L 12 U 1313/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2569/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 1313/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Kläger wendet sich gegen die Weiterleitung eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe durch die Beklagte an die D N (DRV).

Der 1962 geborene Kläger erlitt 1993 einen Arbeitsunfall, bei der er sich eine Verletzung am Arm zuzog. Er erhielt zunächst eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H., seit 01.10.2019 erhält er eine Rente aufgrund einer MdE um 30 v.H. Im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle schlug K unter dem 03.06.2020 psychosomatische Rehabilitationsmaßnahmen vor. Dies wertete die Beklagte als Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und leitete diesen am 08.06.2020 an die DRV weiter, da sie für psychosomatische Leistungen nicht der zuständige Träger sei. Am gleichen Tag informierte sie die Bevollmächtigten des Klägers über die Weiterleitung.

Hiergegen legte der Kläger am 22.06.2020 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2020 als unzulässig verwarf. Das Schreiben vom 08.06.2020 stelle keinen Verwaltungsakt dar.

Am 08.10.2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, da auch eine Zuständigkeitsfrage durch einen Verwaltungsakt geregelt werden könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.04.2021 hat das SG die Klage abgewiesen, da die Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen habe.

Gegen den Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 14.04.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Bei der Weiterleitung handle es sich um einen negativen Verwaltungsakt mit Außenwirkung. Er habe gegenüber der Beklagten Anspruch auf Durchführung der Leistung zur Teilhabe.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.04.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 zu verurteilen, den Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu bescheiden und es bei der Zuständigkeit der Beklagten zu belassen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
 
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Anfragen des Senats, ob die Maßnahmen zu Rehabilitation zwischenzeitlich durchgeführt wurden, hat der Kläger nicht reagiert.

Mit Schreiben vom 22.12.2021 (Beklagte) und 30.12.2021 (Kläger) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Schreiben der Beklagten vom 08.06.2020. Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers hiergegen zu Recht als unzulässig verworfen.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG kann sich ein Widerspruch nur gegen einen Verwaltungsakt richten, der jedoch in dem Schreiben vom 08.06.2020 nicht gesehen werden kann. Gemäß § 31 Zehntes SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die in § 14 Abs. 1 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorgesehene Weiterleitung an den zuständigen Träger beinhaltet indes keine Regelung mit Außenwirkung (Kossens/von der Heide/Maaß/Grauthoff, 4. Aufl. 2015, SGB IX § 14 Rn. 9; Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 14 SGB IX, Stand 15.01.2018, Rn. 85). Auch fehlt es am Über-Unterordnungsverhältnis. Vielmehr liegt schlichtes Verwaltungshandeln vor (Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Aufl. 2020, Rn. 10). Der erstangegangene Träger trifft mit der Weiterleitung gerade keine Feststellung über die Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers und auch keine bindungsfähige Entscheidung über die eigene Zuständigkeit. Es handelt sich um eine schlichte Weiterleitung des Vorgangs an eine zuständige Stelle. Der zweite Träger wird nicht deshalb verpflichtet, weil der erste Träger dies so entschieden hat, sondern allein, weil das Gesetz an die Tatsache der Weiterleitung Folgen knüpft (Kossens/von der Heide/Maaß/Grauthoff, a.a.O.).

Die Information der Beklagten an den Kläger über die Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX stellt (ebenfalls) keinen Verwaltungsakt dar. Auch hier fehlt es an einer Regelung, da lediglich über die verwaltungsinterne Abgabe des Vorgangs an die – im Idealfall materiell-rechtlich – zuständige Stelle informiert wird (Ulrich, a.a.O., Rn. 85). Rechtswirkungen für den Antragsteller ergeben sich nicht durch die Weiterleitung als solche, sondern erst infolge der ihm gegenüber zu treffenden Sachentscheidung des zweitangegangenen Trägers (Ulrich, a.a.O., Rn. 87).

Insgesamt sind weder der zweitangegangene Rehabilitationsträger noch der Antragsteller gegenüber der Weiterleitung widerspruchs- und klagebefugt, da andernfalls auch der allein zu Gunsten des Antragstellers bestehende Schutzzweck des § 14 SGB IX leerliefe. Die Vorschrift zielt darauf ab, durch rasche und dauerhafte Zuständigkeitsklärung Nachteilen des gegliederten Systems im Interesse des Antragstellers entgegenzuwirken. So wie es diesem Zweck widerspräche, für das Außenverhältnis zum Antragsteller neben der Zuständigkeit eines Trägers nach § 14 SGB IX eine Zuständigkeit des eigentlich materiell-rechtlich Verpflichteten für möglich zu halten, würde dieses Ziel durch eine Anfechtung der Weiterleitung seitens des Antragstellers vereitelt (BSG, Urteil vom 20.10.2009, B 5 R 5/07 R, juris). Überdies besteht für den Antragsteller auch schon deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der zweitangegangene Träger alle in der jeweiligen Bedarfssituation in Betracht kommenden materiellen Leistungsrechte, gleichviel aus welchem Buch des Sozialgesetzbuchs sie stammen, anzuwenden hat (Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, a.a.O. Rn. 13).

Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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