L 1 KR 159/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 1183/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 159/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. DAOSIN ist weder seiner Bezeichnung noch seiner Funktion nach ein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 AMG, sondern ein nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogenes Nahrungsergänzungsmittel.

2. Bei der Beurteilung, ob es sich bei einem Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG handelt, ist maßgeblich auf die pharmakologischen Eigenschaften abzustellen.

3. Wenn die Wirkung des Erzeugnisses nicht über das hinausgeht, was auch mit der normalen Nahrungsaufnahme an Einwirkungen auf den Körper erzielt werden kann, fehlt es an der pharmakologischen Wirkung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG.

 

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L 1 KR 159/20

S 8 KR 1183/19 Leipzig

 

 

 

Sächsisches Landessozialgericht

                            Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

 A....

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigter:       Rechtsanwälte B....
 

gegen

pronova BKK, vertreten durch den Vorstand, Brunckstraße 47, 67063 Ludwigshafen

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

hat der 1. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2022 in Chemnitz durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. Wahl, die Richterin am Landessozialgericht Wagner, die Richterin am Landessozialgericht Busse und die ehrenamtlichen Richter Frau Poldrack und Herr Viertel für Recht erkannt:

      1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
      2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

 

Streitig ist die Erstattung der für die Beschaffung von DAOSiN® entstandenen Kosten.

 

Die 1968 geborene Klägerin leidet unter einem Hypereosinophilie-Syndrom. Als sie bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war, beantragte die Klägerin am 27.12.2018 unter Vorlage von zwei Privatrezepten vom 11.12.2018 und 13.11.2018 die Übernahme der Kosten für insgesamt 120 Kapseln DAOSiN®. Am 30.11.2018, 19.12.2018 und 10.01.2019 beschaffte sie sich DAOSiN®; es fielen Kosten in Höhe von jeweils 42,98 € an (insgesamt 128,94 €).

 

Den Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2018 ab. Bei DAOSiN® handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Die Arzneimittelrichtlinie bestimme, dass die Verordnung von Lebensmitteln und Nahrungsmitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Sie sei der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen.

 

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 22.01.2019 machte die Klägerin geltend, dass sie am 13.06.2016 durch den Notarzt mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt in das Krankenhaus eingewiesen worden sei. Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes seien neue Befunde erhoben worden (Multiallergien, Pseudoallergien, Salicylatintoleranz, Laktoseintoleranz, Histaminintoleranz). Sie leide an ständiger Übelkeit, Unwohlsein, Asthmaanfällen, Herzproblemen, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Die Schilddrüse und ein wurzelbehandelter Zahn seien entfernt worden. Um eine Besserung des Krankheitszustandes zu erreichen, habe sie zudem Cortison eingenommen. Aus ärztlicher Sicht sei die Einnahme von DAOSiN® erforderlich. Sobald sie dieses weglasse, verstärkten sich die Symptome.

 

Mit Schreiben vom 31.01.2019 und vom 18.03.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme. Bei DAOSiN® handele es sich um ein nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin habe sich DAOSiN® bereits am 30.11.2018 und am 19.12.2018 selbst beschafft, so dass auch der Beschaffungsweg nicht eingehalten sei. Ferner reiche ein Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch.

 

Den dennoch aufrechterhaltenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte aus den bereits in den Schreiben vom 31.01.2019 und 18.03.2019 genannten Gründen mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2019 zurück.

 

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2019 hat die Klägerin am 10.05.2019 Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Sie leide an einem Hypereosinophilie-Syndrom. Dieses führe zu allergischen Symptomen gegen Nahrungsmittel und Medikamente. Die Erkrankung führe zu Atemnot, Erbrechen, Magenkrämpfen, Durchfall, juckender Haut, Ausschlägen, Schwellungen, Asthma, brennendem Kribbeln der Mundhöhle, schwankendem Blutdruck, verstopfter Nase bis hin zum anaphylaktischen Schock. Sie habe deshalb immer ein Notfallset bei sich. Andere Präparate als DAOSiN® vertrage sie nicht. So sei die Therapie mit Triam-Spritzen nicht erfolgreich gewesen. Die Behandlung mit Xolair sei wegen Unverträglichkeiten abgebrochen worden. Durch Prednisolon sei das Immunsystem geschwächt worden. Es sei zu Magenproblemen, Verdünnung der Haut mit einhergehenden Verletzungen und Osteoporose gekommen. Auch eine Sensibilisierung habe bislang keinen Erfolg gehabt. Sie verweise auf die Bestätigungen des behandelnden Internisten vom 13.10.2018 und 23.09.2019.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder Anspruch auf Kostenübernahme noch auf Kostenerstattung. Ein Ausnahmefall vom in § 2 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) normierten Sachleistungsprinzip liege nicht vor. Die Leistung sei nicht unaufschiebbar im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. Die Beklagte habe die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Es sei bereits der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden. Die Klägerin habe sich die DAOSiN®-Kaspeln bereits vor der Entscheidung der Beklagten selbst beschafft. Zur Selbstbeschaffung sei ein Versicherter jedoch nur berechtigt, wenn entweder nach § 13 Abs. 3 SGB V eine von der Krankenkasse geschuldete Leistung wegen Systemmangels nicht erbracht werden könne oder wenn die Krankenkasse über einen Antrag nicht innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V entschieden habe. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Auch für künftige Zeiträume bestehe kein entsprechender Kostenübernahmeanspruch. Bei DAOSiN® handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel gehörten nicht zu den Arzneimitteln. Dies gehe bereits aus der Produktinformation hervor und gelte unabhängig davon, ob die Klägerin selbst DAOSiN® als Arzneimittel ansehe. Denn die Zweckbestimmung sei losgelöst vom subjektiven Empfinden des Einzelnen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Ein Seltenheitsfall liege nicht vor.

 

Gegen den ihr am 13.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 13.03.2020 bei dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie zunächst die Kostenerstattung in Höhe von 85,96 € sowie die Übernahme der künftig entstehenden Kosten für DAOSiN® begehrt hat. Das Hypereosinophilie-Syndrom sei wertungsmäßig vergleichbar mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Ohne Einnahme von DAOSiN® müsse sie bei sozialen Anlässen, bei denen Speisen und Getränke gereicht würden, jederzeit mit heftigen Symptomen wie Erbrechen, Durchfall und Hautausschlag rechnen. Schlimmstenfalls könne es zu einem anaphylaktischen Schock kommen, dem mit dem Notfall-Set begegnet werden müsse. Wegen der Furcht vor diesen Symptomen bei sozialen Anlässen drohe soziale Isolation. Ohne die Einnahme der DAOSiN®-Kapseln drohe der Verlust der Funktion und Funktionalität des Magen-Darm-Traktes und damit einer herausgehobenen Körperfunktion.

 

Mit Schriftsatz vom 06.11.2020 hat die Klägerin den Antrag wegen des zum 01.11.2019 erfolgten Wechsels der Krankenkasse hinsichtlich der Übernahme zukünftiger Kosten für erledigt erklärt und im Termin der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2022 Kostenerstattung in Höhe von weiteren 1.203,00 € begehrt. Dabei handele es sich um die weiteren Kosten, die bis zum Krankenkassenwechsel angefallen seien.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2019 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin für den Erwerb von DAOSiN® entstandenen Kosten in Höhe von 85,96 € sowie von weiteren 1.203,00 € zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG. Ergänzend führt sie aus, die Klägerin verkenne, dass für eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts die vom Bundessozialgericht (BSG) und vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Kriterien kumulativ zu erfüllen seien. Für den Arzneimittelbereich sei es darüber hinaus geboten, dass eine arzneimittelrechtliche Zulassung vorliege. Dies sei bei DAOSiN® -Kapseln nicht der Fall.

 

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten zum Verfahren beigezogen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte beider Instanzen und der Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Es kann dahinstehen, ob die Berufung bereits unzulässig ist.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf eine Beschwerde durch den Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Regelungen über die Statthaftigkeit der Berufung in § 144 SGG gelten gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 SGG entsprechend, wenn – wie hier – das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat (BSG, Urteil vom 19.03.2020 – B 4 AS 4/20 R – juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Bestimmung des Umfangs des Klage- und daran anschließend des Berufungsbegehrens obliegt auf Grund des auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsgrundsatzes nicht dem Gericht, sondern dem Kläger. Die durch § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG normierte Zulassungsbedürftigkeit knüpft insofern an das materielle Begehren des Berufungsklägers an, also sein ursprüngliches Klageziel, soweit er dieses im Berufungsverfahren noch verfolgt (BSG, Urteil vom 19.03.2020 – B 4 AS 4/20 R – juris Rn. 14; Urteil vom 05.08.2015 – B 4 AS 17/15 B – juris Rn. 6). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung nach § 144 SGG ist die Einlegung der Berufung (Schreiber in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 144 Rn. 6). Das LSG ist dabei nicht an Fassungen des Prozessantrages durch den Kläger gebunden, die allein willkürlich oder rechtsmissbräuchlich darauf abzielen, im Wege einer übermäßigen Ausdehnung des Antrages die Statthaftigkeit der Berufung herbeizuführen (BSG, Beschluss vom 26.07.2016 – B 4 AS 12/16 B – juris Rn. 11).

Der erstinstanzlich gestellte Klagantrag erreichte mit dem auf 85,96 € bezifferten Kostenerstattungsbegehren für von November 2018 bis Januar 2019 beschaffte DAOSiN®-Kapseln die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei weitem nicht. Dies war ursprünglich wegen des daneben verfolgten, in die Zukunft gerichteten Kostenübernahmebegehrens unschädlich, weil davon ausgegangen werden konnte, dass damit Streit über laufende Sachleistungen für mehr als ein Jahr bestand, was nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG genügt. Seit dem Wechsel der Krankenkasse war dies allerdings nicht mehr der Fall, weil infolgedessen für die Zeit ab zum 01.11.2019 gemäß § 19 Abs. 1 SGB V keine Sachleistungsansprüche gegen die Beklagte mehr entstehen konnten. Den Kassenwechsel teilte die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren weder mit noch passte sie ihren Klagantrag daran an. Im Berufungsverfahren stellte sie zunächst denselben Antrag wie in erster Instanz. Erst auf Mitteilung des Kassenwechsels durch die Beklagte reagierte die Klägerin – zunächst indem sie mit Schriftsatz vom 06.11.2020 ihren Antrag hinsichtlich der Übernahme zukünftiger Kosten für erledigt erklärte, und schließlich indem sie in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2022 ihr Kostenerstattungsbegehren um 1.203,00 € erweiterte. Ob sich die bei Einlegung der Berufung trotz Kassenwechsels weiterverfolgte Übernahme zukünftiger Kosten gegen die Beklagte als rechtsmissbräuchlich im oben dargelegten Sinne darstellt und wie sich in diesem Zusammenhang die Erweiterung des Klageantrages im Termin der mündlichen Verhandlung auswirkt, kann letztlich dahinstehen.

2. Denn die Berufung ist jedenfalls unbegründet.

Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung der für den Erwerb von DAOSiN® entstandenen Kosten in Höhe von 85,96 € sowie von weiteren 1.203,00 € nicht beanspruchen.

a) Als Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

§ 13 Abs. 3 SGB V regelt in seinem Satz 1 zwei Tatbestände der Kostenerstattung, denen gemeinsam ist, dass die Krankenkasse den Anspruch des Versicherten auf die ihm zustehende Sach- oder Dienstleistung nicht erfüllt hat. In der ersten Alternative ist die Krankenkasse nicht in der Lage, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen. Das ist der klassische Fall des sogenannten Systemversagens. Dem „gleichgestellt“ ist in der zweiten Alternative der Fall, dass die Krankenkasse eine Sach- oder Dienstleistung rechtswidrig abgelehnt hat. Das Unvermögen bzw. die rechtswidrige Weigerung berechtigt den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V tritt an die Stelle des (primären) Sachleistungsanspruchs und ist insofern sekundär (abgeleitet) (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 13 Rn. 47).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Ein Fall des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V liegt nicht vor. Das haftungsbegründende Verhalten der Krankenkasse liegt in diesem Fall darin, dass sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Eine Leistung ist unaufschiebbar im Sinne dieser Regelung, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 30/15 R – juris Rn. 16; Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 14/14 R – juris Rn. 15; Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R – juris Rn. 23). Nach zutreffender Auffassung kommt es allein auf medizinische Gründe an (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 13 Rn. 59). Für eine Unaufschiebbarkeit der Einnahme von DAOSiN® ist im vorliegenden Fall weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V liegen nicht vor. Das Gesetz beschreibt den haftungsauslösenden Tatbestand der zweiten Regelungsalternative des Satzes 1 mit den Worten: „hat sie“ (die Krankenkasse) „eine Leistung zu Unrecht abgelehnt“. Er liegt vor, wenn die Kasse eine vom Versicherten beantragte und ihm rechtlich zustehende Leistung (Primäranspruch) objektiv rechtswidrig verweigert. Auf ein Verschulden der Kasse kommt es nicht an. Unerheblich sind ferner die inhaltlichen Gründe der Leistungsverweigerung. Eine unrechtmäßige Ablehnung ist beispielsweise sowohl bei einem materiell rechtswidrig verneinten Primäranspruch als auch bei objektiv fehlerhafter versicherungsrechtlicher Beurteilung (z.B. keine Mitgliedschaft) gegeben. Das Erfordernis („Ob“) einer ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse gilt im Anwendungsbereich der zweiten Alternative ausnahmslos (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 13 Rn. 65). Im Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative ist durch das Kausalitätserfordernis eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung regelmäßig ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 20.05.2003 – B 1 KR 9/03 R – juris). Einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V für die am 30.11.2018 und 19.12.2018 entstandenen und vom Antrag der Klägerin umfassten Kosten in Höhe von jeweils 42,98 € steht damit bereits die fehlende Kausalität zwischen der Selbstbeschaffung und der ablehnenden Entscheidung der Beklagten entgegen. Denn der Bescheid der Beklagten erging erst nach dem Anfall der Kosten, nämlich am 28.12.2018. Da es hinsichtlich der erst im Termin der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Erstattungsansprüche bereits am Nachweis der Kosten fehlt, kommt ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V allenfalls für die am 10.01.2019 entstandenen Kosten in Betracht.

Weitergehender Ausführungen zu diesen Voraussetzungen der Regelungsalternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bedarf es indes nicht. Denn ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 17.12.2019 – B 1 KR 18/19 R – juris Rn. 8; Urteil vom 12.09.2015 – B 1 KR 15/14 R – juris Rn. 8; Urteil vom 03.07.2012 – B 1 KR 6/11 R – juris Rn. 15). Dies ist hier nicht der Fall. Denn DAOSiN® ist kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit umfasstes Arzneimittel im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V, sondern ein nicht in den Leistungskatalog der GKV einbezogenes Nahrungsergänzungsmittel.

Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Qualität als GKV-Arzneimittel (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V), dass Arzneimitteleigenschaft i.S. des Arzneimittelgesetzes (AMG) besteht (BSG, Urteil vom 03.07.2012 – B 1 KR 23/11 R – juris Rn. 12).

Nach § 2 Abs. 1 AMG (hier weiter anwendbar in der bis 25.05.2020 geltenden Fassung des Gesetzes vom 04.04.2016, BGBl. I S. 569) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.   die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder

2.   die in oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder

  1. die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
  2. eine medizinische Diagnose zu stellen.

Dieser weite Arzneimittelbegriff erfährt eine Eingrenzung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) nicht zu den Arzneimitteln zählen. Dabei verweist § 2 Abs. 2 LFGB (hier weiter anwendbar in der bis 25.05.2020 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24.11.2016, BGBl. I S, 2656) für den Lebensmittelbegriff weiter auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (hier anwendbar in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/1381 vom 06.09.2019, ABl. L 231). Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder teilweise unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden (näher dazu Müller in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 3. Aufl., § 2 Rn. 140). Zu den Lebensmitteln im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 zählen auch Nahrungsergänzungsmittel im Sinne der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV). § 1 Abs. 1 NemV definiert den Begriff des Nahrungsergänzungsmittels als ein Lebensmittel, das

1.   dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,

2.   ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und

3.   in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

DAOSiN® ist weder nach seiner Bezeichnung noch nach seiner Funktion als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG anzusehen, sondern als Nahrungsergänzungsmittel.

DAOSiN® ist kein Präsentationsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG. Zwar ist DAOSiN® zur Anwendung im menschlichen Körper bestimmt. Es fehlt aber an der daneben erforderlichen Bestimmung als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden. Eine solche ist zunächst dann gegeben, wenn ein Erzeugnis – gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich – ausdrücklich als solches Mittel bezeichnet oder empfohlen wird, sowie ferner dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (Europäischer Gerichtshof [EuGH], Urteil vom 21.03.1991 – C-60/89 – juris Rn. 23). Die von der Klägerin zur Akte gereichten Unterlagen bezeichnen DAOSiN® nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel. Im Rahmen von Produktbeschreibungen wird DAOSiN® als ein Nahrungsergänzungsmittel mit dem Enzym DiAminOxidase (DAO) zur Unterstützung des Abbaus von Histamin aus der Nahrung im Darm beschrieben. Soweit trotz der Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel andere Umstände hinzutreten können, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 26.05.2009 – 3 C 5/09 – juris Rn. 22), liegen solche Umstände bei DAOSiN® nicht vor.

DAOSiN® ist auch kein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG. Da DAOSiN® nicht der Erstellung einer medizinischen Diagnose dient
(§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG), kommt es für die Funktionsarzneimitteleigenschaft maßgeblich darauf an, inwieweit es zur Herstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung geeignet ist (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a AMG).
Die Entscheidung hierüber ist von Fall zu Fall zu treffen und hat alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (EuGH, Urteil vom 15.01.2009 – C-140/07 – juris Tz. 39; Urteil vom 30.04.2009 – C-27/08 – juris Tz. 18). In Abgrenzung zum Präsentationsarzneimittel soll der Begriff des Funktionsarzneimittels damit diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Bei dieser Beurteilung ist auf den normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses abzustellen, wobei es ohne Belang ist, dass das Erzeugnis in einer höheren als der auf dem Beipackzettel oder in der Verzehrempfehlung auf der Verpackung angegebenen Dosierung eine nennenswerte physiologische Wirkung haben kann (EuGH, Urteil vom 30.04.2009 – C 27/08 – juris Tz. 19 ff.).

Ausgehend von diesem Begriffsverständnis erfüllt DAOSiN® nicht die Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Diaminoxidase ist ein kupferhaltiges Enzym, das Histamin, Putreszin und andere biogene Amine abbauen kann (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Diaminoxidase). Das zugeführte Enzym soll ergänzend neben den (vermindert) vorhandenen körpereigenen Enzymen nach Einnahme einen ausreichenden Histaminabbau gewährleisten, sodass die Symptome einer Histaminintoleranz vermieden werden. Da der Körper dadurch nicht in die Lage versetzt wird, das Enzym in ausreichender Menge selbst herzustellen, scheidet eine Wiederherstellung oder Korrektur von physiologischen Funktionen aus. Eine Beeinflussung physiologischer Funktionen durch eine hier allein in Betracht kommende metabolische Wirkung liegt ebenfalls nicht vor, da die Wirkung der zugeführten Enzyme neben den physiologischen Funktionen erfolgt und gerade nicht in diese eingreift. Selbst wenn eine solche physiologische Wirkung anzunehmen wäre, ist die Beeinflussung keine nennenswerte im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.11.2007 (EuGH, Urteil vom 15.11.2007 – C-319/05 – Tz. 59 ff.) festgestellt, dass es die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind, die den entscheidenden Faktor für die Beurteilung darstellen, ob es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen angewandt werden kann (Müller in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, Kommentar, 3. Aufl., 2022, § 2 Rn. 26). Denn die Formulierung „Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen“ ist so weit gefasst, dass sie auch auf solche Erzeugnisse erstreckt werden kann, die sich ihrer Art nach zwar mit Gewissheit auf die Körperfunktionen auswirken, im Wesentlichen aber einem anderen, insbesondere einem Ernährungszweck dienen. Diese Sichtweise hat sich der EuGH im Hinblick auf die Notwendigkeit einer praktikablen Abgrenzung zu den Nahrungsergänzungsmitteln zu eigen gemacht und ausgesprochen, dass die Einstufung als Arzneimittel nach der Funktion unangemessen ist, wenn ein Erzeugnis zwar die physiologischen Körperfunktionen beeinflusst und auch objektiv für therapeutische Zwecke verwendet werden kann, sich aber nicht „nennenswert“ auf den Stoffwechsel auswirkt und somit dessen Funktionsbedingungen nicht „wirklich“ beeinflusst. Es muss mit anderen Worten Wirkungen hervorrufen, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegen; daran fehlt es, wenn das Erzeugnis nicht über das hinausgeht, was auch mit der normalen Nahrungsaufnahme an Einwirkungen auf den Körper erzielt werden kann. Das BVerwG spricht insoweit zutreffend von einer „Erheblichkeitsschwelle“, wonach die Wirkungen eines Produkts über diejenigen hinausgehen müssen, die auch durch die Nahrungsaufnahme ausgelöst werden (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 – 3 C 21.06 – juris Rn. 28 f.). Dabei bedarf es, um von einer erheblichen oder nennenswerten Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers ausgehen zu können, belastbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.11.2008 – 5 B 18.06 – juris Rn. 39). Nach Rechtsauffassung des Senats ist angesichts der in der vorliegenden Produktinformation beschriebenen Wirkung eine Überschreitung dieser Erheblichkeitsschwelle nicht gegeben. DAOSiN® soll danach ernährungsphysiologische Prozesse ergänzen, indem es den Histamingehalt der Nahrung neben den körpereigenen Enzymen verringert und so gleichsam vorbeugend eine Störung der physiologischen Funktionen durch einen hohen Histamingehalt der Nahrung vermeidet. Es geht in der beschriebenen Wirkung letztlich nicht über die Verminderung des Histamingehaltes der Nahrung bzw. den Verzehr von histaminarmer Nahrung (vgl. AWMF-Leitlinie zum Vorgehen bei Verdacht auf Unverträglichkeit gegenüber oral aufgenommenem Histamin, abrufbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-030l_S1_Vorgehen-bei-Verdacht-auf-Unvertraeglichkeit-gegenueber-oral aufgenommenem-Histamin_ 2022-03.pdf) hinaus, so dass dahinstehen kann, ob belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zur beschriebenen Wirkung vorliegen.

Als Nahrungsergänzungsmittel gehört DAOSiN® nicht zu den Arzneimitteln und ist nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst (§ 6 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung; so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.12.2021 – L 16 KR 113/21 – juris).

b) Da DAOSiN® mithin kein Arzneimittel ist, kommen die vom BSG entwickelten
Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 9/18 R – juris Rn. 34; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 19/10 R – juris Rn. 16 f.; Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R – juris Rn. 26 f.) von vornherein nicht in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.04.2016 – L 11 KR 4685/15 
juris Rn. 32). Auch bedarf es keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht zugelassene Arzneimittel im Einzelfall zum Leistungsumfang der GKV gehören (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R – juris Rn. 34 ff.).

c) Schließlich ergibt sich ein Leistungsanspruch auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V und den darin kodifizierten Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts (dazu Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 – juris Rn. 65; BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R – juris Rn. 28). § 2 Abs. 1a SGB V setzt voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1.   Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor.

2.   Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.

3.   Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (nicht allgemein anerkannten) Behandlungs- oder Untersuchungsmethode besteht eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Es ist schon nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Hypereosinophilie-Syndrom, unter dem die Klägerin leidet, um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handelt. Dafür muss eine notstandsähnliche Situation in dem Sinne vorliegen, dass es nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 15.12.2015 – B 1 KR 30/15 R – juris Rn. 59; Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R – juris Rn. 29; Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R – juris Rn. 34; Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R – juris Rn. 20; vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015 – 1 BvR 2056/12 – juris Rn. 18). Hierfür bestehen bei der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte.

Selbst wenn es sich anders verhielte und zudem eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stünde, käme ein Leistungsanspruch auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht, weil das SGB V Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen, sie also dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugewiesen hat, selbst wenn hierfür den Versicherten krankheitsbedingt ein Mehraufwand entstehen sollte (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.04.2016 – L 11 KR 4685/15 – juris Rn. 37, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 20/10 R – juris Rn. 20). Das Gesetz sieht vielmehr – bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit – insoweit Ansprüche gegen diejenigen Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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