S 8 AS 1311/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1311/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei der Frage, welche Kosten der Unterkunft als angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen sind, ist unter folgenden Voraussetzungen nicht auf die Werte nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz zuzüglich 10% ( Wohngeldtabelle + 10% ) zurückzugreifen:

1) Das von einem SGB II-Leistungsträger angewendete Konzept zur Festlegung der Mietobergrenzen ist unschlüssig,

2) Erkenntnisausfall ist gegeben,

3) der Wert nach Wohngeldtabelle + 10% liegt noch unterhalb der Mietobergrenze im unschlüssigen Konzept, und

4) eine Nachbesserung des Konzeptes durch den Träger ist unmöglich oder trotz Aufforderung nicht erfolgt oder eine Aufforderung ist entbehrlich, weil sich der Träger darauf beruft, dass der Wert nach Wohngeldtabelle + 10% ohnehin noch unterhalb der Mietobergrenzen im unschlüssigen Konzept liege. Vielmehr sind in diesen Fällen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft als Bedarfe der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusetzen. Denn eine von den tatsächlichen Kosten der Unterkunft abweichende angemessene Bedarfshöhe ist in diesen Fällen weder vom SGB II-Leistungsträger nachgewiesen, noch ist sie durch das Gericht ermittelbar, und die Werte nach Wohngeldtabelle + 10% sind offensichtlich und schon nach dem nicht schlüssigen Konzept nicht ausreichend, um das Existenzminimum zu sichern. Die objektive Beweislast für einen niedriger als die tatsächlichen Unterkunftskosten anzusetzenden angemessenen Bedarf an Unterkunftskosten liegt jedoch beim SGB-II-Leistungsträger, da § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vom Grundsatz ausgeht, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft als Bedarfe anzusetzen sind. Die Absenkung auf die angemessenen Kosten ist eine für den SGB II-Leistungsträger günstige Abweichung ( soweit sie angemessen sind ) von diesem Grundsatz, sodass ihn die objektive Beweislast trifft. Die Anwendung des Wertes nach Wohngeldtabelle + 10% in den oben genannten Fällen führt hingegen faktisch zu einem Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs. 4 GG) bei der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Mietobergrenzenkonzepten.


I. Der Beklagte wird unter insoweitiger Aufhebung des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2020 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 SGB II-Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von weiteren 62,50 € monatlich zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

III. Die Berufung wird zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewährenden SGB II-Leistungen für die Monate Juli 2020 bis Dezember 2020 vor dem Hintergrund, dass die tatsächlichen monatlichen Kosten der Unterkunft monatlich 62,50 Euro höher lagen als die vom Beklagten bisher gewährten. Für die hier sechs streitigen Monate zusammen streiten die Beteiligten somit um SGB II-Leistungen in Höhe von (gegenüber den bereits gewährten) weiteren insgesamt 375,00 Euro.

Der alleinstehende, am 1964 geborene Kläger bezog im streitgegenständlichen Zeitraum SGB II-Leistungen, war nicht erwerbstätig und nahm an einer geförderten Maßnahme teil.

Der Kläger bewohnte eine 2-Zimmer-Miet-Wohnung mit einer Größe von 60 qm. Laut Vereinbarung über eine Mieterhöhung vom 28.04.2019 betrug die Nettokaltmiete monatlich 470,00 Euro. Die Vorauszahlungen für die kalten Nebenkosten lagen bei 65,00 Euro monatlich. Die Heizkostenvorauszahlung betrug ebenfalls 65,00 Euro monatlich. Außerdem war eine Miete von 30,00 Euro monatlich für eine Garage geschuldet. Die Gesamtmiete lag somit bei 630,00 Euro monatlich. Diese tatsächlich anfallenden 630,00 Euro berücksichtigte der Beklagte zunächst monatlich als Bedarfe der Unterkunft und Heizung.

Mit Kostensenkungsaufforderung vom 06.09.2019 setzte der Beklagte sodann dem Kläger eine Frist von sechs Monaten zur Absenkung seiner Kosten der Unterkunft und Heizung. Er möge umziehen oder die Kosten anderweitig senken. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist könne der Beklagte entsprechend der im Mietobergrenzen-Konzept des Landkreises festgelegten Obergrenzen nur noch 502,50 Euro bruttokalt monatlich berücksichtigen. Das Mietabsenkungsschreiben vom 06.09.2019 enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass der Kläger sich hinreichend bemühen müsse, die Kosten zu senken, und dass er all seine Unternehmungen, die er zur Kostensenkung vornehme, dokumentieren, und, sofern möglich, sich diese auch schriftlich bescheinigen lassen müsse, da er die Bemühungen zur Kostensenkung gegenüber dem Beklagten hinreichend belegen müsse.

Mit nicht hier, sondern im Klageverfahren S 8 AS 227/20 streitigem vorläufigen Bescheid vom 14.11.2019 in der Fassung des Regelbedarfs-Änderungsbescheid vom 23.11.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger SGB II-Leistungen für den Zeitraum Januar bis März 2020 in Höhe von 1.062,00 Euro monatlich (auch im Verfahren S 8 AS 227/20 nicht streitig; volle tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung und voller Regelbedarf ohne Einkommensanrechnung) und in Höhe von 999,50 Euro monatlich von April bis Juni 2020 (im Verfahren S 8 AS 227/20 streitiger Zeitraum; entsprechend dem Mietabsenkungsschreiben vom 06.09.2019 abgesenkte Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 437,50 Euro nettokalt (statt tatsächlich 500,00 Euro), und 65,00 Euro monatlich Nebenkostenvorauszahlung (also 502,50 Euro bruttokalt) zuzüglich 65,00 Euro monatlich Heizkostenvorauszahlung - sowie weiterhin voller Regelbedarf ohne Einkommensanrechnung). Zur Begründung führte der Beklagte an, die Miethöhe sei unangemessen. Der Kläger habe hierzu im September 2019 eine Kostensenkungsaufforderung erhalten. Ab April 2020 würden daher nur noch die laut dem Mietobergrenzenkonzept des Landkreises angemessene Bruttokaltmiete von 502,50 Euro monatlich übernommen. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.11.2019 in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 23.11.2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2020 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid vom 08.01.2020 enthielt nach der Rechtsbehelfsbelehrung folgenden Hinweis: "Sollte der Kläger, ausgehend von der Kostensenkungsaufforderung vom 06.09.2019, bis zum 31.03.2020 keine angemessene Wohnung haben finden und dies anhand entsprechender Nachweise habe belegen können, wird ihm empfohlen, dies dann geltend zu machen. Das Jobcenter wird in diesem Falle prüfen, ob die Aufwendungen für die jetzige Wohnung über den 31. März hinaus für einen weiteren, begrenzten Zeitraum anerkannt werden." Mit Urteil vom 30.06.2020 verurteilte das Sozialgericht München den Beklagten im Verfahren S 8 AS 227/20 auf die dagegen erhobene Klage des Klägers hin unter insoweitiger Aufhebung der dort streitigen Bescheide, dem Kläger für den Zeitraum April bis Juni 2020 weitere SGB II-Leistungen in Höhe von 62,50 Euro monatlich zu gewähren, da in dem dort streitigen Dreimonatszeitraum die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarfe anzusetzen seien.

Für den im vorliegenden Verfahren S 8 AS 1311/20 streitigen - sich unmittelbar anschließenden - Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger zunächst mit vorläufigem Bescheid vom 17.05.2022 SGB II-Leistungen weiterhin SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung der abgesenkten, aus Sicht des Beklagten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung, also weiterhin in Höhe von 999,50 Euro monatlich (also weiterhin entsprechend dem Mietabsenkungsschreiben vom 06.09.2019 abgesenkte Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 437,50 Euro nettokalt (statt tatsächlich 500,00 Euro), und 65,00 Euro monatlich Nebenkostenvorauszahlung (also 502,50 Euro bruttokalt) zuzüglich 65,00 Euro monatlich Heizkostenvorauszahlung - sowie weiterhin voller Regelbedarf ohne Einkommensanrechnung).
Gegen den im vorliegenden Verfahren S 8 AS 1311/20 zunächst streitigen vorläufigen Bescheid vom 17.05.2020 legte der Kläger am 05.06.2020 Widerspruch ein. Der Widerspruch war ausdrücklich auf die Höhe der SGB II-Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Der Kläger begründete den Widerspruch (wie auch schon zuvor den Widerspruch gegen die Bewilligungen für die Monate April bis Juni 2020, die im Verfahren S 8 AS 227/20 streitig sind) wie folgt:
Der Widerspruch richte sich allein gegen die Nichtübernahme der vollständigen Wohnkosten.
Eine Reduzierung der Wohnkosten zu den "vom Beklagten gemachten Vorschlägen" sei nicht möglich.
Er befinde sich in der Privatinsolvenz. Er könne daher keine neue Wohnung finden. Denn Vermieter würden regelmäßig eine Selbstauskunft verlangen. Da müsse er die Insolvenz angeben. Vermieter würden eine Insolvenz aber nicht tolerieren.
Zudem liege die vom Beklagten angesetzte Mietobergrenze bei "6,70 Euro"/qm [sic]. Das sei willkürlich und entbehre jeglicher Realität. Es gebe keinen Mietspiegel für seine Gemeinde (H. in Oberbayern). Größere Wohnungen seien im qm-Preis deutlich billiger als kleinere. Bei kleineren Wohnungen müsse man daher einen deutlich höheren qm-Preis als "8,70 Euro" [sic] ansetzen. Nach den Recherchen des Klägers liege der Preis tatsächlich bei ca. 9,00 bis 12,00 Euro/qm.
Aus der (mit Fundstelle angegebenen) Presse könne man entnehmen, dass die Mietpreise in Bayern seit 2014 um ca. 22% gestiegen seien. Diese Mietsteigerungen würden vollständig ignoriert.
Nach den Recherchen des Klägers gebe es keine verfügbaren Wohnungen, die den Vorgaben des Landkreises entsprechen würden.
Sowohl subjektiv (Insolvenz) als auch objektiv (keine verfügbaren Wohnungen zu den vom Beklagten gesetzten Bedingungen) sei es ihm, dem Kläger, daher nicht möglich, die Kosten der Unterkunft und Heizung zu senken. Mit "7,96 Euro / qm" sei seine Wohnung vergleichsweise äußerst günstig. Es handele sich um einen Härtefall, da er ohne die derzeitige Wohnung obdachlos sei. Er beantrage daher die Übernahme der Mietkosten in voller tatsächlicher Höhe.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Bewilligungshöhe der Kosten der Unterkunft in der Zeit ab Juli 2020 bis Dezember 2020 im Bescheid vom 17.05.2020 wies der Beklagte mit hier streitgegenständlichem Widerspruchsbescheid vom 01.07.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte Folgendes aus: Zuständig für die Aufstellung der verbindlichen Richtlinien für die Mietobergrenzen sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II der Landkreis. Dieser habe zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum (Juli bis Dezember 2020) mit Wirkung zum 01.07.2018 die Mietobergrenzen festgesetzt. Die Mietobergrenzen würden, um Aktualität zu gewährleisten, in Abständen von zwei Jahren an die Mietpreisentwicklung angepasst. Der Landkreis müsse sich bei der Festsetzung der Mietobergrenzen an die Vorgaben des Bundesozialgerichts halten (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelte die sogenannte Produkttheorie. Das heiße, dass die angemessene Bruttokaltmiete aus dem Produkt der angemessenen Wohnfläche einerseits und dem Quadratmeterpreis andererseits zu bilden sei. Als Wohnfläche für eine Einzelperson seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dabei 50 qm als angemessen anzusetzen. Hinsichtlich der Ausstattung sei nicht von einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis, sondern vom Quadratmeterpreis einer einfachen Wohnung auszugehen. Die Durchschnittsmieten seien daher rechtlich nicht erheblich. Nach dem ab dem 01.07.2018 im Landkreis geltenden Konzept sei der Landkreis (wie auch in den Jahren davor) in vier Zonen aufgeteilt gewesen. Der Wohnort des Klägers liege in Zone 2. Ein angemessener Preis in dieser Zone sei nach den vom Landkreis ermittelten Daten ein Quadratmeterpreis von 8,00 Euro. Daraus ergebe sich ein Rechnungsposten von 400,00 Euro nettokalt monatlich. Angemessene kalte Nebenkosten würden nach den vom Landkreis ermittelten Daten bei 2,05 Euro pro Quadratmeter liegen. Daraus folgten bei einer 50 qm großen Wohnung 102,50 Euro an angemessenen monatlichen kalten Nebenkosten. Die gesamte angemessene Bruttokaltmiete liege damit bei 502,50 Euro monatlich. Zusätzlich seien die Heizkosten des Klägers in Höhe von 65,00 Euro monatlich zu übernehmen. Daraus folge die Summe von 567,50 Euro, die der Beklagte an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Kläger angesetzt habe. Der Beklagte wolle im Übrigen darauf hinweisen, dass die Miete des Klägers nicht wie von diesem angegeben bei 7,96 Euro pro Quadratmeter liege, sondern bei 8,33 Euro "Kaltmiete". Das seien mehr als die vom Landkreis als angemessen ermittelten 8,00 Euro. Die kalten Nebenkosten des Klägers seien mit 65,00 Euro jedoch niedriger als die 102,50 Euro, die sich nach dem Konzept des Beklagten als angemessene kalte Nebenkosten errechneten. Dennoch verbleibe eine monatliche Differenz der tatsächlichen Bruttokaltmiete des Klägers und der angemessenen Bruttokaltmiete nach dem Konzept des Landkreises zu den Mietobergrenzen.
Die Privatinsolvenz des Klägers, so der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 01.07.2020 weiter, spreche nicht gegen die Möglichkeit, sich eine neue Wohnung zu suchen. Denn wegen der bei SGB II-Bezug möglichen Direktüberweisung durch das Jobcenter an den Vermieter habe ein Vermieter große Sicherheit bezüglich der Zuverlässigkeit der Mietzahlungen. Dass der Kläger in H. in Oberbayern keine neue Unterkunft finden könne, sei nicht erheblich. Denn der Kläger könne zwar einen Umzug außerhalb des Landkreises ablehnen, nicht aber in eine andere Zone des Landkreises. Zum Beispiel in der Zone 1, in der die gleiche Mietobergrenze gelte wie in der Zone 2, in der der Kläger derzeit wohne, seien am 01.07.2020 bei Immobilienscout24 folgende zwei Wohnungen zu Preisen innerhalb der vom Landkreis festgesetzten Mietobergrenzen inseriert gewesen:
- für Wochenendpendler: 2 Zimmer, Küche, Bad, 72 qm, 420,00 Euro Kaltmiete, zuzüglich 100,00 Euro Nebenkosten- inklusive Heizkostenvorauszahlung,
-  2 Zimmer, 55 qm, 450,00 Euro kalt, zuzüglich 70,00 Euro Nebenkosten- inklusive Heizkostenvorauszahlung.
Weiter heißt es im Widerspruchsbescheid vom 01.07.2020, dem Kläger sei zwar dahingehend Recht zu geben, dass erhebliche Mietsteigerungen von 22% in Oberbayern seit 2014 erfolgt seien. Der Landkreis habe seine Mietobergrenzen aber sogar noch stärker als 22% nach oben angepasst. Eine Mietsteigerung von 22% auf die vom Landkreis festgesetzten Mietobergrenzen von 2014 würde rechnerisch eine Mietobergrenze im streitigen Zeitraum von 384,30 Euro (nettokalt) ergeben. Das sei aber sogar weniger als die seit dem 01.07.2018 laut dem Konzept des Landkreises geltenden 400,00 Euro (nettokalt).

Mit vorläufigen Änderungsbescheiden vom 04.08.2020 (für die Zeit vom 01.09.2020 bis 31.12.2020), 21.09.2020 (für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.12.2020) und 04.11.2020 (für die Zeit ebenfalls vom 01.10.2020 bis 31.12.2020) änderte der Beklagte die Bewilligungshöhe aufgrund von Einkommensanrechnung bzw. dann wieder dem Wegfall von Einkommen (im Oktober) letztlich wie folgt ab: September 719,50 Euro, Oktober 999,50 Euro, November und Dezember jeweils 623,09 Euro. Die vorläufig bewilligten Leistungen lagen damit auch in den Monaten September 2020 bis Dezember 2020 oberhalb der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers.

Mit Bescheid vom 20.04.2021 setzte der Beklagte die dem Kläger im hier streitigen Zeitraum Juli bis Dezember 2020 zu gewährenden SGB II-Leistungen endgültig auf 899,24 Euro monatlich fest. Dabei legte der Beklagte ebenso wie zuvor in der vorläufigen Bewilligung vom 17.05.2020 für diesen Zeitraum die auf die Mietobergrenzen des Landkreises abgesenkten Bedarfe der Unterkunft und Heizung zugrunde. Die dem Kläger aufgrund der endgültigen Bewilligung vom 20.04.2021 zu gewährenden - mehr als zuvor vorläufig bewilligten - SGB II-Leistungen für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020 (insgesamt 431,26 Euro) zahlte der Beklagte an den Kläger aus.
Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung noch immer in der streitgegenständlichen Wohnung, stand jedoch nicht mehr im SGB II-Leistungsbezug, da er eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte.

Die aus seiner Sicht angemessenen Mietobergrenzen hatte der Landkreis zunächst mit Konzept für die Zeit vom 04.07.2014 bis 30.06.2016 ermittelt und passte diese jeweils ab dem 01.07.2016 und 01.07.2018 nach oben an. Eine Anpassung der Mietobergrenzen des Landkreises zum 01.07.2020 (Beginn des hier streitigen Zeitraums) erfolgte entgegen entsprechenden Ankündigungen des Beklagten nicht.

Für die vom Beklagten auch im vorliegenden Zeitraum ab dem 01.07.2020 bis 31.12.2020 angewendete Fortschreibung des Konzepts für die Zeit ab dem 01.07.2018 (im Folgenden: "Fortschreibung 2018") legte der Beklagte Datensätze zu Mietpreiserhebungen (im Folgenden: Mietwerte) aus dem Zeitraum 01.10.2017 bis 31.03.2018 zugrunde.
Dabei erhob der Landkreis zunächst insgesamt 4.448 "Mietwerte", davon 4.184 Werte zu Bestandsmieten und 264 Werte zu Angebotsmieten.

Zusammenfassend ging der Landkreis in der "Fortschreibung 2018" des Konzeptes zu den von ihm als angemessen angesehenen Mietobergrenzen ab dem 01.07.2018 wie folgt vor:
Von den 4.448 Mietwerten zu Bestandsmieten (davon 2.764 von Transferleistungsempfängern (Wohngeld, SGB XII, SGB II (allein 1.968 Mietwerte) und weitere 1.363 aus dem städtischen und dem Kreis-Wohnungsbau; dagegen 57 "private Bestandsmieten") verwendete der Landkreis (nach "Aussortierung" von ca. einem Viertel der Mietwerte als Doppel oder aufgrund vom Landkreis festgesetzten Ausschlusskriterien, s. dazu im Einzelnen dazu unten) 3.140 Mietwerte, um daraus den Median (50. Perzentile) zu ermitteln und auf diese Höhe - jeweils für den jeweiligen der vier vom Landkreis durch Clusteranalyse bereits 2014 ermittelten "Wohnungsmarkttyp" - eine vorläufige Mietobergrenze zur Nettokaltmiete festzusetzen.
Auf die so ermittelten Werte addierte der Landkreis - mangels Daten zu den kalten Nebenkosten - die Summe aller umlagefähigen Nebenkosten pro qm, die im Betriebskostenspiegel West des Deutschen Mieterbundes ("Daten 2015, Datenerfassung 2016/2017") angeführt gewesen waren. Den sich daraus ergebenden Wert an kalten Nebenkosten (2,05 Euro/qm) schlug der Landkreis auf die von ihm wie oben beschrieben ermittelte vorläufige Nettokaltmietenobergrenze auf (s. im Einzelnen unten).
Die sich aus dieser auf den Median der nach dem "Aussortieren" verbliebenen Bestandsmieten (zum Großteil von Transferleistungsempfängern und im übrigen Teil fast ausschließlich auf Werten aus dem sozialen Wohnungsbau) festgesetzte vorläufige "maximal angemessene Kaltmiete neu" lag für 11 von den insgesamt 16 Haushaltsgrößen in den 4 Wohnungsmarkttypen des Landkreises (zum Teil um ca. 10%) unter den 2 Jahren zuvor vom Landkreis als angemessen festgesetzten Werten.
Die 264 erhobenen Mietwerte zu Angebotsmieten verwendete der Landkreis nun in einem zweiten Schritt, um im Wege einer "Vergleichsberechnung" die zuvor aus den (um "Aussortierte" bereinigten) Bestandsmieten als Mietobergrenze festgesetzten Median zuzüglich den aus dem Betriebskostenspiegel West des Mieterbundes ermittelten kalten Nebenkosten gebildeten vorläufigen Bruttokaltmietenobergrenze daraufhin zu überprüfen, "ob zu diesen neu berechneten Mietpreisen auf dem freien Wohnungsmarkt ausreichend Mietwohnungen zur Verfügung stehen" (s. im Einzelnen dazu unten).
Auch nach den vom Landkreis selbst angelegten Kriterien ergab diese Vergleichsberechnung, dass die zuvor anhand des Medians der von ihm erhobenen Bestandsmieten ermittelte vorläufige Bruttokaltmietenobergrenze zuzüglich den kalten Nebenkosten nach dem Betriebskostenspiegel West des Deutschen Mieterbundes für die Bruttokaltmiete nicht ausreichend sei, damit Wohnungen auf dem freien Mietmarkt in ausreichender Anzahl vorhanden seien. Der Landkreis legte in einem letzten Schritt (im Einzelnen dazu unten) die von ihm als angemessenen Mietobergrenzen für alle insgesamt 16 Haushaltsgrößen in den vier Wohnungsmarkttypen (und auch für die darüber hinausgehenden) höher als 2 Jahre zuvor fest, und auch höher, als sich aus seinen Berechnungen anhand des Medians der Bestandsmieten ergeben hatte (im Einzelnen siehe dazu die Tabelle unten), ohne dass im Konzept oder in der Beschlussvorlage dazu erkennbar wäre, wie diese neuen Summen ermittelt wurden.

Im Einzelnen stellt die "Fortschreibung 2018" des Landkreises zu den Mietobergrenzen folgendes Vorgehen zu der Ermittlung dieser Mietobergrenzen dar: Der Landkreis erhob im genannten Zeitraum Oktober 2017 bis März 2018 4.448 Mietwerte, davon 4.184 Bestandsmieten und 264 Angebotsmieten. Einige Arten von Mietwohnungen wurden dabei zu einem Stichtag erhoben, andere über den Zeitraum verteilt. Diese 4.448 insgesamt erhobenen Mietwerte teilten sich wie folgt auf:

Bestandsmieten (zur Ermittlung des Medians zur Festsetzung der angemessenen Nettokaltmiete (vor Bereinigung durch "Aussortieren" von Doppeln, "Ausreißern" usw.)):
- Bestandsmieten Wohngeld (Stichtag 01.12.2017): 159 Wohnungen
- Bestandsmieten Grundsicherung (Stichtag 01.12.2617): 637 Wohnungen
- Bestandsmieten Jobcenter (Beklagter) (Stichtag 30.11 .2017):1968 Wohnungen
- Stadtbau der Stadt W. (Stichtag 01.10.2017):972 Wohnungen
- Bestandsmieten der Gemeinnützigen Kreis-Wohnungsbaugesellschaft M. (kein Stichtag/Zeitraum genannt):391 Wohnungen
- Private Bestandsmieten (01.10.2017 - 31 03.2018):57 Wohnungen
Angebotsmieten (zur Prüfung, ob am Wohnungsmarkt ausreichend Wohnungen zum Medianwert der bereinigten vom Landkreis erhobenen Bestandsmietenwerte zuzüglich laut Konzept angemessener kalter Betriebskosten zur Verfügung stehen):
- Angebotsmieten der Datenbank des Amtes für Grundsicherung (kein Stichtag/Zeitraum genannt, Quellen seien Tageszeitung, Wochenblatt, DVB-Online, Immobiliensuchportal):241 Wohnungen
- Angebotsmieten Stadtbau W. (kein Stichtag/Zeitraum genannt):23 Wohnungen

Weiter heißt es in der "Fortschreibung 2018", von den 4.184 erhobenen Bestandsmietwerten seien insgesamt 1.044 "aussortiert" worden. Grundsätzlich seien dabei alle mehrfach aufgelisteten Mietdaten sowie alle Mietdaten mit einer Wohnungsgröße von weniger als 30 qm nicht bei den Berechnungen berücksichtigt worden, da dieser Wert als Mindestgröße für einen 1-Personen-Haushalt festgelegt worden sei. Außerdem seien alle Wohnungen aussortiert worden, bei denen die Daten zur Wohnungsgröße und/oder Kaltmiete unvollständig angegeben worden seien. Darüber hinaus habe man "die Ausreißer" eines jeden Wohnungsmarkttyps aussortiert. Das seien diejenigen gewesen, die einen qm-Preis von 3,00 Euro unterschritten oder oberhalb eines Quadratmeterpreises von 9,99 Euro gelegen hätten. Aufgrund welcher statistischer Methoden außerhalb dieser Grenzen liegende Werte als "Ausreißer" ermittelt wurden, ist dem Konzept nicht zu entnehmen. Auch ist dem Konzept nicht zu entnehmen, wieviele Mietwerte als Doppel und wieviele aufgrund welchen Ausschlusskriteriums ausgeschlossen wurden. Ein Hinweis darauf, ob neben den sehr kleinen Wohnungen auch solche mit unterstem Ausstattungsgrad (Kohleöfen, ohne Bad) gestrichen wurden, ist dem Konzept nicht zu entnehmen.
Im vom Kläger bewohnten Gebiet des "Wohnungsmarkttyps 2" (zu den "Wohnungsmarkttypen" s.u.) wurden laut der "Fortschreibung 2018" insgesamt zunächst 583 Mietwerte erhoben, von denen der Landkreis 153 nach den oben angeführten Kriterien aussortierte. Auch für den einzelnen Wohnungsmarkttyp enthält die "Fortschreibung 2018" keine Angaben dazu, wieviele Wohnungswerte jeweils als Doppel und wieviele jeweils aufgrund welcher der vom Landkreis gesetzten Ausschlusskriterien nicht in die Auswertung mit eingingen.

In der "Fortschreibung 2018" wird weiter ausgeführt, die erhobene Zahl der Mietwerte betrage mehr als 10% der Gesamtzahl an Mietwohnungen im Landkreis. Nach den Erhebungen des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung habe die Gesamtzahl der Mietwohnungen in Landkreis am 31.12.2016 bei 47.210 gelegen. Die landesweite Eigenheimquote liege laut einer Webseite der LBS mit Presseinformationen in Bayern bei 48,4%. Lege man diese Werte zugrunde, so erfüllten die "4.448 Mietwerte" den sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Repräsentativität der Erhebung als erforderlich ergebende Anteil von 10% der insgesamt vorhandenen Mietwohnungen.
Wie auch bereits zuvor teilte der Landkreis auch in der "Fortschreibung 2018" den Landkreis in vier "Wohnungsmarkttypen" ein. Er bediente sich dabei der bereits im ursprünglichen Konzept 2014 vorgenommenen Einteilung per Clusteranalyse. Seitdem seien, so die "Fortschreibung 2018", keine "signifikanten Veränderungen" eingetreten. Deshalb behalte man auch in der "Fortschreibung 2018" die 2014 ermittelten vier "Wohnungsmarkttypen" bei.
Wohnungsmarkttyp 1 (bestehend aus 17 Städten, Märkten und Gemeinden) sei gekennzeichnet, so die "Fortschreibung 2018", durch "unter dem Durchschnitt liegende Werte, v.a. bei den Indikatoren Bodenrichtwerte, Pro-Kopf-Einkommen und Einkommensverteilung".
Wohnungsmarkttyp 2 (bestehend aus 12 Städten, Märkten und Gemeinden) sei gekennzeichnet durch "überdurchschnittliche Bodenrichtwerte und Pro-Kopf-Einkommen sowie einen hohen Anteil an Arbeitnehmern, die ein Gesamteinkommen von mindestens 50.000 Euro erzielen." Weiter heißt es, dieses Cluster sei gekennzeichnet durch die Nähe zum Oberzentrum München und die Verkehrsanbindung über die A 94/B12.
Wohnungsmarkttyp 3 bestehe aus der Kreisstadt M.. Die Kreisstadt M. stelle aufgrund "ihrer Stellung als Kreisstadt, ihrer Größe und ihrer örtlichen Gegebenheiten" einen eigenen Wohnungsmarkttyp dar.
Wohnungsmarkttyp 4 bestehe aus der Stadt W. Sie stelle "aufgrund ihrer Größe und ihrer örtlichen Gegebenheiten" einen eigenen Wohnungsmarkttyp dar. Darüber hinaus weise der Wohnungsmarkt der Stadt W. einen hohen Anteil an Mietwohnungen auf, die von der Stadtbau W. GmbH und der Wohnungs- und Stadtgenossenschaft W. vermietet würden.

Bei der Ermittlung der aus seiner Sicht angemessenen Mietobergrenzen legte der Landkreis als Wohnungsgrößen dabei laut der "Fortschreibung 2018" für einen Ein-Personenhaushalt eine qm-Zahl von "bis zu 50 qm", für zwei Personen "bis zu 65 qm" etc. zugrunde. Dies entspreche den Werten nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG). Demnach würden für einen 1-Personen-Haushalt höchstens 50 qm, für einen 2-Personen-Haushalt höchstens 65 qm, für einen 3-Personen-Haushalt höchstens 75 qm, für einen 4-Personen-Haushalt höchstens 90 qm und für jedes weitere Haushaltsmitglied höchstens 15 qm als angemessen anerkannt.

Die "Fortschreibung 2018" des Landkreises zu den Mietobergrenzen führt zur Ermittlung der neuen Mietobergrenzen sodann aus, die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft seien nach der sog. Produkttheorie festzulegen. Das bedeute, dass die Angemessenheit einer Wohnung über die Gesamtkosten zu definieren sei. Die Gesamtkosten würden aus dem Produkt aus der angemessenen Wohnfläche und der angemessenen Quadratmetermiete gebildet. Die angemessene Quadratmetermiete errechne sich aus der Summe von Netto-Kaltmiete und kalten Betriebskosten. Sofern sich eine Mietwohnung innerhalb des angemessenen Rahmens der Gesamtkosten befinde, sei es unbeachtlich, wenn einer der beiden Faktoren einen über der jeweiligen Angemessenheitsgrenze liegenden Wert aufweise.

Zur Berechnung der angemessenen Kaltmiete, so heißt es weiter in der "Fortschreibung 2018", seien die oben genannten Bestandsmieten für die vier Wohnungsmarkttypen verwendet worden. Insgesamt seien "3.073 verwertbare Mietwerte" (von den 4.184 erhobenen Bestandsmieten vor "Aussortierung") in die Berechnung eingegangen. Davon seien auf die 1. Zone 317 Mietdaten, auf die 2. Zone 422, auf die 3. Zone (Stadt M.) 744 Mietdaten und auf die 4. Zone (Stadt W.) 1590 Mietdaten entfallen. Diese Daten seien anschließend je nach Wohnungsgröße auf die einzelnen Haushalte aufgeteilt worden. Von den Mietwerten jeder Haushaltsgröße der vier Wohnungsmarkttypen sei das 50 %-Perzentil (Median) ermittelt worden. Diese Median-Werte aus den (vom Landkreis um Doppel und nach den weiteren von ihm angelegten Ausschlusskriterien um "Aussortierte" bereinigten, s.o.) Bestandsmietwerten (zum überwiegenden Teil von Transferleistungsbeziehern und im übrigen Anteil fast ausschließlich aus dem sozialen Wohnungsbau) stellten zugleich die jeweiligen Nettokalt-Mietobergrenzen im jeweiligen "Wohnungsmarkttyp" dar.

Zu den kalten Nebenkosten, so heißt es weiter in der "Fortschreibung 2018" des Landkreises, fehle es an Daten im Landkreis. Als maximal angemessene kalte Betriebskosten sei daher die Summe aller umlagefähigen Nebenkosten verwendet worden, die im aktuellen Betriebskostenspiegel (West) des Deutschen Mieterbundes e.V. in Kooperation mit der mindUp GmbH ("Daten 2015, Datenerfassung 2016/2017") dargestellt seien. lm gesamten Landkreisgebiet würden somit ab 01.07.2018 als kalte Betriebskosten anerkannt:
- Grundsteuer 0,19 €/qm
- Wasser/Abwasser 0,33 €/qm
- Aufzug 0,16 €/qm
- Straßenreinigung 0,03 €/qm
- Müllbeseitigung 0,19 €/qm
- Gebäudereinigung 0,17 €/qm
- Gartenpflege 0,11 €/qm
- Allgemeiner Strom 0,05 €/qm
- Schornsteinreinigung 0,04 €/qm
- Versicherung 0,18 €/qm
- Hauswart 0,30 €/qm
- Hauswart 0,13 €/qm (Kosten für Gebäudereinigung bzw. Gartenpflege
oder Winterdienst)
- Antenne/Kabel 0,13 €/qm
- Sonstige 0,04 €/qm
gesamt 2,05 €/qm als maximal angemessene kalte Nebenkosten.

Die "Fortschreibung" 2018 des Landkreises führt dann weiter aus, die so anhand der erhobenen und nach dem oben dargestellten Procedere anhand des Medians der 3.073 einbezogenen Bestandsmieten (zum überwiegenden Teil von Transferleistungsempfängern und im übrigen Teil fast ausschließlich aus dem sozialen Wohnungsbau) ermittelten Bruttokaltmietenobergrenzen seien im Wege einer Vergleichsberechnung mit den 264 erhobenen Angebotsmietwerten abgeglichen worden. So habe ermittelt werden sollen, ob zu den neuen berechneten Mietpreisen auf dem freien Wohnungsmarkt ausreichend Mietwohnungen zur Verfügung stünden.
Diese Vergleichsberechnung führte der Landkreis laut der "Fortschreibung 2018" wie folgt durch: Man habe die "Bestandsmieten im Rahmen der Bearbeitung des SGB ll und SGB XII, die den o.g. Betrag übersteigen, und die uns vorliegenden Angebotsmieten gegenübergestellt." Dann heißt es weiter: "Die Berichtigung des Verhältnisses angemessenen Wohnraums und wohnungssuchender Leistungsbezieher erfolgt nach folgenden Festlegungen: Es sind ausreichend freie, angemessene Wohnungen verfügbar, wenn die Summe der über der Mietobergrenze liegenden Wohnungen von Leistungsbeziehern das 2,5-fache der verfügbaren Angebotsmieten beträgt. Begründung: Es wird davon ausgegangen, dass ca. 33 % der Leistungsbezieher aus persönlichen bzw. gesundheitlichen Gründen nicht umziehen müssen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass lediglich rund 60 % aller Vermieter ihre Mieter mit Hilfe von Inseraten suchen/finden, der Rest wird ‚unter der Hand vergeben' (Dr. von Malottki/Berner: "Grundsicherungsrelevante Mietspiegel unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit, Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, Ausgabe August 2010; vgl. Schlüssiges Konzept KdU, Landkreis Esslingen). Dadurch wäre es ausreichend, wenn für 40 % aller wohnungssuchenden Leistungsbezieher eine freie Mietwohnung auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen würde. Es wird von einem Verhältnis von 1 angemessenen freien Mietwohnung : 2,5 suchenden Leistungsbeziehern ausgegangen. Durch die Vergleichsberechnung wird die Anhebung der angemessenen Bruttokaltmiete erforderlich und es entstehen dadurch die unter Punkt 2.5 dargestellten maximal angemessenen Kosten der Unterkunft."
Ausführungen dazu, wie die Vergleichsberechnung aussieht, was deren Ergebnisse sind, und wie "dadurch" die im folgenden angeführten vom Landkreis festgesetzten neuen, von ihm als angemessen angesetzten Mietobergrenzen "entstehen", enthält das Konzept nicht. Es heißt in der "Fortschreibung 2018" des Landkreises lediglich unmittelbar im Anschluss unter der Überschrift "2.5 Ergebnis": "Die endgültig festgesetzten Werte lauten somit wie folgt:".

Insgesamt ergeben sich aus der "Fortschreibung 2018" zum Konzept der Mietobergrenzen des Landkreises für die Zeit bis zum 30.06.2018 (alt) und ab dem 01.07.2018 (neu) jeweils folgende Werte (Legende s. unterhalb der Tabelle):

Pers.

max. qm

NKM (Euro)

KBK (Euro) max.

 

BKM (Euro) max. 

pro qm

max

alt

neu

alt

neu

alt

neu

alt

neu

MBM

endg.

MBM

endg.

MBM

endg.

Wohnungsmarkttyp 1

1

50

6,02

5,43

8,00

301,10

271,50

400,00

 91,00

102,50

392,10

374,00

502,50

2

65

5,79

5,25

7,38

376,30

341,25

480,00

118,30

133,25

494,60

474,50

613,75

3

75

5,27

4,95

6,67

395,00

371,25

500,00

136,50

153,75

531,50

525,00

653,75

4

90

5,14

4,88

6,67

463,00

439,20

600,00

163,80

184,50

626,80

623,70

784,50

ab 5

+ 15

 

4,88

5,69

 

 

 

  1,82

  2,05

 

 

 

Wohnungsmarkttyp 2

1

50

6,70

6,20

8,00

335,00

310,00

400,00

 91,00

102,50

426,00

412,50

502,50

2

65

5,89

5,47

7,23

383,00

355,55

470,00

118,30

133,25

501,30

488,80

603,25

3

75

5,62

5,34

6,69

421,50

400,50

501,75

136,50

153,75

558,00

554,25

655,50

4

90

5,23

5,34

6,69

470,70

480,60

602,10

163,80

184,50

634,50

665,10

786,60

ab 5

+ 15

 

5,34

6,69

 

 

 

  1,82

  2,05

 

 

 

Wohnungsmarkttyp 3

1

50

6,10

5,93

8.01

305,00

296,50

400,57

 91,00

102,50

396,00

399,00

503,07

2

65

5,36

5,50

7,23

349,00

357,50

470,00

118,30

133,25

467,30

490,75

603,25

3

75

5,14

5,50

6,67

385,30

412,50

500,06

136,50

153,75

521,80

566,25

653,81

4

90

5,14

5,23

6,32

462,40

470,70

569,00

163,80

184,50

625,20

655,20

753,50

ab 5

+ 15

 

4,87

6,32

 

 

 

  1,82

  2,05

 

 

 

Wohnungsmarkttyp 4

1

50

6,00

5,10

7,15

300,00

255,00

357,50

 91,00

102,50

391,00

357,50

460,00

2

65

5,27

4,60

7,15

343,00

299,00

464,75

118,30

133,25

461,30

432,25

598,00

3

75

4,88

4,53

7,15

365,65

339,75

535,92

136,50

153,75

502,15

493,50

689,67

4

90

4,50

4,53

6,56

405,00

407,70

590,00

163,80

184,50

568,80

592,20

774,50

ab 5

+ 15

 

4,50

6,14

 

 

 

  1,82

  2,05

 

 

 

 


     
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

       

NKM:         Nettokaltmiete
KBK:         Kalte Betriebskosten
BKM:         Bruttokaltmiete
MBM:         Berechnung des Landkreises nach Median Bestandsmietenerhebung (Daten Okt. 2017 bis März
   2018, im Einzelnen s.o.) = vorläufige neue Mietobergrenzen
endg: vom Landkreis festgesetzte Obergrenze, nachdem Vergleichsberechnung mit Angebotsmieten nach Kriterien des Landkreises ergab, dass bei Zugrundelegung MBM kein ausreichendes Wohnungsangebot = endgültige neue Mietobergrenzen
alt:             bis 30.06.2018
neu:             ab 01.07.2018
Pers. ab 5: jeweils 15 qm mehr pro Kopf und entsprechend anteilig steigende Mietobergrenzen

Die Werte für "NKM pro qm alt", "BKM alt" und "BKM neu MBM" sind jeweils vom Gericht aus den in der "Fortschreibung 2018" angegebenen Werten (durch Addition/Subtraktion bzw. Dreisatz für die qm-Werte) errechnet

_______________________
Der Kläger hatte im Parallelverfahren S 8 AS 227/20 am 22.06.2020 vorgelegt:
-  3 Wohnungsangebote von Immoscout24 als Ergebnis einer Abfrage vom 21.06.2020 im Umkreis von 20 km um H. in Oberbayern mit Suchkriterium "bis 500 Euro":
o 1 Zimmer, 360 Euro kalt, 18 qm, möbliert
o 1 Zimmer, 490 Euro kalt, 35 qm, mit Balkon
o 1 Zimmer, 470 Euro kalt, 37,7 qm, mit Terrasse und Garten
-  eine Wohnungssuche im Portal "meinestadt.de", die unter den Suchkriterien bis 50 qm im Umkreis von 20 km um K. bei H. in Oberbayern bis 335 Euro kalt "keine Ergebnisse" brachte,
-  eine online-Kontaktaufnahme des Klägers zu einem Vermieter zu einer 2,5-Zimmer-Wohnung in S. mit 49 qm mit einer Kaltmiete von 300 Euro, die folgendermaßen lautete: "Hallo Herr S., ich interessiere mich für die Wohnung, bin aber derzeit im ALG 2-Bezug. Was meinen Sie?",
-  eine Online-Rückmeldung einer Vermieterin zu einer Wohnung; die Wohnung sei bereits vergeben,  
- eine Abfrage vom 21.06.2020 bei "meinestadt.de" zu H. in Oberbayern, die als Durchschnittsmiete 8,90 Euro pro qm angab.

Bereits dem im Parallelverfahren S 8 AS 227/20 streitigen Widerspruchsbescheid vom 08.01.2020 angehängt hatte der Beklagte folgendes Wohnungsangebot vom 07.01.2020:
- 2-Zimmer-Wohnung, 55 qm, 390 Euro Kaltmiete zuzüglich 70 Euro Nebenkostenvorauszahlung, nicht bezifferte Heizkosten zusätzlich zu zahlen, in N. (Wohnungsmarkttyp 1).

Mit Schreiben vom 15.04.2020 hatte der Beklagte im Parallelverfahren S 8 AS 227/20 für den 15.04.2020 folgende zwei Wohnungsangebote vorgelegt:
- O. (Wohnungsmarkttyp 2), 1 Zimmer, 26,7 qm, 400 Euro kalt, zuzüglich 80 Euro Nebenkostenvorauszahlung, Heizkosten keine Angabe,
-  Stadt W. (Wohnungsmarkttyp 3), 1 Zimmer, 35 qm, 415 Euro kalt, zuzüglich 80 Euro Nebenkosten- inklusive Heizkostenvorauszahlung, zuzüglich 15 Euro Garagenmiete.

Bereits am 03.08.2020 hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 17.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Der Kläger richte sich mit seiner Klage allein gegen die Höhe der ihm bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Juli bis Dezember 2020. Der Vermieter lehne es ab, eine günstigere Miete zu nehmen. Der örtliche Wohnungsmarkt sei extrem angespannt. Eine günstigere Wohnung sei derzeit nicht vorhanden. Der Kläger habe sich intensiv bemüht, eine günstigere Ersatzwohnung zu finden. Das sei aber nicht gelungen. Geeignete Wohnungsangebote seien - entgegen der Vorstellung des Beklagten - nicht vorhanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine freie Arbeitsstelle im örtlichen Umfeld von München zu finden sei, mache einen Umzug wirtschaftlich sinnfrei. Es sei nach Abschluss der geförderten Maßnahmen damit zu rechnen, dass der Kläger alsbald eine Arbeitsstelle antreten könne, die "kostendeckende" Einkünfte bringe. Eine kleinere Wohnung als Ersatz- oder Alternativwohnung sei nicht zu finden gewesen; eine Untervermietung sei aufgrund der Einteilung der Wohnung nicht möglich. Der Kläger suche anhaltend nach einer Ersatzwohnung, die preislich und der Größe nach den Vorgaben des Jobcenters entspreche. Er habe am 05.06.2020 einen Suchauftrag beim Portal "meine Stadt.de" angemeldet. Der Suchauftrag sei "mit den vom Jobcenter vorgegebenen Eckdaten (maximal 330,00 Euro und maximal 50 qm im Umkreis von 20 km vom bisherigen Wohnort)" aufgegeben worden. Das Portal "meine Stadt.de" durchsuche selbstständig Plattformen wie z.B. Immowelt usw. und so weiter. In der Zeit vom 05.06.2020 bis zum 23.10.2020 seien genau acht Inserate gefunden worden, wovon zwei doppelt erschienen seien. Die erste Wohnung (Inserate vom 09.09.2020 und 27.08.2020) sei nur an Wochenendheimfahrer/Referendare zu vermieten gewesen, die zweite (Inserat vom 01.09.2020) sei bereits vermietet gewesen, als der Kläger sich beworben habe, die dritte (Inserat vom 27.08.2020) sei tatsächlich ein Appartement mit 38 qm zu 300,00 Euro netto mit Balkon gewesen, die vierte (Inserat vom 12.08.2020) ein 1-Zimmer-Appartement mit 30 qm im Dachgeschoss, die fünfte ein 1-Zimmer-Appartement mit nur 27 qm, die sechste sei wiederum nur an Wochenendheimfahrer/Lehrkräfte zu vermieten gewesen und die siebente sei ein 30 qm-Appartement mit Schlafgelegenheit gewesen.
Im Parallelverfahren S 8 AS 227/20 (zu dem unmittelbar vor dem vorliegend streitigen Zeitraum ab Juli 2020 liegenden Dreimonatszeitraum, also für die Zeit von April bis Juni 2020), hatte die klägerische Seite zudem hinsichtlich des vom Beklagten angewendeten Konzept des Landkreises zur Festlegung von Mietobergrenzen vorgetragen: Der vom Beklagten vorgegebene Quadratmeterpreis in Höhe von "6,70 Euro" sei in der Region nicht realisierbar. Am aktuellen Wohnort des Klägers, H. in Oberbayern, sei durchschnittlich ein Quadratmeterpreis von 8,90 Euro ausgewiesen. Dieser liege somit 2,20 Euro über den Vorgaben der Beklagten. Die Vorgaben des Beklagten entsprächen nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten. Aktuell seien Angebote zwischen 12,70 Euro und 20,00 Euro pro qm auf den Markt. Der Kläger habe bei der Wohnungssuche den ALG II-Bezug offengelegt, weil er gegenüber potentiellen Vermietern mit offenen Karten spielen wolle, zumal die Vermieter ja in aller Regel eine Schufa-Auskunft fordern würden, der Kläger sich aber in der Privatinsolvenz befinde. Das "selbst entworfene" Konzept des Landkreises zur Festsetzung der Mietobergrenzen sei weder schlüssig, noch nach allgemeinen statistischen Grundlagen erstellt worden. Die meisten Daten für das Konzept in der vorgelegten Fassung würden zudem aus dem Jahr 2017 stammen. Seitdem habe sich das Preisniveau erheblich verändert. "Selbst entworfene" Konzepte, die "nicht den Grundlagen einer wissenschaftlichen Erhebung" entsprächen, würden nicht genügen, um "den Anspruch des Klägers in der aktuellen Situation" abzuweisen. Der aktuelle Mietmarkt weiche aufgrund der Marktentwicklungen der vorausgegangenen drei Jahre weit vom Konzept des Landkreises ab.
Im Übrigen verweist die klägerische Seite auf die Widerspruchsbegründung.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter insoweitiger Aufhebung des abschließenden Bewilligungsbescheides vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2020 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2020 SGB II-Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

        die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Zudem habe der Kläger keine hinreichenden konkreten und ernsthaften Bemühungen um Wohnungen nachweisen können, welche erfolglos verlaufen seien. Soweit der Kläger bemängelt, dass die dem Widerspruchsbescheid vom 17.05.2020 beigefügten beiden Wohnungsangebote ungeeignet gewesen seien, könne der Beklagte dem nur hinsichtlich der einen Wohnung beipflichten. Alleine der Umstand, dass mit dem lnserat vorrangig Wochenendpendler angesprochen worden seien, schließe zwar nicht aus, dass ein Bewerber, welcher auch an Wochenenden anwesend ist, zum Zuge gekommen wäre. Dem Beklagten sei es aber entgangen, dass für Bewerber eine SCHUFA-Auskunft angefordert wird. Die weitere Wohnung habe solchen Einschränkungen jedoch nicht unterlegen und wäre für den Kläger damit geeignet gewesen. Der Hinweis des Klägers auf die Wahrscheinlichkeit, im örtlichen Umfeld von München eine freie Arbeitsstelle zu finden, was einen Umzug wirtschaftlich sinnfrei mache, vermöge der Beklagte nicht nachzuvollziehen. Zwar sei die Kreisstadt M. von M. deutlich weiter entfernt als der jetzige Wohnort des Klägers. Der Beklagte weise aber - erneut - darauf hin, dass die beiden Wohnungsangebote, welche dem Widerspruchsbescheid beigefügt worden seien, nur beispielhaft seien, weil sie nur einem Medium (Internet) entnommen worden seien und es auch andere Recherchemöglichkeiten (z. B. Zeitungsannoncen) gebe. Die beiden Angebote stellten also nur eine unvollständige Momentaufnahme vom 01.07.2020 dar. Im Parallelverfahren S 8 AS 227/20 hatte der Beklagte zudem vorgetragen, die Wohnung des Klägers sei zudem ohnehin 10 qm zu groß. Es habe auch schon am 07.01.2020 und am 15.04.2020 mehrere Wohnungsangebote innerhalb der Angemessenheitsgrenzen des Landkreises gegeben. Der Kläger hätte nicht in seinen Wohnungsbewerbungen darauf hinweisen sollen, dass er im SGB II-Leistungsbezug stehe. Denn das könne vom Vermieter so verstanden werden, dass der Kläger gar kein Interesse an den Wohnungen gehabt habe. Der Kläger habe nicht dargelegt, wie er den im Mietabsenkungsschreiben angesetzten Sechsmonatszeitraum bis zur Absenkung genutzt habe, um die Kosten der Unterkunft zu nutzen. Es seien keine Beweise dafür vorgelegt worden, dass keine kostenangemessene Wohnung vorhanden sei. Die Rückfallposition bei einer Unschlüssigkeit des Konzeptes seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zudem ohnehin die Werte nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Zuschlags von 10 %. Die Werte im Mietobergrenzenkonzept des Landkreises würden jedenfalls oberhalb der Werte in der Tabelle zu § 12 WoGG zuzüglich 10% liegen, sodass es auf eine Schlüssigkeit des Konzepts letztlich nicht ankomme.
 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren S 8 AS 227/20 und S 8 AS 1995/20 sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Gegenstand der Klage, Zulässigkeit
Den Gegenstand der Klage hat der Kläger hier zulässigerweise auf die Kosten für Unterkunft und Heizung mit Zeitraum Juli bis Dezember 2020 beschränkt. Im Rahmen der Bewilligung von SGB-II-Leistungen handelt es sich bei der Gewährung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung um eine abtrennbare Verfügung, die isoliert anfechtbar ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 07. 11.2006 - B 7b AS 8/06).

Gegenstand der vorliegend statthaften und auch im Übrigen zulässigen, form- und fristgerecht erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage ist somit die Höhe der dem Kläger vom Beklagten zu gewährenden SGB II-Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020. Der im vorliegenden Verfahren S 8 AS 1311/20 zunächst streitgegenständliche, vorläufige Bescheid vom 17.05.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.08.2020, 21.09.2020 und 04.11.2020 (nach § 96 SGG Klagegegenstand geworden) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 wurde als Klagegegenstand durch die endgültige Festsetzung für den hier streitigen Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 im Bescheid vom 20.04.2021 ersetzt, so dass im Zeitpunkt des vorliegenden Urteils allein die endgültige Festsetzung vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 hinsichtlich der Höhe der dem Kläger für Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 zu gewährenden Leistungen ist.

2. Begründetheit
Die Klage ist auch begründet, denn der Bescheid zur endgültigen Festsetzung vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 ist hinsichtlich der hier streitigen Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung in den Monaten Juli bis Dezember 2020 rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Gewährung der vollen tatsächlich in diesem Zeitraum angefallenen Kosten der Unterkunft und Heizung.

2.1. Rechtswidrigkeit der endgültigen Festsetzung vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 für Juli bis Dezember 2020
Der Kläger, der erwerbsfähig war, das 15. Lebensjahr vollendet hatte und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte und nicht vom SGB II-Bezug ausgeschlossen war und im hier streitgegenständlichen Zeitraum Juli bis Dezember 2020 über kein bedarfsdeckendes Einkommen (§ 11 SGB) und über kein die Vermögensgrenzen des § 12 SGB II übersteigendes Vermögen verfügte und damit hilfebedürftig war, war grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigt, § 7 Abs. 1 SGB II.

Die Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers waren jedoch für den hier streitigen Zeitraum in tatsächlich angefallener Höhe anzusetzen und nicht - wie vom Beklagten angesetzt - abgesenkt auf die nach dem vom Beklagten angewendeten Mietobergrenzen-Konzept des Landkreises von diesem als angemessen angesehene Bruttokaltmiete (zuzüglich tatsächlicher Heizkosten), so dass dem Kläger für Kosten der Unterkunft und Heizung um je 62,50 Euro höhere SGB II-Leistungen monatlich in den hier streitgegenständlichen Monaten zu gewähren sind (insgesamt 375,00 Euro).

Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist somit von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen. Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 11/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 109 RdNr. 15, BSG vom 05.08.2021, Az. B 4 AS 82/20 R, juris-Rz. 17).

Der Kläger hat vorliegend eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung (vgl. hierzu BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70 RdNr. 41 ff) erhalten, so dass es allein darauf ankommt, ob der angemessene Umfang der abgesenkten Bedarfe für die Unterkunft richtig ermittelt worden ist.
Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 19 mwN; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 23; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 17).

2.1.1. abstrakte Angemessenheit der Bruttokaltmiete - fehlende Schlüssigkeit des Konzepts zu den Mietobergrenzen
Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen durch den Beklagten hat dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren (sogenanntes "schlüssiges Konzept") zu erfolgen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (ständige Rechtsprechung; zusammenfassend BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 20 mwN; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 23, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 18). Für einen angemessenen Wohnungsstandard muss die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 25 mwN¸ BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 18).
Das vom Beklagten vorliegend angewendete Konzept des Landkreises zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Mietobergrenzen ist aus mehreren Gründen nicht schlüssig:
-  die abstrakt angemessene Wohnungsgröße ist nicht korrekt, sondern zu niedrig angesetzt (s.u. 2.1.1.1.),
- es wurden hinsichtlich des Wohnungsstandards der in die Datenbasis zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete einbezogenen Bestandswohnungs-Daten keine Kriterien zum Ausschluss des untersten Ausstattungsgrades (Kohleöfen, ohne Bad) festgesetzt (s.u. 2.1.1.2.),
-  zumindest 2 der 4 Vergleichsräume, in die der Landkreis unterteilt wurde, wurden im Wege einer nach Sozialstruktur segregierenden unzulässigen Wohnungsmarkttyp-Clusteranalyse ermittelt, und die Wohnung des Klägers liegt in einem dieser beiden unzulässig ermittelten Vergleichsräume (s.u. 2.1.1.3.),
-  schon die abstrakt angemessene Nettokaltmiete pro qm (als erster Schritt zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete) wurde nicht zulässig ermittelt, da die hier angewendete Methodik eines zweistufigen Verfahrens mit der Ermittlung eines vorläufigen Erst-Angemessenheits-Wertes aus Bestandsmieten in einem ersten Schritt und dem Abgleich mit dem Angebotsmarkt zwar grundsätzlich zulässig ist, vorliegend aber (s. dazu im Einzelnen unten, 2.1.1.4.):
o dem Konzept nicht abschließend zu entnehmen ist, welche Kriterien insgesamt zum "Aussortieren" von erhobenen Werten der Bestands- und der Angebotsmieten aus den erhobenen Rohmietwerten angewendet wurden,
o dem Konzept nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher statistischen Kriterien "Ausreißer" bei den Mietwerten der Bestands- und der Angebotsmieten auf unter 3,00 Euro und über 9,99 Euro pro qm festgelegt wurden,
o die Bestandsmieten zum überwiegenden Teil von Transferleistungsempfängern und im verbleibenden Teil fast ausschließlich aus dem sozialen Wohnungsbau in die Datenbasis eingingen, so dass es an der Einbeziehung einer relevanten Zahl von Mietwerten von Geringverdienern außerhalb des Transferleistungsbezugs und außerhalb des sozialen Wohnungsbaus fehlt,
o bei den erhobenen Angebotsmieten unklar ist, wieviele Doppelungen zwischen den eingeflossenen Mietwerten aus der verwendeten Datenbank und dem sozialen Wohnungsbau vorliegen,
o bei den Angebotsmieten Angaben zu möglichen differierenden Miethöhen der unterschiedlichen Vermietergruppen fehlen, und
o nicht erkennbar ist, wie letztlich die dann in das Konzept aufgenommenen endgültigen Bruttokalt-Mietobergrenzen festgelegt wurden, nachdem der Abgleich mit den Angebotsmieten ergab, dass Angebotswohnungen nicht in ausreichendem Maße zum aus den Bestandsmieten ermittelten vorläufigen Erstwert der abstrakten Angemessenheitsgrenze pro qm zur Verfügung stehen,
-  zudem wurde das bereits seit dem 01.01.2018 geltende Konzept nicht nach Ablauf von 2 Jahren Geltungsdauer zum 01.07.2020 (Beginn des hier streitigen Zeitraums) anhand neuerer Daten oder nach dem allgemeinen Preisindex angepasst (s.u. 2.1.1.5.).
 
2.1.1.1. abstrakt angemessene Wohnungsgröße
Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Hierbei ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (vgl. BSG vom 07.06.2006 - Az. B 7b AS 18/06). Für eine Person scheint der Landkreis demnach die Wohnungsgröße zunächst richtig mit 50 qm definiert zu haben.
Die Festlegung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße im Konzept des Landkreises ist nach Auffassung der Kammer jedoch dennoch nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vereinbar. Denn für einen Ein-Personen-Haushalt ist im Konzept eine qm-Zahl von "bis zu 50 qm", für zwei Personen "bis zu 65 qm" etc. angesetzt, es wurden also für eine Person eine qm-Größe von 30 bis 50 qm (Wohnungen unter 30 qm waren aus den erhobenen Mietwerten aussortiert worden), für zwei Personen eine qm-Größe von 51 bis 65 qm usw. zugrunde gelegt. Die Werte von 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt, 65 qm für einen 2-Personen-Haushalt usw. entsprechen auch den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässig zugrunde zu legenden Wohnungsgrößen der maßgeblichen Landesvorschriften zu den maßgeblichen Wohnungsgrößen für den sozialen Wohnungsbau (hier: Bay. Wohnraumförderungsbestimmungen ab 2012 vom 11.01.12, AllMBl 2012, S. 20). Wenn aber nach den maßgeblichen Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau für eine Person 50 qm angemessen sind, dann ist die gewählte Wohnungsgrößenklasse von 31 bis 50 qm zu niedrig angesetzt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erscheint es dagegen angemessen, beispielsweise für eine Person Wohnungen von 40 bis 60 qm zu prüfen, wenn die angemessene Wohnungsgröße 50 qm ist (vgl. BSG vom 13.04.2011 - Az. B 14 AS 85/09). Insgesamt sind die gewählten Wohnungen im Konzept des Landkreises daher jeweils zu klein für die Personenanzahl, auch für den hier relevanten Ein-Personen-Haushalt.
Das vom Beklagten angewendete Konzept des Landkreises zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Mietobergrenzen setzt daher schon die jeweilige Wohnungsgröße der in die für die jeweilige Haushaltsgröße einzubeziehenden erhobenen Mietdaten nicht zulässig, sondern zu klein fest.  
2.1.1.2. Festlegung des Wohnungsstandards
Das Konzept des Landkreises zur Bestimmung der Mietobergrenzen enthält zudem keine Kriterien dazu, wie eine Einbeziehung des einfachsten Wohnungsstandards bei der Erhebung vermieden wurde. Nach der Rechtsprechung dürfen SGB II-Bezieher auf Wohnungen mit unterstem Ausstattungsgrad (Kohleöfen, ohne Bad) bei der Wohnungssuche grundsätzlich von vornherein nicht verwiesen werden (vgl. u.a. BSG vom 19.10.2010 - Az. B 14 AS 65/09 - und vom 18.11.2014 - Az. B 4 AS 9/14).
Zwar weist das vorliegend vom Beklagten angewendete Mietobergrenzen-Konzept des Landkreises darauf hin, dass ein einfacher Wohnungsstandard angemessen sei. Kriterien dafür, wie Wohnungen mit unterstem Ausstattungsgrad ausgeschlossen wurden, sind jedoch nicht enthalten. Auch insofern erfüllt das Konzept des Landkreises zur Bestimmung der Mietobergrenzen nicht die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts festgelegten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept.
2.1.1.3. Vergleichsraumbestimmung
Zudem hat der Landkreis im vom Beklagten angewendeten Konzept zur Bestimmung der aus seiner Sicht abstrakt angemessenen Mietobergrenzen keine zulässige Vergleichsraumbestimmung vorgenommen.
Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln und innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist, sowie ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 22 mwN, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 20). Der Vergleichsraum ist ein - ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter - ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 22 mwN).
Das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters bildet grundsätzlich einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können (BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 23; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 22). Dies ergibt sich aus der in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II enthaltenen Wertung, wonach die Kreise und kreisfreien Städte ihr Gebiet in mehrere Vergleichsräume unterteilen können, für die sie jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmen. Zwar hat der Gesetzgeber in den §§ 22a bis 22c SGB II keine Vorgaben für die Erstellung schlüssiger Konzepte gemacht, sondern lediglich für die Erstellung der dort geregelten Satzungen. Die dortigen Vorgaben können allerdings orientierende Wirkung auch für die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dahingehend haben, dass Kriterien, die der Gesetzgeber für die Erstellung von Satzungen legitimiert hat, auch legitime Kriterien für die Erstellung schlüssiger Konzepte sind (BSG vom 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 33; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 22).
Soweit das BSG es bei Großstädten für möglich erachtet hat, dass ein gesamtes Stadtgebiet einen Vergleichsraum bildet (für München BSG vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19, RdNr. 21 f; für Berlin BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 RdNr. 24), ist dies auf (kleinere) Städte in Flächenlandkreisen nicht ohne Weiteres übertragbar (vgl. BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - juris RdNr 17). Für die Rechtsprechung zu kleineren, aber kreisfreien Städten mit ca. 35 000 Einwohnern (BSG vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 26 RdNr. 15 für Zweibrücken) gilt das Gleiche. Eine kleinteiligere Unterteilung eines Landkreises darf nicht die angeführten Entscheidungen zu (Groß-)Städten in ihr Gegenteil verkehren, weil aus eher großen eher kleinteilige Vergleichsräume werden, und erfordert eine eingehende Würdigung verschiedener Faktoren, die dem Jobcenter aufgrund der Methodenvielfalt vorbehalten ist (vgl. BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 33; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 24).

Dabei ist jedoch eine Vergleichsraumbildung über eine Clusteranalyse, die die erhobenen Mietdaten nach Ähnlichkeit der Miethöhe zu Wohnungsmarkttypen zusammenfasst, die dann als Vergleichsräume definiert werden, nicht zulässig, da dadurch die Gefahr der Zementierung einer sozialen Segregation steigt (BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R, 24/18 R, 41/18 R, jeweils juris-Rz. 36).

Genau eine solche unzulässige, soziale Segregation verstärkende Vergleichsraumbildung allein nach sozial-wirtschaftlichen Kriterien der Miethöhe, Bodenrichtwerten, Pro-Kopf-Einkommen und Einkommensverteilung hat der Landkreis jedoch für die von ihm auch ausdrücklich als "Wohnungsmarkttypen" bezeichneten Vergleichsräume 1 und 2 in seinem Konzept vorgenommen, wenn es darin heißt:
-  Wohnungsmarkttyp 1 (bestehend aus 17 Städten, Märkten und Gemeinden) sei gekennzeichnet durch "unter dem Durchschnitt liegende Werte, v.a. bei den Indikatoren Bodenrichtwerte, Pro-Kopf-Einkommen und Einkommensverteilung", und
- Wohnungsmarkttyp 2 (bestehend aus 12 Städten, Märkten und Gemeinden) sei gekennzeichnet durch "überdurchschnittliche Bodenrichtwerte und Pro-Kopf-Einkommen sowie einen hohen Anteil an Arbeitnehmern, die ein Gesamteinkommen von mindestens 50.000 Euro erzielen."
Weiter heißt es zwar auch, das Cluster 2 sei zusätzlich gekennzeichnet durch die Nähe zum Oberzentrum M. und die Verkehrsanbindung über die A 94/B12. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die beiden Vergleichsräume 1 und 2 zunächst allein nach den oben genannten sozio-ökonomischen Kriterien gebildet wurden.

Der Kläger wohnte im Vergleichsraum 2. Dass der Landkreis die weiteren "Zonen" 3 und 4 auch nach anderen Kriterien (Kreisstadt M. und Stadt W.) bestimmte, ist daher vorliegend unerheblich.

Zumindest die Bestimmung des "Wohnungsmarkttyps 1" und des für den Kläger einschlägigen "Wohnungsmarkttyps 2" erfolgte jedenfalls auf unzulässige Art allein nach Wohnungsmarkttypen und Einkommenskriterien.

Das Gericht darf eine eigene Vergleichsraumbildung nicht vornehmen (BSG vom 30.01.2019 - B 14 AS 10/18 R, Rz. 33; BSG vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 23).

Auch in Bezug auf die Bestimmung der Vergleichsräume ist der Landkreis im vom Beklagten angewendeten Konzept somit nicht in zulässiger Weise vorgegangen.
2.1.1.4. keine schlüssige Ermittlung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete
Der Landkreis hat darüber hinaus in dem vom Beklagten angewendeten Konzept die aus seiner Sicht angemessenen Grenzen für die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm in den von ihm (zudem zumindest hinsichtlich der Zonen 1 und 2 nach unzulässigen Kriterien, s.o. 2.1.1.3.) festgelegten Vergleichsräumen nicht schlüssig ermittelt.
Denn vorliegend hat das Konzept bereits die Nettokaltmiete nicht schlüssig ermittelt.

Darauf, ob die kalten Nebenkosten (zur Ermittlung der Bruttokaltmiete in Addition zur angemessenen Nettokaltmiete) vom Landkreis im vom Beklagten genutzten Konzept zur Bestimmung der Mietobergrenzen im hier streitigen Zeitraum Juli bis Dezember 2020 zulässig ermittelt wurden, kommt es mangels Schlüssigkeit der Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete für den hier einschlägigen Ein-Personen-Haushalt nicht an. Ist schon die abstrakt angemessene Nettokaltmiete nicht schlüssig festgesetzt, kann es die - durch Addition der abstrakt angemessenen kalten Nebenkosten pro qm auf die abstrakt angemessene Nettokaltmiete pro qm ermittelte - abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro qm schon rein sachlogisch selbst dann nicht sein, wenn die abstrakt angemessenen kalten Nebenkosten korrekt festgesetzt worden sein sollten.
Die schlüssige Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete als erstem Schritt in der Bestimmung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum unter Beachtung von mehreren, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung betreffen (BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 27 mwN, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 32). Nach der Rechtsprechung des BSG soll die schlüssige Mietobergrenzen-Ermittlung die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze, wenn sie neben rechtlichen bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt (über die oben bereits abgehandelten Aspekte der Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard und die Vermeidung von sozialer Segregation bei der Bildung von Vergleichsräumen hinaus) insbesondere:
-  Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung,
-  Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht,
-  Repräsentativität und Validität der Datenerhebung,
-  Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, und
- eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird
(grundlegend BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 30, RdNr. 18 f; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 28 mwN; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 32).
Das BSG hat aus § 22 Abs. 1 SGB II lediglich verallgemeinerbare, d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe entwickelt, die Raum für die Berücksichtigung von regionalen Bedingungen lassen (BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 81, RdNr. 14; zur Entwicklungsoffenheit auch BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr.101, RdNr. 24, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 33). Ob diese generellen Anforderungen in Bezug auf ein bestimmtes Konzept erfüllt sind, ist eine Frage tatrichterlicher Beweiswürdigung (BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 81, RdNr. 21, 30; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 11/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 109 RdNr. 21; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 29).
Eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung ergibt sich aus der nach der Rechtsprechung des BSG anzunehmenden Ausgestaltung der gerichtlichen Kontrolle von Konzepten zu den Wohnkosten als nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle (auch dazu BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 26 mwN, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 34). Die gerichtliche Verpflichtung zur Amtsermittlung findet ihre Grenze in der Mitwirkungslast der Beteiligten, die vorliegend dadurch geprägt ist, dass die Methodenauswahl dem Jobcenter vorbehalten ist und es nicht Aufgabe des Gerichts ist, ein unschlüssiges Konzept mit sachverständiger Hilfe schlüssig zu machen. (§ 103 Satz 1 SGG; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 11/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 109 RdNr. 22; BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 22/20 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 111 RdNr. 30 mwN, BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 34).
Die Kammer hatte nach dem vorgenannten Prüfungsmaßstab somit zu überprüfen, ob die Ermittlung der Mietobergrenzen im Angemessenheitskonzept des Landkreises, das der Beklagte anwendet, nach der von ihm gewählten Methode den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG entspricht. Aufgabe der Kammer war es nicht, das Konzept durch sachverständige Hilfe schlüssig zu machen (vgl. auch unten, 2.2.1.).
Nach Überzeugung der Kammer sind die Angemessenheitsgrenzen im vom Beklagten angewendeten Mietobergrenzenkonzept nicht im Sinne der vom BSG entwickelten Kriterien schlüssig ermittelt worden.  
Es ist zwar nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn - wie vorliegend - zunächst auf Basis der erhobenen Bestandsmieten und unter Berücksichtigung des Anteils der relevanten Nachfragegruppen ein vorläufiger Angemessenheitswert definiert wird und dann in einem zweiten Schritt auf Basis der erhobenen Angebotsmieten überprüft wird, ob ein ausreichender Anteil der angebotenen Wohnungen zu dem ermittelten vorläufigen Angemessenheitswert angemietet werden könnte (BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 37).
Vorliegend ist aus dem Konzept jedoch schon nicht abschließend erkennbar, welche Kriterien bei der "Bereinigung" der Bestandmieten und bei den Angebotsmieten einbezogenen Mietwerte abschließend angewendet wurden. Einige Kriterien sind genannt z.B. (Doppel, "Ausreißer" bei der Miethöhe), es ist aber schon nicht erkennbar, wieviele Mietwerte innerhalb der jeweiligen erhobenen Kategorie aufgrund welchen Kriterien aus der Datenbasis herausgefallen sind.
Zudem ist nicht erkennbar, aufgrund welcher statistischer Kriterien in dem Konzept "Ausreißer" bei der Miethöhe eben solche als "Ausreißer" festgelegt wurden. Enthalten ist allein die Angabe, Werte unter 3,00 Euro pro qm seien ausgeschlossen worden, und nach oben hin Werte über 9,99 Euro pro qm. Warum insbesondere ausgerechnet Werte ab dem glatten Wert 10,00 Euro pro qm von vornherein als zu hoch ausgeschlossen wurden, und ob und wenn ja welcher statistische Maßstab für diese Kappungsgrenze angewendet wurde, ist nicht angeführt oder sonst nachvollziehbar.
Auch hinsichtlich der Mieterschaft der in die Datenbasis einbezogenen Mietwerte entspricht das Konzept des Landkreises, das der Beklagte anwendete, nicht den Vorgaben des BSG. Denn in dem ersten Schritt (vorläufiger Angemessenheitswert aus Bestandsmieten) sind nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur Werte zu Wohnungen von Transferleistungsbeziehern (SGB II-Bedarfsgemeinschaften, SGB XII- und Wohngeldempfänger, AsylbLG-Leistungsempfänger) einzubeziehen, sondern auch Wohnungen von und Geringverdiener ohne Leistungsbezug (BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 37).
Vom Landkreis im vom Beklagten angewendeten Konzept sind allerdings vorliegend dem ersten Schritt folgende Bestandsmieten von folgenden Nutzer- und Anbietergruppen in folgender Zahl (vor Bereinigung um "Ausreißer"; die entsprechenden Zahlen nach der "Bereinigung" um "aussortierte" Werte fehlen in dem Konzept) zugrundegelegt worden:
- Bestandsmieten Wohngeld (Stichtag 01.12.2017):                         159 Wohnungen
- Bestandsmieten Grundsicherung (Stichtag 01.12.2617):              637 Wohnungen
- Bestandsmieten Jobcenter (Beklagter) (Stichtag 30.11 .2017): 1968 Wohnungen
- Stadtbau der Stadt W. (Stichtag 01.1 0.2017):                              972 Wohnungen
- Bestandsmieten der Gemeinnützigen Kreis-Wohnungsbaugesellschaft M. (kein Stichtag/Zeitraum genannt):                                                             391 Wohnungen
- Private Bestandsmieten (01.10.2017 - 31 03.2018):                         57 Wohnungen
Wohnungen von Geringverdienern ohne Transferleistungsbezug außerhalb des gemeinnützigen Wohnungsbaus sind damit nur in einer Zahl (vor Bereinigung - und damit maximal - 57) eingeflossen, die in Anbetracht der Gesamtzahl der erhobenen Bestands-Wohnungsdaten im mittleren vierstelligen Bereich schon aufgrund der kleinen Anzahl keine relevanten Auswirkungen haben können.
Noch dazu gilt dies umso mehr, als dass der Landkreis in dem vom Beklagten angewendeten Konzept zunächst "Ausreißer" bei den Miethöhen aussortiert hat und noch dazu keinen Durchschnitt, sondern einen Median gebildet hat. Sollten die privaten Bestandsmieten also statistisch erheblich über den Bestandsmieten der Sozialleistungsbezieher und des sozialen Wohnungsbaus gelegen haben, könnten sich diese durch die Verwendung des Medians (der die Intensität der Abweichung bei ungleicher Größe der Abweichung der ober- und unterhalb des Medians liegenden Werte im Gegensatz zum Durchschnitt nicht berücksichtigt) auch durch diese methodische Wahl nicht auswirken. Schon der erste Schritt, die Bestimmung der vorläufigen Angemessenheitswerte, ist daher nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht in zulässiger Weise erfolgt.
Im zweiten Schritt hat der Landkreis sodann Angebotsmieten bei der Erstellung des Konzepts erhoben und berücksichtigt, und zwar folgender Art:
- Angebotsmieten der Datenbank des Amtes für Grundsicherung (kein Stichtag/Zeitraum genannt, Quellen seien Tageszeitung, Wochenblatt, DVB-Online, Immobiliensuchportal):                                                                     241 Wohnungen
- Angebotsmieten Stadtbau W. (kein Stichtag/Zeitraum genannt): 23 Wohnungen
Werden Angebotsmieten im Wege des sogenannten iterativen (Annährungs-)Verfahrens in einem zweiten Schritt verwendet, um zu überprüfen, ob ein ausreichender Anteil der angebotenen Wohnungen zu dem ermittelten vorläufigen Angemessenheitswert angemietet werden könnte und, sofern dies nicht der Fall war, dieser Wert iterativ erhöht wird, um den endgültigen Angemessenheitswert zu ermitteln, zu dem ausreichend Wohnungen angeboten werden, so ist diese Vorgehensweise zwar grundsätzlich von der Methodenfreiheit des Grundsicherungsträgers gedeckt und daher nicht zu beanstanden (BSG vom 3.9.2020 - B 14 AS 34/19 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 110 RdNr 27; BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 37).
Jedoch ist die Repräsentativität der erhobenen Daten bei den Angebotsmieten vorliegend dadurch beeinträchtigt, dass sich aus dem Konzept des Landkreises nicht ergibt, dass die erhobenen Angebotsmieten die Vermieterstruktur im Landkreis hinreichend wiedergeben. Es fehlen Angaben zum Verhältnis der institutionellen großen zu den privaten Vermietern der in der Stichprobe berücksichtigten Angebots-Mietwerte, da z.B. unklar ist, inwiefern in den 241 Angebotsmieten der Datenbank auch die Angebotsmieten aus dem sozialen Wohnungsbau enthalten sind. Auch fehlen Angaben zu möglichen differierenden Miethöhen der unterschiedlichen Vermietergruppen (zur Rechtsfehlerfreiheit der Feststellung der fehlenden Repräsentativität durch die Tatsachengerichte in diesen Fällen: BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 39 - 41).

Nicht nur die Datenbasis für den ersten Schritt (vorläufiger Erst-Angemessenheitswert aus Bestandsmieten) ist daher vorliegend nicht zulässig ermittelt worden. Auch die Repräsentativität der Datenbasis für den zweiten Schritt (iterative Erhöhung anhand von Angebotsmieten) ist nicht hinreichend gegeben.

Das vorliegende Konzept stellt beim Maßstab, wieviele Angebotsmieten zur Verfügung stehen müssten, zudem allein den Bedarf an Wohnungen für SGB II-Leistungsempfänger der Zahl der zur Verfügung stehenden Mietangebote zur aus dem Median der Bestandsmieten ermittelten vorläufigen Erstgrenze zur Verfügung stehenden Angebote gegenüber (nach dem genauer ausgeführten Überlegungen dazu, wieviele SGB II- und SGB XII-Leistungsempfänger ggf. umziehen und wieviele von ihnen eine Wohnung auf dem durch öffentlich gemachte Angebote ersichtlichen Markt und wieviele Wohnungen "unter der Hand" vergeben werden). Dass das gleiche Segment des Mietmarktes auch Geringverdienern außerhalb des Leistungsbezugs zur Verfügung stehen muss - sowie auch den Empfängern weiterer Transferleistungen (Asylbewerberleistungen, Wohngeld) -, lässt das Konzept unberücksichtigt.

Selbst bei der aus Sicht der Kammer unzulässigen Nichtberücksichtigung anderer um das gleiche Mietsegment konkurrierender Gruppen und trotz der Schwächen der Datenbasis zu den Angebotsmieten kommt aber auch schon das Konzept des Landkreises, das der Beklagte anwendet, zu dem Ergebnis, dass ausreichender Angebotswohnraum zu den (unzulässig ermittelten) Erst-Angemessenheitsgrenzen (zuzüglich der kalten Nebenkosten, s. dazu oben) nicht ausreichend zur Verfügung stehe. Angesichts der unzulässigen Weise der Ermittlung dieser Erstangemessenheitsgrenzen (s.o.) erstaunt dies nicht, sondern ist vielmehr letztlich Ausdruck der Vielzahl der kumulierten methodischen Fehler bei der Ermittlung der vorläufigen Erstangemessenheitsgrenzen aus den erhobenen Bestandsmieten (s.o.).

Auch der letzte Schritt bei der Ermittlung der letztlich vom Landkreis festgelegten Angemessenheitsgrenzen ist nicht nachvollziehbar: Die Einzelheiten der (iterativen?) Erhöhung anhand der Angebotsmieten sind weder dargestellt, noch sonst nachvollziehbar. Es heißt in dem Konzept schlicht, "durch die Vergleichsberechnung" werde "die Anhebung der angemessenen Bruttokaltmiete erforderlich und es entstehen dadurch die unter Punkt 2.5 dargestellten maximal angemessenen Kosten der Unterkunft." Ausführungen dazu, wie die Vergleichsberechnung aussieht, was deren Ergebnisse sind, und wie "dadurch" die im folgenden angeführten vom Landkreis festgesetzten neuen, von ihm als angemessen angesetzten Mietobergrenzen "entstehen", enthält das Konzept nicht. Es heißt in der "Fortschreibung 2018" des Landkreises lediglich unmittelbar im Anschluss unter der Überschrift "2.5 Ergebnis": "Die endgültig festgesetzten Werte lauten somit wie folgt:" [folgt: Mietwerttabelle].

Das vom Beklagten angewendete Konzept des Landkreises zur Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete und damit sachlogisch auch der daraus im Konzept rechnerisch durch Addition der aus Sicht des Konzeptes angemessenen kalten Betriebskosten ermittelten und nach der Rechtsprechung des BSG relevanten Bruttokaltmiete für den hier relevanten Zeitraum Juli bis Dezember 2020 ist daher aus einer Vielzahl von Gründen schon seit dem Beginn der Geltungszeit des Konzepts (01.07.2018) nicht schlüssig.


2.1.1.5. fehlende Anpassung des Konzepts nach zwei Jahren anhand neuerer Daten oder allgemeinem Preisindex
Der Landkreis hat das Konzept zudem nicht - wie auch von ihm selbst anvisiert - nach Ablauf von zwei Jahren (also zum 01.07.2020) - anhand neuerer Daten angepasst oder eine Anpassung nach allgemeinem Preisindex vorgenommen. Der Beklagte hat also auch noch für den hier streitigen Zeitraum ab dem 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 weiterhin die Mietobergrenzen aus der (ohnehin unschlüssigen, s.o.) ab dem 01.07.2018 geltenden "Fortschreibung 2018" angewendet. Der "Fortschreibung 2018" lag die Datenerhebung aus der Zeit vom 01.10.2017 bis 31.03.2018 zugrunde. Daten dürfen jedoch, um ein realistisches Bild des jeweils aktuellen Mietmarktes zu geben, maximal 2 Jahre nach Erhebung, Auswertung und zeitnaher Umsetzung in ein Mietobergrenzenkonzept einem solchen Konzept zugrunde gelegt werden. Danach ist zwar für weitere zwei Jahre eine Anpassung nach dem allgemeinen Preisindex möglich, ohne dass vollkommen neue Daten erhoben werden müssen (BSG vom 12.12.2017- B 4 AS 33/16).
Die vorliegend angewendete (ohnehin aus mehreren Gründen unschlüssige, s.o.) "Fortschreibung 2018" wurde nach Ablauf von 2 Jahren, also zum 01.07.2020 (Beginn des hier streitigen Zeitraums) jedoch weder aufgrund einer neuen Datenerhebung noch nach dem allgemeinen Preisindex angepasst. Auch schon allein aufgrund dessen kann sie keine den Mietmarkt im hier streitigen Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 realistisch abbildenden Mietobergrenzen enthalten.

2.1.2. konkrete Angemessenheit: Unmöglichkeit/Unzumutbarkeit einer Kostensenkung wegen Unschlüssigkeit des Konzepts nicht erheblich
Auf die konkrete Angemessenheit, also auf die in einem weiteren Schritt zu prüfende Frage, ob dem jeweiligen Leistungsempfänger die Kostensenkung konkret unzumutbar oder unmöglich war, mithin, ob trotz intensiver Suche unter Zuhilfenahme aller zumutbaren und erreichbaren Hilfen eine kostengünstigere Wohnung nicht anmietbar gewesen ist, kommt es vorliegend daher nicht an. Denn es fehlt bereits an der zulässigen Festlegung (und auch der gerichtlichen Ermittelbarkeit, s.u.) einer abstrakt angemessenen Nettokaltmiete - und damit sachlogisch auch an der Festsetzung einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete -, zu der der Kläger hätte nachweisen können, dass es unmöglich sei, zu diesem Preis eine Wohnung zu finden.   
Es ist daher vorliegend unerheblich, dass der Kläger vorliegend nicht bereits unmittelbar zeitlich nach der Mietabsenkungsaufforderung vom 06.09.2019 sondern erst ab dem Monat Juni bis zum Monat Oktober 2020 Nachweise um die Suche nach bzw. Bemühungen für Mietwohnungen vorgelegt hat. Es kann auch dahinstehen, ob die Art und Anzahl der Nachweise ausreicht, sowie ob der Kläger ggf. nicht alle Suchmöglichkeiten (z.B. Registrierung Sozialwohnungen) ausgenutzt hat oder ob seine Erwähnung des SGB II-Leistungsbezugs in einer Wohnungsbewerbung Vermieter eher abschreckt (so die Argumentation des Beklagten, wenn er vorträgt, der Kläger hätte den Bezug nicht in der Bewerbung erwähnen sollen) oder eher günstig ist (so die Argumentation ebenfalls des Beklagten, wenn er vorträgt, der SGB II-Leistungsbezug sei für Vermieter kein abschreckendes Kriterium, da sie durch die mögliche Direktzahlung durch das Jobcenter volle Sicherheit in Bezug auf die Mietzahlungen hätten).
2.2. Rechtsfolge bei fehlender Schlüssigkeit des Konzepts
2.2.1. keine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch das Gericht bei Erkenntnisausfall
Die Kammer hatte vorliegend kein eigenes schlüssiges Konzept (etwa unter Heranziehung von Sachverständigen) zu erstellen.
Ist wie hier das vorgelegte Konzept nicht schlüssig im Sinne der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien, so besteht zwar grundsätzlich die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen fort. Diese ist aber insbesondere dann eingeschränkt, wenn es sich um länger zurückliegende Zeiträume handelt, für die keine ausreichenden Daten vorliegen. (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.2015, Az. B 4 AS 44/14). Die Tatsacheninstanzen haben dabei die vorgelegten Konzepte auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Die Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte reicht aber nicht so weit, dass diese unter Einbeziehung aller Datenquellen selbst die Angemessenheitsgrenzen bestimmen müssten (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Mai 2018, Az. L 8 SO 1193/13).
So liegt der Fall hier. Dem Sozialgericht ist es anhand der vorhandenen Daten nicht möglich, die Angemessenheitsgrenzen selbst zu ermitteln. Denn das Gericht darf schon die fehlerhafte Vergleichsraumbestimmung durch den Landkreis nicht durch die Bildung eigener, gerichtlich festgesetzter Vergleichsräume ersetzen (s.o. 2.1.1.3.). Darüber hinaus fehlt es sowohl an einer hinreichenden Zahl von Bestandsmietendaten von Nichttransferleistungsbeziehern (s.o. 2.1.1.4.) als auch an der Repräsentativität der Daten für die iterative Erhöhung der Werte anhand der Angebotsmieten. Es liegt insofern also ein Erkenntnisausfall bezüglich der für die Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete notwendigen Daten vor, so dass eine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch das Gericht weder faktisch möglich ist noch nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich.
2.2.2. keine Nachbesserung durch den Beklagten
Vorliegend war es nach Auffassung der Kammer auch entbehrlich, zunächst dem Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Dies ist grundsätzlich notwendig (vgl BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, RdNr. 28 mwN; BSG vom 3.9.2020 - B 14 AS 37/19 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 112 RdNr. 22)., wie das Bundessozialgericht auch jüngst noch einmal klargestellt hat (BSG vom 05.08.2021 - B 4 AS 82/20 R - juris-Rz. 42).
Im dort vom Bundessozialgericht zu entscheidenden Fall hatte sich der Beklagte sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren bereit erklärt, sein Konzept hinsichtlich der Beanstandungen des Landessozialgerichts nachzubessern, und eine Nachbesserung war nach den Angaben des Beklagten auch möglich, da insbesondere die Datensätze aus der Vermieterbefragung getrennt vorgelegen hätten und gewichtet hätten werden könnten.
Vorliegend fehlt es jedoch nicht nur an den für eine solche Nachbesserung ermöglichenden Daten(s.o.), darüber hinaus hat der Beklagte erklärt, die Rückfallposition bei Unschlüssigkeit des Konzepts seien ohnehin die Werte nach der Tabelle zu § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages von 10 %, und dies Rückfallposition liege noch unterhalb der im Konzept festgelegten Mietobergrenzen, weshalb die Klage in keinem Fall Erfolg haben könne. Weder die faktische Möglichkeit, noch ein Wille oder eine Bereitschaft des Beklagten zur Nachbesserung des Konzepts sind somit erkennbar, so dass es im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer entbehrlich war, dem Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.
2.2.3. "Wohngeldtabelle + 10%" im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz wenn noch unterhalb der im unschlüssigen Konzept festgelegten abstrakten Angemessenheitsgrenzen
Vorliegend waren als Bedarfe der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II die tatsächlichen Kosten des Klägers anzusetzen und nicht - entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Falle unschlüssiger Konzepte bei Erkenntnisausfall - der Wert nach der Tabelle zu § WoGG zuzüglich eines Zuschlags von 10% (im Folgenden: "Wohngeldtabelle + 10%").
Das Bundessozialgericht geht in seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass bei Erkenntnisausfall grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind, diese aber durch eine sog. Angemessenheitsobergrenze aufgrund der Tabellenwerte des WoGG gedeckelt sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, Az. B 4 AS 16/11). In einem solchen Fall zieht die Rechtsprechung zwingend die Tabellenwerte nach der Anlage zu § 12 WoGG heran und berücksichtigt den o. g. Zuschlag von 10%.
Der Wert für einen 1-Personen-Haushalt in H. in Oberbayern im Landkreis M. (Wohnort des Klägers, Mietenstufe I) nach der Tabelle (= Anlage 1) zu § 12 WOGG liegt im streitgegenständlichen Zeitraum bei 338,00 Euro monatlich. Zuzüglich des Zuschlags von 10% liegt somit der Wert nach "Wohngeldtabelle + 10%" bei 371,80 Euro. Dieser Wert liegt damit noch unterhalb der nach dem vom Beklagten angewendeten Konzept des Landkreises als angemessen zugrunde gelegten Bruttokaltmiete (502,00 Euro) und sogar noch unterhalb der im Konzept festgesetzten Nettokaltmiete (400,00 Euro) für den - hier relevanten - 1-Personen-Haushalt in H. in Oberbayern.
Darauf, dass auch weitere Angemessenheitswerte für andere Haushaltsgrößen und in anderen "Wohnungsmarkttypen" im Konzept des Landkreises, das der Beklagte für die Mietobergrenzen anwendet, oberhalb der Werte nach "Wohngeldtabelle + 10%" liegen, kommt es vorliegend nicht an.
Die bisherige Rechtsprechung des BSG, die bei einem unschlüssigen Konzept und Erkenntnisausfall zu einer Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. SGB II in Höhe von "Wohngeldtabelle + 10%" ausgeht, ist auch nach Auffassung der Kammer eine adäquate Lösung in denjenigen Fällen, in denen dieser Auffangwert oberhalb der im Konzept festgelegten Mietobergrenzen liegt. Dass der Wert nach "Wohngeldtabelle + 10%" dann zur Anwendung kam, zwang die Jobcenter dazu, statistisch saubere und schlüssige, den vom Bundessozialgericht erarbeiteten Kriterien entsprechende Konzepte vorzulegen, wollten die Träger Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 SGB II erarbeiten. Erfüllten die Konzepte diese - angesichts der Relevanz der Sicherung des Existenzminimums im Bereich Kosten der Unterkunft und Heizung aus gutem Grunde vom BSG sorgfältig und differenziert erarbeiteten - Kriterien für die Schlüssigkeit eines solchen Konzeptes nicht, so wurde als Bedarf der Unterkunft und Heizung in der Konsequenz der - höhere - Wert nach "Wohngeldtabelle + 10%" angesetzt.
In den Konstellationen hingegen - wie sie mittlerweile nicht mehr nur in städtischen Ballungsräumen, sondern auch in einer Vielzahl von (und immer mehr werdenden) ländlichen Bereichen, wie z.B. dem vorliegenden, gegeben sind -, in denen schon nach dem unschlüssigen Konzept und nach Auffassung der Landkreise und Jobcenter selbst evident ein höherer Wert als derjenige nach "Wohngeldtabelle + 10%" anzusetzen ist, da letzterer auch schon nach dem (unschlüssigen) Konzept keinesfalls genügt, um auf dem Angebotsmarkt ausreichenden Wohnraum zu erhalten - in diesen Konstellationen ermöglicht die bisher nach der Rechtsprechung des BSG generell anzuwendende Rückfallposition "Wohlgeldtabelle + 10%" bei Unschlüssigkeit des Konzepts und Erkenntnisausfall es den Jobcentern letztlich, in einer durch die Gerichte nicht überprüfbaren Art und Weise und Höhe Angemessenheitsgrenzen für Kosten der Unterkunft festzusetzen (bzw. so von den Kommunen ermittelte Mietobergrenzenkonzepte anzuwenden). Denn - auch eklatante und viele - Fehler in der Methodik der Ermittlung einer Mietobergrenze bleiben (wie sich auch im vorliegenden Fall zeigt) folgenlos, solange die Angemessenheitsgrenzen nur oberhalb von Wohngeldtabelle + 10%" festgelegt werden. Extrem formuliert: Selbst wenn keinerlei Daten erhoben würden, sondern gegriffene Angemessenheitsgrenzen festgelegt würden, wäre dies im Ergebnis egal, solange diese gegriffenen Werte nur oberhalb der Werte nach "Wohngeldabelle + 10%" angesetzt würden. Die zur Ausfüllung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums im Bereich Wohnen tatsächlich genau anzusetzende Höhe ist damit nicht gerichtlich überprüfbar, denn die Tatsachengerichte können in Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des BSG nur zur Klageabweisung kommen, solange die Höhe der vom Beklagten angesetzten Angemessenheitsgrenze nur oberhalb des Wertes nach "Wohngeldtabelle + 10%" liegt (und die übrigen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BSG für einen Rückgriff auf diesen Wert vorliegen).
Dies führt letztlich bei unschlüssigen Konzepten und Erkenntnisausfall in den hier behandelten Konstellationen ("Wohngeldtabelle + 10%" noch unterhalb der Werte nach dem unschlüssigen Konzept) zu einem gerichtlich nicht überprüfbaren Raum in einem wesentlichen Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums im Bereich Wohnen. Ohne dies den Jobcentern allgemein oder vorliegend dem Beklagten konkret unterstellen zu wollen, führt die generell angewendete Rückfallposition "Wohngeldtabelle + 10%" doch ganz objektiv im Ergebnis dazu, dass in diesen Fällen ein praktisch rechtsfreier Raum entsteht, in dem SGB II-Leistungsträger in methodisch unzulässiger Weise, aber ohne gerichtliche Konsequenzen Mietobergrenzen für SGB II-Leistungsbezieher und damit einen wesentlichen, verfassungsrechtlich als Teil des Existenzminimums relevanten Lebens- und Regelungsbereich letztlich willkürlich festlegen können.  
Dies stellt nach Auffassung der Kammer einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) dar. Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, wird, der Rechtsweg offen. Eine gerichtliche Kontrolle der Festlegung des Existenzminimums für den Bereich Wohnen in den Konzepten zur Festlegung von Mietobergrenzen ist jedoch bei Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des BSG ausgerechnet in den Fällen ausgeschlossen, in denen ein Konzept nicht nur unschlüssig ist, sondern so unschlüssig, dass eine Nachbesserung mangels Daten nicht mehr möglich ist, und die Werte nach "Wohngeldtabelle + 10%" sogar schon nach dem (un)schlüssigen Konzept des Leistungsträgers keinesfalls ausreihend sind, um ein ausreichendes Mietangebot im Abgleich mit dem Angebotsmarkt sicherzustellen.
Die Kammer vertritt die Rechtsauffassung, dass aus den vorgenannten Gründen die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einer Rückfallposition "Wohngeldtabelle + 10%" im Falle unschlüssiger Konzepte bei Erkenntnisausfall in den hier beschriebenen Fallkonstellationen, in denen sie zu einem Verstoß gegen Art. 19 Abs.4 GG führt, nicht anzuwenden ist.
2.2.4. daher Rechtsfolge bei unschlüssigem Konzept, Erkenntnisausfall, fehlender Nachbesserungsmöglichkeit und "Wohngeldtabelle + 10%" noch unterhalb unschlüssigem Konzept: volle tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung
Nach Auffassung der Kammer ist daher unter den im Folgenden noch einmal zusammenfassend dargestellten Voraussetzungen abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht auf die Werte nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz zuzüglich 10% zurückzugreifen:
- Konzept zur Festlegung der Mietobergrenzen eines SGB II-Leistungsträgers ist unschlüssig,
- Erkenntnisausfall ist gegeben,
- keine Nachbesserung durch Beklagten (unmöglich oder trotz Aufforderung nicht erfolgt oder Aufforderung entbehrlich), und
- die Angemessenheitsgrenzen liegen schon im (unschlüssigen) Konzept oberhalb der Werte nach "Wohngeldtabelle + 10%."
In diesen Fällen sind nach Auffassung der Kammer in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des BSG vielmehr mangels schlüssiger Festlegung von Mietobergrenzen durch den Leistungsträger und mangels Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts zur Höhe der angemessenen Kosten die vollen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anzusetzen, da eine anderweitige Bestimmung der Angemessenheitsgrenze unmöglich ist: Denn es fehlen die Daten, um die Grenze im Nachhinein zu ermitteln, und der Wert nach "Wohngeldtabelle zuzüglich 10%" ist offensichtlich nicht ausreichend.
Eine Angemessenheitsgrenze, auf die das Jobcenter die anzusetzenden Bedarfe der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II absenken könnte, ist in diesen Fällen weder durch den Beklagten nachgewiesen, noch durch das Gericht ermittelbar. Der Rückgriff auf den Wert nach "Wohngeldtabelle + 10%" kann in diesen Fällen sachlogisch ebenfalls nicht als Angemessenheitsgrenze angesetzt werden, da diese Rückfallposition ja gerade sogar schon nach dem unschlüssigen Konzept nicht ausreichen kann, um entsprechenden Wohnraum am Angebotsmarkt sicherzustellen.
Schon nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen (objektive Beweislast beim SGB II-Leistungsträger, da die Absenkung für den SGB II-Leistungsträger eine günstige Abweichung ("soweit angemessen") vom Grundsatz darstellt, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II zunächst von den vollen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarfe ausgegangen wird) sowie auch, da die Ermittlung von Angemessenheitsgrenzen anhand eines Mietobergrenzen-Konzepts samt der dafür notwendigen Datenerhebungen und statistisch tragfähigen Auswertungen in die Sphäre des jeweiligen SGB II-Leistungsträgers fällt, verbleibt es nach der Rechtsauffassung der Kammer dabei, dass in Anwendung des in § 22 Abs. 1 SGB II festgelegten Ausgangsgrundsatzes die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (und Heizung) als Bedarf anzusetzen sind.
Da die von der Kammer in den geschilderten Konstellationen vertretene Unvereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG in einem wesentlichen Teil der Sicherung des Existenzminimums (Höhe der anzusetzenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung) nicht zu der gesetzlichen Regelung in § 22 Abs. 1 SGB II besteht, sondern allein zu der zur Auslegung dieser gesetzlichen Regelung ergangenen bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ist keine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht, sondern die Zulassung der Berufung wegen Abweichung von höherinstanzlicher Rechtsprechung erforderlich (s.u.).
Rein ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sie davon ausgeht, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rückfallposition "Wohngeldtabelle + 10%" vor dem Hintergrund eines noch nicht wie heut verschärften Mietmarktes auch im ländlichen Raum entwickelt wurde und daher die vorliegend geschilderten - inzwischen häufig und nicht nur in städtischen Ballungsräumen vorliegenden - Fallkonstellationen samt der hier geschilderten Problematik in Bezug auf Art, 19 Abs. 4 GG nicht als in der Praxis häufig Anwendungsfälle vorhersehen und daher auch bisher nicht berücksichtigen konnte.
2.3. Anspruch des Klägers auf Gewährung der vollen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum Juli bis Dezember 2020
Der Bescheid des Beklagten vom 20.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2020 ist somit für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn nach dem Vorgesagten sind für den Kläger die vollen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in den Monaten Juli bis Dezember 2020 als Bedarfe nach § 22 Abs. 1 SGB II anzusetzen. Hinsichtlich des anzurechnenden Einkommens wird vollumfänglich auf den insofern nicht zu beanstandenden Bescheid zur endgültigen Festsetzung vom 21.04.2021 verwiesen. Das monatlich anzurechnende Einkommen reicht nicht in die Bedarfe der Unterkunft hinein. Der Kläger hat damit aufgrund der nicht auf den abgesenkten Wert nach dem unschlüssigen Konzept, sondern der in voller tatsächlicher Höhe anzusetzenden Bedarfe für Kosten der Unterkunft einen Anspruch auf die Gewährung weiterer SGB II-Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von sechsmal 62,50 Euro (insgesamt 375,00 Euro).
3.  Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) und folgt der Entscheidung in der Sache.

4. Berufungszulassung
Die Berufung bedurfte der Zulassung im vorliegenden Urteil des Sozialgerichts, da der Wert des Beschwerdegegenstandes der vorliegenden auf Geld gerichteten Klage (insgesamt 187,50 Euro) 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung war vorliegend zum einen zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), und zum anderen, da das Urteil von der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved