L 7 AS 1200/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AS 11/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1200/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7/14 AS 383/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 13.07.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln, das die Klage auf Unterkunfts- und Heizbedarfe für August 2015 bis Januar 2016 abgewiesen hat.

Der am 00.00.1988 geborene Kläger beantragte erstmalig am 05.02.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, dass er seit dem 04.12.2014 erkrankt sei. Sein früherer Arbeitgeber habe ihn von der Krankenkasse abgemeldet und er würde weder Erwerbseinkommen noch Krankengeld beziehen. Eine schriftliche Kündigung bestehe nicht, jedoch weigere sich der Arbeitgeber Gehalt auszuzahlen. Er lebe allein in einer Mietwohnung.

Am 16.02.2015 legte der Kläger einen ausgefüllten Hauptantragsbogen nebst „Anlage KDU“ und Vermieterbescheinigung vor. Er gab darin an, dass er alleine in einer 55 m² großen3-Zimmer-Wohnung in der I-Straße 00, Löhne lebe. Die Gesamtmiete betrage 440 € (320 € Grundmiete, 70 € Betriebskosten [davon 30 € Wasser- und 40 € Stromkosten], 50 € Heizkosten). Die Warmwasseraufbereitung erfolge über Gas. Mietrückstände wurden keine angegeben. Vermieterin der Wohnung sei seine Mutter, die Zeugin S F.

Am 04.03.2015 legte der Kläger eine Ummeldungsbescheinigung vom 07.11.2014 vor, wonach er am 07.11.2014 von seiner früheren Wohnung J-Straße 5, Löhne in seine aktuelle Wohnung in der I-Straße umgezogen sei. Die Fallmanagerin des Klägers notierte auf diese Bescheinigung: „Letzte bekannte Anschrift der Mutter war ebenfalls „J-Straße 5“. Nun „Mietvertrag“ mit Mutter f. neue Unterkunft geschlossen.“ Daneben legte der Kläger eine Kopie des Mietvertrags zwischen ihm und seiner Mutter vom 02.11.2014 vor, wonach die Miete bar bezahlt werde. Das Datum vor dem Unterschriftfeld des Mietvertrags ist überschrieben. Es ist zu erkennen, dass das ursprüngliche Datum „3….15“ mit „02.11.´14“ überschrieben wurde. Die Fallmanagerin des Klägers notierte: „unklar, ob Mietverhältnis tatsächlich umgesetzt wird. Mietzahlungen auf Konten nicht ersichtlich.“

Mit vorläufigem Bescheid vom 23.03.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Februar bis Juli 2015 in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende von damals monatlich 399 €. Unterkunftskosten könnten zunächst nicht anerkannt werden, da keine Mietzahlungen aus den Kontoauszügen hervorgingen.

Mit Schreiben vom 04.04.2015 wandte sich die Zeugin F an den Beklagten und teilte mit, dass sie seit dem „01.01.2015“ von dem Kläger eine monatliche Miete von „320,00 €“ fordere. Es sei vereinbart gewesen, dass die Miete bar gegen Quittung gezahlt werde.

Mit Bescheid vom 30.04.2015 setzte der Beklagte die Leistungen an den Kläger für Februar bis Juli 2015 endgültig mit 399 € fest. Die Übernahme von Kosten der Unterkunft werde abgelehnt. Ein tatsächlicher Mietvertrag mit Bindungswillen sei nicht nachgewiesen. Die Angaben im Mietvertrag (Mietbeginn 02.11.2014) und dem Schreiben der Zeugin F (Mietzahlung ab 01.01.2015) seien widersprüchlich. Hiergegen legte der Kläger am 27.05.2015 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 als unbegründet zurückwies. Dagegen legte der Kläger fristgerecht beim Sozialgericht Detmold Klage ein (S 12 AS 372/16).

Mit Bescheid vom 01.07.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger monatlich 399 €. Hiergegen legte der Kläger am 30.07.2015 Widerspruch ein. Es sei zwischen ihm und seiner Mutter vereinbart gewesen, dass die Mieten für November und Dezember 2014 wegen Renovierungsarbeiten erlassen werden, sodass die Mietzahlungen erst zum Januar 2015 fällig geworden seien. Die Mutter habe die Mietzahlungen bisher gestundet, mahne nunmehr aber mit Schreiben vom 04.11.2015 einen Mietrückstand von 3.520 € an.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 17.12.2015 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 01.07.2015 für die Zeit ab Januar 2016 wegen einer zum 01.12.2015 begonnenen Vollzeitbeschäftigung als Produktionshelfer vollständig auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es sprechen zahlreiche Indizien, wie das verbesserte Mietvertragsdatum, die widersprüchlichen Angaben zum Beginn der Mietzahlungspflicht, und das Datum des Mahnschreibens gegen ein ernsthaftes Mietverhältnis. Hiergegen spreche auch, dass die Mutter des Klägers über Monate keine Mietzahlung anmahnt und dies erst nachholt hat, als der Widerspruch begründet wurde und dies zur Darstellung der Ernsthaftigkeit benötigt wurde.

Am 22.06.2018 hat der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 28.05.2018 zum Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens S 12 AS 372/16 (dort: KdU 02/15 bis 07/15) gemacht und seine Klage insoweit erweitert.

Mit Beschluss vom 26.06.2018 hat das Sozialgericht die streitigen Verfahren hinsichtlich der Widerspruchsbescheide vom 04.02.2016 (02/17 – 07/15) und vom 28.05.2018 (08/15 – 01/16) getrennt. In dem ursprünglichen Klageverfahren S 12 AS 372/16 hat das Sozialgericht den Kläger informatorisch angehört, die Zeugin S F vernommen und die Klage mit Urteil vom 28.06.2018 abgewiesen und im Wesentlichen auf die Argumente aus dem Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Nordrhein Westfalen mit Urteilsbeschluss vom 23.07.2019 (L 2 AS 1491/18) zurückgewiesen. Eine im Nachgang erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 14.11.2019 (B 14 AS 319/19 B) als unzulässig verworfen.

Im hiesigen abgetrennten Verfahren S 12 AS 919/18 hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 01.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2018 zu verurteilen ab dem 01.08.2015 bis 31.01.2016 Leistungen für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Entscheidungen in dem Parallelverfahren verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2021 abgewiesen, die Aussage der Mutter des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Detmold vom 30.06.2017 in dem Verfahren S 12 AS 272/16 im Wege des Urkundenbeweises verwertet und im Wesentlichen auf das vorgegangene Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.06.2018 Bezug genommen. Die ergänzenden Einlassungen des Klägers im vorliegenden Verfahren seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Gegen den ihm am 20.07.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.08.2021 Berufung eingelegt und sein Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 13.07.2021 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 01.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2018 dem Kläger für August 2015 bis Dezember 2015 monatlich 400 €, insgesamt also 2.000 € an Unterkunfts- und Heizbedarfen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Kläger aufgefordert, seine Kontoauszüge (alternativ Schweigepflichtentbindungserklärung) für August 2015 bis Juli 2016 und den Originalmietvertrag vorzulegen sowie die ladungsfähige Anschrift der Eltern sowie den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen die Fa. D Transporte mitzuteilen. Der Kläger hat mitgeteilt, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren bei dem Arbeitsgericht Minden am 14.07.2015 durch Vergleich beendet worden sei. Die Kontoauszüge für August 2015 bis Januar 2016 habe er beim Beklagten im Original abgegeben. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass die gerichtliche Verfügung damit nicht erledigt wurde. Ihm wurde unter dem 02.11.2021 mit Verweis auf § 106a SGG Gelegenheit gegeben, der Verfügung bis zum 16.11.2021 nachzukommen. Hierauf hat der Kläger nicht mehr reagiert. Im Verhandlungstermin ist der Kläger trotz der gerichtlichen Anordnung, persönlich zu erscheinen, nicht anwesend gewesen.

Mit Beschluss vom 02.11..2021 hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung geworden ist.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war zum Verhandlungstermin am 18.11.2021 nicht erschienen, jedoch konnte der Senat gleichwohl aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Der Beklagte ist ordnungsgemäß geladen (§ 63 Abs. 1 und 2 SGG, § 182 ZPO). Die Beteiligten haben Anspruch auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Sie müssen aber nicht teiilnehmen; es kann auch ohne sie verhandelt und entschieden werden (Keller, in Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 124 Rn. 2). Die Berufung wurde gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden konnte.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zutreffend entschieden, dass der Kläger keiner wirksamen rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung von Miete ausgesetzt ist. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insoweit wird auf das Urteil des Sozialgerichts vom 28.06.2018 (S 12 AS 372/16), den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2019 (L 2 AS 1491/18) und gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Nur ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Das mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren auf höhere Leistungen nach dem SGB II hat der Kläger in zulässiger Weise auf Unterkunfts- und Heizbedarfe für den Zeitraum vom 01.08.2015 bis 31.12.2015 begrenzt. Bei einem Streit um höhere SGB II-Leistungen sind zwar grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen, d. h. Verwaltungsakte iSd § 31 Satz 1 SGB X enthält (BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei der Leistungsbewilligung zur Deckung der Unterkunfts- und Heizbedarfe, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes zulässig ist (ständige Rechtsprechung seit BSG Urteil vom 07.11.2006 –B 7b AS 8/06 R).

Ein Anspruch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung besteht nicht, weder in Form der geltend gemachten Kaltmiete iHv monatlich 320 €, noch in Form von Nebenkosten iHv monatlich 120 €, wobei in Bezug auf den in den Nebenkosten enthaltenen Stromanteil von 40 € bereits keine Übernahme nach § 22 SGB II in Betracht kommt, weil diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten sind und der Bevollmächtigte des Klägers diese im Verhandlungstermin vom 18.11.2021 nicht mehr geltend gemacht hat.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine tatsächlichen Aufwendungen zu tragen. Die von ihm behauptete Mietzahlungspflicht an seine Mutter bestand nicht, da der Kläger keiner wirksamen Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt war. Der vorgelegte „Mietvertrag“ ist zur Überzeugung des Senats als Scheingeschäft (§ 117 BGB) zu qualifizieren.

Die Wohnung des Klägers in der I-Straße 00, Löhne, ist zwar unstreitig eine Unterkunft iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 79/09 R), jedoch ist diese dem Kläger zur Überzeugung des Senats von seiner Mutter nicht unter der Voraussetzung zur Nutzung überlassen worden, dass er hierfür Miete zahlen muss. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, oder ob es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BSG Urteile vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R; vom 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R und vom 20.08.2009 – B 14 AS 34/08 R). Dabei kann nicht schematisch auf die Elemente eines „Fremdvergleichs“ zurückgegriffen werden. Wie sonst unter Dritten auch, muss aber der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein (BSG Urteile vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R und vom 20.08.2009 – B 14 AS 34/08 R) und diesbezüglich kommt es auf die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Tatsachen und auf die feststellbaren Indizien an.

Es fehlt vorliegend an den für einen Mietvertrag charakteristischen Hauptpflichten, welche sich aus § 535 BGB ergeben. Gemäß § 535 Abs. 2 BGB ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Eine solche Verpflichtung des Klägers hat zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung(§§ 153 Abs. 1, 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Senats zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den folgenden Indizien und Umständen des Einzelfalles, die für die richterliche Überzeugung leitend waren (§§ 153 Abs. 1, 128 Abs. 1 Satz 2 SGG):

Der Kläger wohnt nach eigenen Angaben seit November 2014 in der streitgegenständlichen Unterkunft, mithin seit nunmehr sieben Jahren. Trotzdem hat der Kläger für keinen einzigen Zeitpunkt einen Mietnachweis in Form eines Überweisungsträgers oder einer Quittung erbracht, obwohl jedenfalls die Barzahlung gegen „Quittungsbeleg“ ausweislich des Schreibens der Mutter vom 04.04.2015 vereinbart gewesen sein soll. Dies mag für den Zeitraum, in dem sich der Kläger noch im Leistungsbezug befand, aber keine Unterkunftsbedarfe erhielt noch nachvollziehbar sein, erklärt aber nicht, warum in den Monaten davor (November 2014 bis Januar 2015) und ab Januar 2016 keine Quittungen ausgestellt und zur Substantiierung des Klagebegehrens vorgelegt wurden. Außerdem erklärt es nicht, warum keine Quittungen für die Zeiträume ausgestellt wurden, als sich der Kläger von Freunden Geld geliehen haben will, um seine Mietschulden zu bezahlen, wie die Zeugin F in der Verhandlung vom 30.06.2017 ausgesagt hat.

Soweit der Kläger und seine Mutter das Ausbleiben der Miete für November und Dezember 2014 damit begründeten, dass der Kläger für seine Mithilfe bei der Sanierung des 1920 erbauten Mehrfamilienhauses entschädigt werden sollte, erklärt dies nicht, warum dies nur für zwei Monate gegolten hat, schließlich hat der Kläger im Erörterungstermin vom 30.06.2017 selbst eingeräumt, dass er ca. ein Jahr zusammen mit seinem Vater das Haus aufwendig renoviert habe. Dies ist für den Senat vielmehr eine ausreichende Begründung, warum der damals 26-jährige Kläger weiterhin mietfrei bei seinen Eltern leben durfte.

Gegen die Ernsthaftigkeit des Mietverhältnisses spricht auch, dass der Mietvertrag nur zum Schein ausgestellt und zu diesem Zweck rückdatiert wurde. Der Senat entnimmt dies aus der ursprünglichen Datumsangabe aus dem Jahr 2015, die später in 2014 überschrieben/ korrigiert wurde. Für den Senat ist nicht einsichtig, warum versehentlich in 2014 ein Mietvertrag zum Jahr 2015 ausgestellt worden sein soll. Dies spricht dafür, dass der Mietvertrag nur nach Aufforderung des Beklagten im Jahr 2015 ausgestellt wurde und deswegen zunächst versehentlich ein 2015-er Datum eingetragen wurde.

Dass die Miete in dem Mietvertrag nur fiktiv war, wird auch daraus deutlich, dass eine Gesamtmiete von 440 € vereinbart wurde, wovon aber mit Mahnschreiben vom 04.11.2015 nur die Grundmiete von (11 x 320 € =) 3.520 € angemahnt wurde. Überhaupt ist es auffällig, dass trotz ausstehender Miete seit Januar 2015 und wiederholter Leistungsablehnung durch den Beklagten es erstmalig im November 2015 zu einer Mahnung der Mietrückstände, noch dazu ohne Sanktionsandrohung gekommen ist. Dem Beklagten ist darin Recht zu geben, dass diese „Mahnung“ aus November 2015 nur zur Untermauerung des im November 2015 begründeten Widerspruchs ausgestellt wurde und damit ebenso wie der Mietvertrag den Eindruck einer „Dokumentation auf Anforderung“ macht. Hinzu kommt, dass der im Schreiben vom 04.11.2016 geltend gemachte, vollständige Zahlungsausfall im Widerspruch zu der Aussage der Zeugin F steht, der Kläger habe seine Mietschulden mithilfe von Darlehen von Freunden zwischenzeitlich beglichen.

Es ist zudem nicht glaubhaft, dass Eltern anlässlich des Einzugs des eigenen Kindes, das sich auch maßgeblich um die Renovierung des Hauses gekümmert hat, den vorhandenen Wohnraum im eigenen Haus in so hohem Maß kommerzialisieren. Erfahrungsgemäß werden Wohnungen unter Verwandten zu niedrigen Zinsen oder gar zum Selbstkostenpreis vermietet (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R) und liegen nicht – wie hier – sogar oberhalb der Mietobergrenzen des kommunalen Trägers. Dass es so eine Kommerzialisierung gegeben hat, ist zudem nicht durch Zahlungsbelege, Steueranmeldung aus Vermietung und Verpachtung, Nebenkostenabrechnungen oder auf sonstige Weise belegt, auch nicht für Zeiträume, in denen der Kläger bedarfsdeckendes Erwerbseinkommen erzielt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

 

Rechtskraft
Aus
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