S 49 KA 68/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 49 KA 68/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


I. Die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale 3/19 und 4/19 vom 12.02.2020 und 18.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2021 werden insoweit aufgehoben, als die von der Klägerin abgerechnete Ziffer 99873E bei Neupatienten abgesetzt wurde und die Beklagte wird verpflichtet, die von der Klägerin für die betroffenen Patienten abgerechneten Leistungen gem. §87a Abs. 3 S.5 Nr. 5 SGB V extrabudgetär zu vergüten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass die von ihr in den Quartalen 3/19 und 4/19 abgerechneten Leistungen für die mit der Ziffer 99873E gekennzeichneten Patienten gem. §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V extrabudgetär vergütet werden.

Die Klägerin hat zum 01.01.2018 den Vertragsarztsitz des Dr. B., eines Facharztes für Neurologie, in T1.-Stadt übernommen und ist dort seitdem als Fachärztin für Neurologie und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Einzelpraxis niedergelassen. Vorher war sie bereits seit 2014 drei Jahre lang als Sicherstellungsassistentin im Umfang von vier Stunden pro Woche in der Praxis des Dr. B. beschäftigt, im Jahr 2017 war sie bei Dr. B. als angestellte Ärztin im Jobsharing tätig. Nach Angaben der Beklagten rechnete sie als angestellte Ärztin im Quartal 1/2017 einen Fall mit Grundpauschale unter ihrer eigenen LANR ab, im Quartal 2/2017 drei Fälle mit Grundpauschale, im Quartal 3/2017 zwei Fälle ohne Grundpauschale und im 4. Quartal 2017 rechnete sie keine Fälle ab. Die Fallzahlen des Dr. B lagen in den Quartalen 1/2017 bis 4/2017 zwischen 931 und 1058 Fällen. Im Quartal 3/2019 wiederum hat die Klägerin insgesamt 919 Fälle abgerechnet, im Quartal 4/2019 waren es 907 Fälle.

Die Klägerin legte am 17.02.2020 und 04.06.2020 jeweils Widerspruch gegen die Honorarbescheide vom 12.02.2020 für das Quartal 3/2019 und vom 18.05.2020 für das Quartal 4/2019 ein. Sie wandte sich dagegen, dass die Beklagte 54mal bzw. 157mal die von ihr abgerechnete Ziffer 99873E, mit der Neupatienten gem. §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V vergütet werden, gestrichen habe mit der Begründung, dass die Voraussetzungen im Sinne des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nicht gegeben seien. Die Klägerin verwies darauf, dass sie seit sechs Jahren in dieser Praxis arbeite. Bei Praxisübernahme im Jahr 2018 habe sie den gesamten Patientenstamm des Dr. B. übernommen und betreue diese Patienten weiter. Zum Teil seien ihr die Patienten aus ihrer Zeit als angestellte Ärztin auch schon bekannt. Patienten, die in den letzten zwei Jahren nicht in der Praxis waren, seien somit Neupatienten für sie. Nur für diese habe sie die streitige Ziffer angesetzt. Einen Arzt, der eine Praxis übernehme, in der er vorher als angestellter Arzt gearbeitet habe, gleichzusetzen mit einer Neupraxis, sei willkürlich und widerspreche dem Recht auf Gleichbehandlung.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2021 zurück. Zur Begründung wurde auf das zum 11.05.2019 in Kraft getretene TSVG verwiesen und insbesondere auf die Regelung in §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V sowie die vom Bewertungsausschuss (BewA) dazu getroffenen Regelungen in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 unter Teil B Nr. 8 (Praxiskonstellationen, für die die Regelung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten nicht gilt) und die diesen Beschluss konkretisierenden Anpassungen und Konkretisierungen in seiner 452. Sitzung. Von der Beklagten werde die streitige Ziffer zugesetzt, sofern ein Neupatient nach dem TSVG gegeben sei und die Praxis vor acht vollen Quartalen gegründet wurde. Die Klägerin habe zum 01.01.2018 die Einzelpraxis von Herrn Dr. B übernommen, es handele es sich um eine Praxisgründung nach Teil B Nr. 8 des Beschlusses des BewA in Verbindung mit § 87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V. Dabei sei es unerheblich, ob die Klägerin bereits im Vorfeld als angestellte Ärztin in der Praxis tätig war. Die Praxis sei zum 01.01.2018 neu gegründet worden und habe eine neue BSNR erhalten. Auch der Patientenstamm werde sich dadurch verändern. Die von der Klägerin benannten Patienten seien nach der TSVG-Konstellation keine Erstpatienten. Die Sperrfrist für die Zeit nach der Praxisgründung von zwei Jahren sei erst am 31.12.2019 ausgelaufen, was in den Honorarbescheiden seit dem Quartal 1/2020 auch berücksichtigt werde
.
Dagegen wurde am 29.03.2021 Klage erhoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen der Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte berücksichtigte bei ihrer Vorgehensweise nicht, dass die Klägerin bei der Übernahme als einziger Neurologe in der Stadt T1.-Stadt den gesamten Patientenstamm des Vorgängers übernommen habe und somit die Betreuung der langjährigen chronischen Patienten lückenlos von ihr weitergeführt worden sei. Diese Patienten seien von ihr auch überhaupt nicht als Neupatienten abgerechnet worden, auch wenn sie der Klägerin persönlich vielleicht noch nicht bekannt gewesen seien. Die Klägerin habe nur die Patienten als neu gekennzeichnet, die noch nie in der Praxis des Dr. B behandelt wurden oder schon länger als zwei Jahre nicht mehr in dieser Praxis gewesen seien. Auf Rückfrage des Gerichts teilte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit, dass sie die Praxis des Dr. B. in den Praxisräumen ihres Vorgängers mit dem Praxispersonal ihres Vorgängers, ausgenommen eine Angestellte, weiterführe.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt zuletzt,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale 3/19 und 4/19 vom 12.02.2020 und 18.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2021 insoweit aufzuheben, als die von der Klägerin abgerechnete Ziffer 99873E bei Neupatienten abgesetzt wurde und die Beklagte zu verpflichten, die von der Klägerin für die betroffenen Patienten abgerechneten Leistungen gem. §87a Abs. 5 Nr. 5 SGB V extrabudgetär zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertrat weiter die Auffassung, dass die Einzelpraxis der Klägerin eine neu gegründete Praxis im Sinne des § 87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V sowie der Beschlüsse des BewA aus der 439. und der 452. Sitzung sei. Die gesetzliche Regelung impliziere bereits, dass die "jeweilige Arztpraxis", in der ein Patient erstmals oder mindestens seit zwei Jahren wieder untersucht und behandelt werde, schon mehr als zwei Jahre zuvor gegründet worden sein müsse, damit eine extrabudgetäre Abrechnung für Neupatienten stattfinden könne. Zu beachten sei zudem, dass es für Ärzte, die eine Arztpraxis neu gründen oder übernehmen, eines finanziellen Anreizes zur Aufnahme neuer Patienten gerade nicht bedürfe. In einer solchen Konstellation sei zwangsläufig jeder Patient ein "Neupatient". Dementsprechend habe der BewA mit seinen og. Beschlüssen, die vom BMG hinsichtlich der einschlägigen Regelung nicht beanstandet wurden, den Umfang der extrabudgetären Vergütung dahingehend konkretisiert, dass bei neu gegründeten Praxen innerhalb der ersten acht Quartale nach Gründung für neue Patienten keine Vergütung außerhalb der MGV erfolge und eine Praxisgründung in diesem Sinne auch dann anzunehmen sei, wenn eine Einzelpraxis-auch im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens-übernommen werde. Der Annahme, dass eine neu gegründete Praxis vorliege, stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin zuvor bereits formal in der Praxis des Vorgängers im Rahmen des Jobsharing angestellt gewesen sei. Ausweislich der Abrechnungsdaten sei die Klägerin in den Quartalen 1/2017-3/2017 lediglich in minimalem Umfang und im Quartal 4/2017 überhaupt nicht in der Praxis tätig gewesen. Aufgrund der nur minimalen Angestelltentätigkeit der Klägerin in den bezeichneten Quartalen könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese bereits über einen existierenden Patientenstamm verfügt habe. Im Rahmen der Praxisnachfolge möge zwar auch die Patientenkartei des bisherigen Praxisinhabers mit übergeben worden sein. Dies bedeute jedoch nicht, dass der bisherige Patientenstamm damit der Praxisnachfolgerin zuzurechnen sei.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagte ist zwar gem. §106d SGB V grundsätzlich berechtigt, sachlich-rechnerische Richtigstellungen durchzuführen. Die vorgenommene Absetzung der Ziffer 99873E bei den von der Klägerin bezeichneten Patienten und die damit einhergehende Ablehnung der Vergütung der für diese Patienten erbrachten Leistungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung erweist sich allerdings als nicht im Einklang mit den Vorgaben in §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V und damit als rechtswidrig.

Der Gesetzgeber hat in dem ab Mai 2019 geltenden TSVG vorgesehen, dass gem. §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V ab dem 3. Quartal 2019 von den Krankenkassen unter anderem folgende Leistungen und Zuschläge außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind:
"Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden"

Außerdem wurde in §87a Abs. 5 S. 13 SGB V geregelt, dass der Bewertungsausschuss bis zum 01.09.2019 Vorgaben zu beschließen hat, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Abs. 3 S.5 Nr. 5 vorzusehen ist. In der Gesetzesbegründung zu dieser erst zu einem späten Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren eingefügten Regelung stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass "zur weiteren Verbesserung und Förderung des Zugangs zur ambulanten ärztlichen Versorgung und zum Abbau von Wartezeiten beim ersten oder nach zwei Jahren erneuten Bedarf eines Arztkontakts alle ärztlichen Leistungen im Behandlungsfall für Neupatientinnen und Neupatienten extrabudgetär und damit im gesamten Kalenderjahr vollumfänglich vergütet" werden sollen. Dies gelte für Ärztinnen und Ärzte, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen (BT-Drs. 19/8351, S. 183f.).


Die Klägerin gehört als Fachärztin für Neurologie und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zweifelsohne zu den vom Bewertungsausschuss in seinem Beschluss in seiner 439. Sitzung unter Teil B Ziffer 7 benannten Arztgruppen.


Einem Anspruch der Klägerin auf extrabudgetäre Vergütung der Leistungen, die von ihr für Neupatienten" in den Quartalen 3/19 und 4/19 abgerechnet wurden, steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Praxis ihres Vorgängers Dr. B. "erst" zum 01.01.2018 übernommen hat und erst seit diesem Zeitpunkt als Vertragsärztin dort tätig ist.

Im Gesetzeswortlaut gibt es für diese von der Beklagten vorgenommene Einschränkung keinen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber stellt allein darauf ab, dass es sich um Ärzte handeln muss, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen und nimmt im Hinblick auf die von dieser Vergütung profitierenden Leistungserbringer keine weitere Einschränkung, etwa im Hinblick auf die Zulassungsdauer, vor. Auch wenn die Vorschrift weiter darauf abstellt, dass der Patient in der betroffenen "Arztpraxis" erstmals untersucht und behandelt wird oder mindestens zwei Jahre nicht in der betroffenen "Arztpraxis" untersucht und behandelt wurde, ergibt sich daraus keine Einschränkung des Anspruchs der Klägerin auf extrabudgetäre Vergütung für die bezeichneten Neupatienten. Der Wortlaut des Gesetzes stellt gerade nicht darauf ab, ob der Patient bei dem Vertragsarzt oder dem Leistungserbringer oder dem MVZ oder der Berufsausübungsgemeinschaft erstmals behandelt wird, sondern in der Arztpraxis. Der Begriff "Arztpraxis" wird im SGB V nicht definiert. Der Gesetzgeber stellt aber im Rahmen des Zulassungsrechts im Hinblick auf die Nachfolgezulassung in §103 Abs. 3a SGB V auf den Begriff der "Praxis" ab, die weitergeführt werden soll. Daraus ist zu entnehmen, dass eine (Arzt-)Praxis, wie dies von der Klägerin im Ergebnis jedenfalls im Hinblick auf eine Einzelpraxis vertreten wird, auch dann weiter existiert, wenn ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichtet und ein Nachfolger zugelassen wird. Auch wenn es sich bei einer (Arzt-)Praxis um keinen Status im Sinne des Vertragsarztrechts handelt, stellt der Gesetzgeber damit auch anderer Stelle auf ein Konstrukt ab, das unabhängig von dem dort tätigen Vertragsarzt (weiter-)existiert. Bei der Beurteilung, ob es sich bei dem Patienten, für den Leistungen abgerechnet werden, um einen "Neupatienten" im Sinne des TSVG handelt, ist damit auf die Praxis und nicht auf den abrechnenden Arzt abzustellen. Die Vorgehensweise der Klägerin, die Patienten als Neupatienten zu kennzeichnen, die bisher weder von ihr noch von ihrem Vorgänger behandelt wurden oder seit zwei Jahren nicht mehr, steht deshalb im Einklang mit den Vorgaben in §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V. Da der Gesetzgeber darauf abstellt, dass der Patient neu in der "Praxis" ist, spielt auch die Frage, wie viele Patienten der Klägerin bereits aus ihrer früheren Tätigkeit bekannt sind bzw. in welchem Umfang die Klägerin in der Praxis in der Vergangenheit tätig war, keine Rolle. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Praxis fortgeführt wird, was vorliegend zweifelsohne der Fall ist. Die Klägerin führt die Praxis ihres Vorgängers am gleichen Ort, mit dem identischen Praxispersonal und auch der bisherigen Patientenkartei fort.

In der vorliegenden Konstellation ist auch nicht erkennbar, dass die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Verbesserung des Zugangs zur ambulanten Versorgung und des Abbaus von Wartezeiten nicht erreicht werden könnten. Die Klägerin hat nach ihren unbestrittenen Angaben die einzige neurologische Praxis am Ort mit einem großen Patientenstamm übernommen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein finanzieller Anreiz für die Aufnahme neuer Patienten eine vergleichbare Wirkung hat wie bei einer Praxis mit einem seit längerer Zeit tätigen Praxisinhaber. Auch aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber Patienten, die zwei Jahre nicht mehr in einer Praxis waren, Neupatienten gleichstellt, kann nicht geschlossen werden, dass "Neupraxen" von der Regelung ausgenommen sind. Schließlich bedürfte es auch aus Gleichheitsgründen im Hinblick darauf, dass für die Klägerin der höhere Aufwand durch die vollständige Anamnese und Diagnosestellung bei Neupatienten ebenso anfällt wie bei schon länger zugelassenen Vertragsärzten (vgl. Schröder, BeckOK Sozialrecht, 65. Edition, §87a, Rn. 15), eines Rechtfertigungsgrundes, die Klägerin von dieser Regelung auszunehmen. Da sich im Wortlaut der Norm aber kein Anhalt für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung findet, bestehen auch insoweit Bedenken.

Auch die Beschlüsse des BewA in seiner 439. und 452. Sitzung vermögen den Anspruch der Klägerin aus §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V auf extrabudgetäre Vergütung ihrer Neupatienten nicht einzuschränken. Der Beklagten ist zwar insoweit zu folgen, als die Klägerin danach keinen Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung hätte. Der BewA hat nämlich beschlossen, dass in der Konstellation nach §87a Abs. 3 S. 5 Nr. 5 SGB V keine Vergütung außerhalb der MGV erfolgt, "wenn es sich um eine Behandlung in einer Praxis (Einzelpraxis, BAG oder MVZ) innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung handelt. Eine Praxisgründung liegt auch dann vor, wenn eine Einzelpraxis - auch im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens - übernommen wird." Dem Beschluss des BewA mangelt es aber an einer Rechtsgrundlage bzw. Ermächtigung, der Bewertungsausschuss hat keine Kompetenz, den vom Gesetzgeber eingeräumten Anspruch der Klägerin auf extrabudgetäre Vergütung einzuschränken. Im Hinblick auf die "Neupatientenregelung" hat der Gesetzgeber den Bewertungsausschuss in §87a Abs. 5 S. 13 SGB V lediglich dazu ermächtigt, Vorgaben zu beschließen, welche Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, die zusätzliche Vergütung geltend machen können. Eine darüberhinausgehende Ermächtigung, weitere Ausnahmen von der extrabudgetären Vergütung für Neupatienten vorzusehen bzw. den Vergütungsanspruch der betroffenen Vertragsärzte einzuschränken, ist darin aber nicht enthalten. Auch in §87a Abs. 5 S.1 ist keine Ermächtigung für die vorliegende Ausnahme enthalten, insbesondere bezieht sich die Ermächtigung für Empfehlungen in Nr. 3 auf Vergütungen nach Abs. 3 Satz 6 und nicht Satz 5. In den Entscheidungserheblichen Gründen Teil B zum Beschluss des BewA gem. §87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 439. Sitzung am 19. Juni 2019 Teil B zur extrabudgetären Vergütung gemäß §87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 bis 6 SGB V mit Wirkung zum 11. Mai 2019 wird unter Ziffer 1, Rechtsgrundlagen lediglich ausgeführt, dass zur Umsetzung dieser gesetzlichen Regelungen in §87a Abs. 3 S. 5 Nrn. 3 bis 6 SGB V in Zusammenhang mit der Bereinigung gem. §87a Abs. 3 S. 7 und 8 SGB V der Umfang der extrabudgetären Vergütung in den TSVG-Konstellationen konkretisiert werde. Unter Ziffer 2 am Ende dieser Gründe wird dann allerdings ausgeführt, dass zusätzlich zu der Benennung der betroffenen Arztgruppen unter anderen Ausnahmen für den Fall vorgegeben würden, dass eine Praxis neu sei. Auch der BewA gibt keine Rechtsgrundlage für die von ihm formulierten Ausnahmen an. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Gesetzgeber dem BewA in §87 SGB V einen speziellen Aufgabenbereich übertragen hat, der aber keine Art Generalermächtigung zur Regelung vertragsärztlicher Vergütungstatbestände ist. Und auch aus dem ihm grundsätzlich zustehenden weiten Gestaltungsspielraum kann eine Normsetzungskompetenz des Bewertungsausschusses nicht originär hergeleitet werden (ausführlich dazu BSG vom 27.06.2012, B 6 KA 28/22 R). Die Beschlüsse des BewA können vor diesem Hintergrund allenfalls als Auslegung des Gesetzestextes durch den BewA ausgelegt werden, die für die Beklagte aber keine Bindungswirkung entfalten und deshalb der Klägerin auch nicht entgegenhalten können.

Die Entscheidung über die Kosten basiert auf §197a SGG in Verbindung mit §154 Abs. 1 VwGO.

 

 

 

 

 

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