der internistischen Überwachungsstation von den Kardiologen kein akutes somatisches Korrelat zugeordnet werden.

Der Versicherte litt unter schweren depressiven Episoden und einer generalisierten Angststörung. Die vom Versicherten unter anderem stark betonten Gedächtnislücken lassen sich mit der depressiven Störung erklären. Der Senat stützt sich insoweit dabei auf das Gutachten des E. Eine hirnorganische Komponente war zwar nicht völlig auszuschließen, andererseits jedoch bei einem komplett normalen Mini-Mental-Status-Test eher unwahrscheinlich. Hier hat der Versicherte die volle Punktzahl erreicht. Die Depression und generalisierte Angststörung, also ungerichtete, nicht näher zu beschreibende Ängste ohne konkretes Angstobjekt, sind vor dem Hintergrund der prämorbide Persönlichkeit des Versicherten erklärbar. Es ergab sich hieraus ein eingeschränktes Durchhaltevermögen. Die Gesundheitsstörungen wirkten sich nach den Angaben des E vor allem auf das Konzentrations- und Denkvermögen aus und insoweit auf die Fähigkeit, bei einer Sache zu bleiben, also auch auf das Durchhaltevermögen. Eine Leistungserbringung über mehr als drei Stunden war seiner Einschätzung zufolge nicht realistisch. Allerdings konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass diese Einschränkung bereits zum Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in rentenberechtigendem Ausmaß vorgelegen haben. Selbst wenn man davon ausgeht - was keiner Entscheidung bedarf -, dass die Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bzw der Untersuchung durch E zu einem auf weniger als sechs Stunden abgesunkenen Leistungsvermögens geführt haben, lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen, dass die Einschränkungen bereits im Juni 2018 in diesem Umfang vorgelegen haben. Zwar hielt E den Befund einer leichten depressiven Störung im Jahr 2016 in der Reha-Klinik in B in Anbetracht der von ihm erhobenen Befunde und unter Würdigung der übrigen Vorbefunde mit einer vorbestehenden psychischen Vulnerabilität nicht für komplett nachvollziehbar. Dennoch konnte auch er sich nicht von einem Vorliegen der qualitativen Leistungsminderung bereits zum damaligen Zeitpunkt überzeugen. Er hat daher eine Leistungsminderung ab dem 01.01.2018 angenommen, ohne dies jedoch näher zu begründen. Vielmehr hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt lediglich geschätzt werden könne. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, aus denen sich der Eintritt eines Leistungsfalls im Januar 2018 mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit nachweisen lässt. Der Versicherte befand sich nicht in psychotherapeutischer Behandlung. Dies spricht bereits gegen einen erheblichen Leidensdruck. Jedenfalls aber fehlt es insofern an objektiven Anknüpfungspunkten zum Nachweis des Eintritts einer Leistungsminderung. Nach dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik aus dem Jahr 2016 konnten keine relevanten kognitiven Störungen festgestellt werden. Im Affekt wirkte der Versicherte zwar klagsam, die affektive Schwingungsfähigkeit, Psychomotorik und Antrieb erschienen aber insgesamt ungestört. Bei der Begutachtung durch M gab der Versicherte zwar subjektiv Konzentrations- und Gedächtnisstörungen an. Im Laufe des zweistündigen Gesprächs waren jedoch keine auffälligen Defizite feststellbar. Der Versicherte ist nur in den ersten Jahren nach der Herzoperation ambulant bei einem Nervenarzt in Behandlung gewesen. Eine objektive Dokumentation von ausgeprägten kognitiven Störungen ist nicht vorhanden. Letztlich muss auch berücksichtigt werden, dass der Versicherte noch in der Lage war Auto zu fahren, sich morgens eineinhalb Stunden mit dem Handy zu beschäftigen und nachmittags drei Stunden am PC zu lesen oder zu schreiben. Dies wiederum spricht gegen Konzentrationsstörungen im rentenrelevanten Ausmaß.

Der Versicherte litt außerdem an einer hochgradigen Hörminderung beidseits, die mit einem Hörgerät rechts kompensiert war. Eine ordentliche Verständigung war während den Untersuchungssituationen möglich. E berichtete zwar von Schwierigkeiten, diese resultierten aus der Nutzung von Mundschutz angesichts der Corona-Pandemie. Nach Entfernung des Mundschutzes konnte der Versicherte besser verstehen, weil er von den Lippen ablesen konnte. Mit der Hörminderung lässt sich daher kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen begründen. Vielmehr war dieser Gesundheitsstörung mit qualitativen Einschränkungen Rechnung zu tragen. So waren Tätigkeiten, die ein besonderes Hörvermögen voraussetzen, nicht mehr zumutbar.

Auch die Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet begründeten keine quantitative Leistungsminderung. M wies zwar auf die Möglichkeit von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule hin. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war jedoch ausreichend erhalten, der Reflexstatus war seitengleich, ein neuromuskuläres Defizit bestand nicht. Es war eine leichte Streckminderung beidseits der Kniegelenke feststellbar, eine Gehminderung resultierte hieraus nicht. Ausweislich des Berichts des K2 vom 18.09.2019 wurde beim Versicherten eine Lumbalskoliose festgestellt. Es bestanden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und des rechten Iliosakralgelenks. Es zeigte sich ein flüssiges Barfuß-Gangbild, Zehenspitzenstand und Hackengang ohne Absinken waren ausführbar. Knie- und Hüftgelenke waren altersentsprechend beweglich. Es wurden krankengymnastische Übungsbehandlungen verordnet. Hieraus lassen sich lediglich qualitative Einschränkungen ableiten. Ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen ergibt sich daraus nicht.

Die als Säugling operierte Analtresie führte zwar zur gelegentlichen Stuhlinkontinenz. M konnte jedoch keinen schwerwiegenden Befund feststellen, der beispielsweise das Tragen von Windeln erforderlich gemacht hätte. Insofern lässt sich hieraus keine Leistungsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß ableiten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Versicherte jahrelang in der Lage gewesen ist, mit dieser Beeinträchtigung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Verschlechterung wurde insofern nicht geltend gemacht.

Das außerdem vorliegende schwere Raynaud-Syndrom konnte mit medikamentöser Behandlung gebessert werden. Es bestand eine massive Kälteempfindlichkeit fort. Hierdurch ergaben sich jedoch ebenfalls lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Kurzzeitige Tätigkeiten im Freien (bei kalter nasser Witterung), in kühlen Räumen, aber auch längere Arbeiten mit kalten Gegenständen oder kalten Flüssigkeiten (Putzen) sollten vermieden werden. Bei Beachtung dieser Vorgaben wäre eine sechsstündige Arbeit täglich möglich gewesen. Der Senat stützt sich auf das Gutachten des Arztes K vom 30.09.2019.

Der Versicherte war insbesondere auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R <juris> mwN). Die erforderliche Wegefähigkeit war zur Überzeugung des Senats gegeben. Eine Limitierung der Gehstrecke wurde von keinem der Gutachter festgestellt. Darüber hinaus war der Versicherte auch in der Lage, Auto zu fahren.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn – wie hier - Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit des Versicherten noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Versicherte hatte auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist gemäß § 240 SGB VI, dass der Versicherte vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Versicherte im Jahr 1968 und damit nach dem Stichtag geboren ist, scheidet dieser Anspruch aus. Es ist daher ohne Belang, ob er eine Tätigkeit als Fischwirt noch hätte ausüben können oder nicht.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Berichte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere die Gutachten von H E und Herrn K haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Versicherte verstorben ist, als das Verfahren bereits in der Berufungsinstanz anhängig war, ist es auch für die Klägerin gerichtskostenfrei (§ 183 Satz 2 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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