L 37 SF 294/20 EK AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungsklage bei überlanger Verfahrensdauer
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 294/20 EK AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§§ 198 ff. GVG i.d.F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV)

 

Es steht einem Kläger frei, den Klagegegenstand auf einen abtrennbaren Teil des Gesamtverfahrens zu beschränken und damit den Prozessgegenstand zu bestimmen (Anschluss an BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 14 und BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 – 5 A 2/17 D – Rn. 19).

 

Materiell-rechtlicher Bezugsrahmen eines derart beschränkten prozessualen Begehrens bleibt jedoch gleichwohl das gesamte gerichtliche Verfahren, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder vor verschiedenen Gerichten geführt worden ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 28 m.w.N.).

 

Das Anhörungsrügeverfahren setzt kein selbstständiges Verfahren in Gang, sondern ist dem vorangegangenen, hier durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert (Anschluss an BSG, Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - Rn. 14, BGH, Urteil vom 21.05.2014 - III ZR 355/13 –, Rn. 10 – 13 m.w.N., BFH, Urteil vom 20.03.2019 – X K 4/18 –, Rn. 35 – 36).

 

Dem Bundessozialgericht stehen in der Regel für die einzelnen Verfahren im selben Umfang Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Verfügung wie dies bei den Instanzgerichten der Fall ist. Dass es sich beim Bundessozialgericht nicht um eine Tatsacheninstanz handelt, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

 

Für ein (auch) als Revisionsverfahren behandeltes Verfahren steht in der Regel eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten zur Verfügung.

 

Für ein Anhörungsrügeverfahren ist den Gerichten eine zusätzliche Vorbereitungs- und Bedenkzeit von drei Monaten einzuräumen (so schon LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.06.2022 – L 37 SF 216/20 EK AS – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).

 

Ist es sowohl im Klage-, als auch im Berufungsverfahren zu Phasen der gerichtlichen Inaktivität gekommen, die nicht durch die dem Sozial- und dem Landessozialgericht jeweils zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten abgedeckt sind, können die verbleibenden Verzögerungszeiten grundsätzlich durch Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die das Bundessozialgericht im/in sich anschließenden dortigen Verfahren nicht aufgebraucht hat, kompensiert werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 28).

 

Diese Zeiten sind zur Kompensation vorrangig der zuerst aufgetretenen Verzögerungen heranzuziehen, auch wenn diese in einem Verfahrensabschnitt angefallen sind, der letztlich nicht zum Gegenstand des Entschädigungsverfahrens gemacht wurde.

 

Es wird festgestellt, dass das vor dem Landessozialgericht Berlin Brandenburg unter den Aktenzeichen L 10 AS 1092/16, L 20 AS 1092/16 und zuletzt L 5 AS 1092/16 geführte Verfahren eine unangemessene Dauer hatte. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Der Beklagte trägt ein Drittel, der Kläger zwei Drittel der Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) unter den Aktenzeichen L 10 AS 1092/16, L 20 AS 1092/16 und zuletzt L 5 AS 1092/16 geführten Berufungsverfahrens. Dem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Mit Bescheid vom 27. Mai 2011 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) dem Kläger ab dem 01. Dezember 2010 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ab dem 01. Juli 2011 nahm sie die laufenden Zahlungen auf. Das Jobcenter Berlin Pankow (JC), das dem Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt und ihm diese zuletzt bis zum 31. Oktober 2011 zugesprochen hatte, hob daraufhin mit Bescheid vom 07. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2021 die Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 01. Juli 2011 auf. Hiergegen wandte der Kläger sich und verfolgte daneben verschiedene Feststellungsbegehren. Im Einzelnen gestaltete sich der Verfahrensablauf wie folgt:

 

15.07.2011

Eingang der fünfseitigen Klageschrift – zzgl. Anlagen – vom selben Tag. Neben dem JC werden als weitere Beteiligte die Bundesagentur für Arbeit (BA), das Sozialamt Pankow (SozA), die DRV und die Militärregierung genannt.

20.07.2011

  • Registrierung unter S 157 AS 18676/11
  • Bestätigung des Klageeingangs an den Kläger
  • Übersendung an das JC zur schriftlichen Äußerung und Aktenübersendung binnen 1 Monats
  • Interne Wiedervorlage (WV) 2 Monate

09.08.2011

Eingang des klägerischen Schreibens vom Vortag

15.08.2011

  • Eingang einer Aktenanforderung (Gerichtsakte) der 158. Kammer zu S 158 AS 18677/11
  • Übersendung der Gerichtsakte an die 158. Kammer

29.08.2011

Rücklauf der Akte von der 158. Kammer

27.09.2011

  • Erinnerung an das JC
  • Interne WV 1 Monat

06.10.2011

Eingang der kurzen Klageerwiderung des JC vom selben Tag

11.10.2011

Eingang der Leistungsakte

12.10.2011

  • Weiterleitung der Klageerwiderung an den Kläger zur Kenntnisnahme und freigestellten Stellungnahme
  • Interne WV 1 Monat

14.11.2011

Verfristung um 2 Monate

01.12.2011

  • Eingang der Anforderung (Leistungsakten) der 100. Kammer zu S 100 AS 24448/11
  • Übersendung der Verwaltungsakte an die 100. Kammer
  • Interne WV zur Frist (zF)

09.12.2011

Rücklauf der Akten von der 100. Kammer

16.01.2012

Verfristung um 2 Monate

17.01.2012

Eingang einer Bitte der 100. Kammer um Mitteilung des Streitgegenstandes des Ausgangsverfahrens

18.01.2012

Übersendung der Gerichts- und Verwaltungsakten an die 100. Kammer

26.01.2012

Rücklauf der Akten von der 100. Kammer

Ab 19.03.2012

Wiederholte Verfristungen bis 28.02.2013

28.02.2013

  • Inzwischen Kammerwechsel: jetzt S 140 AS 18676/11
  • Anforderung der Gerichtsakte zu S 204 AS 11829/11
  • Interne WV 1 Monat

01.03.2013

  • Eingang der Mitteilung, dass die angeforderte Gerichtsakte bei S 121 AS 27546/11 ist
  • Anforderung der Akten zu S 204 AS 11829/11 direkt bei der 121. Kammer
  • Interne WV zF

07.03.2013

  • Eingang der angeforderten Gerichtsakte
  • Anforderung der Verwaltungsakten

11.03.2013

  • Gerichtliches Schreiben an das JC mit der Bitte um Übersendung sämtlicher Bewilligungs-/Änderungsbescheide für den Bewilligungszeitraum 01. Mai bis 31. Oktober 2011
  • Interne WV 5 Wochen „(GB-Anhörung)“

18.03.2013

Eingang der angeforderten Bescheide sowie der Mitteilung, dass sich die Akten bei der 100. Kammer befinden

19.03.2013

  • Anhörung zum Gerichtsbescheid
  • Interne WV 5 Wochen

27.03.2013

Eingang der Stellungnahme des JC vom 25.03.2013

28.03.2013

Eingang der Stellungnahme des Klägers vom 22.03.2013 mit Antrag auf Ruhen des Verfahrens „bis sich das Deutsche Volk bzw. die deutschen Stämme selbstbestimmt eine Verfassung gegeben haben, Friedensverträge geschlossen wurden und der Kläger diesem völkerrechtlich souveränen Konstrukt durch eine freie Willensentscheidung völkerrechtlich in Frieden beigetreten ist und/oder das Rentenverfahren abschließend entschieden ist.“ Das Rentenverfahren sei gegenwärtig unter L 16 R 806/12 beim LSG anhängig.

08.04.2013

  • Anforderung der Gerichtsakten zu S 31 R 6160/11
  • Weiterleitung des Schriftsatzes an das JC zur Kenntnisnahme mit der Bitte um weitere Auskünfte
  • Interne WV 5 Wochen „(Gutachten, Beiladung SGB XII-Träger)“

09.04.2013

  • Eingang der erstinstanzlichen Entscheidung vom 10. September 2012 zu S 31 R 6160/11 und Hinweis darauf, dass sich die Akten beim LSG befinden
  • Gerichtliche Anfrage an den Kläger, ob Einverständnis mit der Beiziehung der Akte L 16 R 806/12 besteht
  • Interne WV zF

15.04.2013

Eingang der Antwort des JC vom 11.04.2013 zur gerichtlichen Anfrage vom 08.04.2013

08.05.2013

Eingang des klägerischen Schreibens vom 03.05.2013: Es wird um Beiziehung der Akten zum Rentenverfahren gebeten.

10.05.2013

  • Anforderung der Akten L 16 R 806/12
  • Interne WV 4 Wochen

24.05.2013

Eingang der Akten vom 16. Senat

29.05.2013

  • Fertigung von Ablichtungen aus der Akte des 16. Senats
  • Rücksendung der Akte an den 16. Senat
  • Anforderung der Akten zu S 158 AS 18677/11
  • Interne WV 5 Wochen

06.06.2013

Eingang der Akte S 158 AS 18677/11

Nachfolgend

Verfristungen bis 03.09.2013

05.11.2013

  • Auf Anforderung Übersendung der Verwaltungsakten an die 190. Kammer
  • Interne WV 1 Monat

Nachfolgend

Verfristungen bis 02.06.2014

17.07.2014

Rücklauf der Verwaltungsakten von der 190. Kammer

Nachfolgend

Verfristungen bis 13.02.2015

12.01.2015

  • Rücksendung der Akte S 158 AS 18677/11 an die 158. Kammer
  • Interne WV 6 Wochen

Nachfolgend

Verfristungen bis 27.08.2015

03.09.2015

Erneut Anforderung der Akte der 158. Kammer

09.09.2015

Eingang der Akte der 158. Kammer

30.10.2015

  • Nach Feststellung des Verfahrensstandes des Rechtsstreits S 158 AS 18677/11 (Ruhen im Hinblick auf das Rentenverfahren) Rücksendung der Akte
  • Anforderung der Akte S 31 R 6160/11

03.11.2015

Eingang der Akte der 31. Kammer

06.11.2015

  • Gerichtliches Schreiben an den Kläger mit der Anregung, die Klage zurückzunehmen, nachdem rechtskräftig festgestellt sei, dass er seit dem 19. November 2010 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
  • Interne WV 6 Wochen

12.11.2015

Eingang des 22seitigen klägerischen Schreibens vom selben Tag mit dem Antrag „festzustellen, dass die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit rechtlich unbegründet war und ist, ihm Eingliederungsleistungen verwehrt wurden und die beantragten und geforderten Eingliederungsleistungen zu erbringen“ sind.

23.11.2015

  • Anhörung zum Gerichtsbescheid
  • Interne WV 3 Wochen

27.11.2015

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag

01.12.2015

  • Eingang der Stellungnahme des JC vom 26.11.2015
  • Weiterleitung an den Kläger zur Kenntnisnahme

21.12.2015

  • Inzwischen Wechsel in die Zuständigkeit der 157. Kammer
  • Verfügung in das GB-Fach

26.01.2016

  • Rubrumsänderung: Registrierung weiterer Beklagter (BA, SozA, DRV)
  • Zuleitung der Klage an die weiteren Beklagten zur Kenntnis- und Stellungnahme
  • Versendung der Rentenakte auf Anforderung an die 100. Kammer
  • Interne WV 1 Woche

05.02.2016

Eingang des Schreibens der DRV vom 02.02.2016

09.02.2016

Rücklauf der Rentenakte

13.04.2016

Versendung der Rentenakte auf Anforderung an die 31. Kammer

18.04.2016

Eingang des klägerischen Schreibens vom 11.04.2016

25.04.2016

Gerichtsbescheid: Klageabweisung

28.04.2016

Zustellung an den Kläger per Postzustellungsurkunde

03.05.2016

Eingang

  • der 37seitigen Berufungsschrift des Klägers vom 19.04.2016; beteiligt werden sollen die Alliierten als Besatzungsmächte, das Land Berlin vertreten durch den Regierenden Bürgermeister sowie die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch die Bundesregierung
  • des Antrags auf Bewilligung von PKH

11.05.2016

  • Registrierung unter L 10 AS 1092/16
  • Eingangsbestätigung an den Kläger
  • Weiterleitung an die Beklagten zur Stellungnahme und Aktenübersendung binnen 4 Wochen
  • Eingang der Gerichtsakte vom SG

19.05.2016

Eingang der Berufungserwiderung des SozA vom 17.05.2016

20.05.2016

Eingang eines vom SG weitergeleiteten Schreibens des Klägers vom 12.05.2016, in welchem der Kläger ausführlich darlegt, weshalb er keine so genannten Reichsbürgerideologien vertrete.

23.05.2016

  • Weiterleitung des Schriftsatzes des SozA an den Kläger und die weiteren Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Interne WV zF

24.05.2016

Weiterleitung des klägerischen Schreibens vom 12.05.2016 an die Beklagten zur Kenntnisnahme

27.05.2016

Eingang der Berufungserwiderung des JC vom 25.05.2016

31.05.2016

Eingang der Berufungserwiderung der BA vom 26.05.2016

01./02. 06.2016

Weiterleitung der Schreiben an den Kläger und die jeweils weiteren Beklagten zur Kenntnisnahme

06.06.2016

Eingang der Berufungserwiderung der DRV vom 02.06.2016

13.06.2016

Weiterleitung an den Kläger und die übrigen Beklagten zur Kenntnisnahme

27.06.2016

Eingang des klägerischen Schreibens vom 24.06.2016: „Die Ausführungen auf Seite 4 der Berufungsbegründung können gerne als Überprüfungsantrag gelten, so dass ein entsprechender Bescheid erteilt werden sollte.“

01.07.2016

Weiterleitung an die Beklagten zur Stellungnahme

08.07.2016

Eingang der Stellungnahme des JC vom 06.07.2016

11.07.2016

Eingang der Stellungnahme der BA vom 06.07.2016

22.07.2016

Eingang des Schreibens der DRV vom 20.07.2016 mit beigefügtem Bescheid vom selben Tag (Entscheidung über den Überprüfungsantrag des Klägers)

26.07.2016

  • Weiterleitung an den Kläger und die weiteren Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Interne WV 6 Wochen

28.07.2016

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag: Er hat Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid erhoben.

01.08.2016

Weiterleitung an die übrigen Beteiligten zur Kenntnisnahme

10.08.2016

Eingang des vom SG weitergeleiteten klägerischen Schreibens vom 04.08.2016, in dem dieser sich erneut gegen die Zuordnung zu den Reichsbürgern verwahrt.

12.08.2016

Weiterleitung an die Beklagten zur Kenntnisnahme

09.09.2016

  • Anforderung der Gerichtsakte S 31 R 6160/11
  • Interne WV 6 Wochen

20.09.2016

Eingang der angeforderten Gerichtsakte

27.09.2016

  • Fertigung von Ablichtungen aus der beigezogenen Akte und Anlegung eines Beiheftes zur Gerichtsakte
  • Unterrichtung der Beteiligten von der Einsichtnahme
  • Anforderung der Leistungsakten vom JC
  • Rücksendung der Akte S 31 R 6160/11 an das SG
  • Interne WV 2 Monate

28.09.2016

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag

04.10.2016

  • Weiterleitung an die Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Übersendung einer Kopie des Beiheftes mit Kopien aus der Akte S 31 R 6160/11 an den Kläger zur Kenntnisnahme
  • Interne WV zF

07.10.2016

Eingang der Mitteilung des JC, dass sich eine Kopie der Verwaltungsakte beim 25. Senat befindet, und Bitte um Beiziehung von dort

10.10.2016

  • Weiterleitung an die übrigen Beteiligten zur Kenntnisnahme
  • Interne WV 3 Wochen

17.10.2016

Rücklauf der am 04.10. und 10.10.2016 an den Kläger weitergeleiteten Schriftsätze der weiteren Beteiligten jeweils mit dem Stempel „nach erfolgter Zustellung zurückgegeben“.

Nachfolgend

Verfristungen

21.04.2017

Nach Übernahme der Sache durch den 20. Senat Unterrichtung der Beteiligten vom geänderten Aktenzeichen

02.06.2017

Gerichtlicher Hinweis auf die Kostenfreiheit des Verfahrens und Anfrage beim Kläger, ob PKH-Antrag zurückgenommen oder ein beizuordnender Anwalt benannt wird.

07.06.2017

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag: es wird eine Rechtsanwältin benannt.

08.06.2017

Beschluss: Bewilligung von PKH unter Beiordnung der vom Kläger benannten Rechtsanwältin

19.06.2017

Anforderung der Verwaltungsakten beim JC

26.06.2017

Eingang der Verwaltungsakten des JC

27.06.2017

Vertretungsanzeige der beigeordneten Rechtsanwältin und Antrag auf Einsicht in die Verwaltungsakte

10.07.2017

  • Weiterleitung des Schreibens an die übrigen Beteiligten zur Kenntnisnahme
  • Versendung der Verwaltungsakten an die Prozessbevollmächtigte (PB) zur Akteneinsicht und Aktenrückgabe binnen 3 Wochen
  • Interne WV 5 Wochen

28.07.2017

Bitte der PB, die Akten 1 Woche länger behalten zu dürfen

08.08.2017

Bitte der PB, die Akten 1 Woche länger behalten zu dürfen

17.08.2017

Rücklauf der Verwaltungsakten

21.08.2017

Verfristung um 3 Wochen „(St.PB?)“

12.09.2017

Verfristung um 5 Wochen „(T?)“

02.10.2017

Anforderung der Verwaltungsakten seitens des 14. Senats für einen Verhandlungstermin am 18.10.2017 und nachfolgende Versendung derselben

10.11.2017

Rücklauf der Akten vom 14. Senat

21.12.2017

Absendung von Terminsmitteilungen zu einem Erörterungstermin am 12.01.2018

08.01.2018

  • Anruf der PB: Es wird um Erteilung eines schriftlichen richterlichen Hinweises und Aufhebung des Termins gebeten.
  • Terminsaufhebung
  • Mitteilung an die Beteiligten

09.01.2018

Gerichtlicher Hinweis an die PB

31.01.2018

Eingang des Schreibens der PB vom selben Tag: eine Rücknahme der Berufung erfolgt nicht; es wird um Terminierung gebeten.

01.02.2018

  • Weiterleitung an die übrigen Beteiligten zur Kenntnisnahme
  • Verfügung in das VT-Fach

22.03.2018

  • Versendung der Verwaltungsakten auf Anforderung an den 29. Senat
  • Eingang des klägerischen Schreibens vom 20.03.2018

26.03.2018

Rücklauf der Verwaltungsakten vom 29. Senat

03.04.2018

  • Weiterleitung des klägerischen Schreibens an die PB und die Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Weiterhin VT-Fach

20.09.2018

Eingang des klägerischen Schreibens vom Vortag: er nimmt keine Anträge zurück und erlaubt dies auch nicht seiner PB.

25.09.2018

  • Weiterleitung an die PB und die Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Fortschreibung VT-Fach

12.03.2019

Eingang des klägerischen Schreibens vom 10.03.2019: Es möge gerichtlich Einfluss genommen werden auf die PB, damit sie keine Klagen/Anträge zurücknimmt.

14.03.2019

  • Gerichtliches Schreibens an den Kläger
  • Weiterleitung des klägerischen Schreibens an die PB zur Kenntnisnahme
  • Fortschreibung VT-Fach

07.06.2019

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag: Vortrag zum rechtlichen Gehör und zu seiner Eigenschaft als Völkerrechtssubjekt.

13.06.2019

  • Weiterleitung an die PB und die Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Fortschreibung VT-Fach

19.08.2019

Eingang des klägerischen Schreibens vom 17.08.2019: Er war nie psychisch erkrankt und hat Anspruch auf Eingliederungsleistungen.

29.08.2019

  • Weiterleitung an die PB und die Beklagten zur Kenntnisnahme
  • Fortschreibung VT-Fach

05.09.2019

  • Unterrichtung der Beteiligten vom Wechsel der Senatszuständigkeit, jetzt: L 5 AS 1092/16
  • Fortschreibung VT-Fach

17.09.2019

Eingang der Verzögerungsrüge des Klägers vom selben Tag

16.10.2019

Eingang eines vom SG weitergeleiteten Schreibens des Klägers vom 23.09.2019, in welchem er abermals darlegt, er sei ein Völkerrechtssubjekt „Selbstverwaltung Ralf Gerbig“. Als solches stünden ihm nach dem Grundgesetz bestimmte Rechte zu.

25.10.2019

Weiterleitung an die Beklagten zur Kenntnisnahme

12.12.2019

Anforderung der Entscheidung des 32. Senats zu L 32 AS 1718/19 B PKH

19.12.2019

Eingang der angeforderten Entscheidung

02.03.2020

Absendung der Ladungen zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.04.2020

05.03.2020

Antrag der PB auf Terminsverlegung vom selben Tag

06.03.2020

Terminsverlegung auf den 30.04.2020

09.03.2020

Eingang des klägerischen Schreibens vom 06.03.2020

14.04.2020

Terminsverlegung auf den 20.05.2020 im Hinblick auf die Empfehlungen zu Infektionsschutzmaßnahmen „COVID-19“ im LSG und vor dem Hintergrund der Maßnahmen zur Beschränkung von Kontakten

16.04.2020

Erneuter Antrag der PB auf Terminsverlegung vom selben Tag

17.04.2020

Telefonat des Berichterstatters mit der PB und Ankündigung eines Schreibens zum letzten Verlegungsantrag

20.04.2020

  • Gerichtliches Schreiben an die PB: u.a. Anfrage, ob einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt wird.
  • Eingang des Schriftsatzes der PB vom selben Tag: Der Verlegungsantrag wird zurückgenommen. Es besteht Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
  • Eingang des Schreibens des Klägers vom selben Tag: Einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wird nicht zugestimmt.

23.04.2020

Weiterleitung an die PB und die Beklagten zur Kenntnisnahme mit dem Hinweis, dass es bei der terminierten Verhandlung verbleibe

29.04.2020

Eingang des Antrags der PB auf Terminsverlegung vom 28.04.2020

30.04.2020

Telefonische Terminabsprache mit der PB für den 08.06.2020

12.05.2020

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag: Vorlage eines von ihm selbst ausgestellten „Attestes“ vom 29.04.2020, wonach er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen dürfe, und Anfrage, ob er an der Verhandlung ohne Mund-Nasen-Bedeckung teilnehmen könne.

18.05.2020

Eingang des klägerischen Schreibens vom selben Tag mit Vortrag zur Sache sowie Ankündigung eines Ablehnungsgesuchs für den Fall, dass er wegen „Nichttragenwollens einer Mund-Nase-Bedeckung von der Verhandlung ausgeschlossen“ wird.

20.05.2020

Gerichtliches Schreiben an den Kläger

08.06.2020

Eingang des gegen den Vorsitzenden Richter und die ehrenamtlichen Richter gerichteten Ablehnungsgesuchs des Klägers vom 05.06.2020

08.06.2020

Durchführung der mündlichen Verhandlung:

  • Entscheidung über das Ablehnungsgesuch
  • Zurückweisendes Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen wird

21.07.2020

Absendung der schriftlichen Urteilsgründe

24.07.2020

Zustellung an die PB

19.08.2020

Eingang der 21seitigen Rechtsmittelschrift - "Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Revision bzw. Revision" - des Klägers beim Bundessozialgericht (BSG); Registrierung unter B 14 AS 63/20 R

24.08.2020

Anforderung der Akten vom LSG

31.08.2020

Eingang der Nachricht, dass die Akten vom LSG an das SG übersandt worden sind

18.09.2020

  • Weiterleitung der Rechtsmittelschrift an die Beklagten zur freigestellten Äußerung
  • Erneute Anforderung der Akten vom LSG

01.10.2020

Eingang von Stellungnahmen des JC und des SozA

05.10.2020

Weiterleitung an den Kläger und die übrigen Beklagten

09.10.2020

Eingang einer Stellungnahme der DRV

14.10.2020

  • Weiterleitung an den Kläger sowie die übrigen Beklagten
  • Anforderung der Verwaltungsakten des SozA beim SG Berlin

20.10.2020

Eingang eines 7seitigen Schriftsatzes des Klägers

21.10.2020

Eingang der Verwaltungsakten und einer kurzen Stellungnahme der BA

26.10.2020

Weiterleitung der Schriftsätze an die jeweiligen übrigen Beteiligten

29.10.2020

Eingang der vom LSG übersandten Akten

05.11.2020

Eingang der vom SG angeforderten Verwaltungsakten

15.12.2020

Eingang einer Aktenanforderung des SG, das die Gerichtsakten zur Bearbeitung eines Vergütungsfestsetzungsantrages benötigt

22.12.2020

Antragsgemäße Übersendung der Akten

13.01.2021

Rücklauf der Gerichtsakten

26.03.2021

Eingang eines umfangreichen Schriftsatzes des Klägers

30.03.2021

Beschluss, mit dem die Revision und die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen werden und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird

23.04.2021

Absendung des Beschlusses

27.04.2021

Zustellung des am 23. April 2021 abgesandten Beschlusses beim Kläger

10.05.2021

  • Eingang einer 16seitigen Anhörungsrüge des Klägers
  • Registrierung unter B 14 AS 58/21 C

25.05.2021

Beschluss, mit dem die Anhörungsrüge als unzulässig verworfen wird

10.06.2021

Absendung des Beschlusses

12.06.2021

Zustellung beim Kläger

 

 

29.10.2021

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1465/21): Die Verfassungsbeschwerde u.a. gegen die vorgenannte Entscheidung des BSG wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Nachdem der Senat dem Kläger auf dessen Antrag vom 08. Dezember 2020 mit ihm am 09. Oktober 2021 zugestelltem Beschluss vom 30. September 2021 PKH bewilligt hatte, soweit er wegen überlanger Dauer des vor dem LSG zunächst unter dem Aktenzeichen L 10 AS 1092/16, sodann unter dem Aktenzeichen L 20 AS 1092/16 und zuletzt unter dem Aktenzeichen L 5 AS 1092/16 geführten Verfahrens eine Entschädigung i.H.v. 1.100,00 € begehrt, hat der Kläger am 11. Oktober 2021 Entschädigungsklage in vorgenanntem Umfang erhoben und sich – soweit maßgeblich – zur Begründung auf die Gründe im PKH-Beschluss berufen. Weiter hat er mit Blick auf vom Senat dort geäußerte Überlegungen zur möglichen Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung betont, dass kein Rechtsmissbrauch vorliege.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zunächst unter dem Aktenzeichen L 10 AS 1092/16, sodann unter dem Aktenzeichen L 20 AS 1092/16 und zuletzt unter dem Aktenzeichen L 5 AS 1092/16 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.100,00 € zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte, dem die Klage am 19. Oktober 2021 zugestellt worden ist, ist der Auffassung, die Klage sei abzuweisen. Es sei – seinem Vortrag im PKH-Verfahren folgend - von Phasen der gerichtlichen Inaktivität im Umfang von nur wenig mehr als zwölf Monaten auszugehen. Dem stünden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten in weitergehendem Umfang gegenüber. Nicht nur seien auch die Zeiten, die das BSG nicht benötigt habe, zur Kompensation heranzuziehen. Auch seien den Gerichten angesichts der exzessiven Prozessführung des Klägers längere als zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit zuzubilligen. Ferner spreche dessen Klagefreudigkeit bereits dagegen, dass ein Verfahren für ihn mit einer seelischen Unbill einherginge. Im Übrigen könne der Kläger allenfalls einen Anspruch auf Feststellung der Überlänge des Verfahrens haben, dem indes der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegenstehe. Der Kläger spreche einerseits der Sozialgerichtsbarkeit ihre Legitimität ab, nehme andererseits dortigen Rechtsschutz exzessiv in Anspruch. Soweit er selbst anderes behaupte, werde dies durch sein eigenes Klagevorbringen widerlegt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die das Ausgangsverfahren betreffenden Akten des SG, des LSG und des BSG verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie Entscheidung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der nach § 201 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie § 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung über die Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

 

A.     Die als allgemeine Leistungsklage statthafte Entschädigungsklage ist zulässig. Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform sowie an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu wahrenden Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens. Der Kläger hat seine Klage am 11. Oktober 2021 erhoben, nachdem der seine Revision/Nichtzulassungsbeschwerde verwerfende Beschluss des BSG am 23. April 2021 abgesandt und vier Tage später zugestellt sowie der letzte - die Anhörungsrüge zurückweisende - Beschluss des BSG am 10. Juni 2021 abgeschickt und dem Kläger zwei Tage später zugestellt worden waren. Abgesehen davon, dass sich all dies innerhalb der Sechs-Monats-Frist bewegt, hatte der Kläger auch bereits am 08. Dezember 2020 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Vorbereitung einer Entschädigungsklage gestellt und hat die Klage zwei Tage nach Zustellung des PKH bewilligenden Beschlusses und damit unverzüglich erhoben (vgl. hierzu BSG Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/17 R – Rn. 23 f., juris).

 

B.       Allerdings ist die Entschädigungsklage nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer, nicht jedoch auf Zahlung der begehrten Entschädigung.

 

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung allerdings nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter schließlich nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).

 

Vorliegend bestehen zwar keine Bedenken bzgl. des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Verzögerungsrüge (hierzu zu I.). Auch weist das streitgegenständliche Ausgangsverfahren zur Überzeugung des Senats eine unangemessene Dauer auf (hierzu zu II.). Indes greift hier das negative Tatbestandsmerkmal des Ausreichens einer Wiedergutmachung auf andere Weise ein (hierzu zu III.).

 

I.        Zweifel an der ordnungsgemäßen Erhebung einer Verzögerungsrüge bzgl. des Berufungsverfahrens, für das allein eine Entschädigung begehrt wird, bestehen nicht. Der Kläger hat eine solche am 17. September 2019 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem das Berufungsverfahren bereits seit drei Jahren und vier Monaten anhängig war und zu dem es – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden – bereits zu Phasen der gerichtlichen Inaktivität gekommen war, an das Gericht herangetragen.

 

II.   Das streitgegenständliche Berufungsverfahren weist zur Überzeugung des Senats eine entschädigungspflichtige Verzögerung im Umfang von zehn Monaten auf.

 

1.   Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet die - in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte - Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 24 und – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 31, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 23, vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 30 sowie vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – Rn. 20, alle zitiert nach juris). Dass der Kläger eine Entschädigung wegen überlanger Dauer (nur) des beim LSG am 03. Mai 2016 eingeleiteten und am 24. Juli 2020 mit der Zustellung des die Berufung zurückweisenden Urteils vom 08. Juni 2020 beendeten Berufungsverfahrens begehrt, ist nicht zu beanstanden. Denn es steht einem Kläger frei, den Klagegegenstand auf einen abtrennbaren Teil des Gesamtverfahrens zu beschränken und damit den Prozessgegenstand zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 14 und BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 – 5 A 2/17 D – Rn. 19, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.07.2018 – L 37 SF 202/17 EK U – Rn. 23, jeweils zitiert nach juris). Materiell-rechtlicher Bezugsrahmen eines derart beschränkten prozessualen Begehrens bleibt jedoch gleichwohl das gesamte gerichtliche Verfahren, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder vor verschiedenen Gerichten geführt worden ist (BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 28 m.w.N., juris). Bezogen auf das hiesige Verfahren bedeutet dies, dass materiell-rechtlicher Bezugsrahmen das gesamte Verfahren ab Klageeingang am 15. Juli 2011 beim SG bis zur Absendung des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses des BSG am 10. Juni 2021 ist. Denn zum Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG gehören hier nicht nur das Klage-, Berufungs- und Revisions-/Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, sondern auch das beim BSG auf die Anhörungsrüge des Klägers unter dem Aktenzeichen B 14 AS 58/21 C geführte Verfahren. Letztgenanntes, auf Beseitigung der Rechtskraft des Beschlusses des BSG vom 30. März 2021 und auf eine neue Entscheidung in der Sache abzielende Anhörungsrügeverfahren setzt kein selbstständiges Verfahren in Gang, sondern ist dem vorangegangenen, durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - Rn. 14, Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.05.2014 - III ZR 355/13 –, Rn. 10 – 13 m.w.N., Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2019 – X K 4/18 –, Rn. 35 – 36 und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2018 – L 11 SF 105/18 EK AS –, Rn. 7, alle zitiert nach juris; so auch bereits Senat Urteil vom 06.05.2022 – L 37 SF 216/20 EK AS – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).

 

2.       Ob die Dauer dieses Verfahrens angemessen ist oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Über die in § 198 GVG ausdrücklich genannten Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hinaus hängt die Unangemessenheit der Verfahrensdauer wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind insoweit Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 34 und – B 10 ÜG 12/13 R –Rn. 41, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 35 sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 38, alle zitiert nach juris). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind daher aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 40 ff., 50), wobei kleinste relevante Zeiteinheit stets der Kalendermonat ist (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

 

a)   Das streitgegenständliche Verfahren weist zur Überzeugung des Senats eine allenfalls durchschnittliche Bedeutung, eine durchschnittliche Schwierigkeit, indes eine überdurchschnittliche Komplexität auf.

 

Die Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers bzw. der Klägerin und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine/ihre weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 35 und - B 10 ÜG 2/14 R - Rn. 38, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – Rn. 28 und – B 10 ÜG 7/14 R - Rn. 30 sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 34, alle zitiert nach juris). Für die Bedeutung des Verfahrens kommt es dabei allein auf einen Maßstab objektivierter Betrachtung an (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 35, juris).

 

Auch wenn existenzsichernde Leistungen regelmäßig eine überdurchschnittliche Bedeutung für ihren Empfänger haben (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 39, juris), vermag der Senat dem Ausgangsverfahren keine mehr als allenfalls durchschnittliche Bedeutung beizumessen. Denn vorliegend ging es letztlich nicht um die Frage, ob dem Kläger überhaupt existenzsichernde Leistungen zustehen. Vielmehr ging es im Kern um die Frage, welchem System existenzsichernder Leistungen der Kläger, der neben einer Rente wegen Erwerbsminderung Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhielt, stattdessen hingegen jedenfalls für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Oktober 2011 die fortdauernde Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II begehrte, zuzuordnen war. Zwar kann der Frage, welchem System der Gewährung existenzsichernder Leistungen ein Leistungsbezieher unterfällt, vor dem Hintergrund, dass Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorrangig im SGB II-System gewährt werden, eine nicht unerhebliche Bedeutung zuerkannt werden. Dies gilt jedoch aus der Sicht des insoweit maßgeblichen verständigen Betroffenen nicht mehr für das hier allein streitgegenständliche Berufungsverfahren. Denn nachdem das vom Kläger gegen die Gewährung der Erwerbsminderungsrente eingeleitete Verfahren für ihn erfolglos abgeschlossen und damit der maßgebliche Bescheid der DRV vom 27. Mai 2011 im Oktober 2014 – mithin etwas mehr als drei Jahre nach Klageerhebung und noch im erstinstanzlichen Verfahren – bestandskräftig geworden war, war diese Frage letztlich geklärt. Dass das Ausgangsverfahren irgendeine Bedeutung für die Allgemeinheit haben könnte, ist schließlich nicht anzunehmen.

 

Während weiter die Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens, in welchem kein Beweis erhoben werden musste, als durchschnittlich anzusehen ist, war die Verfahrensführung angesichts der Länge der Schriftsätze des Klägers, der Vielzahl der (regelmäßig) von ihm gestellten Anträge, der Mehrheit der von ihm benannten Beklagten sowie der Vielzahl der weiteren von ihm verfolgten Rechtsstreitigkeiten und der damit einhergehenden Probleme, die erforderlichen Akten beizuziehen und die Streitgegenstände voneinander abzugrenzen, deutlich erschwert, was eine erhebliche Komplexität des Verfahrens zur Folge gehabt hat.

 

b)       Bei der – nach obigen Ausführungen für die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer erforderlichen - Ermittlung etwaiger sachlich nicht gerechtfertigter Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts, hat das Entschädigungsgericht nicht zu prüfen, ob jeder einzelne Schritt im Ausgangsverfahren von substanzieller Bedeutung oder sachgerecht war. Es hat im Gegenteil das Handeln des Ausgangsgerichts gerade keiner rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen, sondern die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und –gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet. Die richtige Ausübung dieses Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 R -, Rn. 36, - B 10 ÜG 9/13 R -Rn. 39, - B 10 ÜG 12/13 R -, Rn. 43 und – B 10 ÜG 2/14 R –Rn. 42, jeweils zitiert nach juris).

 

Bedeutsam ist zudem, dass dann keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 57).

 

Weiter ist zu beachten, dass die Übersendung eines Schriftsatzes, z.B. eines Gutachtens, einer gutachtlichen Stellungnahme oder auch der Berufungserwiderung an die Beteiligten zur Kenntnis stets die Möglichkeit zur Stellungnahme beinhaltet und die Entscheidung des Gerichts, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative unterliegt und - mit Ausnahme unvertretbarer oder schlechthin unverständlicher Wartezeiten - durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten ist (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 43).

 

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Verfahrensverzögerungen, die von einem Kläger im Rahmen zulässigen Prozessverhaltens herbeigeführt werden, in seinen Verantwortungsbereich fallen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 39 und vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R – Rn. 37, zitiert jeweils nach juris). Denn ein Kläger darf entschädigungsrechtlich keinen Vorteil daraus ziehen, dass er z.B. Anträge stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Verfahrensförderung beiträgt.

 

Bezogen auf das streitgegenständliche Berufungsverfahren bedeutet dies Folgendes:

Das LSG hat das Ausgangsverfahren nach Eingang der umfangreichen Berufungsschrift am 03. Mai 2016 zunächst sachgerecht und verzögerungsfrei betrieben. Zu einer ersten Phase gerichtlicher Untätigkeit ist es erst nach Eingang der Mitteilung des Standortes der Verwaltungsakten seitens des beklagten JC im Oktober 2016 gekommen. Denn in der Folge wurde das Gericht ab November 2016 bis einschließlich Mai 2017 (7 Kalendermonate) nicht tätig, sondern verfristete die Rechtssache mehrfach. Dabei ist auch die gerichtliche Mitteilung an die Beteiligten über den erfolgten Senatswechsel vom 21. April 2017 nicht als gerichtliche Aktivität einzuordnen, da dem Rechtsstreit damit in der Sache kein Fortgang gegeben worden ist. Soweit der Beklagte meint, diese Zeit falle in den Verantwortungsbereich des Klägers, da dieser den Zugang mehrerer Schriftsätze vereitelt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist den Akten nämlich nicht zu entnehmen, dass die Behinderung des Zugangs verschiedener weitergeleiteter Schreiben der übrigen Beteiligten irgendeinen Einfluss auf die Verfahrensführung des Gerichts gehabt hätte. Dieses hat zu keinem Zeitpunkt versucht, diese Schreiben erneut zu übersenden, und damit der Kenntnisnahme des Klägers von dem Inhalt der Schreiben offenbar keine Bedeutung beigemessen.

 

Ab Juni 2017 ist das Ausgangsverfahren wieder gefördert worden, indem PKH und später Akteneinsicht bewilligt wurden. Dass das Gericht in den Monaten September und Oktober 2017 nicht tätig geworden ist, ist nicht zu beanstanden. Vielmehr durfte der Senat nach erfolgter Akteneinsicht durch die damalige, offenbar - wie ihre seinerzeit gestellten Fristverlängerungsanträge zeigten – stark ausgelastete PB des Klägers zunächst abwarten, ob eine Stellungnahme ihrerseits erfolgen würde. Den Akten ist insoweit zu entnehmen, dass das Gericht eine Stellungnahme erwartete und eine Terminierung erwog.

 

Auch der Monat November 2017 ist – unter Berücksichtigung des Kalendermonatsprinzips - zur Überzeugung des Senats nicht als Phase der gerichtlichen Inaktivität zu werten, auch wenn das Gericht seinerzeit das Verfahren nicht gefördert hat. Dies war ihm nicht möglich, weil die Akten erst im Laufe des Monats vom 14. Senat zurückgelangten, dem sie für einen Verhandlungstermin am 18. Oktober 2017 antragsgemäß zur Verfügung gestellt worden waren. Dass der für die Bearbeitung des streitgegenständlichen Berufungsverfahrens zuständige Senat sich hierzu entschieden hatte, stellt sich keinesfalls als offensichtlich ermessensfehlerhaft dar (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 48, juris).

 

Im Dezember 2017 beraumte das Gericht sodann einen Erörterungstermin für den 12. Januar 2018 an. Dass dieser Termin nicht stattfand, ist nicht dem Beklagten als Verfahrensverzögerung zuzurechnen, sondern beruhte allein auf der Bitte der damaligen PB des Klägers. Der im weiteren Verlauf nach dem Gespräch zwischen der PB und dem Berichterstatter erstellte gerichtliche Hinweis führte nicht zu einer Verfahrensbeendigung, woraufhin das Gericht den Rechtsstreit im Februar 2018 als entscheidungsreif einstufte und bei dieser Einschätzung auch nach Eingang des klägerischen Schreibens vom 20. März 2018 am 22. März 2018 – wie die richterliche Verfügung in das „VT-Fach“ Anfang April 2018 zeigt - verblieb.

 

Indes ist die sich anschließende Zeit von Mai 2018 bis zum Eingang der Verzögerungsrüge des Klägers im September 2019 mit Ausnahme der Monate September 2018, März 2019, Juni 2019 sowie August 2019, in denen jeweils Schreiben des Klägers eingingen, die an seine PB sowie die damaligen Beklagten weitergeleitet wurden, als dem Beklagten zuzurechnende Verzögerung zu werten (insgesamt 13 Kalendermonate).

 

Soweit im Oktober 2019 ein weiterer Schriftsatz des Klägers einging, löste dieser zur Überzeugung des Senats eine einmonatige Überlegungs- und Bearbeitungszeit aus, die in den November 2019 hineinragte. Im Dezember 2019 forderte das Ausgangsgericht sodann eine Entscheidung des 32. Senats (Entscheidung über die PKH-Beschwerde des Klägers zu dem von ihm angestrengten Wiederaufnahmeverfahren zum hiesigen erstinstanzlichen Verfahren) an, die es als potentiell relevant für das Ausgangsverfahren betrachtete. Diese richterliche Einschätzung ist vom Entschädigungssenat nicht in Zweifel zu ziehen.

 

Im weiteren Verlauf ist es dann nur noch zu einer kurzen Phase gerichtlicher Inaktivität vor Absendung der Ladungen zum ersten geplanten Termin zur mündlichen Verhandlung in den Monaten Januar und Februar 2020 (2 Kalendermonate) gekommen, während das Ausgangsverfahren ab März 2020 wieder verzögerungsfrei betrieben wurde. Die zunächst auf den 02. April 2020 anberaumte Sitzung musste mehrfach auf Betreiben der damaligen PB des Klägers verlegt werden, was nicht dem Beklagten anzulasten ist. Soweit der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund der ab dem 23. März 2020 geltenden Kontaktbeschränkungen (Verordnungen über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 in Brandenburg <SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – SARS-CoV-2-EindV> vom 22. März 2020 und 17. April 2020) und der damit im Zusammenhang stehenden LSG-internen Empfehlungen zu Infektionsschutzmaßnahmen Mitte April 2020 auf Ende Mai 2020 verschoben worden ist, stellt sich dies als sachgerecht dar und begründet keine der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzuordnende Verfahrensverzögerung.

 

Im Laufe des Berufungsverfahrens ist es damit in 22 Monaten zu gerichtlicher Inaktivität gekommen.

 

c)   Dies heißt jedoch nicht, dass von einer Unangemessenheit der Dauer des streitgegenständlichen Berufungsverfahrens im Umfang von 22 Kalendermonaten auszugehen wäre. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei ist zu beachten, dass den Gerichten – über die Phasen der aktiven Verfahrensförderung hinaus - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen zuzugestehen sind, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, nochmals ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festhaltend: Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – Rn. 33 ff., jeweils zitiert nach juris). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden können (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - Rn. 43, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 43, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 51, - B 10 ÜG 2/14 R- Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Da Anknüpfungspunkt für die Angemessenheitsprüfung nach § 198 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Nr. 1 GVG das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss insgesamt ist, nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung ebenso wie das BSG an, dass insoweit eine instanzübergreifende Betrachtung zu erfolgen hat und die Dauer einer nicht ausgeschöpften, jedoch grundsätzlich angemessenen Vorbereitungs- und Bedenkzeit bei der Ermittlung einer unangemessenen Verfahrensdauer eines Gerichtsverfahrens auch instanzübergreifend in Abzug zu bringen ist (BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 23 ff., so schon Urteile des LSG Berlin-Brandenburg z.B. vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL - Rn. 58 und vom 06.07.2017 – L 37 SF 352/15 EK KR - Rn. 71, 87, alle zitiert nach juris). Eine unangemessene Verfahrensdauer kann daher nur dann festgestellt werden, wenn die Gesamtdauer eines durch mehrere Instanzen verfolgten Gerichtsverfahrens die den Instanzen insgesamt zur Verfügung stehende Vorbereitungs- und Bedenkzeit übersteigt und die darüber hinausgehende Zeit teilweise oder vollständig auf unzureichender Verfahrensförderung durch das Gericht beruht (BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 35, juris). Dabei ist auch das Verfahren vor dem BSG in den Blick zu nehmen, wenn das Ausgangsverfahren bis zu ihm geführt hat (BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – Rn. 28, juris). Dies bedeutet hier Folgendes:

 

aa) Das BSG billigt den Ausgangsgerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zu, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R - Rn. 43 ff., vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 26 und vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 33 sowie - nochmals ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festhaltend: Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – Rn. 33 ff., alle zitiert nach juris). Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, alle zitiert nach juris).

 

Zur Überzeugung des Senats standen dem LSG für die Bearbeitung des Ausgangsverfahrens zwölf Monate Vorbereitungs- und Bedenkzeit zur Verfügung. Gründe, die es rechtfertigen würden, diese Zeit zu verkürzen, sind unter Berücksichtigung der Bedeutung des Ausgangsverfahrens sowie dessen Schwierigkeit und Komplexität nicht ersichtlich und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Soweit der Beklagte umgekehrt meint, dass es mit Blick auf die Art und Weise der Verfahrensführung des Klägers und seine Klagefreudigkeit geboten sei, die Vorbereitungs- und Bedenkzeit zu verlängern (vgl. zu entsprechenden Fallkonstellationen: Urteile des Senats vom 25.08.2015 – L 37 SF 29/14 EK AS - Rn. 50-56 vom 25.02.2016 – L 37 SF 360/13 EK AS - Rn. 81-83, vom 28.04.2016 – L 37 SF 159/14 EK AS - Rn. 70-76, vom 24.11.2016 – L 37 SF 288/13 EK SO - Rn. 52-62 und vom 16.03.2017 – L 37 SF 139/14 EK AS - Rn. 50, alle zitiert nach juris), folgt der Senat ihm nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass die in diesem Zusammenhang möglicherweise relevanten Aspekte hinreichend bei der Prüfung, ob der Eintritt eines immateriellen Nachteils als widerlegt anzusehen ist bzw. die Wiedergutmachung auf sonstige Weise ausreichend ist, berücksichtigt werden können.

 

bb)   Die verbleibenden zehn Monate sind zur Überzeugung des Senats nicht durch Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die in anderen Verfahrensabschnitten nicht benötigt wurden, kompensiert.

 

(1)    Mit Blick auf das Klageverfahren vor dem SG scheitert eine Kompensation bereits daran, dass es in diesem Verfahrensabschnitt zu Verzögerungszeiten gekommen ist, die über die auch diesem Gericht zustehende Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten deutlich hinausgehen. Denn nachdem das Klageverfahren beim SG zunächst konsequent betrieben worden war, ist es bereits von Januar 2012 bis einschließlich Januar 2013 (13 Kalendermonate) nicht zu erkennbaren, das Verfahren fördernden Schritten gekommen. Erst ab Februar 2013 war dies wieder anders; nunmehr wurden für erforderlich erachtete Akten sowie sich auf den streitgegenständlichen Zeitraum beziehende Bescheide beigezogen, erfolgte eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid, wurden Anfragen an die Beteiligten gerichtet und deren jeweilige Stellungnahmen weitergeleitet. Dies zog sich bis Juni 2013 hin, bevor es ab Juli 2013 bis einschließlich August 2015 (26 Kalendermonate) im Wesentlichen nur noch zu Verfristungen kam. Es mag hier sein, dass das Gericht letztlich den Ausgang des vom Kläger parallel geführten Verfahrens gegen die DRV abwartete. Mit der gebotenen Sicherheit ist dies den Akten indes nicht zu entnehmen, namentlich war der Rechtsstreit nicht im Hinblick auf dieses Verfahren ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht worden. Erst ab September 2015 wurde das SG wieder aktiv, indem es erneut Akten aus weiteren Verfahren beizog, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis erteilte, erneut zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid anhörte, nach einem Kammerwechsel eine Berichtigung des Rubrums veranlasste, weiteren Beklagten rechtliches Gehör gewährte und die Klage letztlich durch Gerichtsbescheid vom 25. April 2016 abwies. In dieser Phase ist es allein im Monat März 2016 (1 Kalendermonat) nicht zu gerichtlicher Aktivität gekommen, sodass sich die Monate der Inaktivität letztlich auf insgesamt 40 summieren. Abzüglich der zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit verbleiben damit indes noch 28 Monate, sodass keine Zeiten zur Kompensation zur Verfügung stehen.

 

(2)      Aus dem/den vor dem BSG geführten Verfahren stehen zwar grundsätzlich nicht aufgebrauchte Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Verfügung. Indes können diese vorliegend – entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht zur Kompensation der im Berufungsverfahren aufgelaufenen Verzögerungszeiten genutzt werden. Sie sind zur Überzeugung des Senats vielmehr vorrangig auf die bereits im Klageverfahren angefallen Inaktivitätszeiten anzurechnen.

 

Der Senat sieht keinen Anlass, dem BSG in anderem Umfang Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zuzugestehen als den SGen oder dem LSG. Dass das BSG nicht als Tatsacheninstanz tätig wird, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn Bedeutung hat dies im Wesentlichen für Zeiten der aktiven Verfahrensförderung, nicht hingegen für etwaige benötigte Vorbereitungs- und Bedenkzeiten. Der Senat geht daher davon aus, dass dem BSG zum einen für das von ihm – angesichts der Ausführungen des Klägers in seinem Rechtsmittelschriftsatz keinesfalls ermessensfehlerhaft auch – als Revisionsverfahren behandelte (erste) Verfahren zwölf Monate Vorbereitungs- und Bedenkzeit zustanden, zum anderen weitere drei Monate für das sich anschließende Anhörungsrügeverfahren. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist den Gerichten für ein Anhörungsrügeverfahren eine zusätzliche Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von in der Regel drei Kalendermonaten zuzubilligen und dies unabhängig davon, auf was für eine gerichtliche Entscheidung sich die Anhörungsrüge bezieht (vgl. Urteil des Senats vom 06.05.2022 – L 37 SF 216/20 EK AS – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Von diesen 15 Monaten ist lediglich ein einziger aufgebraucht worden. Denn im Rahmen des beim BSG am 19. August 2020 eingeleiteten (ersten) Verfahrens ist das Gericht lediglich im Februar 2021 (1 Kalendermonat) nicht aktiv gewesen, während es das Verfahren in den übrigen Monaten entweder aktiv gefördert hat oder ihm dies aus gerechtfertigten Gründen nicht möglich war. So waren die Monate von August bis einschließlich November 2020 von der Gewährung rechtlichen Gehörs zu dem vom Kläger erhobenen Rechtsmittel sowie von der Beiziehung der erforderlichen Akten geprägt. Dass das BSG sodann zwischen Dezember 2020 und Januar 2021 nicht tätig werden konnte, ist darauf zurückzuführen, dass die zur Bearbeitung der Sache erforderlichen Akten infolge eines von der früheren PB des Klägers gestellten Vergütungsantrages kurzzeitig dem SG zur Verfügung gestellt wurden. Dass das BSG diesem Aktenübersendungsantrag nachgekommen ist, stellt sich weder als offensichtlich ermessensfehlerhaft dar noch wäre zu fordern gewesen, erst ein Aktendoppel zu fertigen. Denn abgesehen davon, dass letzteres kostenintensiv ist und unnötige Ressourcen verschwendet, führt auch dies dazu, dass die Akten vorübergehend dem zuständigen Richter / der zuständigen Richterin nicht zur Bearbeitung zur Verfügung stehen. Im sich anschließenden Anhörungsrügeverfahren ist es sodann zu überhaupt keinen Verzögerungen gekommen. Im Gegenteil hat das BSG über das am 10. Mai 2021 eingegangene Gesuch des Klägers bereits mit Beschluss vom 25. Mai 2021 entschieden.

 

Gleichwohl können die verbleibenden 14 Monate nicht zur Kompensation der beim LSG aufgelaufenen - und nicht bereits durch die diesem Gericht zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten ausgeglichenen - Verzögerungszeiten herangezogen werden. Zwar ist streitgegenständlich vorliegend allein die Dauer des Berufungsverfahrens. Dies ändert indes nichts daran, dass es bereits im vorangegangenen Klageverfahren in nicht unerheblichem Umfang zu Verzögerungen gekommen war. Würde in dieser Situation eine Kompensation der im Berufungsverfahren aufgetretenen Verzögerungszeiten erfolgen, würde ein Kläger, der sich zunächst geduldig gezeigt, im Klageverfahren keine Verzögerungsrüge erhoben und dieses auch nicht zum Gegenstand des Entschädigungsverfahrens gemacht hat, letztlich gleichsam bestraft. Zur Überzeugung des Senats sind daher in einzelnen Instanzen nicht aufgebrauchte Vorbereitungs- und Bedenkzeiten vorrangig zur Kompensation der zuerst aufgetretenen Verzögerungen heranzuziehen. Vorliegend bedeutet dies, dass für eine Kompensation der im Berufungsverfahren noch vorliegenden Verzögerungen von zehn Monaten nach Kompensation der beim SG aufgetretenen Phasen der Inaktivität keine nicht aufgebrauchten Vorbereitungs- und Bedenkzeiten aus anderen Instanzen mehr zur Verfügung stehen. Das streitgegenständliche Berufungsverfahren ist damit im Umfang von zehn Monaten als überlang anzusehen.

 

III.  Gleichwohl ist dem Kläger keine finanzielle Entschädigung zu gewähren. Zwar vermag der Senat sich nicht die nötige Überzeugung davon zu verschaffen, dass die gesetzliche Vermutung des Eintritts eines immateriellen Nachteils nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 1 SGG, § 292 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) als widerlegt anzusehen ist. Wohl aber geht er in Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls davon aus, dass vorliegend eine Wiedergutmachung auf andere Weise nach § 198 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG ausreichend ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.12.2020 – B 10 ÜG 1/19 R – Rn. 60, juris). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 EMRK kommt eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens in Betracht, wenn das zu beurteilende Verfahren sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abhebt (vgl. BSG Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – Rn. 36, juris). Dies kann der Fall sein, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des Klägers keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat (BSG Urteile vom 21.02.2013 – B 10 ÜG 1/12 KL - Rn. 45, vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 52 und – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 59, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 36 und – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 43 sowie vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – Rn. 40 und Beschluss vom 11.11.2019 – B 10 ÜG 1/19 B – Rn. 8 f. m.w.N., alle zitiert nach juris). Weiter kann dafür bedeutsam sein, ob der Entschädigungskläger weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat, ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt, ob etwaige durch die überlange Verfahrensdauer erlangte Vorteile das Gewicht der erlittenen Nachteile aufwiegen, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder diese zwischenzeitlich entfallen war oder ob sich das Ausgangsgericht in besonderem Maße unkooperativ bzw. uneinsichtig verhalten hat (BSG, Beschluss vom 11.11.2019 – B 10 ÜG 1/19 B – Rn. 8 m.w.N., Urteil vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – Rn. 40 jeweils zitiert nach juris). Der Senat hat insoweit gewürdigt, dass der Kläger vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine - auch für einen Bezieher von Grundsicherungsleistungen keinesfalls typische – Vielzahl von Verfahren verfolgt und dabei immer wieder zumindest ähnliche Streitgegenstände anhängig macht, denen – wie auch das hier streitgegenständliche Berufungsverfahren zeigt – aus der Sicht eines objektiven Beobachters keine Bedeutung zukommt. Diese Verfahren verfolgt er hartnäckig durch sämtliche Instanzen, ggfs. auch vorbei an ihm – wie im Ausgangsverfahren - beigeordneten Rechtsanwälten, ohne sich in irgendeiner Weise offen für gerichtliche Hinweise zu zeigen. Dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren in irgendeiner Weise dringlich war, ist nicht ersichtlich und wurde vom Kläger selbst auch nie geltend gemacht. Ebenso wenig vermag der Senat zu erkennen, dass von der – letztlich auch nicht in erheblichem Umfang unangemessenen - Dauer des Verfahrens in irgendeiner Weise eine seelische Unbill für den Kläger ausgegangen sein könnte. Im Gegenteil drängt sich letztlich der Eindruck auf, dass der Kläger inzwischen in der Führung von Prozessen einen Lebensinhalt gefunden hat. Der Senat sieht daher den allein durch die Verfahrensdauer eingetretenen immateriellen Nachteil als durch den so genannten kleinen Entschädigungsanspruch in Form der Feststellung der Überlänge hinreichend kompensiert an.

 

IV.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 4 GVG. Es entspricht billigem Ermessen, den Beklagten mit einem Drittel und den Kläger mit zwei Dritteln der Kosten des Verfahrens zu belasten. Denn im Vergleich zur Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung ist der Zusprache des kleinen Entschädigungsanspruchs in Form einer Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer eine deutlich geringere Bedeutung beizumessen.

 

V.     Anlass, die Revision nach §§ 160, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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