L 9 SO 151/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 SO 207/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 151/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 32/22 AR
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 04.04.2022 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Bescheidung eines Antrags auf einen Vorschuss iHv 500 € für Anwaltskosten und die Weiterzahlung von Sozialhilfe.

Der 1948 geborene Kläger war ursprünglich alleiniger Eigentümer einer Wohnanlage in P. Aufgrund von Schulden wurde im Jahr 2009 die Zwangsversteigerung eingeleitet, die schließlich am 11.10.2017 erfolgte.  Am 14.02.2018 erfolgte die Zwangsräumung, dem Kläger wurde von der Stadt P zur Vermeidung von Obdachlosigkeit eine Monteurswohnung zur Verfügung gestellt. Seit 2019 führt der Kläger zahlreiche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, den Verwaltungs- und Sozialgerichten, die auf Rückabwicklung der Zwangsversteigerung und –räumung, Wiedereinweisung in seine alte Wohnung und Gewährung von Leistungen der Grundsicherung gerichtet sind. Laufende Sozialhilfe erhält der Kläger im Hinblick auf einen vorhandenen Versteigerungserlös z Zt nicht (hierzu Beschluss des Senats vom 28.06.2022 – L 9 SO 140/22 B ER).

Mit Schreiben vom 03.02.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten „Rechtshilfe durch den Anwalt Herrn T, Kanzlei N“. Darunter finden sich die Worte „Hier Vorschussbeleg 2x 500,- Euro“.

Am 22.03.2021 hat der Kläger Untätigkeitsklage wegen dieses Antrags erhoben. Er habe noch keine Antwort erhalten. Daher sei Klage geboten.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag vom 03.02.2020 zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei in mehreren Telefonaten darauf hingewiesen worden, dass Anwaltskosten keinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem SGB XII darstellten und er sich beim Amtsgericht einen Beratungsschein holen und für Gerichtsverfahren einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen könne.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.04.2022 (nach entsprechender Anhörung der Beteiligten) abgewiesen. Ausweislich des von Seiten des Klägers unwidersprochenen Vortrags der Beklagten habe diese den Antrag des Klägers vom 03.02.2020 mündlich beschieden und der Sache nach abgelehnt. Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags der Beklagten ergäben sich auch mit Blick auf die Bindung einer jeden Behörde an Gesetz und Recht nicht. Die Beklagte sei befugt gewesen, den Antrag mündlich abzulehnen. Aus der Pflicht einer Behörde nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X, einen mündlichen Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn der Adressat hieran ein berechtigtes Interesse hat, folge nichts Anderes. Eine solche Bestätigung stelle keinen Verwaltungsakt, dessen Erlass mittels Untätigkeitsklage erstritten werden könnte, dar, weil es an einem eigenständigen Regelungsgehalt fehle. Ergänzend hat das Sozialgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Übernahme von Anwaltskosten auch nicht bestehe, weil es sich bei den geltend gemachten Anwaltskosten nicht um einen Bedarf handele, der nach den Regelungen des SGB II bzw. SGB XII zu decken sei.

Gegen den am 08.04.2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 11.04.2022. Er habe „für den Anwalt T 1x 500 € beantragt“ und zu keiner Zeit eine Antwort erhalten, obwohl er auch den Bürgermeister in seiner Sache aufgesucht habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zudem mitgeteilt, es gehe ihm auch darum, dass seine Sozialhilfe weiterbezahlt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen Vertagungsantrag gestellt, der vom Senat nach Beratung abgelehnt worden ist. Der Kläger hat schriftsätzliche Ausführungen vom 30.06.2022 vorgelegt und sich auf diese bezogen. Er hat ein Attest seines behandelnden Augenarztes Dr. R vorgelegt, wonach bei ihm eine Blepharitis bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 30.06.2022 entscheiden, denn dem Vertagungsantrag des Klägers ist nicht stattgegeben worden, da dieser keinen erheblichen Grund iSd § 202 SGG, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Vertagung geltend gemacht hat. Aus dem Attest von Dr. R folgt nicht, dass der Kläger durch die Blepharitis (Entzündung des Augenlids) nicht verhandlungsfähig war. Den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe hatte der Senat bereits mit Beschluss vom 09.06.2022 abgelehnt.

Die Berufung ist nicht zulässig. Gegenstand der Berufung ist ein Anspruch des Klägers auf Bescheidung des Antrags auf Übernahme von Anwaltskosten iHv 500 €. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, hieran eigentlich kein Interesse mehr zu haben, auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden hat er aber die Berufung nicht für erledigt erklärt, weshalb sein prozessuales Verhalten so verstanden werden muss, dass er an dem ursprünglichen Berufungsantrag festhält. Gegenstand der Berufung ist zudem aufgrund der ausdrücklichen Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf „Weiterzahlung der Sozialhilfe“.

Die Berufung ist nicht statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Anwendung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG steht nicht entgegen, dass der Kläger eine Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 1 SGG) erhoben hat. Die gewählte Klageart ist für die Anwendung von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedeutungslos, wenn das Rechtsverhältnis – wie hier - gleichwohl eine Geldleistung zum Gegenstand hat (BSG Beschluss vom 06.10.2011 – B 9 SB 45/11 B).

Es ist bereits fraglich, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz auf einen Gegenstand von mehr als 750 € bezogen hat. Denn der Kläger hat die Untätigkeitsklage wegen des Antrags auf einen „Vorschuss als Darlehen von 500 € als Rechtshilfe“ erhoben. Letztlich kann die Frage nach dem Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens jedoch offen bleiben, denn nach dem Berufungsantrag bezieht sich jedenfalls die Berufung auf einen Antrag iHv 500 €. Dies ergibt sich aus der Formulierung, der Kläger habe „für den Anwalt T 1x 500 €“ beantragt.

Das Sozialgericht  hat die Berufung nicht zugelassen. Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 3 SGG tritt nicht durch eine Rechtsmittelbelehrung ein, sondern nur durch Berufungszulassung in der Urteilsformel, ausnahmsweise auch durch eine eindeutig ausgesprochene Zulassung in den Entscheidungsgründen (vgl. BSG Beschluss vom 02.06.2004 – B 7 AL 10/04 B). Eine solche Zulassung ist nicht erfolgt.

Die Erweiterung des Begehrens des Klägers in der mündlichen Verhandlung („Weiterzahlung der Sozialhilfe“) macht die Berufung nicht statthaft, da es für die Statthaftigkeit der Berufung auf den Zeitpunkt ihrer Einlegung ankommt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 19 mwN). Abgesehen davon ist die Erweiterung des Klageantrags in der Berufung ihrerseits unzulässig, da die Voraussetzungen des § 99 SGG (Klageänderung) nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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