L 8 BA 33/21 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 24 BA 12/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 33/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 18.2.2021 geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim Sozialgericht Münster unter dem Aktenzeichen S 22 BA 35/19 anhängigen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.8.2018 in der Gestalt der Bescheide vom 7.12.2018, 5.2.2019 und 13.3.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.989,81 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim Sozialgericht (SG) Münster unter dem Aktenzeichen S 22 BA 35/19 anhängigen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.8.2018 in der Gestalt der Bescheide vom 7.12.2018, 5.2.2019 und 13.3.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 ist nicht begründet.

Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht – wie erforderlich (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.) – mehr dafür als dagegen, dass sich der angefochtene Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.8.2014 bis 30.9.2015 sowie vom 1.11.2015 bis 30.6.2017 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 27.959,22 Euro nachfordert, als rechtswidrig erweisen wird.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).

1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Be­scheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4; Beschl. v. 12.2.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 5 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Klage nicht anzuordnen, da deren Erfolg nicht wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin erlassene Bescheid vom 27.8.2018 in der Gestalt der Bescheide vom 7.12.2018, 5.2.2019 und 13.3.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungs­gemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen.

a) Der Bescheid vom 27.8.2018 ist formell rechtmäßig ergangen; insbesondere ist die Antragstellerin vor dessen Erlass mit Schreiben vom 6.7.2018 gemäß § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) angehört worden.

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben. Es spricht entgegen der Auffassung der Antragstellerin derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass die Feststellung der Versicherungspflicht und Nachforderung der Beiträge für die Tätigkeit des Herrn B (im Folgenden: B) rechtswidrig ist.

aa) Gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbei­trag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Abgrenzungskriterien ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die für B im streitigen Zeitraum festgesetzten Beiträge zu entrichten sind, da dieser bei der Antragstellerin gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) abhängig beschäftigt war.

(1) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist zunächst vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.).

Auszugehen ist bei der Statusbeurteilung hier von dem zwischen Antragstellerin und B geschlossenen „Dienstleistungsvertrag“ vom 1.8.2014 (im Folgenden: DV). Wenngleich dieser Vertrag in seiner Bezeichnung und den Formulierungen den Willen der Vertragsbeteiligten erkennen lässt, ein sozialversicherungsfreies Rechtsverhältnis zu begründen, ergeben sich aus den dort enthaltenen Regelungen auch Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung.

Nach § 2 S. 1 DV hatte B durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass er die Aufträge jederzeit entgegennehmen und flexibel ausführen kann, was darauf hinweist, dass er zur Auftragsannahme und -durchführung verpflichtet war und entsprechende zeitliche Kapazitäten vorrätig halten musste. Dies entspricht der Verpflichtung eines Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen (vgl. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21.Aufl., § 611a Rn. 639). Gemäß § 3 DV waren Kündigungsfristen von 2 Monaten geregelt, die über die in § 621 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgesehenen Fristen für Dienstleistungsverträge deutlich hinausgingen. Selbst eine außerordentliche Kündigung war unter Einhaltung einer Frist von einem Monat und damit abweichend von § 626 BGB vereinbart worden, worin in besonderer Weise der Wille der Beteiligten zu einem dauerhaften Tätigwerden des B für die Antragstellerin zum Ausdruck kommt. Grundsätzlich bestand für die Antragstellerin nicht die Möglichkeit, B die Aufträge kurzfristig zu entziehen. Daraus folgte wiederum eine arbeitnehmertypische Absicherung von B in wirtschaftlicher Hinsicht. Schließlich bearbeitete B Mandate der Antragstellerin, die zudem nach den Rechnungen des B überwiegend die Antragstellerin selbst akquiriert hatte. Zur Sicherung dieses Kundenstammes war in § 7 ein Konkurrenzverbot bis zu einem Zeitraum von 2 Jahren nach Beendigung der Tätigkeit geregelt (vgl. dazu LSG Saarland, Urt. v. 30.3.2017 – L 1 R 122/15 – juris Rn. 36).

Unabhängig davon ist der Vertrag Ausdruck des Parteiwillens, eine selbständige Tätigkeit zu begründen. Dem Parteiwillen kommt generell nur dann eine potenzielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen, ohne eine Vorfestlegung in diese Richtung zu treffen (BSG, Urt. v. 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 34).

(2) Vorliegend sprechen aber gewichtige tatsächliche Umstände gegen das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Die gelebte Praxis spricht nach summarischer Prüfung für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses.

Bereits die Formulierung der Rechnungen, die als Leistungen das „Vorbereiten von laufender Finanzbuchhaltung“, das „Vorbereiten von Steuerunterlagen“, das „Vorbereiten von Jahresabschlüssen“ oder das „Vorbereiten von laufender Lohnbuchhaltung“ ausweisen,  weist auf eine funktionsgerecht dienend in die Arbeitsorganisation der Antragstellerin eingegliederte Tätigkeit von B hin (vgl. Senatsbeschl. v. 24.7.2019 – L 8 BA 142/18 B ER).

Die Antragstellerin hatte nach Aktenlage B zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Mandanten eingesetzt. Die Mandate wurden B von der Antragstellerin einseitig zugewiesen, ohne dass erkennbar geworden wäre, dass B insoweit ein Mitspracherecht oder ein Recht auf Ablehnung eingeräumt worden wäre. Zur Erfüllung seiner Aufgaben war B auf die Nutzung des DATEV-Zugang der Antragstellerin angewiesen. Die Antragstellerin hatte sowohl im DATEV-Programm, als auch in der Lohnbuchhaltung AGENDA die Möglichkeit, die Arbeitsleistung des B zu kontrollieren, was nach dessen Aussage auch regelmäßig durch Herrn K (im Folgenden K) erfolgte. Zur Erfüllung des Schriftverkehrs mit den Mandanten nutzte B eine von der Antragstellerin zur Verfügung gestelllte E-Mail-Adresse, worauf diese wegen der Außenwirkung gesonderten Wert legte. Darin kommt sowohl eine Weisungsgebundenheit als auch eine Eingliederung in den Betrieb der Antragstellerin zum Ausdruck (vgl. Senatsbeschl. v. 24.7.2019 – L 8 BA 142/18 B ER). Die Einordung erfordert entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass die vertraglichen Leistungen am Betriebssitz des Auftragsgebers erfüllt werden (vgl. Hess. LSG, Urt. v. 20.9.2018 – L 8 KR 227/15 – juris Rn. 47).

Ebenso spricht die praktische Handhabung, wie sie sich insbesondere aus dem Chatverlauf des sichergestellten Handys ergibt, für eine Weisungsgebundenheit. Darin finden sich Anweisungen, im Büro zu erscheinen (10.9.2017), Telefonate mit Mandanten zu führen (19.9.2016), die Vorgabe, bestimmte Arbeitnehmer einzupflegen (19.9.2016 und 20.9.2016) oder Rückrufe im Büro zu machen (27.9.2016 und 29.9.2016). Ebenso erfolgten Rückfragen, wenn B nach Ansicht der Antragstellerin erst spät im Büro erscheinen wollte (19.12.2016). Auf die Mitteilung, dass man bei der Antragstellerin nicht drucken könne, kündigte B sein umgehendes Erscheinen im Büro an (30.12.2016). Der gesamte Chatverlauf erweckt nicht den Eindruck, dass B – wie aber von der Antragstellerin vorgetragen – völlig frei in seiner zeitlichen und örtlichen Arbeitsgestaltung war.

Die Zeugenaussage von Frau T vom 18.9.2017 bekräftigt diesen Eindruck. Dieser lässt sich entnehmen, dass B im Bereich der Finanzbuchhaltung die gleichen Tätigkeiten ausübte wie sie. Sie wies zudem darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass er sich mit K bezüglich der Urlaubs- und Krankheitszeiten abspreche, da es gelte, Termine einzuhalten. B müsse sicherstellen, dass die vereinbarten Buchungen zeitgerecht erledigt würden. K kontrolliere schließlich die Buchungen und übermittle sodann im Namen der Antragstellerin die Voranmeldungen an das Finanzamt. Der Zeugenaussage lässt sich damit ebenfalls eine Eingliederung von B in den Betrieb der Antragstellerin entnehmen, mag diese auch weniger ausgeprägt gewesen sein als bei den übrigen Beschäftigten.

(3) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin überwiegen keinesfalls die für eine Selbstständigkeit des Beigeladenen sprechenden Gesichtspunkte vor.

B hat für die streitbefangene Tätigkeit – auch wenn er diese vorrätig gehalten haben sollte - keine eigene Betriebsstätte benötigt, da ihm insoweit ein Büro bei der Antragstellerin zur Verfügung stand. Die von ihm dort eingebrachten Mittel standen ihm bereits zuvor zur Verfügung und wiesen keinen besonders hohen Wert auf. Darüber hinaus hat er kein wesentliches unternehmerisches Risiko getragen, da er weder Kapital noch seine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzen musste. Er hat eine erfolgsunabhängige feste (Stunden-) Vergütung erhalten. Das verbleibende Risiko einer Insolvenz des Auftrag- bzw. Arbeitgebers trifft jeden Arbeitnehmer in gleicher Weise (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 18.11.2015 –  B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 37).

Soweit eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub nicht gewährt worden ist, hat dieser Umstand statusrechtlich keine eigenständige Bedeutung. Vertragsklauseln bzw. vertragliche Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, lassen, auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus haben sie bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr setzen derartige Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus und sind daher eher Folge einer rechtsirrigen Statuseinschätzung als Indiz für eine solche. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 27; Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 68; Urt. v. 14.8.2019 – L 8 R 456/17 – juris Rn. 84).

Die Gewerbeanmeldung des B spricht gleichfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (vgl. Senatsurt. v. 17.12.2014 – L 8 R 463/11 – juris Rn. 113 m.w.N.). Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen können vielmehr ausschließlich in den Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 65).

Schließlich kann auch aus dem Umstand, dass B für weitere Auftraggeber tätig war, nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit für den Antragsteller geschlossen werden. Grundsätzlich sind die einzelnen Rechtsbeziehungen isoliert zu betrachten. Nach den gesetzlichen Regelungen ist die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung ohne weiteres neben einer selbstständigen Tätigkeit möglich (vgl. z.B. § 5 Abs. 5 SGB V). Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet (vgl. BSG, Urt. v. 4.9.2018 – B 12 KR 11/17 R – juris Rn. 23) und sich in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen, ergibt (vgl. BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 35 m.w.N.).  An letzterem fehlt es hier vorliegend.

Mithin spricht entgegen der Ansicht des SG nicht mehr gegen denn für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des B, so dass eine entsprechende Anordnung zugunsten der Antragstellerin nicht ergehen konnte. Weitere Aufklärung muss den Ermittlungen im Rahmen des Hauptverfahrens, u.a. durch die Beiziehung der vollständigen Akten des HZA bzw. der Staatsanwaltschaft, vorbehalten bleiben.

(4) Anhaltspunkte für Versicherungsfreiheitstatbestände liegen nicht vor.

Die Beschäftigung erfolgte unstreitig gegen Entgelt, so dass grundsätzlich eine Versicherungspflicht nach §§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XI vorlag.

Dies gilt im Rahmen der summarischen Prüfung auch bezüglich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Zwar ist B nach eigenen Angaben auch für andere Auftraggeber tätig gewesen ist. Dies allein begründet aber keinen Ausschluss von der Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 SGB V.  Die dafür erforderliche hauptberufliche Ausübung der Tätigkeit setzt voraus, dass sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (BSG, Urt. v. 29.4.1997 – 10/4 RK 3/96 – juris Rn. 18). Diese Feststellung lässt sich weder in zeitlicher, noch wirtschaftlicher Hinsicht anhand der Aktenlage treffen. Es lässt sich noch nicht einmal feststellen, dass die Tätigkeit bei den anderen Auftraggebern tatsächlich selbständig ausgeübt wurde. Die Frage, ob die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 5 S. 1 SGB V eingreift und mithin keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestanden hat, bedarf einer näheren Prüfung im Rahmen der Hauptsache. Sie begründet jedoch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, weil insoweit nicht mehr für die Rechtswidrigkeit des Bescheides spricht als dagegen.

bb) Die Höhe der personenbezogenen Beitragsforderung begegnet rechtlich und sachlich keinen Bedenken. Bei der Berechnung des zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts ist die Antragsgegnerin zutreffend gem. § 14 Abs. 1 SGB IV von den Beträgen ausgegangen, die die Antragstellerin B gezahlt hat. Einwände im Einzelfall wurden von der Antragstellerin insoweit nicht erhoben.

2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides liegt nicht vor.

Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für ihn verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17).

Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen und glaubhaft zu machen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 27). Dabei ist vom Beitragsschuldner auch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er bei Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs und Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen in der Lage ist, derart rentabel zu wirtschaften, dass die noch offene Beitragsforderung in überschaubarer Zeit beglichen werden kann (st. Rspr. des Senats, z.B. Beschl. v. 15.6.2020 – L 8 BA 139/18 B ER – juris Rn. 15, Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 22).

Es fehlt vorliegend bereits ein umfassender Vortrag zu den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin, einschließlich der Möglichkeiten zur Beschaffung von liquiden Mitteln durch Darlehensaufnahme, sowie die Glaubhaftmachung der entsprechenden Tatsachen.

Darüber hinaus liegt eine die begehrte gerichtliche Aufschiebungsanordnung rechtfertigende unbillige Härte nicht vor, wenn die Vollziehung der Beitragsforderung durch den Abschluss von Raten- und Stundungsvereinbarungen mit der betroffenen Einzugsstelle abgewendet werden kann (vgl. Beschluss vom 22.2.2021 – L 8 BA 161/20 B ER). Vortrag der Antragstellerin, ob und mit welchem Ergebnis sie sich an die Einzugsstelle gewandt hat, findet sich nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved