L 4 BA 4/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 R 886/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 BA 4/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Enthält ein „Werkvertrag für freiberufliche Honorartätigkeit“ für das Werkvertragsrecht untypische Regelungsgegenstände wie Arbeitsunterbrechung, Arbeitsleistung, Arbeitseinsatz, Arbeitsentgelt, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsverhinderung und Arbeitsaufgaben, ist dies ein schwerwiegendes Indiz dafür, dass der Wille der Vertragsparteien auf eine Dienst- oder Arbeitsleistung gerichtet ist.

2. Zur Versicherungspflicht eines Arztes, der im Zusammenhang mit Ambulanzflügen Passagiere betreut und hierbei – von medizinischen Fragen abgesehen – weitgehend von organisatorischen und sonstigen Vorgaben seiner Auftraggeberin bzw. deren Vertragspartnerin (einer Versicherungsgesellschaft) abhängig ist.

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2017 wird zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu zwei Drittel und die Beklagte zu einem Drittel. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten noch um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 (im Folgenden: der Beigeladene) in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 1. Juli 2013 bis zum 20. Juni 2015.

 

Die klagende GmbH betreibt ein Unternehmen, zu deren „Schwerpunktaufgaben“ – nach eigener Darstellung (www.B.de) – „der qualifizierte Krankentransport, medizinische Bereitstellungen, Verlegungen, Ambulanzflüge, Ein­­-sätze auf Flughäfen und Fernstreckeneinsätze“ zählen. 80 % ihrer ärztlichen Einsätze entfallen auf die Flugbegleitung, davon ca. 99 % auf Aufträge der A Versicherungs-AG (im Folgenden: AG). Mit dieser schloss die Klägerin einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete (§ 1 Abs. 1), für die weltweiten Krankenrücktransporte der AG mit Verkehrsflugzeugen die medizinische Versorgung der transportierten Patienten durch Ärzte sowie Rettungsassistenten zu koordinieren und durchzuführen. Nach § 3 dieses Vertrages (im Folgenden: AG-V) wird die Klägerin qualifiziertes Personal gemäß Anlage 1 einsetzen und für die Laufzeit des Vertrages vorhalten. Die gemäß Anlage 1 definierten Qualitätsstandards sind von ihr verbindlich einzuhalten. Die AG ist berechtigt, von ihr den Austausch des Personals aus wichtigem Grund (insbesondere bei Nichteinhaltung der Qualitätsstandards) nach Anlage 1 zu verlangen. In diesem Fall war die Klägerin verpflichtet, die betroffene Person unverzüglich nicht mehr einzusetzen. Ferner war sie für die Auswahl und den Einsatz des Personals sowie auch für die Beaufsichtigung, Steuerung, Kontrolle und Entlohnung verantwortlich. Die Qualitätsstandards nach Anlage 1 des AG-V sahen u.a. vor, dass das von der Klägerin zu stellende Personal während des Einsatzes als Vertreter der AG zu erkennen sein müsse und u.a. folgende Aufgaben habe:

– Visite und Übernahme des Patienten vor Ort und in Einzelfällen Begleitung bis ins Zielkrankenhaus,

– aktives Einladen des Patienten in das Flugzeug,

Datenerhebung vor Ort, aktive und objektive Qualitätssicherung (Verlauf des Einsatzes auf von der AG zur Verfügung gestellten Formularen unter Angabe von medizinischen, organisatorischen und Patientendaten dokumentieren),

– Übergabe einer Durchschrift der Dokumentation an das aufnehmende Krankenhaus bzw. die Besatzung des Anschlusstransportes bzw. den Patienten zur Weitergabe an den behandelnden Arzt,

– auf Anforderung der AG Erstellung eines Kurzprofils der medizinischen Einrichtungen (Krankenhaus, Krankenwagen etc.) am Abholort der Patienten, sofern diese zu erheben sind (auf Wunsch der AG jederzeitiger Auftrag zur Datenerhebung möglich; Datenübermittlung an die AG innerhalb von 48 Stunden nach Einsatz).

Im Rahmen der Qualitätssicherung hatte die Klägerin sicherzustellen, dass das Begleitpersonal mindestens einmal im Jahr geschult wird, das Begleitpersonal im Hinblick auf medizinische, technische und operative Spezifikationen auf dem aktuellen Stand zu halten und die Schulungsinhalte im Vorfeld mit der AG abzustimmen. Auf Wunsch der Klägerin sollte die AG an den Schulungen teilnehmen und diese auch vor Ort durchführen.

Visa hatte die Klägerin auf Kosten der AG eigenständig zu beschaffen, erforderliche Hotelreservierungen nach einem vorgegebenen Hotelstandard zu buchen und das von ihr zu stellende Personal mit einem Mobiltelefon mit weltweiter Auslandsfreischaltung sowie einer gültigen Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000.- €) auszustatten. Die AG sollte in der Regel die Buchung der Flugtickets übernehmen und der Klägerin die entsprechende Buchungsreferenz mitteilen. Außerdem sollte der leitende Flugarzt der AG gegenüber dem von der Klägerin zu stellenden Flugarzt weisungsbefugt sein. Nachfragen der AG zu Einsätzen hatte die Klägerin innerhalb von acht Werktagen inhaltlich zu klären und zu beantworten.

Als Vergütung waren pro ärztlichem Mitarbeiter und Kalendertag 450 € vereinbart, wobei ein Einsatz zwei Stunden vor der geplanten Abflugzeit beginnen und eine Stunde nach der Landung am Zielflughafen enden sollte. Außerdem konnte die Klägerin je Einsatz eine Logistikpauschale (u.a. für Auftragsannahme und -Bearbeitung, Auswahl der Ärzte und Rettungsassistenten, interne Einsatzsteuerung und Qualitätsmanagement) von 90 € und den Ersatz ihrer Logistikkosten (Transfers im Inland von und zu den Flughäfen sowie Gabelflügen zwischen Start- und Zielort) beanspruchen.

 

Der Beigeladene ist Chirurg und war bis zum 30. Juni 2013 in der A Klinik B, vom 15. August bis 31. Dezember 2013 bei der A GmbH und ab dem 1. Januar 2014 in Vollzeit im S Krankenhaus B beschäftigt. Er war vom 1. Juni 2011 bis zum 14. November 2017 Mitglied der Berliner Ärzteversorgung und – nach seiner Einschätzung – für die Tätigkeit bei der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV befreit. Bei der zu 2 beigeladenen Krankenkasse war er gesetzlich krankenversichert, und zwar freiwillig in den Zeiträumen 1. bis 31. Juli 2013 und 12. August 2013 bis 31. Januar 2016 und versicherungspflichtig durch den Bezug von Arbeitslosengeld im dazwischen liegenden Zeitraum.

 

Am 23. Juni 2013 schlossen die Klägerin und der Beigeladene (Vertragsparteien) einen „Werkvertrag Für freiberufliche Honorartätigkeit als Arzt“ mit u.a. folgendem Inhalt:

 

„Ziffer 1 • Vertragsgegenstand und Laufzeit

 

Die/der Auftragnehmer/in wird mit Wirkung vom 01.07.2013 als ARZT nebenberuflich/selbstständig beschäftigt. […] Der Auftragnehmer hat keinen verbindlichen Anspruch auf Tätigkeit und Leistungserbringung.

 

Ziffer 2 • Aufgaben, Tätigkeitsfelder und Inhalt

 

Die/Der Auftragnehmer/in wird überregional im Rettungsdienst, Krankentransport, Sanitätsdienst sowie für Fahr- und Transporttätigkeiten eingesetzt. Darüber hinaus für bodengebundene Langstreckentransporte und bei Ambulanzflügen eingesetzt. […]

 

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, insbesondere spezielle Regelungen und Vorschriften eines Kunden (z.B. [AG]) zu beachten und diese vollumfänglich einzuhalten. Der Auftragnehmer erklärt ausdrücklich, die [AG]-Vorgaben zu kennen und bestätigt dessen Erhalt bzw. formale Einweisung. Er bestätigt dies für Boden- und Fluggebundene Einsätze gleichermaßen. Die/der Auftragnehmer/in ist berechtigt, im Namen und im Auftrag des Auftraggebers Gelder entgegenzunehmen und zu quittieren. In Empfang genommene Gelder sind unverzüglich, unaufgefordert und taggleich an den Auftraggeber herauszugeben. […]

 

Die/der Auftragnehmer/in ist nicht berechtigt im Namen des Auftraggebers Willenserklärungen abzugeben oder Rechtsgeschäfte einzugehen, Preisverhandlungen zu führen oder abzuschließen oder Nachlässe, Rabatte und vergleichbares zu gewähren. […]

 

Ziffer 3 • Arbeitszeit

 

Die Arbeitszeit wird variabel geregelt und mit dem/der Auftragnehmer/in i.d.R. mindestens 1 Woche im Voraus oder auch kurzfristig abgestimmt. Die Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen Dienstplänen des Auftraggebers oder erfolgt kurzfristig durch Einsatz von kurzfristigen Sondereinsätzen (z.B. ADAC).

 

Der/dem Auftragnehmer/in können Arbeitsunterbrechungen (Leerlaufzeiten) von der geleisteten Arbeitszeit grundsätzlich als Pausen in Abzug gebracht werden. Pausen sind arbeitsfreie Zeiten gemäß gesetzlicher Regelungen. Ferner sind die vom Auftraggeber verbindlich gesetzten Ruhezeiten (Fernstrecken, Übernachtungen) als Freizeit anzusehen. Die Länge der Ruhezeiten sind ebenfalls gesetzlich geregelt und müssen eingehalten werden. Übernachtungen / Hotelaufenthalte sowie Freizeitaktivitäten gelten nicht als Dienstzeit. Die Zeiten beginnen und enden am Betriebssitz der Auftraggeberin bzw. bei Flugeinsätzen beim Checkin bzw. nach Landung. Bei außerhalb liegenden Flughäfen und Einsatzorten wird die An- und Abfahrtzeit berücksichtigt.

 

Die tatsächlich geleisteten Tätigkeiten und Aufwendungen (Spesen, Auslagen) sind zeitnah abzurechnen. Wobei die einsatzbezogenen Auslagen innerhalb von 48 Stunden nach Einsatzende einzureichen sind. Gleiches gilt für die Dokumentationsunterlagen. Betrieblich notwendige Überstunden werden durch den Auftraggeber gesondert angeordnet bzw. sind im Nachgang zu genehmigen, sollten die Gegebenheiten des Einzelfalls eine vorherige Anordnung nicht zulassen. Werden geleistete Überstunden durch den Auftraggeber nicht angeordnet oder nicht genehmigt, gilt diese als nicht erbracht.

 

Ziffer 4.1 • Entgelte

 

Im Rahmen des Werkvertrags werden nur die Stunden abgerechnet und vergütet, für die tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine wöchentliche/ monatliche Mindestarbeitszeit gilt nicht als vereinbart.

 

Die/der Auftragnehmer/in erhält für seine Tätigkeit nachfolgende Entgelte:

 

Flugeinsätze für bis zu 24 Stunden               450,00 €

Je weitere angefangene 12 Stunden             225,00 €

 

Andere Einsatzarten (Stundensatz 60 Min)

wie Bodentransporte, Sanitätsdienste etc.      30,00 €

 

Abrechnungsfähige Auslagen sind: Hotelübernachtungen (ohne explizite Absprache maximal 50,- Euro / Nacht bei Bodentransporten, max. 120,- Euro / Nacht bei Flugeinsätzen, jedoch unter Beachtung Wirtschaftlichkeitsprinzip), erforderliche Transferkosten (Taxi, Mietwagen, bei Privatfahrzeuge 0,30 je Kilometer zzgl. ggf. Parkgebühren) im Rahmen eines Flugeinsatzes, Visagebühren, sonstige einsatzrelevante oder patientenspezifische Kosten nach Absprache. […]

 

Die Vertragsparteien vereinbaren eine monatliche Rechnungsstellung durch den/die Auftragnehmer/in, in der die Arbeitsleistung des Abrechnungszeitraumes mit Datum sowie Beginn und Ende des Arbeitseinsatzes und Tätigkeit (Einsatznummer) vermerkt wird. […]

 

Der/Die Auftragnehmer/in bestätigt, dass er/sie gemäß § 19,1 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

 

Ziffer 4.2 • Abtretung von Entgelten

 

Die Abtretung jeglicher Ansprüche auf Arbeitsentgelt ist ausgeschlossen. […]

 

Ziffer 5 • Abwesenheiten: Arbeitsunfähigkeit

 

Die/der Auftragnehmer/in ist verpflichtet jede Arbeitsverhinderung und die voraussichtliche Dauer unverzüglich (fernmündlich und vor Dienstantritt) dem Auftraggeber anzuzeigen und dabei gleichzeitig auf etwaige dringliche Arbeiten hinzuweisen. Die Gründe der Arbeitsverhinderung sind dem Auftraggeber mitzuteilen. Der Auftragnehmer hat sich ggf. um Ersatz zu bemühen (Personalpool).

 

Der Auftragnehmer trägt die Kosten, die durch seinen Ausfall entstehen (z.B. Stornogebühren, Umbuchungsgebühren, Ticketgebühren usw.).

 

Ziffer 6 • vertragliche Auflagen

 

Dieser Werkvertrag besteht unter den Vorbehalten, dass der/die Auftragnehmer/in für die vertraglich vorgesehenen Arbeitsaufgaben gesundheitlich geeignet ist und die notwendigen behördlichen Voraussetzungen erfüllt. Im Übrigen wird dieser Vertrag unter der Voraussetzung geschlossen, dass sich aus dem noch vorzulegenden behördlichen Führungszeugnis keine Beschäftigungshindernisse ergeben. […]

 

Die/der Auftragnehmer/in verpflichtet sich zur Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen im Umfang von 30 Unterrichtseinheiten pro Kalenderjahr. Die Zeiten der Fort- und Weiterbildungen gelten nicht als Arbeitszeit. Die Kosten der Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen trägt die/der Auftragnehmer/in.

 

[…] Für nachweispflichtige Untersuchungen und andere medizinische Maßnahmen trägt die/der Auftragnehmer/in die Kosten selbst. Auf entsprechende Untersuchungen und Maßnahmen entfallende Zeiten gelten nicht als Arbeitszeit und werden im Stundenkonto nicht aufgerechnet. […]

 

Er hat die erforderlichen Qualifizierungen (z.B. Approbation) nachzuweisen und in Kopien zur Verfügung zu stellen. Der Auftragnehmer gestattet dem Auftraggeber, die Unterlagen und seine Personalakte Dritten / Kunden zu Qualitätszeckenvorzulegen.

 

Ziffer 7 • Schweigepflicht und Datenschutz

 

[…] Die datenschutzrechtliche Erklärung in Anlage 1 ist wesentlicher Bestandteil des Beschäftigungsvertrages. Ein Verstoß gegen die datenschutzrechtliche Erklärung steht einem erheblichen Verstoß gegen den Beschäftigungsvertrag gleich.

 

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gilt unbefristet über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. […]

 

Ziffer 8 • Vertragsstrafe

 

Im Falle […]

◦ der schuldhaften vertragswidrigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch die/den Auftragnehmer/in

◦ der von der/dem Auftragnehmer/in schuldhaft veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Auftraggeber […]

◦ der schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht einer Arbeitsverhinderung […]

◦ bei Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit […]

◦ schwerwiegende Missachtung von Dienstanweisungen […]

Ist der Auftraggeber berechtigt eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 EUR zu verlangen. […]

 

Ziffer 9 • Nebenabreden, Änderungen und verschiedenes

 

Änderungen und Ergänzungen des Werkvertrages sind ausdrücklich schriftlich zu vereinbaren. Mündliche Vereinbarungen, Nebenabreden oder sonstige Absprachen bestehen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht. Ansprüche aus einer betrieblichen Übung entstehen nur, wenn die betriebliche Übung schriftlich festgestellt wurde.

 

Der/dem Auftragnehmer/in ist es untersagt während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken das Internet zu nutzen, privat zu telefonieren oder die Arbeitsleistung in sonst einer Art und Weise zu beeinträchtigen (SMS schreiben; Computer-/Handyspiele etc.). […]

 

 

Einsatzabwicklung

 

Die Einsätze beginnen grundsätzlich beim Auftraggeber in einen der Geschäftsstellen / Wachen. Im Rahmen von Flugeinsätzen beginnt die Tätigkeit i.d.R. am Abflughafen.

 

Der Auftragnehmer kümmert sich eigenständig um den Erhalt seiner Einsatzunterlagen, ggf. Diensttelefon und des medizinischen Equipments im Rahmen von Flugeinsätzen.

 

Nach seinem Einsatz hat er unverzüglich das Equipment, ggf. das Diensttelefon und die Dokumentation in die Dienststelle zu bringen.

 

Für Kurierdienste oder Aufwendungen die der Auftragnehmer zu verantworten hat, sind diese entsprechend von ihm zu tragen. Die Kosten werden in direktem Abzug seiner Rechnung vorgenommen.

 

Im Rahmen von Flugeinsätzen erklärt sich der Auftragnehmer bereit, den Patienten ggf. bis zur Zielklinik (Bodentransport) zu begleiten (Bed to Bed). Fällt diese Leistungen außerhalb der Flugpauschalen, wird der Aufwand mit den Honorar­­-sätze für Bodentransporte berechnet (Mindestabrechnungszeit 3 Stunden). […]

 

Einsatzequipment aus Privatbesitz darf ersatzweise nur eingesetzt werden, wenn die gesetzliche Norm und Vorgaben erfüllt. […]

 

Die [Klägerin] verfügt über ausreichend Dienst- und Flugeinsatztelefone. […]

 

 

Kleiderordnung

 

Die Dienstkleidung der [Klägerin] darf nur für dienstliche Zwecke im Rahmen einer Tätigkeit der Auftraggeberin getragen werden.

 

Die Bekleidung mit Zusatz „[AG]“ darf ebenfalls nur betriebsinternen und im Rahmen von [AG]-Einsätzen getragen werden.

 

Der Auftragnehmer hat keinen Anspruch auf eigene gestellte Dienstkleidung. Es wird auf Poolkleidung verwiesen oder darauf, sich selber eigene Kleidung zu beschaffen. Die [Klägerin] kann dies zu günstigen Konditionen und Rahmenverträgen vornehmen.

Im Rahmen von Flugeinsätzen ist auf eine ordentliche Kleidung (insbesondere in der Businessclass und Firstclass) zu achten. Im Rahmen von Flugeinsätzen ist auf eine auffällige Rettungsdienstkleidung (rot) zu verzichten. Es sollen Hemden ([AG]-Zusatz) getragen werden, maximale ein Weißkleidung. […]

 

Für Flugeinsätze hat sich der Auftragnehmer einer internen Schulung für Ambulanzflüge zu unterziehen.

 

Ziffer 10 • Schlussbestimmung

 

Für das Dienstverhältnis gelten dieser Beschäftigungsvertrag, die inner-betrieblichen Dienstanweisungen, das Qualitätsmanagementsystem (QM) sowie die relevanten Vorgaben der Kunden ([AG]), betriebliche Dienstanweisungen und die gesetzlichen Bestimmungen in der jeweils gültigen Fassung.“

 

In der Folgezeit war der Beigeladene bis zum 20. Juni 2015 im Rahmen zahlreicher ein- und mehrtägiger Einsätze für die Klägerin tätig und erhielt hierfür auf der Grundlage der vertraglich vereinbarten Pauschalen und Stundensätzen monatliche Beträge zwischen 240 € (Oktober 2013) und 1.650 € (Juli 2013) – für die Monate Juli und August 2013 sowie Mai 2014 und April 2015 exakt 450 € –, jeweils nebst verauslagter Transport- und Unterkunftskosten in unterschiedlicher Höhe. Er erzielte ausweislich der eingereichten Einkommensteuerbescheide insgesamt Einkünfte wie folgt:

 

Jahr

Einkünfte aus selbständiger
Arbeit in €

Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit in €

2012

4.450

44.534

2013

7.173

57.774

2014

2.845

72.211

2015

10.186

104.284

 

Am 10. März 2014 hatten die Klägerin und der Beigeladene bei der Beklagten die Feststellung beantragt, dass eine Beschäftigung nicht vorliege, und hierbei u.a. angegeben,

– es gehe um monatlich ein bis zwei Aufträge der AG, die durch die Klägerin vermittelt würden, um „Patienten aus dem Ausland abzuholen“,

– ein Einsatz dauere ein bis drei Tage,

– das monatliche Arbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Tätigkeit übersteige regelmäßig 450 €.

 

Im anschließenden Verwaltung- und Widerspruchsverfahren gab die Klägerin an,

– die jeweilige Beauftragung erfolge kurzfristig individuell telefonisch („während Freizeit von Klinik“), es gebe keinen Schichtplan,

– der Beigeladene habe die Möglichkeit, nach Rücksprache Aufträge anzunehmen,

– seine Tätigkeit als Arzt bestehe in der Patientenbetreuung im Rahmen von Rückholdiensten / Repartierungen Boden (Krankenkraftwagen) und Luft (Linienflugbegleitung) weltweit,

– der Beigeladene unterliege nicht ihrem – der Klägerin – Direktionsrecht, müsse die Aufträge jedoch ordnungsgemäß verrichten,

– es komme zu durchschnittlich sechs unregelmäßig verteilten Einsätzen im Quartal,

– der Beigeladene arbeite mit ihrem – der Klägerin – Assistenzpersonal zusammen, ein Weisungsrecht bestehe aber nur bei medizinischen Fragen im Rahmen von Patientenversorgungen,

– sie kontrolliere die Arbeiten des Beigeladenen durch die Dokumentation,

– sie stelle Fahrzeuge,

– der Beigeladene nehme in der Regel nicht an Teambesprechungen teil, und müsse keine Urlaubs- und Krankheitsvertretungen übernehmen,

– der Beigeladene nehme nicht am Ruf- und Bereitschaftsdienst teil und müsse keine festen Arbeitszeiten, Dienstpläne oder Urlaubsregelungen einhalten,

– im Flugbereich müsse der Beigeladene zivile Kleidung tragen, bei Bodentransporten werde nur (Schutz- und Funktions-)Kleidung aus einem Pool gestellt, wenn keine eigene Kleidung zur Verfügung stehe (z.B. bei kurzfristigen Einsätzen),

– bei Abwesenheit oder Verhinderung informiere der Beigeladene einen anderen Mitarbeiter,

– Dritte könne der Beigeladene nur nach Absprache mit der Übernahme seiner Tätigkeit beauftragen,

– es bestehe eine Berufshaftpflicht des Beigeladenen, aber auch „Haftpflicht über [Klägerin] und über den [AG]“,

– Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsvergütung bestünden nicht,

– es gebe bei ihr – der Klägerin – festangestellte Mitarbeiter, die die gleiche Tätigkeit wie der Beigeladene ausübten und hierbei weisungsgebunden und ohne eigenen und freien Gestaltungsspielraum im Schichtsystem und nach Dienstplänen arbeiteten.

 

Der Beigeladene gab an,

– wenn er trotz seiner Beschäftigung in der Klinik Zeit für einen Auftrag der Klägerin habe, nehme er diesen – maximal einmal monatlich, manchmal seltener – an,

– für Bodentransporte habe er keine Zeit,

– ein Flugeinsatz dauere mit Hotelübernachtung max. ein bis zwei Tage,

– er erhalte keine fachlichen Weisungen von der Klägerin und arbeite nicht mit sonstigen Mitarbeitern der Klägerin zusammen,

– er setzte keine eigenen Betriebsmittel ein, benötige aber den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Notfallkoffer mit Notfallmedikamenten,

– der Kontrolle seiner Arbeiten durch die Klägerin diene ein von ihm zu schreibendes Protokoll, welches am Ende des Rücktransportes an die AG übergeben werde,

– er trete als Mitarbeiter der AG auf,

– für die Einsätze mit dem Rettungswagen gebe es Arbeitskleidung, für die Flugeinsätze dürfe er diese nicht tragen,

– die Einsätze würden von der AG organisiert und versichert,

– Dritte könne er z.B. in Urlaubs- und Krankheitszeiten nicht mit der Übernahme seiner Tätigkeit beauftragen,

– es gebe festangestellte Mitarbeiter der Klägerin, die – so glaube er – dieselbe Tätigkeit ohne inhaltliche Unterschiede ausübten.

 

Mit Bescheid vom 24. September 2014, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2015, stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Arzt bei der Klägerin seit dem 1. Juli 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und daher Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Beklagte vertrat die Auffassung, nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschriftungsverhältnis.

 

Im Verfahren vor dem Sozialgericht hat der Beigeladene erklärt, er habe die Tätigkeit nebenbei während seiner Ausbildung zum Gefäßchirurgen ausgeübt. Überwiegend habe er Tätigkeiten der Begleitung erbracht. Wenn die Patienten auf dem Flug zum Beispiel Medikamente, Infusionen oder Sauerstoff benötigten, habe er sich darum gekümmert. An den von ihm anfangs durchgeführten Bodentransporten habe er kein Interesse mehr, da diese wesentlich stressiger seien als die Flugbegleitung. Die Flüge würden seines Wissens von der AG gebucht. Von der Klägerin erhalte er per Fax oder per E-Mail ein Papier mit den Daten, welchen Patienten mit welcher Erkrankung bzw. wegen welcher medizinischen Notwendigkeit er begleiten solle. Er nehme sich dann ein Taxi zum Flughafen, das die Klägerin bezahle, und fliege zum Zielort. Dort treffe er in der Regel am Flughafen den Patienten, dessen Flugfähigkeit zuvor durch eine Untersuchung festgestellt worden sei, und mache mit ihm zusammen den Check-In. Bei Liegendpatienten kümmere sich vor Ort der RAM-Agent um den Transport ins Flugzeug. Er – der Beigeladene – überprüfe den Blutdruck und die Vitalparameter des Patienten und gebe ihm, soweit erforderlich, die notwendigen Medikamente oder Infusionen. Er habe hierfür einen kleinen Notfallkoffer dabei, der für unvorhergesehene Situationen bestimmt sei und den er innerhalb von zwei Jahren nicht einmal benötigt habe. Patienten, die Medikamente z.B. gegen Bluthochdruck benötigten, hätten diese in der Regel bei sich; diese benutze er dann normalerweise. Mit Ausnahme einer Schulung bzw. Einweisung in die Tätigkeit habe er keine Fortbildungen der Klägerin wahrgenommen. Sie seien von dieser nicht angeboten worden und er habe sie nicht gefordert.

 

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24. November 2017 die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Insgesamt überwögen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien nach Anzahl sowie Schwere erheblich. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände (Tätigkeit nicht in einer Betriebsstätte der Klägerin; Möglichkeit des Beigeladenen, kurzfristig über Einsätze zu entscheiden; keine konkreten Weisungen hinsichtlich des Umgangs mit den begleiteten Patienten) verlören bei näherer Betrachtung an Gewicht. Für eine abhängige Tätigkeit spreche die organisatorische Eingliederung des Beigeladenen. Aus den vertraglichen Regelungen ließen sich keine entscheidenden Anhaltspunkte entnehmen, da die Kammer nach der Schilderung in der mündlichen Verhandlung davon ausgehe, dass diese nur in den wesentlichen Punkten der Bezahlung, Auftragsanbahnung und Abrechnung gelebt worden sei.

 

Gegen dieses ihm am 4. Dezember 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22. Dezember 2017, zu deren Begründung sie vorträgt:

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung liege eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen vor. Der Parteiwille spreche für eine selbständige Tätigkeit. Die Parteien würden als Auftraggeber und Auftragnehmer benannt. Es würden nur die Stunden abgerechnet und vergütet, für die tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht worden sei. Die Arbeitszeit werde kurzfristig zwischen den Parteien abgestimmt. Der Beigeladene stelle monatlich eine Rechnung. Er werde für einen Einsatz gebucht und nicht in zeitlich beschränktem Umfange acht Stunden täglich. Er sei gegenüber anderen weisungsberechtigt. Die Dienstkleidung habe ihn als ihr – der Klägerin – und als Mitarbeiter der AG ausgewiesen. Er habe über keine festen Arbeitszeiten verfügt, sondern sei ausschließlich im Ruf- und Bereitschaftsdienst tätig gewesen. Während des Einsatzes sei er auf sich allein gestellt gewesen und habe eine Garantenstellung gegenüber den Patienten bekleidet. Während der Einsätze habe er über sein eigenes Stethoskop, Blutdruck- und Zuckermessgerät sowie ein Pulsoximeter verfügt. Er habe eine eigene Haftpflichtversicherung. Die Aufträge seien von der AG an ihn weitergereicht worden. Die Protokolle dienten – entgegen der Auffassung der Beklagten – der Dokumentation der Leistung gegenüber der AG. Die Flug- und Reisekosten würden von der AG und nicht von der Klägerin übernommen. In allen europäischen Fluglinien sei an Bord ein Notfallkit (Doktors-Kit) mit Defibrillator und Notfallsauerstoffgerät vorhanden. Wenn eine Sauerstoffgabe benötigt werde, sei die Fluglinie befugt, die dafür erforderlichen Systeme samt Sauerstoff zu stellen. Falls die Ärzte ein Visum nicht selbst rechtzeitig erlangen könnten, habe sie – die Klägerin – auch Beziehungen, die in diesen Fällen zum Tragen kämen. Insoweit werde auch Schmiergeld gezahlt. Ihr Geschäftsführer könne den Staatssekretär oder die jeweils verantwortliche Person anrufen und dafür sorgen oder darum bitten, dass ein Visum schneller ausgestellt werde. Wenn ein Arzt das erforderliche Visum nicht habe und es nicht mehr rechtzeitig erhalten könne, sei er verantwortlich, dies mitzuteilen, damit er den Auftrag nicht annehme. Ihre hauptamtlichen Mitarbeiter erhielten eine Handkasse, während die Honorarkräfte ihre Auslagen zunächst selbst vorstrecken müssten und diese dann, sofern vertraglich vereinbart, ihr gegenüber abrechnen könnten.

Der Beigeladene sei gegenüber ihr – der Klägerin – nicht wie ein Zeitarbeitnehmer anspruchsberechtigt. Ein Arbeitnehmer, der aufgrund eines befristeten Zeitarbeitsvertrages arbeite, habe für die Zeit, für die der Vertrag laufe, keinerlei Risiko zu tragen, egal ob er beschäftigt werde oder nicht. Gleiches gelte auch für auf Abruf arbeitende oder „unständig“ Beschäftigte. Aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, z.B. des Arbeitszeitgesetzes, hätten diese Arbeitnehmer auch nicht das unternehmerische Risiko des Beigeladenen. Da er Arzt sei, lägen während der Zeiten der Nichtbeschäftigung durch seine Auftraggeber selbstverständlich seine betrieblichen Potenziale, insbesondere seine Ausbildung, brach.

Vergleiche man den Beigeladenen etwa mit einem angestellten Stationsarzt in einem Krankenhaus, sei festzustellen, dass diesem medizinische Behandlungen und Abläufe selbstverständlich in völlig anderer Art und Weise vorgeschrieben würden, als dies für den Beigeladenen der Fall gewesen sei. Er habe sich mit dem Patienten fernab vom Betriebssitz der Klägerin befunden und es sei ihm nicht möglich gewesen, z.B. Vorgesetzte bei medizinischen Krisen um Rat zu fragen. Er sei in keinster Weise in irgendwelche betrieblichen oder medizinischen Abläufe, wie sie in einem Krankenhaus üblich seien, z.B. hinsichtlich bestimmter Untersuchungsabfolgen, eingebunden gewesen. Sie – die Klägerin – habe für den Beigeladenen nichts organisiert. Sie habe ihm lediglich Name und Abholort durchgegeben und ihm den entsprechenden Auftrag für eine Begleitung erteilt. Soweit sie dem Beigeladenen einen Notfallkoffer mit Medikamenten zur Verfügung gestellt und Diensthandys angeboten bzw. sich in Form finanzieller Zuwendungen an Botschaftsmitarbeiter um die Bewilligung erforderlicher Visa gekümmert habe, handele es sich um völlige Randerscheinungen, die mit dem eigentlichen Tätigkeitsbild des Beigeladenen als Arzt nichts zu tun gehabt habe.

Im Ambulanzflug- und Rückholbereich würden deutschlandweit fast ausschließlich Honorarärzte beschäftigt, da die Einsätze spontan und unkalkulierbar erfolgten und mit Festangestellten aufgrund der Unregelmäßigkeit nicht abdeckbar wären. Aus der damaligen Bewerbung des Beigeladenen sei zu ersehen, dass er sich als Honorarkraft beworben habe und parallel auch bei einem anderen Ambulanzflugdienst tätig gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2022 hat die Beklagte die angefochtenen Bescheide dahin geändert, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt werde.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2015, beide in der Fassung des Bescheids vom 23. Juni 2022, aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit für sie im Rahmen der jeweiligen Einsätze nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge an und äußern sich in der Sache nicht.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage, soweit der Senat noch darüber zu befinden hat, abgewiesen. Hinsichtlich der noch streitbefangenen Versicherungszweige sind die Bescheide der Beklagten rechtmäßig, weil der Beigeladene an ihnen aufgrund seiner Beschäftigung bei der Klägerin der Versicherungspflicht unterlag.

 

A. Streitgegenstand sind neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 24. November 2017 die Bescheide der Beklagten vom 24. September 2014, 13. März 2015 und 23. Juni 2022, soweit sie (noch) die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin an den o.g. Tagen im Zeitraum 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2015 betreffen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Bescheide vom 24. September 2014 und 13. März 2015 geändert hat, ist der darin liegende Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung ist aufgrund dessen als Streitgegenstand ausgeschieden.

 

Mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgt die Klägerin in zulässiger Weise das Ziel, die o.g. Bescheide (vollständig) aufheben und feststellen zu lassen, dass der Beigeladene in seiner bei ihr ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Im Rahmen der Feststellungsklage konnte die Klägerin davon absehen, die einzelnen Tage zu benennen, an denen der Beigeladene für sie tätig war, ohne versicherungspflichtig zu sein.

 

Denn eine Feststellung im Statusfeststellungsverfahren ist grundsätzlich schon dann hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sie ausreichend erkennen lässt, dass sie sich auf die Durchführung von Einzelaufträgen zwischen den Beteiligten – beginnend mit dem ersten Tätigwerden – unter gleichbleibenden Bedingungen bezieht und kein Dauerschuldverhältnis vorliegt. Mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV wird die Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung zwar grundsätzlich für die Zeit ab Aufnahme der Tätigkeit und regelmäßig (auch) zukunftsgerichtet festgestellt. Einzeleinsätze sind in der Regel aber gerade nicht für Zeiträume im Voraus fest vereinbart. Für den Zweck der Statusfeststellung ist ausreichend, wenn zum Anknüpfungssachverhalt der Versicherungspflicht hinreichend erkennbar wird, dass die Beschäftigung lediglich bei Ausführung der konkreten Einzelaufträge vorliegt. Eine kalendermäßige Bestimmung der einzelnen Einsätze ist für die Feststellung der Versicherungspflicht im Statusfeststellungsverfahren grundsätzlich nicht erforderlich. Dies gilt auch bei einem Antrag für zurückliegende Tätigkeiten (BSG, Beschluss vom 1. Februar 2022 – B 12 R 41/20 B –, Rn. 14, juris, m.w.N.). Dann aber kann für einen auf die Feststellung fehlender Versicherungspflicht gerichteter Antrag nicht die Angabe konkreter Tage bzw. Zeiträume verlangt werden.

 

B. Die Bescheide der Beklagten vom 24. September 2014 und 13. März 2015 sind in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. Juni 2022 rechtmäßig. Insbesondere ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Klägerin im streitigen Zeitraum aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Rechts der Arbeitsförderung unterlag.

 

I. In den Jahren 2013 bis 2015 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III –). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbeson­dere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei die Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbständigkeit spricht. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unterneh­merrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Um­stände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Be­schäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –,  jeweils juris und m.w.N.).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zu­ordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG a.a.O.). Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, juris, m.w.N.). Daher spricht es nicht für eine selbständige Tätigkeit, wenn vertragliche Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechte vom Auftraggeber faktisch nicht wahrgenommen werden. Andernfalls stünde es im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, juris, Rn. 25 ff.)

 

Diese vom BSG entwickelten Kriterien zur Auslegung von § 7 Abs. 1 SGB IV sind allgemeiner Natur und beanspruchen grundsätzlich Geltung für jede Berufsgruppe (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Juli 2011 – B 12 KR 114/10 B –, Rn. 10, und Beschluss vom 09. Februar 2016 – B 12 R 11/15 B –; jeweils juris). Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit erfolgt – unabhängig von der Verkehrsanschauung – nach allgemeinen Kriterien und nicht bezogen auf bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, Rn. 16, und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 15; jeweils juris).

 

Bei der insoweit gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Insbesondere sind berufsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der "Weisungen" i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 15 f., und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; jeweils juris und m.w.N.). Mit der unterschiedlichen Zielsetzung berufs- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen ist eine am Berufsrecht orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 07. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R –, juris, Rn. 35).

 

Bei der Gewichtung der Indizien ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit Besonderheiten aufweist. Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Auftraggebers zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, juris, Rn. 29, m.w.N.).

 

II. Der Senat legt bezüglich der streitgegenständlichen Tätigkeit zunächst den Inhalt des HonV zugrunde.

 

1. Dieser Vertrag ist entgegen seiner Bezeichnung nicht als Werk-, sondern als Dienstvertrag zu qualifizieren.

 

aa. Gegenstand eines Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein (§ 631 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Für die Abgrenzung zum Dienstvertrag ist maßgebend, ob ein bestimmtes Arbeitsergebnis bzw. ein bestimmter Arbeitserfolg oder nur eine bestimmte Dienstleistung als solche geschuldet wird. Charakteristisch für den Werkunternehmer ist seine Selbständigkeit. Er organisiert die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Besteller verantwortlich (BAG, Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12 –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Dezember 2016 – L 9 KR 434/14 –; jeweils juris und m.w.N.). Fehlt es nach den vertraglichen Vereinbarungen an einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der „Auftraggeber“ durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom „Auftragnehmer“ zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst bindend organisieren muss (vgl. BAG 9. November 1994 ­– 7 AZR 217/94 –, juris). Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist. Zwar steht auch einem Werkbesteller gegenüber dem Werkunternehmer das Recht zu, Anweisungen für die Ausführung des Werks zu erteilen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Weisungen dürfen sich indes nur auf das vereinbarte Werk beziehen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis, 22.A., § 611a BGB, Rd. 39). Wird die Tätigkeit aber durch den „Besteller“ geplant und organisiert und wird der „Werkunternehmer“ in einen arbeitsteiligen Prozess eingegliedert, liegt ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis nahe. Ob ein Werkvertrag, ein Dienst- oder ein Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben; ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer wird nicht durch Auferlegung einer Erfolgsgarantie zum Werkunternehmer (BAG, Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12 –, m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; jeweils juris).

 

bb. Nach diesen Maßgaben kann der Vertrag vom 23. Juni 2013 nur als Dienstvertrag qualifiziert werden. Schon die Bezeichnung als Werkvertrag – sie findet sich im Titel sowie in den Ziff. 1, 4.1, 6 und 9 – ist widersprüchlich. Nach den Ziff. 7, 8 und 10 soll es sich vielmehr um einen „Beschäftigungsvertrag“ bzw. ein Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis handeln. Ferner finden sich zahlreiche für das Werkvertragsrecht untypische Regelungsgegenstände wie „Arbeitszeit“ (Ziff. 3, 6 und 9), „Arbeitsunterbrechung“ (Ziff. 3), „Arbeitsleistung“ (Ziff. 4.1 und 9), „Arbeitseinsatz“ (Ziff. 4.1), „Arbeitsentgelt“ (Ziff. 4.2), „Arbeitsunfähigkeit“ (Ziff. 5), „Arbeitsverhinderung“ (Ziff. 5, 8) und „Arbeitsaufgaben“ (Ziff. 6). Unabhängig hiervon enthält der Vertrag keinerlei Regelungen, die darauf hinweisen, dass der Beigeladene ein Werk bzw. einen Erfolg schulde. Seine vertragliche Hauptleistung – Einsätze im Rettungsdienst, Krankentransport, Sanitätsdienst sowie für Fahr- und Transporttätigkeiten, für bodengebundene Langstreckentransporte und bei Ambulanzflügen – beschreibt vielmehr eine typische Tätigkeit, die er ohne die Verpflichtung zu einem bestimmten Erfolg zu verrichten hatte. Dementsprechend finden sich diverse vertragliche Regelungen, die für Dienst-, nicht aber Werkverträge typisch sind, etwa zur Arbeitszeit – einschließlich Überstunden – (Ziff. 3, 4.1, 6 und 9), Arbeitsunfähigkeit und sonstigen Arbeitsverhinderung (Ziff. 5) oder zur im Werkvertragsrecht nicht vorgesehenen außerordentlichen Kündigung (Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2).

 

2. Für die Frage nach den für die Statusentscheidung maßgeblichen vertraglichen Bestimmungen darf sich der Senat indes nicht auf den HonV beschränken. Wird eine vermeintlich selbständige Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht – wie im vorliegenden Fall –, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 14, juris). Daher ist auch der AG-V in den Blick zu nehmen. Aus ihm ergibt sich, welche „spezielle Regelungen und Vorschriften eines Kunden“ der Beigeladene gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 HonV zu beachten und einzuhalten hatte, z.B. bezüglich der Dokumentation. Insbesondere aber war nach Anlage 1 zum AG-V der Beigeladene an die Weisungen des leitenden Flugarztes der Klägerin gebunden.

 

III. Die Bestimmungen des HonV und des AG-V, ergänzt durch die vertraglich nicht ausdrücklich geregelten Umstände, wie sie der Senat dem Vorbringen der Beteiligten entnimmt, erlauben nur die Zuordnung der vom Beigeladenen für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit zum Typus der abhängigen Beschäftigung. Die Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale führt im vorliegenden Fall zu einem deutlichen Überwiegen der für eine Beschäftigung sprechenden Umstände.

 

1. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass der HonV „nur“ Rahmenbedingungen regelte. Zum Tätigwerden verpflichtet war der Beigeladene nur, soweit zwischen ihm und der Klägerin eine Übereinkunft bezüglich eines Einsatzes für die AG erzielt wurde. Weder konnte er gegen seinen Willen von der Klägerin zu Diensten (auch nicht als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung) herangezogen werden – denn die Arbeitszeit war zwischen ihnen abzustimmen, ergab sich jedoch mittelbar stets durch die Einsatzanfragen der AG – noch hatte er gegenüber der Klägerin „verbindlichen Anspruch auf Tätigkeit und Leistungserbringung“ (Ziff. 1 Abs. 2 Satz 3 HonV). Der Vertrag gab somit lediglich die Bedingungen der künftig erst abzuschließenden und auf den jeweiligen Einsatz befristeten Rechtsverhältnisse wieder, begründete selbst aber (noch) keine Arbeitspflicht, stellte somit noch keinen Arbeitsvertrag dar, sondern lediglich eine Rahmenvereinbarung (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R –, juris, Rn. 13, m.w.N.; s.a. Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, juris, Rn. 25).

 

Aufgrund dessen ist für die weitere Prüfung der Statusfrage zu beachten, dass der HonV bzw. AG-V nicht allein Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sein können (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R –; Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 9 KR 344/13 –, Rn. 72; jeweils juris und m.w.N.). Abzustellen ist vielmehr auf die Vereinbarungen der Vertragsparteien zu den jeweiligen Aufträgen, weil erst durch diese die Rechtsbeziehungen hinreichend konkretisiert wurden. In diesem Zusammenhang kommen dann auch die Regelungen der Rahmenvereinbarung zum Tragen, soweit sie die einzelnen Rechtsverhältnisse rechtlich beeinflussen. Daraus ergibt sich, dass bei Rahmenverträgen Gegenstand der Prüfung grundsätzlich nicht ein einheitliches Rechtsverhältnis ist, welches sich auf den gesamten streitigen Zeitraum erstreckt, sondern eine Mehrzahl von Vereinbarungen über zeitlich befristete Einsätze. Maßgebend für die Beurteilung der Versicherungspflicht sind dann aber auch nur die einzelnen Rechtsverhältnisse, ggf. unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung, was wiederum zur Folge hat, dass auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des jeweiligen Auftrags im Hinblick (allein) hierauf bestanden (BSG a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.). Die Frage, ob der Beigeladene Aufträge ablehnen durfte, ist demnach für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung. Insoweit unterscheidet sich die Situation des Beigeladenen nicht von der eines Arbeitnehmers, der in kurzer Abfolge eine Mehrzahl von auf kurze Zeiträume befristete Arbeitsverträge mit demselben oder mit unterschiedlichen Arbeitgebern abschließt: Auch ihm steht es frei, über das Eingehen oder die Ablehnung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, ohne dass hierdurch die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieses oder der anderen Arbeitsverhältnisse beeinflusst würde (LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.).

 

2. Der Beigeladene unterlag einem Weisungsrecht der Klägerin (hierzu a.) und war in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in deren betriebliche Organisation eingegliedert (hierzu b.).

 

a. Ein Weisungsrecht kann nach dem o.G. bei Diensten höherer Art – etwa bei hoher Qualifikation oder einer leitenden Tätigkeit – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. An der Erteilung konkreter Aufträge bzw. Weisungen wird es etwa dann fehlen, wenn es gerade Aufgabe der Erwerbstätigen ist, eigenständig Konzepte zu entwickeln, Aufgaben für sich und andere zu definieren oder ihre besondere Sach- und Fachkunde einzusetzen (Segebrecht, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 06.09.2021), Rn. 90). Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb bzw. in eine fremde Arbeitsorganisation stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Ergeben sich etwa Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus vertraglichen Vereinbarungen oder mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten, kommt es u.a. darauf an, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 8/20 R –, Rn. 15; Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, Rn. 28; jeweils juris).

 

Auch wenn die Weisungsgebundenheit des Beigeladenen bei der Durchführung der jeweiligen Dienste schon aufgrund der o.g. für den ärztlichen Beruf typischen Freiheiten eingeschränkt war, war sie vorliegend nicht völlig entfallen. So bedurfte der konkrete Inhalt der vom Beigeladenen geschuldeten ärztlichen Leistungen der näheren Konkretisierung zumindest insoweit, als ihm die zu begleitenden Personen vorgegeben wurden. Insbesondere aber war er ausdrücklich an Weisungen des leitenden Flugarztes der Klägerin gebunden, unterlag aber auch i.Ü. – wie Ziff. 8 HonV indirekt belegt – Dienstanweisungen der Klägerin.

 

b. Der Beigeladene war in die Arbeitsorganisation der Klägerin integriert und nahm insofern funktionsgerecht dienend an deren Arbeitsprozess teil. Für die insoweit maßgebliche Arbeitsorganisation kommt es im vorliegenden Fall nicht nur auf unmittelbar die Klägerin betreffende Umstände an, sondern auch diejenigen der AG als Vertragspartnerin der Klägerin.

 

aa. Alle Formen drittbezogenen Personaleinsatzes charakterisiert, dass das Weisungsrecht aufgesplittet ist: Solange und soweit die überlassenen Mitarbeiter bei einem anderen Unternehmen eingesetzt werden, geht die Weisungsbefugnis – zumindest konkludent aufgrund der Vereinbarungen zwischen überlassendem und aufnehmendem Unternehmen – auf letztere über (BSG, Urteil vom 23. Juni 1982 – 7 RAr 98/80 –; BAG, Urteil vom 16. Juni 1982 – 4 AZR 862/79 –; jeweils juris und m.w.N.; Schüren, in: Hamann, AÜG, 5.A., § 1 Rn. 116 ff., 137 f., 186). Bedeutsam ist daher nicht nur, ob die Klägerin dem Beigeladenen für seine bei der AG ausgeübte Tätigkeit Weisungen erteilen durfte, sondern ob auch letzterer entsprechende Befugnisse zustanden. Dementsprechend ist auch für die Frage, ob der Beigeladene in einen fremden Betrieb eingegliedert war, nicht nur auf die Klägerin, sondern auch die AG abzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 –, juris; vgl. insgesamt auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2017 – L 9 KR 234/13 –, Rn. 82, juris)

 

bb. In eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert war der Beigeladene insofern, als er eine nicht von ihm ausgewählte, aus medizinischen Gründen zu begleitende und auf Flug(un)fähigkeit untersuchte Person übernahm, sie im Rahmen eines anderweitigen, d.h. nicht von ihm organisierten und beherrschten Flugbetriebs zurückbegleitete und sie dann zur anderweitigen medizinischen Betreuung übergab. Für den organisatorischen Rahmen waren nach dem HonV bzw. AG-V die Klägerin bzw. die AG verantwortlich: sie hatten die Flüge des Beigeladenen zu buchen, für ihn erforderliche Visa zu beschaffen, Hotelreservierungen zu buchen und ihn mit einem Mobiltelefon mit weltweiter Auslandsfreischaltung sowie einer gültigen Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000.- €) auszustatten. Außerdem waren dem Beigeladenen umfangreiche Dokumentationsaufgaben durch die AG-V (Datenerhebung vor Ort; Verlauf des Einsatzes auf von der AG zur Verfügung gestellten Formularen unter Angabe von medizinischen, organisatorischen und Patientendaten; Übergabe einer Durchschrift der Dokumentation an das aufnehmende Krankenhaus bzw. die Besatzung des Anschlusstransportes bzw. den Patienten zur Weitergabe an den behandelnden Arzt; auf Anforderung der AG Erstellung eines Kurzprofils der medizinischen Einrichtungen am Abholort der Patienten, sofern diese zu erheben sind) auferlegt. Zur Einhaltung der von der AG-V stammenden Vorgaben hatte sich der Beigeladene gegenüber der Klägerin in Ziffer 2 Abs. 2 HonV verpflichtet. Darüber hinaus unterlag er einer von der AG und der Klägerin näher ausgestalteten Schulungsverpflichtung und bei seiner gesamten Tätigkeit, wie sich aus dem AG-V ergibt, der Beaufsichtigung, Steuerung und Kontrolle durch die Klägerin.

Ferner zeigt sich die Einbindung in die von der Klägerin bzw. der AG als ihrer Vertragspartnerin vorgegebenen Arbeitsstrukturen auch darin, dass der Beigeladene Weisungsbefugnisse gegenüber dem Personal der Rettungsassistenz hatte.

 

Für die Frage der Eingliederung ist indes auch zu berücksichtigen, dass die vom Beigeladenen übernommene Aufgabe der Flugbegleitung typischerweise durch ein hohes Maß an Eigenständigkeit gekennzeichnet ist und vor allem keine kontinuierliche Zusammenarbeit mit und keinen regelmäßigen Kontakt zu anderen Mitarbeitern der Klägerin voraussetzt. Es ist nicht erkennbar, dass bei der Klägerin beschäftigte Ärzte, die ebenfalls im Bereich der Flugbegleitung eingesetzt wurden, ihre Tätigkeit weniger eigenständig hätten ausüben können.

 

c. Bei der Beurteilung von Weisungsrechten und der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation kommt es nicht darauf an, ob bestehende Weisungsrechte (z.B. des leitenden Flugarztes) tatsächlich wahrgenommen oder Verpflichtungen des Beigeladenen (z.B. zur Schulung) tatsächlich eingefordert wurden.  Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, juris); gleiches gilt für mögliche Vertragsverstöße einer Vertragspartei.

 

3. Der Beigeladene trug kein nennenswertes unternehmerisches Risiko.

 

a. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, und vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Februar 2021 – L 14 KR 52/16 – und Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –; jeweils juris und m.w.N.). Risikolos in diesem Sinne ist insbesondere die Vereinbarung eines gleichbleibenden Entgelts für geleistete Stunden (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, Rn. 31) oder einer gleichbleibenden, erfolgsunabhängigen Vergütung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Mai 2018 – L 8 R 234/15 –, juris; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Zieglmeier, § 7 SGB IV, Stand: März 2021, Rn. 195, 265 („Detektiv“), m.w.N.).

 

b. Zwar mag bei Tätigkeiten, die im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, das Fehlen von größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder -materialien kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden darstellen (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R –, juris, Rn. 42). Der Beigeladene hat allerdings auch seine Arbeitskraft nicht mit dem Risiko eingesetzt, keine Vergütung zu erhalten.

 

aa. Dem standen schon die von der Durchführung konkreter ärztlicher Maßnahmen unabhängigen, daher garantierten Pauschalen je Einsatz entgegen. Zwar mag es für ein Arbeitsverhältnis bzw. eine Beschäftigung untypisch sein, dass die geschuldeten Leistungen pauschal, d.h. unabhängig vom Zeitaufwand je erbrachter Leistung, vergütet wurden. Gleichwohl war jederzeit gewährleistet, dass die vom Beigeladenen durchgeführten Einsätze bei Ambulanzflügen nicht mit dem Risiko eines Vergütungsausfalls verbunden waren. Insbesondere bestand für den Beigeladenen keinerlei Möglichkeit, durch besondere Anstrengungen – etwa besonders zeitsparendes oder effektives Handeln während der Flugbegleitung – eine höhere Vergütung zu erlangen.

 

bb. Der Beigeladene verfügte über keine eigene Betriebsstätte und musste keine eigenen Arbeitsmittel oder eigenes Personal zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten einsetzen. Selbst wenn er – wie klägerseitig behauptet – teilweise eigene Arbeitsmittel wie Stethoskop, Blutdruck- und Zuckermessgerät oder Pulsoximeter verwendete, geschah dies, ohne dass ihn vertragliche Vereinbarungen hierzu gezwungen hätten. Diese sahen vielmehr vor, dass Einsatzequipment aus Privatbesitz nur ersatzweise eingesetzt werden durfte. Dass dem Beigeladenen diese Arbeitsmittel nicht von der Klägerin oder der AG zur Verfügung gestellt wurden und er sie daher selbst beschaffen musste, ist jedoch weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch anderweitig ersichtlich. Freiwillig getätigte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit sind indes für die Statusfrage ohne jede Bedeutung.

 

Der einzige Kapitalaufwand, zu dem der Beigeladene nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war, bestand nach Ziff. 6 Abs. 2 HonV darin, dass er die Kosten für jährlich 30 Stunden an Fort- und Weiterbildung selbst zu tragen hatte. Zu einem nennenswerten Kapitalrisiko führt eine solche Verpflichtung allerdings nur dann, wenn die Höhe der Kosten im Verhältnis zur Vergütung ein erhebliches Gewicht erlangen. Dies lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen, da der Kläger nach der Einweisung in seine Tätigkeit an keiner Schulungs-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen hat.

 

4. Für eine Beschäftigung des Beigeladenen spricht ferner, dass ihm die für Selbständige charakteristische Möglichkeit, nach eigenem Gutdünken darüber zu entscheiden, ob er die vertraglich geschuldete Leistung allein oder mithilfe bei ihm beschäftigter Personen erbringt, verwehrt war. Mangels entsprechender vertraglicher Regelung hatte er vielmehr – wie es für Arbeitnehmer typisch ist (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris, Rn. 33) – seine Leistungen höchstpersönlich zu erbringen.

 

Untypisch für eine Beschäftigung wäre zwar, wenn der Beigeladene im Falle seiner Verhinderung selbst eine Vertretungskraft zu stellen hätte. Hierzu war er nach den vertraglichen Vereinbarungen indes nicht verpflichtet, sondern hatte sich nur „ggf. um Ersatz zu bemühen“. Offen lässt der HonV insofern nicht nur, unter welchen Voraussetzungen er zu diesem Bemühen verpflichtet war, sondern auch, welche Rechtsfolgen im Falle gescheiterter Bemühungen oder gar Untätigkeit des Beigeladenen eintreten sollten. Aus der zitierten Passage des HonV lässt sich daher nichts für eine Selbständigkeit des Beigeladenen ableiten.

 

5. Ohne Bedeutung ist, dass der Beigeladene neben der streitigen Tätigkeit einer Vollzeitbeschäftigung in einem Krankenhaus nachging. Denn der Gesetzgeber hält, wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV belegen, ein Neben­einander von Beschäftigung(en) und selbständiger Tätigkeit für zulässig. Darüber hinaus kann eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbständigen Tätigkeit Gewicht erhalten, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Hierfür ist im Falle des Beigeladenen nichts erkennbar. Zwar kann eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt. Das gilt aber nicht, wenn – wie hier – die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abgestellt wird (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Februar 2021 – L 14 KR 52/16 –, Rn. 68; jeweils juris).

 

6. Eine Qualifizierung der streitgegenständlichen Tätigkeit des Beigeladenen als selbständig lässt sich auch nicht aus den hierauf gerichteten vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin herleiten.

 

Dem Willen der Vertragsparteien kommt generell nur dann eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, juris, Rn. 36, m.w.N.).

 

Ohne Bedeutung sind insbesondere Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden (z.B. Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung bei Krankheit/Urlaub bzw. von Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Kranken- oder sonstige Sozialversicherung selbst zu sorgen). Solche Abreden lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zu, eine Beschäftigung bzw. Versicherungspflicht als daraus resultierender Rechtsfolge auszuschließen (vgl. auch § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Werden die entsprechenden Rechte dem Erwerbstätigen hingegen ausdrücklich vertraglich eingeräumt, spricht dies entscheidend für den Willen der Vertragsparteien, ein Arbeits- und somit auch ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, Rn. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, Rn. 117; Urteil vom 10. November 2021 – L 14 KR 474/16 –‍, Rn. 133; jeweils juris und m.w.N.).

 

Hieran gemessen ist der Wille der Vertragsparteien, die Tätigkeit des Beigeladenen sozialversicherungsrechtlich als selbständig einzustufen, unbeachtlich. Denn die weit überwiegenden sonstigen Umstände lassen nur eine Qualifizierung als Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu.

 

IV. Aufgrund seiner Beschäftigung unterlag der Beigeladene an den o.g. Tagen der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und in der GRV (§ 1 Abs 1 Nr. 1 SGB VI). Letzterem steht nicht entgegen, dass er nach eigener Einschätzung von der Versicherungspflicht in der GRV befreit war. Denn die Befreiung von dieser Versicherungspflicht wird immer nur tätigkeitsbezogen erteilt (BSG, Beschluss vom 13. Juli 2009 – B 12 R 30/08 B –, Rn. 6, juris, m.w.N.); dies geschah für seine Tätigkeit bei der Klägerin nicht.

 

Eine zur Versicherungsfreiheit nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs. 2 SGB III) führende Geringfügigkeit i.S.v. § 8 Abs.1 Nr. 1 SGB IV lag nicht vor, obwohl das Arbeitsentgelt des Beigeladenen in mehreren Monate 450 € nicht überstieg.

 

Im Versicherungs- und Beitragsrecht des SGB ist grundsätzlich auf eine prospektive Betrachtung abzustellen. Maßgeblich sind demnach die Umstände bei Eintritt der Versicherungspflicht (z.B. aufgrund einer Beschäftigung), wobei für die erforderliche Prognose regelmäßig auch die Verhältnisse in der Vergangenheit von Bedeutung sind (BSG, Beschlüsse vom 27. April 2016 – B 12 KR 16/14 R, B 12 KR 17/14 R – <zur Unständigkeit i.S.v. § 232 SGB V, § 163 Abs. 1 SGB VI>; Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 4/13 R – <zur Hauptberuflichkeit i.S.v. § 5 Abs. 5 SGB V>, vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 – <zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte>, vom 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R – <zur Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit>, m.w.N., und vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – <zur Familienversicherung>; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. April 2013 – L 22 R 1149/11 – <zur Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI>; jeweils juris). Diese Sichtweise gewährleistet im Interesse aller Beteiligten (Versicherte, Arbeitgeber bzw. sonstige Beitragszahler, Sozialversicherungsträger), dass schon bei Beginn der Versicherungspflicht Klarheit über die für die Beteiligten bestehenden Rechte und Pflichten geschaffen wird (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2014 – L 9 KR 449/12 –, Rn. 80, juris).

 

Im vorliegenden Fall ließ sich eine Prognose, dass der Beigeladene seine Beschäftigung bei der Klägerin nur geringfügig ausüben würde, nicht stellen. Der HonV enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür und die Beteiligten gingen nach eigenem Bekunden bei Vertragsschluss – dies ist grundsätzlich der maßgebliche Zeitpunkt – davon aus, das vom Beigeladenen erzielte Entgelt werde regelmäßig 450 € übersteigen.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Der Senat berücksichtigt insoweit einerseits, dass die Beklagte ihre Feststellung zur Versicherungspflicht nach dem SGB V und dem SGB XI während des Rechtsstreits zurückgenommen hat, nachdem der Beigeladene (erst) im Laufe des Berufungsverfahrens die hierfür maßgeblichen Umstände (Verhältnis der Einnahmearten zueinander) offengelegt hat. Andererseits hatte die für die angefochtenen Bescheide ausschlaggebende Feststellung, dass der Beigeladene bei der Klägerin beschäftigt war, jedoch Bestand. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris).

 

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vor-liegen.

Rechtskraft
Aus
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