L 12 U 28/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 5911/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 28/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.12.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente anlässlich des Arbeitsunfalles vom 24.03.2014 streitig.

Die 1956 geborene Klägerin stürzte am 24.03.2014 im Rahmen ihrer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Verkäuferin bei der T S eine Kellerstufe hinab und fiel dabei auf die rechte Schulter. Der M befundete noch am Unfalltag eine schmerzhaft eingeschränkte Schulterbeweglichkeit sowie an beiden Knien einen Druckschmerz mit diskretem Erguss und diagnostizierte multiple Prellungen. Das aufgrund fortbestehender Beschwerden am 14.04.2014 durchgeführte MRT ergab eine posttraumatisch bedingte Fraktur des Glenoids mit Läsion des vorderen Labrums und Ausbildung einer vorderen Instabilität, eine begleitende Penitendinitis der Supraspinatussehne sowie einen ausgeprägten Gelenkerguss; eine Ruptur oder Teilruptur der Sehnen der Rotatorenmanschette wurde ausgeschlossen.

Das aufgrund fortbestehender Beschwerden durchgeführte CT am 05.06.2014 ergab nun eine Schulterluxation mit knöcherner Bankard-Läsion und kleiner Hill-Sachs-Impression rechts, weshalb eine stationäre Aufnahme der Klägerin im Klinikum S vom 16.06.2014 bis 21.06.2014 zur Durchführung einer diagnostischen Arthroskopie erfolgte. Der weitere Heilverlauf gestaltete sich schwierig, die Schultergelenksbeweglichkeit rechts war erheblich eingeschränkt, die Abduktion war auf 30 Grad limitiert (Zwischenbericht der Bklinik T1 vom 12.09.2014). Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit und Durchführung einer symptomatischen Schmerztherapie sowie Physiotherapie konnte eine durchgreifende Verbesserung nicht erzielt werden (u.a. Entlassbericht B1 vom 19.11.2014). Am 23.04.2015 wurde in der Bklinik T1 eine Arthroskopie des rechten Schultergelenkes mit Debridement sowie Bizepssehnentenotomie und SAD der rechten Schulter durchgeführt. In der Folgezeit ergab sich eine Besserung im Gesundheitszustand; so wurde bei der Untersuchung am 09.06.2015 in der Bklinik T1 eine Beweglichkeit des rechten Schultergelenks bei Anteversion (Vorwärtshebung) von 110 Grad, bei Abduktion (Seitwärtshebung) von 90 Grad festgestellt, auch der Schürzengriff war problemlos, der Überkopfgriff eingeschränkt möglich.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung bei S1 zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 01.06.2015. Der Gutachter gelangte unter dem 19.08.2015 zu dem Ergebnis, dass als wesentliche Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter bei Bruch der Schultergelenkspfanne sowie Impression des Oberarmkopfes und Zustand nach mehrfachen Schultergelenksoperationen, ein radiologisch sichtbarer verstärkter Gelenkverschleiß im Seitenvergleich im Bereich des rechten Schultergelenkes sowie drei gut verheilte Narben im Bereich der rechten Schulter von jeweils 1,5 cm bestünden. Die aktive Schultergelenksbeweglichkeit sei beidseits frei; lediglich bei gebeugtem Ellenbogen zeige sich eine limitierte Abduktion sowie Anteversion von 90 Grad endgradig stark schmerzhaft; der Nackengriff sei nicht und der Schürzengriff nicht sicher durchführbar. Die MdE betrage ab 01.06.2015 10 v.H.

Am 10.09.2015 stellte sich die Klägerin in der Klinik für Neurologie in S wegen immer noch fortbestehender Schmerzen im Bereich des rechten Armes vor und beklagte ein Zittern seit 01.06.2015 auch in Ruhe.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine neurologische Untersuchung bei B2. Dieser gelangte unter dem 19.01.2016 zu dem Ergebnis, dass auf neurologischem Fachgebiet keine Unfallfolgen bestünden. Die leichte Erkrankung der peripheren Nerven (Polyneuropathie) führe nicht zu einer alltagsrelevanten Beeinträchtigung und sei im Übrigen nicht Folge des Unfalles. Auch die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule seien nicht Unfallfolge. Die Hinweise auf ein leichtes Carpaltunnelsyndrom links seien weder alltagsrelevant noch Unfallfolge.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 07.03.2016 den Unfall als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Die MdE betrage nicht wenigstens 20 v.H. Die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule mit Einengung des Spinalkanals, das leichte Carpaltunnelsyndrom links und eine beginnende Neuropathie seien unfallunabhängig.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2016 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf das Gutachten des S1 und das Gutachten des B2.

Die Klägerin hat hiergegen am 02.11.2016 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, die Wirbelsäulenbeschwerden seien unfallbedingt und der Bericht des T2 vom 12.02.2016 sei nicht berücksichtigt worden.

Das SG hat S2 mit der Erstattung eines neurologischen Gutachtens beauftragt. Dieser ist aufgrund seiner ambulanten Untersuchung vom 30.08.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin keine Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet vorliegen würden. Die degenerative Osteochondrose im Bereich der Halswirbelsäule sowie die zervikale Myelopathie und die in ihrer Ätiologie ungeklärte Polyneuropathie, die arterielle Hypertonie sowie die mittelschwere Depression bzw. depressive Anpassungsstörung seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unfallunabhängig einzuschätzen.

Der Beurteilung des S2 ist die Klägerin entgegengetreten. Der Gutachter hätte ausführen müssen, was die Osteochondrose und die Polyneuropathie verursacht habe und weshalb die Depression nicht Resultat der Schulterverletzung gewesen sei.
 
Mit Urteil vom 07.12.2017 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das der Klägerin am 13.12.2017 zugestellte Urteil hat diese am 03.01.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung von Verletztenrente weiterverfolgt hat.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 07.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2016 abzuändern und ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf das ihre Auffassung bestätigende Urteil des SG.

Die Klägerin sowie die Beklagte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt: ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII).

Die Bemessung der MdE wird vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 25/05 R; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 24/00 R, m.w.N., beide in juris). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, Urteil vom 14.11.1984, 9b RU 38/84, juris). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 02.05.2001, a.a.O.). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, a.a.O; BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, juris). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind. Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R, juris).

Renten werden an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 72 Abs. 1 SGB VII).

Versicherungsfälle, aufgrund derer eine Rente in Betracht kommt, sind unter anderen Arbeitsunfälle (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 9/10 R, juris; BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris). Für die Gewährung einer Verletztenrente ist erforderlich, dass aufgrund des Gesundheitserstschadens länger andauernde und mit einer rentenberechtigenden MdE zu bewertende Unfallfolgen – Gesundheitsdauerschaden – entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität).

Ausgangsbasis für die Beurteilung der Kausalzusammenhänge ist in einer ersten Prüfungsstufe die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philo­sophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer 2. Prüfungs­stufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden beziehungsweise denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der „Gelegenheitsursache“ durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens – aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war –, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung, dass die Gesundheitsschäden im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich; die bloße Möglichkeit genügt insoweit nicht (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, alle juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris). Insbesondere bei psychischen Gesundheitsstörungen darf nicht aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen automatisch auf die Wesentlichkeit der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden. Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Kläger bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris). 

Die Klägerin hat bei dem von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall vom 24.03.2014 einen Bruch der Schultergelenkspfanne rechts (Bankart-Läsion) sowie eine Impression des Oberarmkopfes rechts (Hill-Sachs-Läsion) erlitten. Die hieraus resultierenden Folgen rechtfertigen seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 01.06.2015 keine MdE um 20 v.H. (1.). Die weiteren Gesundheitsstörungen sind nicht Folge des Arbeitsunfalles vom 24.03.2014 (2.).

1.
Die traumatische Schultergelenksverletzung ist durch MRT und CT von 2014 und 2015 zweifelsfrei belegt. Ferner steht fest, dass es in der Folgezeit zu zeitweise ausgeprägten und schmerzhaften Einschränkungen der Schultergelenksbeweglichkeit rechts gekommen ist. Auf Grund der Verletzungen wurden am 16.06.2014 sowie am 23.04.2015 operative Schultergelenksarthroskopien durchgeführt. Hierauf folgend ist es zu einer klinisch bedeutsamen Besserung der Schultergelenksbeweglichkeit gekommen, zunächst im November 2014 und im weiteren Verlauf nach der zweiten arthroskopischen Schultergelenksoperation im April 2015. So wurde im Zwischenbericht der Bklinik T1 anlässlich der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 09.06.2015 eine Beweglichkeit des Schultergelenks rechts von 110 Grad bei Anteversion, von 90 Grad bei Abduktion, von 10-0-15 Grad bei Innenrotation/Außenrotation, ein problemloser Schürzengriff und ein eingeschränkter Überkopfgriff beschrieben. Bei der gutachterlichen Untersuchung am 11.08.2015 durch S1 fand sich dann eine freie Beweglichkeit des Schultergelenks (Anteversion 180 Grad, Retroversion 50 Grad; Abduktion 180 Grad, Adduktion 20 Grad).

In Übereinstimmung mit den einschlägigen medizinischen Erfahrungssätzen (vgl. hierzu insbesondere Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 560 f.) rechtfertigen diese Bewegungsmaße keine MdE um 20 v.H.

Eine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. kann erst dann angenommen werden, wenn ein Vorwärts-/Seitwärtsheben nur bis 90 Grad möglich ist, wobei die Rotation im Übrigen frei sein muss. Auch eine MdE um 10 v.H. kann angenommen werden, wenn eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk vorliegt, die zu einer maximalen Vorwärts- und Seitwärtsanhebung bis 120 Grad führt. Im Hinblick auf die am 09.06.2015 und 11.08.2015 dokumentierten Bewegungsmaße, die zuletzt eine freie Beweglichkeit bei Anteversion und Abduktion zeigten, ist eine MdE um 10 v.H. lediglich unter Berücksichtigung des verstärkten Gelenkverschleißes sowie der Operationsnarben vertretbar, wie von S1 vorgeschlagen.

2.
Die bei der Klägerin ferner bestehende Polyneuropathie, die Osteochondrose im Bereich der Halswirbelsäule mit spinaler Enge und beginnender zervikalen Myelopathie sowie die Depression sind – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht Unfallfolgen. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund des Gutachtens des S2, welches im Einklang mit den gutachterlichen Feststellungen des B2 steht, fest.

Beide Gutachter haben Hinweise auf eine unfallbedingte Schädigung der peripheren Nerven und des Armnervengeflechts auf der rechten Seite, der Halswirbelsäule und des zervikalen Rückenmarks verneint. Für eine Verursachung der festgestellten distal symmetrischen, sensibel betonten Polyneuropathie ungeklärter Ätiologie durch das Unfallereignis vom 24.03.2014 ergaben sich keine medizinisch-neurologischen Anhaltspunkte. Eine direkte Unfallverursachung haben die Gutachter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Auch eine sekundäre unfallbedingte Verursachung, z.B. im Rahmen einer sog. Critical-Illness-Polyneuropathie, welche bei einer Sepsis, einem Multiorganversagen oder vereinzelt auch bei einem Schädel-Hirn-Trauma auftreten kann, ist bei der Klägerin ebenfalls auszuschließen. Hinsichtlich der kernspintomographisch zweifelsfrei belegten degenerativen Osteochondrose im Bereich der Halswirbelsäule mit multisegmentaler zervikal-spinaler Enge, die sich in einer Bewegungseinschränkung beider Arme und einer ataktischen Gangstörung zeigt, ist ebenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Unfallzusammenhang zu verneinen, so überzeugend die Gutachter B2 und S2. Eine Verletzung der Halswirbelsäule bei dem Treppensturz am 24.03.2014 ist nicht belegt und entsprechend der klinischen Symptom- und Beschwerdeentwicklung auch medizinisch-neurologisch nicht zu erwarten.

Gegen eine Verursachung der von S2 festgestellten Depression bzw. depressiven Anpassungsstörung durch die traumatische Schultergelenksverletzung rechts sprechen die beiden Zeiträume der nachhaltigen klinischen Bewegungsbesserung des rechten Schultergelenks ab November 2014 sowie nach der zweiten arthroskopischen Schultergelenksoperation im April 2015, so überzeugend S2. Die Depression bzw. die depressive Anpassungsstörung ist zwar als Reaktion auf eine somatisch begründete Erkrankung aufzufassen, sie steht jedoch im Zusammenhang mit der jetzt beidseitig vorhandenen Bewegungseinschränkung beider Arme, der ataktischen Gangstörung sowie der notfallmäßigen stationären neurologischen Behandlung der Klägerin wegen dieser Beschwerden im Jahr 2016. Eine Mitverursachung durch die Schultergelenksverletzung im März 2014 schließt S2 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Arztbericht des T2. Die dort mitgeteilten Befunde und Ergebnisse der Zusatzdiagnostik entsprechen den Feststellungen des S2. Eine Aussage zur Kausalität findet sich darin nicht, sodass auch eine abweichende Einschätzung nicht vorliegt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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