L 8 BA 37/22 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 24 BA 65/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 37/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 16.2.2022 geändert.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der beim SG Münster unter dem Aktenzeichen S 24 BA 66/21 anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 14.6.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2021 anzuordnen, wird abgelehnt.

Der Antragssteller trägt die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.799,34 Euro festgesetzt.

 

Gründe

 

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Münster vom 16.2.2022 ist begründet. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner unter dem Aktenzeichen S 24 BA 66/21 anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 14.6.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2021 abgelehnt.

 

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsa­che in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 SGG eine schon vorgenommene Vollziehung aufheben. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Versicherungs- und Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen haben gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich eine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Beitragsbescheide nach §28p Abs. 1 S. 5 SGB IV auch nicht in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der bis zum 31.3.2022 geltenden Fassung (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2015 – L 8 R 106/15 B ER – juris Rn. 77 m.w.N.; ausführlich Senatsbeschl. v. 20.12.2012– L 8 R 565/12 B ER – juris Rn. 10 ff.).

 

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).

 

1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4; Beschl. v. 12.2.2020 – L 8 BA 157/19 B ER – juris Rn. 5 m.w.N.).

 

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Klage nicht anzuordnen, da deren Erfolg nicht wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin erlassene Bescheid vom 14.6.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2021, mit dem sie vom Antragsteller Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 35.197,34 Euro für die Tätigkeit des Herrn S (im Folgenden: S) in der Zeit vom 1.1.2017 bis 31.12.2020 nachfordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

 

Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen.

 

a) Der Bescheid vom 14.6.2021 ist formell rechtmäßig ergangen. insbesondere ist der Antragsteller vor dessen Erlass mit Schreiben vom 21.5.2021 gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört worden.

 

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben.

 

aa) Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigten, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge, d.h. die für diese zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in diesen Versicherungszweigen unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

 

Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungs­rechtlichen Status fehlen. Solche Feststellungen, die ausschließlich in Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen können, liegen nicht vor.

 

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine abhängige Beschäftigung eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 KR 29/19 R – juris Rn. 12 m.w.N.; Senatsurt. v. 15.12.2021 – L 8 R 13/15 – juris Rn. 150; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff).

 

Für die Beurteilung ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen, da diese – nach den Angaben der Beteiligten – individuell vereinbart worden sind. Erst durch die Annahme des Auftrags durch S ist seine rechtliche Verpflichtung entstanden, die zugesagte Tätigkeit auch tatsächlich auszuüben. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art ist für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der Einzelaufträge bestehen (bestehen (vgl. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 21 m.w.N.; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 48).

 

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und Abgrenzungskriterien ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass S im Rahmen seiner Tätigkeit als Hausmeistervertreter bzw. insbesondere Maschinenführer bei Reinigungsarbeiten, der Grünpflege und im Winterdienst für den Antragsteller beschäftigt und nicht selbstständig tätig war.

 

So sind wesentliche Gestaltungsfreiheiten weder in örtlicher noch inhaltlicher Hinsicht ersichtlich. Dies ergibt sich bereits aus der Abrechnung von „Helfertätigkeiten“ durch S, da Hilfeleistungen schon zwangsläufig weitere konkretisierende Vorgaben erfordern. Darüber hinaus hatte der Antragsteller auch seinerseits eigene Vertragspflichten zu erfüllen und musste daher seinem hieraus folgenden Bedarf entsprechende Weisungen zu Inhalt und Art der Tätigkeit an S erteilen bzw. entsprechende Weisungen seines eigenen Auftraggebers an diesen weitergeben (vgl. auch Senatsbeschl. v. 3.5.2021 – L 8 BA 68/20 B ER – juris Rn. 20). Ob und in welchem Umfang S seine Arbeitsleistung in zeitlicher Hinsicht frei bestimmen konnte, kommt vor diesem Hintergrund keine relevante Bedeutung zu. Dass er sicherlich – wie vom Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 19.8.2021 angegeben – nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit den Aufgaben vertraut gewesen ist und insofern jedenfalls bei bereits bekannten Arbeiten weniger Weisungen erforderlich gewesen sein dürften, ändert die Beurteilung nicht (vgl. auch Senatsurt. v. 15.10.2014 – L 8 R 870/13 – juris Rn. 222). Denn gerade auch ein – hier in den Jahren gewachsener – klarer und eng abgesteckter Tätigkeitsbereich mit nur geringem Spielraum begründet die Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht in Frage (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 KR 29/19 R – juris Rn. 25 m.w.N.). Eine – üblicherweise vom Arbeitgeber gewünschte – Eigenständigkeit der Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigung darf dabei nicht mit einer grundsätzlichen Weisungsfreiheit und Selbstständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn verwechselt werden.

 

S war bei der Ausführung der angenommenen Aufträge auch in die Arbeitsorganisation des Antragstellers eingegliedert. So ist er als sein Erfüllungsgehilfe zur Erfüllung der Vertragspflichten gegenüber dessen Auftraggebern tätig geworden und hat hierbei – ganz wesentlich – große Aufsitzmäher und Reinigungsmaschinen (Kehrbesen, Schneeschild) geführt, die ihm als für seine Arbeit notwendige Betriebsmittel gestellt worden sind. Nach den übereinstimmenden Angaben des Antragstellers und des S hat letzterer in diesem Rahmen zudem mit Mitarbeitern des Antragstellers zusammengearbeitet. Auch die Formulierung der Rechnungen für einzelne Aufträge, die als Leistungen u.a. „Helferarbeiten“ aufgeführt haben, weist auf eine funktionsgerecht dienend in die Arbeitsorganisation des Antragstellers eingegliederte Tätigkeit hin (vgl. auch Senatsbeschl. v. 24.7.2019 – L 8 BA 142/18 B ER).

 

Schließlich hat S die Arbeiten – arbeitnehmertypisch – persönlich ausführen müssen. Für einen (von ihm nach Aktenlage nicht vorgenommenen) Einsatz etwaiger Hilfskräfte hätte er der Zustimmung des Antragstellers bedurft.

 

Wesentliche Aspekte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, sind demgegenüber nicht ersichtlich.

 

Dahinstehen bleiben kann im Eilverfahren, ob S erst zum Ende des streitigen Zeitraums im September 2020 einen eigenen Lagerraum oder bereits schon zuvor einen Keller angemietet hat. Insoweit ist die Erforderlichkeit einer solchen Betriebsstätte gerade für die Tätigkeit beim Antragsteller weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht, zumal die von S bei seiner Arbeit benötigten großen Maschinen nicht von ihm selbst gelagert werden mussten. Gleiches gilt für die Angabe, S habe im Streitzeitraum einen Ford Transit mit 2 Anhängern vorgehalten. Auch hier wäre darzulegen gewesen, dass und in welchem Umfang diese Transportmittel gerade für die Tätigkeit beim Antragsteller genutzt worden sind.

 

Auch ein wesentliches unternehmerisches Risiko ist nicht erkennbar. S hat vielmehr eine feste (Stunden-)Vergütung erhalten und musste für die Tätigkeit beim Antragsteller weder Kapital noch seine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzen (vgl. zB BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 36 m.w.N.; Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 54). Insbesondere hat er die für seine Tätigkeit genutzten großen Maschinen nicht selbst vorgehalten. Fehlen derartige (eigene) Investitionen, so mangelt es an einem (positiven) Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Darüber hinaus ist hieraus vielmehr grundsätzlich umgekehrt auf eine (abhängige) Beschäftigung zu schließen, wenn die ausgeübte Tätigkeit regelmäßig mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden ist. Nur wenn es sich bei der streitigen Tätigkeit um eine solche handelt, bei der (auch) typischerweise keine Investitionen erforderlich sind, ist deren Fehlen nicht als relevantes Indiz für eine abhängige Beschäftigung anzusehen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 3/17 R – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Vielmehr hat S bei der Erledigung der mit dem Antragsteller vereinbarten Aufgaben große Maschinen genutzt und nutzen müssen. Geben aber diese einzusetzenden kostenintensiven Maschinen der Tätigkeit das maßgebliche Gepräge, tritt die Anschaffung und ggf. Nutzung etwaiger Kleingeräte dahinter zurück.

 

Die fehlende Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub vermag – entgegen der Auffassung des Antragstellers – kein von S zu tragendes unternehmerisches Risiko zu begründen. Vertragsklauseln bzw. vertragliche Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, lassen, auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus haben sie bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr setzen derartige Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus und sind daher eher Folge einer rechtsirrigen Statuseinschätzung als Indiz für eine solche. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 27 m.w.N.; Senatsurt. v. 29.1.2020 – L 8 BA 153/19 – juris Rn. 68; Urt. v. 14.8.2019 – L 8 R 456/17 – juris Rn. 84).

 

Die Gewerbeanmeldung des S spricht gleichfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft. Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen können vielmehr ausschließlich in den Verfahren nach §§ 7a, 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erfolgen (vgl. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 65 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Ausstellung einer Handwerkskarte sowie für Steuermeldungen.

 

Auch aus dem Umstand, dass S für weitere Auftraggeber tätig war, kann nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit für den Antragsteller geschlossen werden. Grundsätzlich sind die einzelnen Rechtsbeziehungen isoliert zu betrachten. Nach den gesetzlichen Regelungen ist die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung neben einer selbstständigen Tätigkeit möglich (vgl. z.B. § 5 Abs. 5 SGB V). Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet (vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.9.2018 – B 12 KR 11/17 R – juris Rn. 23) und sich in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen, ergibt (vgl. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 35 m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen im (gesamten) streitigen Zeitraum vorlagen, lässt sich dem bisherigen Vortrag des Antragstellers, der allein die im Jahr 2020 mit weiteren Auftraggebern erzielten Umsätze benannt hat, jedoch nicht entnehmen. Weitere Ausführungen hierzu bleiben ihm im Hauptsacheverfahren unbenommen.

 

Auch das gegenüber sonstigen Mitarbeitern höhere Honorar spricht nicht relevant für Selbstständigkeit. Es ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, dem vorliegend keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Der Umfang des vereinbarten Honorars ist vielmehr als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Diesem Willen kommt eine potentielle Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung jedoch nur dann zu, wenn er den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 36). Hieran fehlt es vorliegend.

 

b) Anhaltspunkte für Versicherungsfreiheitstatbestände liegen nicht vor.

 

Die Beschäftigung ist unstreitig gegen Entgelt erfolgt, so dass grundsätzlich Versicherungspflicht nach §§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XI besteht.

 

Für die Prüfung, ob ggf. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung gem. § 5 Abs. 5 S. 1 SGB V und dem folgend in der Pflegeversicherung in Betracht kommt, fehlt es an hinreichendem Vortrag. Die dafür erforderliche hauptberufliche Ausübung der Tätigkeit setzt zunächst voraus, dass sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (vgl. BSG Urt. v. 29.4.1997 – 10/4 RK 3/96 – juris Rn. 18). Diese Feststellung lässt sich weder in zeitlicher noch wirtschaftlicher Hinsicht anhand der Aktenlage treffen. Im Übrigen müsste die Tätigkeit bei den übrigen Auftraggebern auch selbstständig ausgeübt worden sein.

 

c) Ein der Feststellung der Versicherungspflicht entgegenstehender Vertrauensschutz des Antragstellers nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) besteht nicht.

 

Soweit er die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe "den Status des S über Jahre so akzeptiert", ist dies unzutreffend. Eine ausdrückliche Prüfung der Tätigkeit des S ist nach dem aktenkundigen Sachverhalt zuvor nicht erfolgt und vom Antragsteller auch nicht vorgetragen. Dass vorige Prüfungen "ohne Beanstandung" geblieben sind, schafft keine personenbezogenen verbindlichen Regelungen. Entsprechend kann Vertrauensschutz hierauf nicht gestützt werden (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 32).

 

d) Die Höhe der personenbezogenen Beitragsforderung begegnet rechtlich und sachlich keinen Bedenken. Bei der Berechnung des zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts ist die Antragsgegnerin zutreffend gem. § 14 Abs. 1 SGB IV von den Beträgen ausgegangen, die der Antragsteller an S gezahlt hat. Einwände im Einzelfall sind insoweit nicht erhoben worden.

 

2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides ist nicht hinreichend dargelegt.

 

Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für ihn verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17).

 

Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen und glaubhaft zu machen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 27). Dabei ist vom Beitragsschuldner auch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er bei Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs und Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen in der Lage ist, derart rentabel zu wirtschaften, dass die noch offene Beitragsforderung in überschaubarer Zeit beglichen werden kann (st. Rspr. des Senats, z.B. Beschl. v. 15.6.2020 – L 8 BA 139/18 B ER – juris Rn. 15, Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 22).

 

Es fehlt vorliegend bereits ein umfassender Vortrag zu den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers, einschließlich der Möglichkeiten zur Beschaffung von liquiden Mitteln durch Darlehensaufnahme, sowie die Glaubhaftmachung der entsprechenden Tatsachen. Die Angaben des Steuerberaters, die sich auf den Zeitraum bis 2020 beschränken, genügen hierfür nicht.

 

Darüber hinaus liegt eine die begehrte gerichtliche Aufschiebungsanordnung rechtfertigende unbillige Härte nicht vor, wenn die Vollziehung der Beitragsforderung durch den Abschluss von Raten- und Stundungsvereinbarungen mit der betroffenen Einzugsstelle abgewendet werden kann (vgl. Senatsbeschl. v. 22.2.2022 – L 8 BA 161/20 B ER – juris Rn. 13). Vortrag des Antragstellers zum genauen Ergebnis der von ihm angegebenen entsprechenden Anfrage bei der Einzugsstelle fehlt. Allein die pauschale Angabe, man habe im gemeinsamen Gespräch festgestellt, dass „dies hier wenig sinnvoll“ sei, ist nicht ausreichend.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Die Festsetzung des Streitwertes für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem SG und für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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