L 3 SB 2384/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 172/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2384/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.04.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der Beklagte hatte für den im Jahr 1968 geborenen Kläger unter Zugrundelegung beigezogener ärztlicher Unterlagen, insbesondere des Entlassungsberichts der Klinik W, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vom 03.12.2012 und des Arztbriefs des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H vom 19.12.2012, in denen über eine rezidivierende depressive Störung mit einmal leichter und einmal mittelgradiger Episode sowie eine anankastische Persönlichkeitsstörung berichtet worden war, und der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B vom 26.02.2013, in der eine depressive Verstimmung und eine seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20, degenerative Veränderungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10, eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks mit einem Einzel-GdB von 10 sowie ein Verlust des rechten Hodens mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 20 beurteilt worden waren, mit Bescheid vom 06.03.2013 den GdB mit 20 seit 31.12.2012 festgestellt.

Der Kläger beantragte am 20.12.2013 die Erhöhung des GdB. Der Beklagte zog über K diverse ärztliche Unterlagen, insbesondere das für die Deutsche Rentenversicherung erstellte Gutachten des N vom 30.01.2013, in dem eine hochgradige Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik beschrieben wurde, bei und holte den Befundbericht des P vom 23.06.2014 ein, in dem eine rezidivierende depressive Störung mit eingeschränkter Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit sowie sozialen Anpassungsschwierigkeiten dargelegt wurden. L hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.07.2014 an der bisherigen GdB-Bewertung fest. Sodann holte der Beklagte einen aktualisierten Befundbericht des P vom 08.09.2014 ein und zog über ihn den Arztbrief des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit M vom 10.07.2014 bei, in dem über eine rezidivierende depressive Störung in mittelgradiger Episode und eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung berichtet wurde. Die Versorgungsärztin A hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.09.2014 an der bisherigen GdB-Bewertung fest. Ferner holte der Beklagte den Befundbericht des J vom 13.10.2014 ein, in dem die Diagnosen Senk-Spreizfüße, Funktionsstörung der Fußwurzel und des unteren Sprunggelenks rechts, Gonalgie links, Fersensporn rechts, Lumbalgie sowie chronische rezidivierende Epicondylitis rechts genannt wurden. Daraufhin berücksichtigte B in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.11.2014 zusätzlich eine Gebrauchseinschränkung beider Füße im Rahmen des für die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks vergebenen Einzel-GdB von 10 und hielt weiterhin einen Gesamt-GdB von 20 für zutreffend. Daher lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.11.2014 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 10.12.2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 19.01.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben.

Das SG Mannheim hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und diverse ärztliche Unterlagen beigezogen. J hat unter dem 21.04.2015 eine Achillodynie rechts, eine Gonalgie links bei Zustand nach Arthroskopie des linken Kniegelenks, einen Zustand nach Außenbandruptur des rechten oberen Sprunggelenks und eine BWK-7-Fraktur angegeben. P hat in seiner Auskunft vom 08.08.2015 (Bl 26), korrigiert unter dem 18.02.2016, erneut auf die rezidivierende depressive Störung und die Persönlichkeitsstörung im Sinne einer ängstlich-depressiven Symptomatik mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten hingewiesen. Er hat insbesondere den Entlassungsbericht der E Fachkliniken GmbH in S vom 20.01.2014 vorgelegt, in dem unter anderem eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Episode und ein Zustand nach schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome als Diagnosen genannt wurden. Sodann hat der Beklagte aufgrund der versorgungsärztlichen Stellungnahme des W1 vom 10.12.2015, in der nun die Depression und die seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 30 beurteilt worden sind, mit Schreiben vom 15.12.2015 einen GdB von 30 seit 20.12.2013 anerkannt. Dieses Anerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen. Der Beklagte hat sodann mit Ausführungsbescheid vom 12.04.2016 den GdB mit 30 seit 20.12.2013 festgestellt. Ferner hat der Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2017 den Bescheid vom 06.03.2013 abgeändert und den GdB mit 30 seit 21.12.2012 festgestellt.

Das SG Mannheim hat von Amts wegen das Gutachten des P1 vom 06.04.2016 eingeholt. Er hat einen mit Verformung ausgeheilten Bruch des BWK 7 ohne Achsenfehlstellung der Wirbelsäule und ohne nennenswerte Funktionsstörungen sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule den Einzel-GdB mit 10 eingeschätzt. Der Kläger hat das für die R+V Allgemeine Versicherung AG erstellte Gutachten des Z vom 20.04.2016 vorgelegt, in dem eine Minderbelastbarkeit bei posttraumatischer Keilwirbelbildung BWK 7 beschrieben worden ist.

Das SG Mannheim hat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des K1 vom 01.12.2017 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, beim Kläger sei aktuell nur eine leichtgradige depressive Symptomatik feststellbar, die eher den Diagnosekriterien einer Dysthymia als denen einer depressiven Episode entspreche. Die depressive Symptomatik sei leicht bis mittelschwer und mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und richtig bewertet. In diese Bewertung fließe vor allem auch die Krankheitsgeschichte des Klägers mit rezidivierenden depressiven Episoden ein. Da es für ihn keinen Grund gebe, an der Richtigkeit der anderweitigen Einzel-GdB-Werte auf orthopädischem Fachgebiet zu zweifeln, sei der Gesamt-GdB mit 30 anzusetzen. Der Kläger hat die Stellungnahme des P vom 08.02.2018 vorgelegt, in der dieser der diagnostischen Einordnung als leichte depressive Symptomatik beziehungsweise als Dysthymia widersprochen und ausgeführt hat, es sei vielmehr eine schwerwiegende seelische Erkrankung mit einer deutlichen Wesensveränderung und einer deutlichen Reduktion der Teilhabe festzustellen, zumal im Rahmen der vielfachen stationären Behandlungen durchgehend eine rezidivierende depressive Störung mittelschwerer bis schwerer Ausprägung beschrieben worden sei und N eine hochgradige Anpassungsstörung beschrieben habe.

Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 27.04.2018 die Klage abgewiesen. Für die Beeinträchtigungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet sei ein höherer Einzel-GdB als 30 nicht zu begründen. Vor dem Hintergrund der vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit M und von P mitgeteilten Befunde seien die Gesundheitsstörungen des Klägers allenfalls im unteren Bereich der stärker behindernden Störungen anzusiedeln. Ausgeprägtere depressive, hypochondrische, athenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert und somatoforme Störungen oder schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die zu einem höheren Einzel-GdB führen könnten, seien dagegen nicht zu objektivieren. Diesem Ergebnis entspreche das Gutachten des K1. Hinsichtlich der Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule könne nach den überzeugenden gutachtlichen Feststellungen des P1 kein höherer Einzel-GdB als 10 begründet werden. Im Übrigen seien auch der Auskunft des J sowie dem Gutachten des Z keine überzeugenden zu einem anderen Ergebnis führenden wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen zu entnehmen. Der Verlust des rechten Hodens bedinge mangels zu einem höheren GdB führenden mitgeteilten wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen allenfalls einen Einzel-GdB von 10. Des Weiteren sei im Bereich der unteren Extremitäten mangels überzeugender Anhaltspunkte für eine entsprechende funktionsrelevante Beeinträchtigung ein Einzel-GdB von mindestens 10 nicht zu begründen. Nach alledem betrage der Gesamt-GdB 30.

Der Kläger hat, nachdem er bereits am 09.05.2018 beim Beklagten einen weiteren Erhöhungsantrag gestellt hat, gegen das ihm am 11.06.2018 zugestellte Urteil des SG Mannheim am 05.07.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Aktenkundig geworden sind die in einem Rentenverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskünfte des K vom 26.03.2018 und des P vom 18.04.2018. Der Kläger hat den Entlassungsbericht der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der S_Klinik in A vom 03.08.2018 vorgelegt, in dem die Diagnosen Zwangsgedanken und -handlungen, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen, Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe, beidseitige Gonarthrose sowie Prostatahypertrophie dargelegt worden sind.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. April 2018 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2014 und des Ausführungsbescheides vom 12. April 2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit 50 seit 20. Dezember 2013 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des W1 vom 18.09.2018 vorgelegt, in der dieser an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten hat.

Sodann hat der Kläger den Entlassungsbericht der Rehaklinik G in W2 vom 13.12.2016 vorgelegt, in dem die Diagnosen rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger depressiver Episode und Brustwirbelsäulensyndrom dargelegt worden sind. Er hat außerdem den Entlassungsbericht der Klinik W, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vom 14.11.2018 vorgelegt, in dem die Diagnosen kombinierte Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Episode, Somatisierungsstörung, generalisierte Angststörung, Patellaspitzensyndrom rechts, Quadrizepsansatztendinose, Prostatahyperplasie, Brustwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach BWK-7-Fraktur, Spannungskopfschmerz sowie Zustand nach Orchidektomie dargelegt worden sind. Der Kläger hat ferner die für die R+V Allgemeine Versicherung AG erstellte Gutachten der F-W vom 12.06.2018 und 15.11.2018 samt Zusatzgutachten des M1 vom 06.11.2018 vorgelegt, in denen eine mit einer 20%igen Invalidität einzuschätzende deutliche Brustwirbelsäulenkyphose mit erheblicher funktionaler Einschränkung sowie altersentsprechende degenerative Veränderungen in der Hals- und Lendenwirbelsäule beschrieben worden sind. Er hat ferner den Bericht der Rhein-Neckar-Orthopädie vom 20.12.2018 vorgelegt.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Rechtsstreit mit den Beteiligten am 24.01.2019 erörtert. Dem sodann von ihm unter dem 28.01.2019 unterbreiteten Vergleichsvorschlag, den GdB mit 40 festzustellen, hat der Beklagte, nicht aber der Kläger zugestimmt. Der Kläger hat das sodann vom Beklagten mit Schreiben vom 05.03.2019 auf einen GdB von 40 seit 24.01.2019 gerichtete Teil-Anerkenntnis mit Schreiben vom 21.03.2019 angenommen und die Klage im Übrigen aufrechterhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils vom 27.04.2018, die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 10.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2014 sowie des Ausführungsbescheides vom 12.04.2016 und die Verpflichtung des Beklagten, über den im Wege des vom Kläger angenommenen Teil-Anerkenntnisses anerkannten GdB von 40 seit 24.01.2019 hinaus den GdB des Klägers mit 50 seit 20.12.2013 festzustellen. Dieses Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 für die Zeit vom 20.12.2013 bis zum 23.01.2019 und auch nicht eines höheren GdB als 40 seit 24.01.2019.

Ermächtigungsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-1 Jetzt43).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist bei einer Änderung im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 für die Zeit vom 20.12.2013 bis zum 23.01.2019 und auch nicht eines höheren GdB als 40 seit 24.01.2019.

Die Behinderungen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sind zu Recht mit einem Einzel-GdB von zunächst 30 und sodann 40 beurteilt worden.

Zwar ist im Entlassungsbericht der Klinik W, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vom 03.12.2012, im Arztbrief des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H vom 19.12.2012, im Gutachten des N vom 30.01.2013, im Entlassungsbericht der E Fachkliniken GmbH in S vom 20.01.2014, im Arztbrief des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit M vom 10.07.2014, im Entlassungsbericht der Rehaklinik G in G1 vom 13.12.2016, im Entlassungsbericht der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der S-Klinik in A1 vom 03.08.2018 und im Entlassungsbericht der Klinik W, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vom 14.11.2018 jeweils eine rezidivierende depressive Störung mit teilweise leichter, teilweise mittelgradiger Episode sowie überwiegend eine Persönlichkeitsstörung, teilweise mit Zwangsgedanken und -handlungen sowie Angststörung verbunden, diagnostiziert worden. Entgegen der Einschätzung des den Kläger behandelnden P im Befundbericht vom 23.06.2014 in der aktualisierten Fassung vom 08.09.2014, in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.08.2015 in der korrigierten Fassung vom 18.02.2016 und in der Stellungnahme vom 18.04.2018 sowie des N im Gutachten vom 30.01.2013 ist die psychiatrische Erkrankung des Klägers nicht mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Sinne einer die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigenden schweren Störung verbunden.

Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des K1 vom 01.12.2017. Dieser hat auf der Grundlage von zwei Explorationsterminen das Bewusstsein und die Orientierung als ungestört, die Aufmerksamkeit und Konzentration als ungestört, die Stimmung als nicht depressionstypisch, die emotionale Schwingungsfähigkeit als erhalten sowie den Antrieb als nicht vermindert beschrieben sowie Wahrnehmungs-, Ich- und Denkstörungen verneint. Aus diesem Befund hat der Sachverständige überzeugend auf eine allenfalls zu einer Dysthymia passende leichtgradige depressive Symptomatik geschlossen und zutreffend die in der Selbsteinschätzung des Klägers im ICD-10-Symptomrating und im Beck-Depressionsinventar angegebenen schweren Störungen relativiert, indem er zwar den vom Kläger subjektiv erlebten Überforderungssituationen am Arbeitsplatz mit Benachteiligungen, Gängelungen und weitem Anfahrtsweg sowie angegebenen Partnerschaftskonflikten dadurch Rechnung getragen hat, dass er dabei die vom Kläger angegebene Belastung, Niedergedrücktheit, Lustlosigkeit, fehlende Motivation, Beeinträchtigung der Lebensfreude und Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit mitberücksichtigt hat. Der Sachverständige hat aber völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger die von ihm empfundene, mit leichtgradiger depressiver Symptomatik verbundene, Belastungssituation deutlich ausgestaltet. Daher und vor dem Hintergrund, dass der Kläger, der nach seinen Angaben gegenüber K1 verheiratet ist und zwei Kinder hat, als ausgebildeter Bankkaufmann mit anschließendem Betriebswirtschaftsstudium eine Arbeitsstelle bei einer Bank innehat, nach seinen Angaben während der Zeit seiner Arbeitsfähigkeit in der Lage gewesen ist, sich selbst und seine Kinder zu versorgen und seiner beruflichen Tätigkeit in F gerecht zu werden, mithin im Zeitpunkt der Begutachtung insgesamt einen strukturierten Alltag geführt hat, handelt es sich um mit einem GdB von 30 bis 40 zu beurteilende, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, aber noch nicht um mit einem GdB von 50 bis 70 zu beurteilende schwere Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (VG, Teil B, Nr. 3.7). Zutreffend hat K1 auf Grundlage seiner Begutachtung die psychiatrisch bedingte Einschränkung unter Berücksichtigung der Krankheitsgeschichte des Klägers und den in den oben dargestellten ärztlichen Unterlagen beschriebenen rezidivierenden depressiven Episoden als doch stärker behindernde Störung eingeschätzt, aber eben noch im unteren Bereich angesiedelt und daher damals den GdB zu Recht mit 30 beurteilt. Erst im weiteren Verlauf ist es nach der Überzeugung des Senats zu einer weiteren Gesundheitsverschlechterung gekommen, die sich erstmals im Erörterungstermin vom 24.01.2019 hat objektivieren lassen. Über seine Angaben gegenüber dem Sachverständigen hinaus hat der Kläger dort angegeben, dass er seit November 2017 arbeitsunfähig sei, nun nur den ganzen Tag herumsitze, allenfalls Arzt- oder Therapietermine wahrnehme, nachmittags versuche, sich im Haushalt zu betätigen, keine Hobbys habe, keine Freunde und – mit Ausnahme seiner wegen eines Schlaganfalls pflegebedürftigen Mutter und seines Vaters – keine Verwandte in unmittelbare Nähe habe. Mithin hält es der Senat für sachgerecht, dass der Beklagte ab diesem Zeitpunkt die stärker behindernde Störung nun im oberen Bereich angesiedelt und daher den GdB mit 40 anerkannt hat. Eine höhere Einstufung rechtfertigen die Ausführungen des P, wonach beim Kläger nicht nur von einer leichten depressiven Symptomatik beziehungsweise nur einer Dysthymia, sondern von einer schwerwiegenden seelischen Erkrankung mit einer deutlichen Wesensveränderung und einer Reduktion der Teilhabe auszugehen sei, nicht. Denn K1 hat gerade trotz der von ihm festgestellten leichteren seelischen Erkrankung die in der Vergangenheit von den behandelnden Ärzten und von  N angenommene rezidivierende depressive Störung leicht-, mittel- bis schwergradiger Ausprägung (so im Dezember 2012 durch Zentralklinikum H als „leicht“, im Dezember 2012 durch die Klinik W als „mittelgradig“, im Dezember 2012 durch das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit M als „mittelgradig“, im Januar 2013 durch N als „hochgradige Anpassungsstörung, Remission der depressiven Episode“, im Juli 2014 durch das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit M als „mittelgradig“, im Januar 2014 durch die Klinik B1 S als „mittelgradig“, im Dezember 2017 durch K1 als „leichtgradig“, im Februar 2018 durch P als „schwerwiegend“, im April 2018 durch P als „deutliche soziale Anpassungsschwierigkeiten“ sowie im August 2018 durch die S-Klinik A1 als „mittelgradig“ beurteilt), mitberücksichtigt, indem er die Erkrankung des Klägers eben gerade nicht nur einen GdB von 0 bis 20 bedingenden leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen sondern einen GdB von 30 bis 40 bedingenden stärker behindernden Störungen zugeordnet hat.

Im Funktionssystem „Rumpf“ sind keine Funktionsstörungen aktenkundig, die einen höheren Einzel-GdB als 10 rechtfertigen.

Nach dem überzeugenden Gutachten des P1 vom 06.04.2016 liegt beim Kläger lediglich ein mit Verformung ausgeheilter Bruch des BWK 7 ohne Achsenfehlstellung der Wirbelsäule und ohne nennenswerte Funktionsstörungen vor. Dabei handelt es sich um einen GdB von 10 bedingende Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) und noch nicht um einen GdB von 20 bedingende Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wir­belsäulensyndrome) oder gar einen GdB ab 30 bedingende Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezi­di­vierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder gar mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (VG, Teil B, Nr. 18.9). Denn nach den vom Sachverständigen erhobenen Befunden beträgt die Beweglichkeit in der Halswirbelsäule für die Rück-/Vorbeugung 50-0-50° (Mindest-Normalmaß 40-0-50°), für die Rechts-/Linksneigung 30-0-30° (Mindest-Normalmaß 30-0-30°) und für die Rechts-/Linksdrehung 55-0-50° (Mindest-Normalmaß 60-0-60°) bei einem Kinnspitzen-Brustbein-Abstand bei maximaler Kopfneigung von 18 cm und bei maximaler Kopfvorbeugung von 3 cm, sowie in der Brust- und Lendenwirbelsäule für die Seitneigung 30-0-30° (Mindest-Normalmaß 30-0-30°) und für die Rotation 40-0-40° (Mindest-Normalmaß 30-0-30°) bei einem Fingerspitzen-Boden-Abstand von 12 cm, einem Zeichen nach Ott von 28,5/30/30,5 cm (Mindest-Normalmaß 30/32 cm) und nach Schober von 9/10/14 cm (Mindest-Normalmaß 10/14-15 cm) sowie seitengleich kräftig ausgebildeter, nicht verspannter und nicht druckschmerzhafter paravertebraler Rumpfmuskulatur. Diese Befunde liegen mit Ausnahme des Zeichens nach Ott in etwa im Normbereich.

Eine andere Einschätzung ergibt sich weder aus der Auskunft des J vom 21.04.2015, noch dem Gutachten des Z vom 20.04.2016 oder den Gutachten der F-W vom 12.06.2018 und 15.11.2018 samt Zusatzgutachten des M1 vom 06.11.2018 oder dem Bericht der Rhein-Neckar-Orthopädie vom 20.12.2018. So hat Z lediglich eine Minderbelastbarkeit bei posttraumatischer Keilwirbelbildung BWK 7 beschrieben und hat F-W nur eine deutliche Brustwirbelsäulenkyphose mit zwar erheblicher funktionaler Einschränkung sowie altersentsprechende degenerative Veränderungen in der Hals- und Lendenwirbelsäule beschrieben. Die von ihr angegebene „Erheblichkeit“ der funktionalen Einschränkung relativiert sich aber dadurch, dass sie für die Brust- und Lendenwirbelsäule eine altersentsprechende Gesamtbeweglichkeit mit Zeichen nach Ott von 30/31,5 cm und nach Schober von 10/13 cm und für die gesamte Wirbelsäule nach Reklination, Inklination und Seitneigung keinen Hinweis für ausgeprägte Funktionsdefizite ausgemacht hat und insbesondere für die Brustwirbelsäule eine in allen Ebenen bei der passiven Funktionsprüfung eingeschränkte Beweglichkeit ohne funktionelle Einschränkungen beschrieben hat.

Im Übrigen hat der Senat ebenso wie das SG Mannheim keine Anhaltspunkte, für den Verlust des rechten Hodens einen höheren Einzel-GdB als 10 und für etwaige Behinderungen im Funktionssystem „Beine“ überhaupt einen Einzel-GdB von mindestens 10 anzunehmen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 30 bis zum 23.01.2019, Einzel-GdB 40 seit 24.01.2019 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, Einzel-GdB 10 im Funktionssystem „Rumpf“ und Einzel-GdB 10 im Funktionssystem „Geschlechtsapparat“) lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 30 bis zum 23.01.2019 beziehungsweise als mit 40 seit 24.01.2019 feststellen. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen beim Kläger nicht vor. Nach alledem waren die Einzel-GdB-Werte von jeweils einmal 30 und später 40 sowie zweimal 10 nicht geeignet, einen Gesamt-GdB von mehr als 30, später 40 zu rechtfertigen. Dass der Gesamt-GdB des Klägers zutreffend mit 30, später 40 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 oder 18.14 bei Verlust eines Armes im Unterarm oder Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke anzunehmen. Hinter einer solchen doch gravierenden Funktionsbehinderung bleiben die beim Kläger dokumentierten Einschränkungen zurück.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass der Beklagte bereits im Erörterungstermin am 24.01.2019 eine vergleichsweise Lösung angeboten und sodann mit Schreiben vom 05.03.2019 ein entsprechendes Teil-Anerkenntnis abgegeben und daher auf die während des Berufungsverfahrens eingetretene Gesundheitsverschlechterung angemessen reagiert hat.

Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.

Rechtskraft
Aus
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