L 15 AY 13/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
15
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AY 4/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 AY 13/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

§ 2 Abs. 2 AsylbLG i.V.m.§ 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG eröffnet (lediglich) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Asylbewerberleistungsbehörde über die Gewährung einer Wohnung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft als Sachleistung.

Ein „Untätigkeitsantrag“ im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist unzulässig, da die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage in § 88 SGG abschließend geregelt sind und durch § 86b SGG nicht unterlaufen werden dürfen; auch wäre eine „vorläufige“ Verpflichtung zur Bescheidung ein Widerspruch in sich.

Bemerkung

 

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen (Aktenzeichen L 15 AY 14/22 B ER PKH) wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 2. August 2022 insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 27 AY 4/22 ER des Sozialgerichts Neuruppin abgelehnt worden ist. Den Antragstellerinnen wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 7. Februar 2022 bewilligt und Rechtsanwältin Anja Lederer, Hessische Straße 11, 10115 Berlin beigeordnet.

 

Die Beschwerde in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Aktenzeichen L 15 AY 13/22 B ER) wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für die Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren L 15 AY 13/22 B ER Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung seit dem 29. August 2022 bewilligt und Rechtsanwältin A L, H Straße ,  B beigeordnet.

 

 

 

Gründe

 

I.

 

Die Antragstellerinnen begehren die Verpflichtung des Antragsgegners, sie vorläufig bedarfsgerecht außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen.

 

Die im Mai 1987 geborene Antragstellerin zu 1), die – wohl – somalische Staatsangehörige ist, reiste am 28. August 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Zuweisungsentscheidung der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg vom 25. Oktober 2012 wurde sie dem Antragsgegner, also dem Landkreis , zugewiesen. Sie wurde verpflichtet, sich zu dem Übergangswohnheim für Asylbewerber in der R  in H/Ortsteil  zu begeben. Die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 10. März 2015, mit dem dieses die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes und des Antrages auf Asylanerkennung abgelehnt hatte, erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteil vom 18. August 2016 (Az. VG 6 K 666/15.A) ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Mit Schreiben vom 3. November 2016 forderte das Dezernat IV - Soziales und Verkehr, Soziales und Integration, Ausländerrecht, des Antragsgegners die Antragstellerin zu 1) auf, bei ihr vorzusprechen. Er wies auf ihre Verpflichtung hin, ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der R , H zu nehmen. Das ihr seitdem ausgestellte Ausweispapier (Aussetzung der Abschiebung < Duldung >) enthielt bzw. enthält jeweils die Nebenbestimmung: „Wohnverpflichtung: GU , R,  H“.

 

Zwischenzeitlich hatte die Antragstellerin zu 1) am  2016 die Antragstellerin zu 2) geboren. Der Vater der Antragstellerin zu 2), ein in Berlin lebender Staatsangehöriger von S, der eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland besitzt und die Vaterschaft anerkannt hat, teilt sich mit der Antragstellerin 1) die elterliche Sorge. Die Staatsangehörigkeit der Antragstellerin zu 2) ist unklar. Ihren Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung bzw. subsidiären Schutz lehnte das BAMF mit Bescheid vom 30. November 2016 ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das VG Potsdam mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2018 (Az. VG 13 K 4905/16.A) ab. Auch das ihr seitdem ausgestellte Ausweispapier enthält jeweils die Nebenbestimmung der Wohnverpflichtung in der Gemeinschaftsunterkunft in der R in H.

 

Die Antragstellerinnen beziehen von dem Antragsgegner Analogleistungen gemäß       § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 18. Januar 2022 für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022.

 

Mit Eingang am 29. Januar 2021 stellten die Antragstellerinnen bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung. Seit ihrer Zuweisung zum Landkreis  lebe die Antragstellerin zu 1) in der Gemeinschaftsunterkunft in H. Die Antragstellerin zu 2) werde bald drei Jahre alt. Deren Vater lebe mit zwei Kindern und einer deutschen Frau in B. Die Antragstellerinnen hätten noch keine Aufenthaltserlaubnis. Ihr Aufenthalt sei jedoch dauerhaft, weil dieses Ausreisehindernis bestünde. Die Zustände in der Gemeinschaftsunterkunft seien für das Aufwachsen der Antragstellerin zu 2) denkbar schlecht. Sie erlebe Drogen- und Alkoholabusus sowie Belästigungen anderer Bewohner der Antragstellerin zu 1) gegenüber mit. Sie habe bereits Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Auf dem Wohnungsmarkt hätten sie sehr schlechte Chancen mit diesem Aufenthalt[sstatus]. Um dies zu verändern, bitte sie um Aufhebung der Verpflichtung, in der Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Sie fügten ein Schreiben der Kita T vom 17. November 2020 bei, die bescheinigte, dass die Antragstellerin zu 2) eine sichere, ruhige Umgebung mit festen Strukturen benötige, in der sie sich frei von Störungen jeglicher Art entfalten und entwickeln könne. Ihre sprachliche Entwicklung sei auch unter Beachtung des Migrationshintergrundes nicht altersgerecht. Da die Entwicklung stagniere, werde von Seiten der Kita ein erhöhter Förderbedarf gesehen. Es bestehe ein dringender Bedarf, dem Antrag auf eine eigene Wohnung zuzustimmen.

 

Den Eingang des Antrags auf Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft bestätigte der Antragsgegner am 12. Februar 2021 und bat zur abschließenden Bearbeitung um Übersendung eines personalisierten Wohnungsangebotes.

 

Mit Schreiben vom 28. Juli 2021 beantragten die Antragstellerinnen, jetzt vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, die bedarfsgerechte Unterbringung gemäß § 9 Abs. 4 Landesaufnahmegesetz des Landes Brandenburg (LAufnG Bbg). Sie lebten mittlerweile mehr als siebeneinhalb Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft (bzw. vorhergehend Erstaufnahmeeinrichtung). Die Antragstellerin zu 1) leide ausweislich des beigefügten ärztlichen Attests des Internisten Dr. W vom 2. Juli 2021 unter neuropathischen Schmerzen durch periphere Nervenläsionen. Aufgrund der gemeinschaftlichen Unterbringung und der dadurch bedingten vielfältigen Belastungen, die zu Schlafstörungen und Stress führten, komme es bei ihr immer wieder zu Schmerzexazerbationen. Weiter wurde erneut auf die verzögerte sprachliche Entwicklung der Antragstellerin zu 2) verwiesen. Es sei offensichtlich, dass den besonderen Bedürfnissen der besonders schutzwürdigen Antragstellerinnen im Sinne der Richtlinie 2013/33/EU in einer Gemeinschaftsunterkunft bereits im Hinblick auf die lange Wohndauer nicht (mehr) entsprochen werden könne. Sie baten zur Vermeidung eines sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens um unverzügliche Bearbeitung und Entscheidung.

 

Mit Schreiben vom 20. August 2021 teilte der Antragsgegner den Antragstellerinnen mit, dass die Kapazitäten zur Bereitstellung einer Wohnung durch den Landkreis erschöpft seien. Hilfsweise könne er einen Antrag zur Wohnsitznahme außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft bearbeiten. Hierzu bat er (erneut) um Übersendung eines personalisierten Wohnungsangebotes.

 

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 erinnerte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen an eine Entscheidung über den Antrag vom 28. Juli 2021. Sie fügte ein Attest der Kinder- und Jugendärztin Dr. L vom 20. September 2021 bei, in dem diese bescheinigte, dass es aufgrund der hohen Menschendichte im Asylheim immer häufiger zu Infektionen des Kindes komme. Die Familie sollte im Interesse einer gesunden psychosozialen und geistigen Entwicklung der Antragstellerin zu 2) umgehend mit adäquatem Wohnraum versorgt werden.

 

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 erinnerte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen erneut an eine Entscheidung über den Antrag vom 28. Juli 2021. Sofern bis zum 23. Dezember 2021 keine Entscheidung ergangen sei, werde sie für die Antragstellerinnen gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen. Sie fügte eine Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin Dr. K vom 24. November 2021 bei, in dem dieser attestierte, dass für die Antragstellerin zu 1) aufgrund der vorliegenden chronischen Erkrankung eine ruhige Wohnsituation mit entsprechender Rückzugsmöglichkeit und weitestgehend ungestörtem Schlaf aus ärztlicher Sicht dringend notwendig sei. Hierauf bat der Antragsgegner mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 erneut um Vorlage eines Wohnungsangebotes. Ohne dieses vermöge er nicht abschließend über den Antrag zu entscheiden.

 

Am 27. Januar 2022 erhoben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Neuruppin Untätigkeitsklage mit dem Begehren, über den Antrag auf bedarfsgerechte Unterbringung in einer Wohnung zu entscheiden. Gleichzeitig beantragten sie, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig bedarfsgerecht außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen. Die Begründung entspricht im Wesentlichen den Antragsschreiben bezüglich der Unterbringung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft. Ergänzend haben sie vorgetragen, im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners herrsche ein enormer Wohnungsmangel, der es selbst Betroffenen, die über eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügten und die Bonitätskriterien erfüllten, faktisch unmöglich mache, „personalisierte Wohnungsangebote“ zu erhalten, geschweige denn, eine Wohnung selbstständig anzumieten. Nach einem Pressebericht der Märkischen Oderzeitung von November 2020 sei jedenfalls für geflüchtete Menschen der Wohnungsmarkt leergefegt. Den Antragstellerinnen könne nicht zugemutet werden, die ihnen drohenden weiteren gesundheitlichen Schäden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hinzunehmen. Ein offensichtlicher Anspruch auf Unterbringung in einer Wohnung durch den Antragsgegner ergebe sich über § 9 Abs. 4 Satz 2 LAufnG BbG hinaus auch aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Sie fügten eine eidesstattliche Versicherung des Pfarrers der M Kirchengemeinde in H vom 2. März 2022 bei, wonach Mitglieder der Kirchengemeinde die Antragstellerinnen in der Vergangenheit mehrmals bei Vorsprachen bei den örtlichen Vermietern unterstützend, aber erfolglos begleitet hätten. Ein Mitarbeiter der H Wohnungsbaugesellschaft habe auf Nachfrage erklärt, dem Wunsch der Antragstellerinnen auf eine Wohnung könne aufgrund der geringen Fluktuationsquote im Wohnungsbestand nicht nachgekommen werden. Bei einem Wohnungsbestand von 3.200 Wohnungen stünden ca. 400 Menschen aus den Gemeinschaftsunterkünften auf der Warteliste. Bei den Antragstellerinnen komme hinzu, dass eine Vermietung belegungsgebundener Wohnungen aufgrund des aufenthaltsrechtlichen Status nicht möglich sei. Hier könne aufgrund der unsicheren Perspektive derzeit kein Mietvertrag angeboten werden. Eine Vermietung von Wohnungen an den Landkreis und anschließende Unterbringung geflüchteter Menschen in den vom Landkreis angemieteten Wohnungen sei jedoch möglich. Die Wohnungsbaugesellschaft habe bereits Wohnungen an den Landkreis zu diesem Zweck vermietet.

 

Der Antragsgegner ist dem Antrag unter anderem mit der Argumentation entgegengetreten, die Antragstellerinnen könnten ihr Begehren nicht auf § 9 Abs. 4 LAufnG stützen. Diese Vorschrift diene zur Umsetzung der Richtlinie 2013/33/EU und beziehe sich daher auf die Bedingungen der vorläufigen Unterbringung von Asylantragstellenden. Dies werde auch durch § 8 Abs. 4 und 5 der Durchführungsverordnung - DV – zum LAufnG deutlich. Die Asylanträge der Antragstellerinnen seien jedoch bereits unanfechtbar abgelehnt worden, so dass diese Vorschrift keine unmittelbare Anwendung finde. Auch aus § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG i.V.m. § 2 Abs. 2 AsylbLG könnten die Antragstellerin einen Anspruch nicht herleiten. Anlässlich der Geburt der Antragstellerin zu 2) seien die Antragstellerinnen in ein Zweipersonenzimmer auf den Frauenflur gezogen. Damit sei dem Umstand Rechnung getragen worden, dass die Antragstellerin zu 1) als alleinerziehende Mutter einer besonderen Unterbringung bedürfe. Das Zimmer stehe den Antragstellerinnen zur alleinigen Nutzung zur Verfügung, so dass haushaltsfremde Personen aus dem privaten Bereich ausgeschlossen werden könnten. Die Sanitäranlagen als auch die Küchenbereiche würden zwar gemeinschaftlich genutzt, jedoch finde auch hier eine Nutzung lediglich durch Frauen und deren Kinder statt. Männer bewegten sich auf dem Flur lediglich zu Besuchszwecken. Damit  sei ein sicherer und auch geschützter Bereich für die Antragstellerinnen gewährleistet. Soweit die Kita der Antragstellerin zu 2) einen sprachlichen Förderbedarf sehe, sei nicht erkennbar, worin dieser Förderbedarf konkret liege und wie diesem erfolgreich durch eine Privatwohnung genüge getan werden könne.

 

Nachdem das Sozialgericht Potsdam Zweifel an der Zulässigkeit des Sozialgerichtswegs geäußert hatte, teilte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen mit, dass, da es im vorliegenden Verfahren primär um die konkrete Art der Unterbringung nach dem AsylbLG i.V.m. dem LAufnG Bbg gehe und (noch) nicht die Aufhebung/Änderung einer Wohnsitzauflage beantragt sei, die sachliche Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben sein dürfte. Sie verwies auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Potsdam vom 3. Juli 2020, Az. VG 8 L 444/20. A, den sie beifügte. Darin hatte das VG Potsdam ein „gemischtes Rechtsverhältnis“ angenommen, bei dem bei identischem Lebenssachverhalt sich ein prozessualer Anspruch auf mehrere materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen stützen könne und für die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen jeweils verschiedene Rechtswege eröffnet seien. In einem solchen Falle genüge es gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die umfassende Entscheidungskompetenz des angerufenen Gerichts, dass der entsprechende Rechtsweg für eine der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen eröffnet sei.

 

Den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. März 2022, mit dem dieses den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen hatte, hob das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg auf die Beschwerde der Antragstellerinnen mit Beschluss vom 13. Juni 2022 auf (Az. L 23 AY 6/22 B ER). Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei zulässig, weil die vorliegenden Streitigkeiten nach den Bestimmungen des AsylbLG zu beurteilen seien. Die Antragstellerinnen begehrten die Entscheidung über ihren Antrag auf Unterbringung in einer anderen Unterkunft und zwar in Form einer Wohnung, hingegen ausdrücklich nicht die Erlaubnis zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft in eine selbst von ihnen angemietete Wohnung; eine aufenthaltsrechtliche Wohnsitzauflage werde ausdrücklich nicht angefochten.

 

Mit Beschluss vom 2. August 2022 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass, sofern eine Wohnsitzauflage für eine bestimmte Unterkunft erteilt worden sei, diese zunächst beseitigt werden müsse, bevor die Leistungsbehörde die Kosten einer anderen Unterkunft übernehmen könne. Auch gegenüber der gesonderten Bedarfsdeckung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG besäßen ausländerrechtliche Zuweisungsentscheidungen Vorrang. Denn eine gesonderte Leistungsgewährung entgegen solcher asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen griffe letztlich in das grundsätzlich den Ausländerbehörden zustehende Recht zur Aufenthaltsbestimmung ein und trüge nicht zuletzt zu einer Verfestigung eines asyl- bzw. aufenthaltsrechtlich rechtswidrigen Zustands bei. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerinnen könne nur durch eine Änderung der verfügten Nebenbestimmung betreffend die Wohnverpflichtung erreicht werden. Eine solche Änderung hätten die Antragstellerinnen jedoch ausdrücklich gerade nicht begehrt.

 

Gegen den am 3. August 2022 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 9. August 2022 Beschwerde bei dem LSG Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Beschluss wiederhole de facto, nur in formal-inhaltlicher Hinsicht, den Verweisungsbeschluss vom 14. März 2022, in dem, ohne sich materiell-rechtlich mit dem Vorbringen der Antragstellerinnen auch nur auseinanderzusetzen, einzig auf die vermeintlich vorrangig zu beseitigende aufenthaltsrechtliche Wohnsitzauflage abgestellt werde. Auf die kurze und vorläufige Einschätzung des LSG in dem Verfahren über die Zulässigkeit des Sozialgerichtsweges könne nicht ohne weiteres, vor allem ohne inhaltliche Erwägungen, eine negative Entscheidung in der Sache selbst gestützt werden. Die Leistungsentscheidung sei vorrangige und notwendige Voraussetzung für einen Antrag bei der Ausländerbehörde, die erst im Nachgang mögliche ausländerbehördliche Entscheidung sei lediglich ein Annex. Der Anspruch der Antragstellerinnen ergebe sich aus § 3 Abs. 3 AsylbLG. Aus diesem folge ein genereller Anspruch auf adäquate und den grundrechtlichen Belangen entsprechende Unterbringung. Wenn die Deckung des Unterkunftsbedarfs nach § 3 AsylbLG insoweit im Einzelfall defizitär sei, müsse sich hieraus dann notwendig auch ein Anspruch auf Unterbringung in einer anderen Unterkunft im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null herleiten lassen. Im Übrigen haben die Antragstellerinnen auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen.

 

Die Antragstellerinnen beantragen,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 2. August 2022 aufzuheben

 

und den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerinnen vorläufig bedarfsgerecht außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen

 

sowie Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren S 27 AY 4/22 ER unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

 

 

Der Antragsgegner beantragt,

 

die Beschwerden zurückzuweisen.

 

 

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der Annahme der Antragstellerinnen, bei der Wohnsitzauflage der Ausländerbehörde handele es sich lediglich um ein Annex zur leistungsrechtlichen Entscheidung, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr obliege es der Ausländerbehörde, eine ausländerrechtliche Zuweisungsentscheidung zu treffen (Hinweis auf den Beschluss des VG Kassel vom 17. März 2021, Az. 4 L 430 21.KS, juris Rn. 19), welche als Nebenbestimmung zur Duldung der Antragstellerinnen auch erlassen worden sei. Entsprechende Nebenbestimmungen könnten separat angefochten und geändert werden. Eine Änderung der verfügten Nebenbestimmung betreffend die Wohnverpflichtung sei bisher seitens der Antragstellerinnen ausdrücklich nicht verfolgt worden, so  dass bereits die aufenthaltsrechtliche Auflage dem geltend gemachten Anspruch entgegenstünde.

 

Unabhängig davon könnten die Antragstellerinnen den von ihnen geltend gemachten Anspruch nicht aus den §§ 2 und 3 AsylbLG herleiten. Die Unterbringung sei auch im Hinblick auf deren vorgetragene Belange und die bereits lange Aufenthaltsdauer in dem aktuell bewohnten Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft als bedarfsgerecht und adäquat anzusehen. Ein allgemeines oder schwerwiegendes Gesundheitsrisiko oder Gefährdungspotenzial im Hinblick auf die Antragstellerinnen sei nicht ersichtlich. Diese befänden sich vielmehr in einer vergleichbaren Lage wie auch andere Bewohnende in den Gemeinschaftsunterkünften.

 

Auf Anfrage des Senats hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen mitgeteilt, dass die gleichzeitig mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhobene Untätigkeitsklage weiterhin anhängig ist.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

 

Die die Antragstellerinnen betreffenden Verwaltungsakten und Ausländerakten des Antragsgegners haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

 

II.

Die Beschwerde hinsichtlich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. L 15 AY 13/22 B ER) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Antragstellerinnen haben keinen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung eine Wohnung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung zu stellen (dazu unter 1). Dagegen ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Az. L 15 AY 14/22 B ER) zulässig und begründet (dazu unter 2).

 

1)

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materieller Leistungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund, d.h. eine Eilbedürftigkeit, gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Antragstellerinnen haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

 

Der Senat lässt offen, ob dies bereits daraus folgt, dass bezüglich der Antragstellerinnen eine ausländerrechtliche Auflage mit dem Inhalt besteht, dass sie ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der R , H nehmen müssen und die sie vorrangig ändern bzw. aufheben lassen müssten. Nach dem Ende der Asylverfahren mit dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. August 2016 (Az. VG 6 K 666/15.A) und dem rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2018 (VG 13 K 4905/16.A) ist diesbezüglich nicht mehr § 60 Asylgesetz (AsylG), sondern § 61 Abs. 1d Aufenthaltsgesetz (AufenthG) anzuwenden. Diese Vorschrift lautet:

 

Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

 

Der Zweck der Regelung besteht darin, den Ausländer einer bestimmten Kommune zuzuordnen und so die Sozialhilfelasten zwischen den Kommunen angemessen zu verteilen (BeckOK AuslR/Kluth, 34. Edition, Stand 1. Juli 2022, AufenthG § 61 Rn. 26) bzw. eine angemessene Verteilung der Sozialhilfelasten zwischen den Ländern sicherzustellen (Oberverwaltungsgericht - OVG - für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. Juli 2020, Az. 4 MB 23/20, juris Rn. 17, unter Hinweis auf BT-Drs. 18/3144, 10, 13). Angesichts dieses Regelungszwecks stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Ausländerbehörde des Antragsgegners eine Auflage dahingehend erlassen hat, Wohnsitz in einer Gemeinschaftsunterkunft, also unter einer bestimmten Anschrift zu nehmen. Dies dürfte vom Regelungszweck des § 61 Abs. 1d AufenthG, der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit, nicht gedeckt sein. Gleichwohl hat der Antragsgegner diese Auflage erlassen, so dass sie möglicherweise vorrangig – von der Ausländerbehörde des  Antragsgegners – beseitigt werden müsste, bevor den Antragstellerinnen von der für die Asylbewerberleistungen zuständigen Behörde des Antragsgegners eine Wohnung außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft – als Sachleistung – zugewiesen werden könnte (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juni 2022, Az. L 23 AY 6/22 B ER, nicht veröffentlicht, in einem obiter dictum). Das VG Potsdam hat dagegen in dem von den Antragstellerinnen eingereichten Beschluss vom 18. Dezember 2020, Az. VG 8 L 1173/20.A (ebenfalls unveröffentlicht), Seite 3 unten, zu der insoweit parallelen Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ausgeführt, dass eine Änderung der Wohnsitzauflage allenfalls die nachrangige Umsetzung der durch die Entscheidung des Amtes für soziale Leistungen des Antragsgegners getroffenen Grundentscheidung über die Art und Weise der Gewährung einer Sachleistung betrifft. Hierfür würde im Fall der Antragstellerinnen sprechen, dass sie einen Wohnsitz außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Antragsgegners gar nicht anstreben, so dass die Frage der Verteilungsgerechtigkeit gar nicht tangiert ist. Der Senat muss diese Frage jedoch nicht entscheiden, da die Antragstellerinnen die Aufhebung der Wohnsitzauflage ausdrücklich nicht beantragt haben und ein Anordnungsanspruch aus anderen Gründen nicht besteht.

 

§ 9 Abs. 4 Gesetz über die Aufnahme von Flüchtlingen, spätausgesiedelten und weiteren aus dem Ausland zugewanderten Personen im Land Brandenburg sowie zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 15. März 2016, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2021, GVBl. I Nr. 40 - LAufnG Bbg -, kommt als Anspruchsgrundlage für die Antragstellerinnen nicht in Betracht. Diese Vorschrift lautet:

Bei der vorläufigen Unterbringung von Personen nach § 4 Nummer 4 und 7 sind die besonderen Anforderungen im Sinne des Artikels 18 der Richtlinie 2013/33/EU zu berücksichtigen. Sofern den besonderen Belangen schutzbedürftiger Personen im Sinne von § 2 Absatz 3 nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft entsprochen werden kann, hat ihre Unterbringung in geeigneten Wohnungen oder, sofern erforderlich, geeigneten Einrichtungen zu erfolgen.

 

§ 9 Abs. 4 Satz 2 LAufnG Bbg verweist auf § 2 Abs. 3 LAufnG Bbg. Diese Vorschrift lautet:

Bei der Ausführung dieses Gesetzes sind die besonderen Belange schutzbedürftiger Personen im Sinne des Artikels 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96), zu berücksichtigen.

 

Art. 21 Richtlinie 2013/33/EU lautet:

 

Die Mitgliedstaaten berücksichtigen in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung dieser Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien.

 

Den besonderen Schutz gemäß Art. 21 Richtlinie 2013/33/EU können die Antragstellerinnen für sich jedoch nicht in Anspruch nehmen, da sie vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/33/EU nicht erfasst werden. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/33/EU lautet:

Diese Richtlinie gilt für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach einzelstaatlichem Recht von diesem Antrag auf internationalen Schutz erfasst sind.

 

Da die Anträge der Antragstellerinnen auf internationalen Schutz rechtskräftig abgelehnt sind, gilt über die genannten Vorschriften § 9 Abs. 4 Satz 2 LAufnG Bbg für sie nicht. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass sie gemäß Art. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2013/33/EU auch nicht als Antragsteller im Sinne dieser Richtlinie gelten. Die genannte Vorschrift lautet:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck: „Antragsteller“, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde.

 

Welche weiteren Rechtsgrundlagen in Betracht kommen und ob es sich gegebenenfalls um gebundene Entscheidungen oder Ermessensentscheidungen bezüglich dieser Rechtsgrundlagen handelt, ist in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt und zum Teil strittig, wobei je nach ausländerrechtlichem Status unterschiedliche Rechtsgrundlagen in Betracht kommen. Ausländerrechtliche Vorschriften als Rechtsgrundlage sind im Fall der Antragstellerinnen jedoch nicht ersichtlich. § 60 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 AsylG kommt als Rechtsgrundlage für die Antragstellerinnen nicht in Betracht, da sie sich, wie gesagt, nicht mehr in einem Anerkennungsverfahren befinden.

 

Im LAufnG Bbg findet sich ebenfalls keine Rechtsgrundlage, die für die Antragstellerinnen in Betracht kommt. § 9 Abs. 4 Satz 2 LAufnG Bbg ist, wie oben erläutert, nicht anwendbar. Auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 1 LAufnG Bbg sind nicht erfüllt, da es sich bei den Antragstellerinnen nicht um Personen nach   § 4 Nr. 4 und 7 LAufnG Bbg handelt, da sie sich nicht mehr in einem Verfahren auf Anerkennung internationalen Schutzes befinden. Auch gemäß § 9 Abs. 6 LAufnG Bbg (Ermächtigungsgrundlage) in Verbindung mit der Verordnung über die Durchführung des Landesaufnahmegesetzes (im Folgenden: DV) vom 19. Oktober 2016, GVBl. Brandenburg II 2016 Nr. 55, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 1. August 2019 (GVBl. II Nr. 54) findet sich keine anwendbare Vorschrift. § 8 Abs. 3 DV ist wiederum nicht anwendbar, weil die Voraussetzungen von § 9 Abs. 2 LAufnG Bbg nicht gegeben sind, auch § 8 Abs. 4 DV kommt nicht in Betracht, da es sich bei den Antragstellerinnen nicht um schutzbedürftige Personen gemäß § 4 Nr. 4 und 7 LAufnG Bbg handelt.

 

Als Rechtsgrundlage kommt jedoch § 2 Abs. 2 AsylbLG (ggfs. analog) in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG in Betracht. § 2 Abs. 2 AsylbLG lautet:

 

Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

 

Der Antragsgegner gewährt den Antragstellerinnen sog. Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG. § 2 Abs. 2 AsylbLG wird in Rechtsprechung und Literatur zumindest für den Fall als Anspruchsgrundlage gesehen, in denen der leistungsberechtigte Personenkreis des § 2 AsylbLG innerhalb der Gemeinschaftsunterkunft eine andere Unterkunft zugewiesen erhalten möchte (größeres Zimmer, zwei Zimmer, eine Küche oder sanitäre Anlagen etc.) oder wenn der leistungsberechtigte Personenkreis mit der Form der Bedarfsdeckung innerhalb der Gemeinschaftsunterkunft nicht einverstanden ist (vgl. Deibel in GK-AsylbLG, § 2, Stand Juli 2022, Rn. 361; Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. November 2019, L 8 AY 43/19 B ER, juris Rn. 35). Vergleichbar damit ist die vorliegende Situation, dass die Antragstellerinnen zwar nicht mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden möchten, die Unterbringung außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft jedoch als Sachleistung begehren (offengelassen noch in dem Beschluss des Senats vom 22. März 2021, Az. L 15 AY 5/21 B ER, unveröffentlicht). Dies wird untermauert mit einem Vergleich mit § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG. Die genannte Vorschrift lautet:

 

Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht.

 

 

Für Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG kommt gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG bei Unterbringung außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft sowohl eine Geldleistung, als auch eine Sachleistung in Betracht (Birk in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 18; BeckOK Sozialrecht/Korff, § 3 AsylbLG, Stand 1. September 2022, Rn. 24). Da Analogleistungsberechtigte nicht schlechter gestellt werden dürfen als Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG, muss eine entsprechende Entscheidung über die Bereitstellung einer Unterkunft außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft als Sachleistung auch für diesen Personenkreis in Betracht kommen.

 

§ 2 Abs. 2 AsylbLG räumt den zuständigen Behörden - was sich allerdings aus dem Wortlaut nicht ohne weiteres gibt - unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 AsylbLG, zusätzlichen „Spielraum" einzuräumen, ein Ermessen ein (Bayerisches LSG, a.a.O.; instruktiv Deibel in: Hohm, a.a.O., Rn. 362 ff unter Auseinandersetzung mit Wortlaut, Regelungszusammenhang und Sinn und Zweck der Vorschrift und weiteren Nachweisen; Oppermann/Filges, a.a.O., § 2 AsylbLG, Stand: 26. November 2021, Rn. 228; a.A. Leopold in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 7. Auflage, § 2 AsylbLG, Rn. 69; Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 2, Rn. 60, die sich für einen unbestimmten Rechtsbegriff aussprechen). Auch nach Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Juli 2020, Az. L 8 AY 37/20 B ER, juris Rn. 14, ist eine (Auswahl-) Ermessensentscheidung über die Form der Leistungen für Unterkunft und Heizung von der Leistungsbehörde bei Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG jedenfalls dann zu treffen, wenn die betroffene Person die Zuweisung einer anderen Unterkunft begehrt.

 

Dabei dürfte der Antragsgegner im Rahmen der Ermessensentscheidung insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben (vgl. auch Deibel, a.a.O., § 2 Rn. 369 f):

  • die aufenthaltsrechtliche Stellung der Antragstellerinnen
  • die Dauer ihres bisherigen und künftigen Aufenthaltes (auch unter Berücksichtigung des Aufenthaltsstatus des (mit-)sorgeberechtigten Vaters der Antragstellerin zu 2)
  • die Lebenssituation, insbesondere der Schulbesuch der Antragstellerin zu 2)
  • Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
  • gesundheitliche Aspekte, hier insbesondere die gesundheitliche Situation der Antragstellerin zu 1)
  • Vorhandensein oder Nichtvorhandensein genügender Rückzugsmöglichkeiten
  • die räumlichen Gegebenheiten in der Gemeinschaftsunterkunft (Zusammensetzung der Bewohnerinnen und Bewohner nach Nationalitäten, Volkszugehörigkeit und Religionszugehörigkeit, die Aufteilung der Zimmer etc., der bauliche Zustand der Gemeinschaftsunterkunft)
  • Frage des Vorhandenseins von und der Verfügungsmöglichkeit des Antragsgegners über Wohnungen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften (gegebenenfalls unter Prüfung, ob er, wie von den Antragstellerinnen vorgetragen, Wohnungen für Berechtigte nach dem AsylbLG bei der Wohnungsgenossenschaft anmieten kann).

 

Da ein Anspruch der Antragstellerinnen somit nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Ermessensgesichtspunkte ergibt sich nicht, dass eine Entscheidung des Antragsgegners allein darauf hinauslaufen müsste, dass er dem Antrag der Antragstellerinnen nachkommt. Insbesondere ergibt sich aus den eingereichten Attesten bezüglich der Antragstellerin zu 1) eine solche Ermessensreduzierung nicht. Das Attest von Dr. W vom 2. Juli 2021 benennt zwar mit einer peripheren Nervenläsion eine konkrete Diagnose, die darin angegebene Kausalität zwischen Stressfaktoren und Schlafstörungen, die überwiegend bedingt sein sollen durch die Unterbringung in dem Asylbewerberheim, mit den statthabenden Schmerzexazerbationen ist jedoch nicht ausreichend dargetan. Auch hält Dr. W die Unterbringung in einer eigenen Wohnung lediglich für „medizinisch sinnvoll“, offensichtlich aber nicht für zwingend notwendig. Dr. K benennt in seinem Attest vom 25. November 2021 keine konkrete Diagnose, sondern nur eine „chronische Erkrankung“ und hält eine ruhige Wohnsituation mit entsprechenden Rückzugsmöglichkeiten und weitestgehend ungestörtem Schlaf für dringend notwendig. Aufgrund welcher Umstände er zu dem Ergebnis kommt, dass dies im Rahmen der aktuellen Unterbringung nicht möglich sei, wird nicht deutlich. Gegebenenfalls wäre über den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1) durch den Antragsgegner ein medizinisches Gutachten einzuholen.

 

Fehlt es an einer Ermessensreduktion auf Null, ist umstritten, mit welchem Inhalt eine einstweilige Anordnung ergehen kann. Die (wohl herrschende) Ansicht geht davon aus, dass die Behörde (nur) zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden kann (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b SGG, Stand: 24. Oktober 2022, Rn. 391; Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 86b Rn. 48, beck-online). Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit eine „vorläufige“ Verpflichtung zur Neubescheidung überhaupt sinnvoll ist (so für die Frage eines „Untätigkeitsantrags“ Burkiczak a.a.O.,§ 86b SGG, Rn. 348).

 

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner eine Entscheidung über den Antrag der Antragstellerinnen auf Unterbringung außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft bisher gar nicht getroffen hat, so dass es sich nicht um eine Neubescheidung handeln würde. Wollte man hier zur Bescheidung verpflichten, würde es sich um einen „Untätigkeitsantrag“ im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes handeln, der unzulässig ist. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage sind in § 88 SGG abschließend geregelt und dürfen durch § 86b Abs. 2 SGG nicht unterlaufen werden; die „vorläufige“ Verpflichtung zur Bescheidung wäre auch ein Widerspruch in sich. Eine endgültige Verpflichtung zur Bescheidung durch eine einstweilige Anordnung wiederum wäre eine – grundsätzlich verbotene – Vorwegnahme der Hauptsache (Burkiczak a.a.O.,§ 86b SGG, Rn. 348). Die Antragstellerinnen werden die Untätigkeitsklage, die seit dem 27. Januar 2022 anhängig ist, weiterverfolgen müssen.

 

2)

Die Beschwerde ist jedoch begründet, soweit das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Angesichts der oben aufgezeigten Unsicherheit und Unklarheit bezüglich der anzuwendenden Rechtsgrundlagen und der Frage, ob es sich bei § 2 Abs. 2 AsylbLG um eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung handelt sowie des nicht sicher auszuschließenden Anordnungsgrundes war die gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO notwendige hinreichende Erfolgsaussicht gegeben. Den Antragstellerinnen war daher Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Aus den gleichen Gründen war den Antragstellerinnen auch für das Beschwerdeverfahren L 15 AY 13/22 B ER Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

 

Die Kostenentscheidung folgt bezüglich der Beschwerde im einstweiligen Anordnungsverfahren aus § 193 SGG analog und bezüglich der Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe in der ersten Instanz aus § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar  (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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