L 7 R 240/22 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 34 R 157/19 ZV - S 42 RS 1018/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 240/22 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

 

2. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft dar.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes - Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft

   
   
 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. April 2022 abgeändert. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 30. Juni 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 2. August 2010, vom 14. April 2011 und vom 18. Augst 2011 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1974 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen sowie für die Jahre 1980 bis 1984, 1987 und 1989 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1974

281,48 Mark

1975

266,51 Mark

1976

288,37 Mark

1977

255,27 Mark

1978

240,16 Mark

1979

330,77 Mark

1980

581,27 Mark

1981

912,19 Mark

1982

1.368,50 Mark

1983

1.242,14 Mark

1984

1.040,15 Mark

1987

997,11 Mark

1989

1.054,92 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu drei Vierteln.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens und im Berufungsverfahren nur noch – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 sowie in Form von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft für die Zuflussjahre 1980 bis 1984, 1987 und 1989 festzustellen.

 

Der 1938 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1958 bis Juli 1961 absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung Elektrische Netze an der Ingenieurschule für Elektroenergie "Z...." Y...., seit 5. Juli 1961 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 15. August 1961 bis 30. September 1965 als Ingenieur für elektrische Verteilungsanlagen im volkseigenen Betrieb (VEB) Energieversorgung X.... sowie vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Ingenieur für Netzberechnung, Bereichsingenieur und Betriebsingenieur im VEB Energieversorgung W.... (Netzbetrieb A....) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 15. Juni 1999 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte Entgeltbescheinigungen

  • der Energieversorgung U.... AG (ESAG) vom 30. Mai 1997 (für den Beschäftigungszeitraum vom 4. Oktober 1965 bis 28. Februar 1971),
  • der Energieversorgung V… AG (ESSAG) vom 15. Juli 1998 (für den Beschäftigungszeitraum vom 15. August 1961 bis 30. September 1965) und
  • der ESAG vom 16. Juni 1999 (für den Beschäftigungszeitraum vom 1. März 1971 bis 30. Juni 1990)

vor. Mit Bescheid vom 30. Juni 2000 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 15. August 1961 bis 30. September 1965 und vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der ESSAG vom 15. Juli 1998 und der ESAG vom 30. Mai 1997 und vom 16. Juni 1999, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 5. Februar 2008 begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Sonderzahlungen und Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Im Laufe des Antragsverfahrens legte er

  • ein Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008, in dem ausgeführt ist, dass im VEB Energiekombinat W.... jährlich Jahresendprämien bis 1991 sowie Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft bis 1992 gezahlt wurden, Nachweise hierüber aber nicht mehr vorliegen,
  • Nachweise über ihm in den Jahren 1986 (in Höhe von 1.020,00 Mark), 1987 (in Höhe von 1.085,00 Mark) und 1989 (in Höhe von 1.115,00 Mark) zugeflossene Jahresendprämien sowie
  • Nachweise über ihm im Juni 1985 (in Höhe von 1.206,00 Mark), im Juli 1986 (in Höhe von 1.219,00 Mark) und im Juli 1988 (in Höhe von 1.220,00 Mark) zugeflossene Treueprämie für Werktätige in der Energiewirtschaft

vor. Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 12. November 2009 ab. Auf den vom Kläger hiergegen am 7. Dezember 2009 erhobenen Widerspruch fragte die Beklagten mit Schreiben vom jeweils 23. Juni 2010 bei der envia Mitteldeutsche Energie AG und der DREWAG Stadtwerke W.... GmbH nach dem Vorliegen von Prämiennachweisen an. Die envia Mitteldeutsche Energie AG übersandte eine Entgeltbescheinigung vom 8. Juli 2010 (für den Beschäftigungszeitraum vom 15. August 1961 bis 30. September 1965), die höhere Entgelte für die Jahre 1964 und 1965 auswies und den Hinweis enthielt, dass Unterlagen zu Prämienzahlungen nicht (mehr) vorliegen. Die ENSO Energie U.... AG übersandte eine Entgeltbescheinigung vom 21. Juli 2010 (für den Beschäftigungszeitraum vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990), die ein höheres Entgelt für das Jahr 1966 auswies und übersandte ein weiteres Schreiben vom 20. Juli 2010, dessen Inhalt identisch mit dem des Schreibens der der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 war. Mit Bescheid vom 2. August 2010 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 15. August 1961 bis 30. September 1965 und vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie, auf Grundlage der Entgeltbescheinigung der envia Mitteldeutsche Energie AG vom 8. Juli 2010 sowie der ENSO Energie U.... AG vom 21. Juli 2010, höhere Arbeitsentgelte für die Jahre 1964 bis 1966 fest. Den bisherigen Bescheid (vom 30. Juni 2000) hob sie, soweit er entgegenstand, auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, soweit ihm nicht bereits durch Bescheid vom 2. August 2010 abgeholfen wurde, zurück. Auf die hiergegen am 7. März 2011 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage (im Verfahren S 42 RS 427/11) gab die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. März 2011 ein Teilanerkenntnis ab und verpflichtete sich zur Feststellung höherer Arbeitsentgelte wegen nachgewiesenen Zuflusses von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft in den Jahren 1985, 1986 und 1988 sowie wegen nachgewiesenen Zuflusses von Jahresendprämien in den Jahren 1986, 1987 und 1989. Das Teilanerkenntnis nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 1. April 2011 an und erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.

 

In Ausführung des Teilanerkenntnisses stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2011 erneut die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, abermals die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 15. August 1961 bis 30. September 1965 und vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie, auf Grundlage der vom Kläger eingereichten Prämiennachweise in Form von in den Jahren 1986 (in Höhe von 1.020,00 Mark), 1987 (in Höhe von 1.085,00 Mark) und 1989 (in Höhe von 1.115,00 Mark) zugeflossenen Jahresendprämien sowie in Form von in den Jahren 1985 (in Höhe von 1.206,00 Mark), 1986 (in Höhe von 1.219,00 Mark) und 1988 (in Höhe von 1.220,00 Mark) zugeflossenen Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft, höhere Arbeitsentgelte fest. Den bisherigen Bescheid (vom 2. August 2010) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Mit weiterem Überprüfungsantrag vom 12. Mai 2011 begehrte der Kläger die Berücksichtigung einer ihm im Jahr 1980 zugeflossenen Anerkennungsprämie bei den festgestellten Arbeitsentgelten und legte dazu ein Prämienschreiben des VEB Energiekombinat T…. vom 24. November 1980 vor, in dem ihm eine Anerkennungsprämie in Höhe von 300,00 Mark zuerkannt wurde. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2011 erneut die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, abermals die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 15. August 1961 bis 30. September 1965 und vom 4. Oktober 1965 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie, auf Grundlage des vom Kläger eingereichten Prämienschreibens vom 24. November 1980, ein höheres Arbeitsentgelt für das Jahr 1980 (in Höhe von 300,00 Mark) fest. Den bisherigen Bescheid (vom 14. April 2011) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 11. März 2014 (Eingang bei der Beklagten am 14. März 2014) begehrte der Kläger erneut die Berücksichtigung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft sowie von Jahresendprämien in Höhe von 70 Prozent des Entgelts des vorangegangenen Kalenderjahres bei den festgestellten Arbeitsentgelten als glaubhaft gemachte Entgelte. Zur Glaubhaftmachung reichte er eine schriftliche Erklärung des Zeugen S.... vom 20. Februar 2014 ein, wonach der Kläger vom Betrieb jährlich Jahresendprämien ausgezahlt erhielt. Weiterhin legte er die bereits bekannten (und von der Beklagten berücksichtigten) Prämiennachweise sowie die bekannten Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010 vor.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2014 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. April 2014 (Eingang bei der Beklagten am 25. April 2014) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft und von Jahresendprämien auf der Grundlage der Glaubhaftmachung.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien und Treueprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Die allgemeine Zeugenerklärung sei nicht ausreichend.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2014 Klage zum Sozialgericht Dresden (im Verfahren S 42 RS 1018/14) und begehrte die Berücksichtigung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft und von Jahresendprämien als glaubhaft gemachte Entgelte, zunächst für die Zuflussjahre 1961 bis 1989, später nur noch für die Zuflussjahre 1976 bis 1984, 1987 und 1989 (Treueprämien) bzw. für die Zuflussjahre 1969, 1972, 1974 bis 1983 (Jahresendprämien) in einer Mindesthöhe.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage – nach Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit Beschluss vom 24. November 2015, Fortführung des Verfahrens mit Verfügung vom 21. Januar 2018 (im Verfahren S 24 R 157/18 ZV) sowie Einholung einer schriftlichen Erklärung des Zeugen S.... vom 5. Oktober 2021 – mit Gerichtsbescheid vom 21. April 2022 (im Verfahren S 34 R 157/18 ZV) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zufluss und Höhe der begehrten Jahresendprämien und Treueprämien habe der Kläger weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht. Über Unterlagen verfüge er nicht. Auch der Zeuge habe zur Höhe der Prämien keine substantiierten Angaben gemacht. Allgemeine Erklärungen seien nicht ausreichend. Eine Mindestjahresendprämie hätten die DDR-Regelungen nicht vorgesehen. Die Festsetzung einer Mindesthöhe von Jahresendprämien sei unzulässig, da sie die tatsächliche Prämienhöhe in keiner Weise wiederspiegele.

 

Gegen den am 25. April 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Mai 2022 Berufung eingelegt, mit der er – nach Beschränkung mit Schriftsätzen vom 19. August 2022 und 10. Oktober 2022 – nur noch sein Begehren nach Feststellung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft für die Zeiträume 1980 bis 1984, 1987 und 1989 (Zuflussjahre) sowie von Jahresendprämien für die Zeiträume von 1974 bis 1983 (Zuflussjahre) in einer Mindesthöhe weiterverfolgt. Die Jahresendprämien- und Treuprämienzahlungen seien dem Grunde nach durch die Zeugenaussagen und Schreiben der Nachfolgeeinrichtung glaubhaft gemacht worden. Deren Höhe sei zumindest in der Mindesthöhe von einem Drittel bzw. nach der Treueprämienverordnung entsprechend der Rechtsprechung des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts glaubhaft gemacht worden.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. April 2022 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 30. Juni 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 2. August 2010, vom 14. April 2011 und vom 18. August 2011 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 sowie Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft für die Zuflussjahre 1980 bis 1984, 1987 und 1989 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus: Die vom Berufungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsansicht zur Zulässigkeit der Feststellung von sog. "Mindest-JEP" im strittigen Zeitraum teile sie nicht. Ob der Kläger Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft bezogen habe, sei ungeklärt.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert.

 

Mit Schriftsätzen vom 19. Oktober 2022 (Beklagte) sowie vom 20. Oktober 2022 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist – nach ihrer wiederholten Beschränkung – begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage überwiegend zu Unrecht abgewiesen hat. Der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von in den Jahren 1974 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämien in einer Mindesthöhe (dazu nachfolgend unter 1.) sowie in Form von in den Jahren 1980 bis 1984, 1987 und 1989 zugeflossenen Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft (dazu nachfolgend unter 2.) im Rahmen der zuletzt mit Neufeststellungsbescheid vom 18. August 2011 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1969 und 1972 sowie Treueprämien für die Zuflussjahre 1976 bis 1979 begehrt der Kläger ausdrücklich und ausweislich seiner Berufungsbeschränkungsschriftsätze vom 19. August 2022 und vom 10. Oktober 2022 nicht (mehr); insoweit ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden bereits rechtskräftig geworden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

 

Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 (§ 95 SGG) ist insoweit teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil mit ihm das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 24. April 2022 abzuändern, der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 15. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte, unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 30. Juni 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 2. August 2010, vom 14. April 2011 und vom 18. August 2011, zu verurteilen, weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen sowie Treueprämienzahlungen für Werktätige in der Energiewirtschaft im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wie tenoriert, festzustellen. Soweit der Kläger höhere, als die tenorierten, Entgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien und Treueprämien begehrt, war die Berufung im Übrigen (zumindest aus Gründen der Klarstellung) zurückzuweisen.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid vom 30. Juni 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 2. August 2010, vom 14. April 2011 und vom 18. August 2011ist teilweise rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 30. Juni 2000 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 2. August 2010, vom 14. April 2011 und vom 18. August 2011 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien sowie Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst. Aus dem Wort "erzielt", folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden, ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Dabei ist ausschließlich die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dabei ist es – dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsprechend – ausreichend, wenn ein mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 – B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 1, RdNr. 18 = JURIS-Dokument, RdNr. 18), weil der Arbeitsentgeltbegriff grundsätzlich weit gefasst ist. Insofern stellen grundsätzlich alle direkten und indirekten Leistungen des Arbeitgebers eine Gegenleistung für die vom Beschäftigten zu erfüllende Arbeitspflicht dar und werden im Hinblick hierauf gewährt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise allerdings dann, wenn sich für die Einnahme eine andere Ursache nachweisen lässt. Leistungen, die aus einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden, sind keine Gegenleistungen für die Arbeitsleistung oder die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und daher kein Arbeitsentgelt. Dies gilt insbesondere für Vorteile, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen (dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 5/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 30; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 6/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 7/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 8/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 43; ebenso: Knospe in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB IV, § 14, RdNr. 27 [Stand: Februar 2016]).

 

Handelt es sich um Arbeitsentgelt, ist (in einem zweiten Schritt) weiter zu prüfen, ob die bundesrechtliche Qualifizierung als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zur Wahrung der im Gesetz genannten Ziele zu bestimmen, dass "einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten". Auf der Grundlage dieser Ermächtigung ist die ArEV ergangen. Sie ist auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 übergeleitet worden (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34). § 1 ArEV regelt, dass "einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV (Ausnahme für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in der gesetzlichen Unfallversicherung) nichts Abweichendes ergibt". Diese Regelung ist bei der Bestimmung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu beachten (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 34; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Maßgeblich ist dabei ausschließlich die bundesrepublikanische Rechtslage des Steuerrechts im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35 und RdNr. 39; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16).

 

1.

Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden, ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss der – insoweit nur noch streitgegenständlichen – Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch für die Zuflussjahre 1974 bis 1983, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter a). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar ebenfalls nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für die Zuflussjahre 1974 bis 1983, in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können (dazu nachfolgend unter b).

 

a)

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1983, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er selbst – abgesehen von den nicht streitgegenständlichen Zuflussjahren 1986, 1987 und 1989 – nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine (weiteren) Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er auch selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien in Betrieben des VEB Energiekombinat W.... liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010 ergibt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

bb)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1983, glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die „gute Möglichkeit“ aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die begehrten Zuflussjahre 1974 bis 1983 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aaa)

Der Kläger war in den Planjahren 1973 bis 1982 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Energieversorgung W.... (Netzbetrieb A....) (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR), wie sich aus den vorgelegten Arbeits- und Arbeitsänderungsverträgen sowie aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

 

bbb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: B...., "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

ccc)

Ausgehend von den schriftlichen Auskünften des Zeugen S.... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR).

 

Der Zeuge S...., der den Kläger aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit 1967 kannte und als Gewerkschaftsvertrauensmann für die Festlegung der Jahresendprämien im Betrieb mitverantwortlich war, gab in seiner schriftlichen Auskunft vom 20. Februar 2014 an, dass der VEB Energiekombinat W.... seit 1973 jährlich an alle Mitarbeiter des Bereichs, in dem der Kläger tätig war, eine Jahresendprämie auszahlte. Kürzungen der Jahresendprämien infolge Fehlschichten, mangelnder Arbeitsleistung oder Disziplin hat es in dem Bereich, in dem der Kläger tätig war, nicht gegeben. In seiner vom Sozialgericht Dresden mit gerichtlichem Schreiben vom 14. September 2021 eingeholten ergänzenden Erklärung vom 5. Oktober 2021 bestätigte der Zeuge S.... diese Angaben und führte weitergehend aus: Die seit 1973 jährlich, ohne Unterbrechung gezahlten Jahresendprämien wurden an die Mitarbeiter regelmäßig in den Monaten Februar bzw. März des auf das Planjahr folgenden Jahres in bar anhand einer vorgegebenen Liste am Arbeitsort des Mitarbeiters ausgezahlt; für den Kläger und den Zeugen erfolgte die Auszahlung am Arbeitsort in A..... Grundsatz der Jahresendprämienauszahlung im Betrieb war, dass die Jahresendprämie etwa einem Monatsgehalt des Mitarbeiters entsprechen sollte, was in der Praxis entsprechend des Gesamtbetriebsergebnisses des Betriebsteils zu einem jährlich geringfügig abweichenden Gesamtbetrag führte, der zur Zahlung der Jahresendprämien bereitgestellt wurde. Auf dieser Grundlage erstellte die Abteilung Ökonomie für die jeweiligen Bereiche Listen, in die die Jahresendprämienbeträge für jeden Mitarbeiter eingetragen wurden. Um eine "Gleichmacherei" auszuschließen, waren die Leiter angehalten, grundsätzlich unter einem Teil der Mitarbeiter die Jahresendprämienbeträge entsprechend deren Einsatzbereitschaft oder wegen längerer Krankheit zu differenzieren. Das erfolgte, indem der Ingenieurbereichsleiter eine Reduzierung auf bis zu 95 Prozent oder aber Aufwertung auf bis zu 105 Prozent der Jahresendprämie vorschlug und nach Ab- oder Zustimmung der Gewerkschaft durch den Gewerkschaftsvertrauensmann diesen korrigierten Betrag in die Liste eintrug. Dies stellte dann die Berechnungsgrundlage für den Auszahlbetrag der Jahresendprämie auf der Auszahlungsliste dar. Als Gewerkschaftsvertrauensmann oblag dem Zeugen außerdem die Ausfüllung der ab 1979 üblichen Dankeskärtchen mit dem jeweiligen Betrag der Jahresendprämie, Eintütelung des Geldbetrages und Namensbeschriftung des Briefumschlages sowie die Übergabe der Jahresendprämie gegen Unterschrift auf der vorgegebenen Auszahlungsliste. Der Zeuge schloss aus, dass der Kläger keine Jahresendprämie erhalten hat. In zwei Jahren wurde die Jahresendprämie für den Kläger wegen Krankheit zwar gekürzt. Sie wurde jedoch jährlich, ohne Ausnahme, an alle Mitarbeiter im Bereich des Klägers innerhalb der 95 Prozent- bis 105 Prozent-Grenze gezahlt.

 

Die Angaben des Zeugen S.... korrespondieren mit den Auskünften in den Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010. Auch dort wird jeweils ausgeführt, dass der VEB Energiekombinat W.... Jahresendprämien bis einschließlich 1991 jährlich an die Mitarbeiter auf der Grundlage ihres Monatsverdienstes auszahlte.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine erhebliche Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben des Zeugen S.... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Den Arbeitsänderungsverträgen ist zu entnehmen, dass der Kläger kontinuierliche Gehaltssteigerungen wegen seiner guten betrieblichen Arbeitsleistungen erreichte. Wiederholt wurden dem Kläger vom Betrieb Lohnerhöhungen in Anerkennung seiner Leistungen gewährt.

 

"In Anerkennung hervorragender Leistungen im Rahmen der Bestenbewegung" wurde dem Kläger mit Urkunde vom 13. Oktober 1978 der Titel als "Bester im sozialistischen Wettbewerb" im 3. Quartal 1978 verliehen.

 

"In Anerkennung [seines] vorbildlichen Einsatzes bei der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung und der Industrie mit Elektroenergie, Gas und Wärme während der schweren Wetterunbilden Anfang 1979" wurde dem Kläger mit Urkunde von Januar 1979 ein Lob ausgesprochen und ihm für seine hervorragenden Leistungen gedankt. Zudem erhielt "in Anerkennung initiativreicher Mitarbeit und hoher Einsatzbereitschaft im Winterkampf" im Januar 1979 eine "Ehrenurkunde" vom Generaldirektor der VVB Energieversorgung überreicht.

 

Mit betrieblichem Schreiben vom 24. November 1980 wurde dem Kläger für seine gezeigte Einsatzbereitschaft und seine gezeigten Leistungen vom Betrieb gedankt und ihm Anerkennung ausgesprochen. In Würdigung dieser besonderen Leistungen erhielt er eine Anerkennungsprämie in Höhe von 300,00 Mark ausgezahlt.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise des Klägers im Übrigen durch die ihm von seinem Beschäftigungsbetrieb mit Urkunde vom 26. Juni 1981 verliehene Auszeichnung als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“. Mit dieser Auszeichnung wurden unter anderem hervorragende und beispielgebende Arbeitsleistungen gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung des Ehrentitels ‚Aktivist der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war). Darüber hinaus spricht für seine vorbildliche Arbeit auch die ihm von seinem Beschäftigungsbetrieb in den Jahren 1974 bis 1980 verliehenen Auszeichnungen jeweils als Mitglied eines „Kollektivs der sozialistischen Arbeit“. Mit diesen Auszeichnungen wurden jeweils unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch des Klägers, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

b)

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1982) in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter aa), jedoch für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter bb).

 

aa)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1982) in den Jahren 1974 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er selbst – abgesehen von den nicht streitgegenständlichen Zuflussjahren 1986, 1987 und 1989 – nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine (weiteren) Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er auch selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien in Betrieben des VEB Energiekombinat W.... liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010 ergibt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes, die konkret zu Gunsten des Klägers ausgestellt worden sind, konnte auch der Zeuge S.... nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

bb)

Die konkrete Höhe der an den Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1973 bis 1982) in den Jahren 1974 bis 1983 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aaa). Allerdings sind die für die Planjahre 1973 bis 1982 in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämienbeträge zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bbb):

 

 

aaa)

Den Angaben des Klägers sowie des Zeugen S.... kann lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte bzw. sich durchschnittlich im Bereich eines Bruttomonatslohnes bewegte. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten jedoch nicht getätigt werden. Der Kläger und der Zeuge konnten lediglich angeben, dass Basis der Berechnung der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge auf der Grundlage der Planerfüllung und des Monatsgehalts berechnet wurden. Die individuelle Festlegung erfolgte leistungsabhängig durch die Betriebsleitung (in Abstimmung mit der Gewerkschaftsleitung), ausgerichtet nach dem Betriebsergebnis und differenziert im Einzelnen. Eine weitergehende Präzisierung erbrachte die Zeugenbefragung nicht. Soweit der Zeuge S.... in seinen schriftlichen Erklärungen vom 20. Februar 2014 und vom 5. Oktober 2021 ausführte, die Höhe der Jahresendprämien habe "etwa" einem Monatsgehalt entsprochen bzw. "zwischen" 90 Prozent und 105 Prozent des Monatsbruttoverdienstes gelegen bzw. im Jahresdurchschnitt bei "etwa" 95 Prozent in den einzenen Jahren gelegen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Angaben jeglicher Tatsachenbasis entbehren, da weder dargelegt noch nachvollziehbar erläutert wird, aus welchen konkreten Kennziffern und Berechnungselementen sich dieser Durchschnittsbetrag ergibt. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist mit solchen "in der Regel"-, "circa"-, "zwischen"-, "etwa"- oder "ungefähr"-Angaben nicht verbunden, denn es handelt sich bei ihnen um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder vom Zeugen noch vom Kläger getätigt werden.

 

In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers sowie des Zeugen zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende und vor mehr als 30 bis 45 Jahren ausgezahlten Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade des vom Kläger oder den Zeugen angegebenen Prozentsatzes eines Brutto- oder Nettomonatslohns abzugeben geeignet ist.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der vom Kläger und dem Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Brutto- oder Nettomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

 

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke, "Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie", NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

 

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

 

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder der Zeuge nachvollziehbare Angaben tätigen.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa, weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

 

bbb)

Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für "diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes" nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinnes und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie" dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine "statische Fortschreibung" der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit sich die Beklagte im Übrigen auf die Urteile des – seit 1. Juni 2021 nicht mehr für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen – 4. Senats des Sächsischen LSG vom 21. April 2020 in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 60) und L 4 R 461/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 63) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat – trotz Überprüfung – keinen Anlass sieht seine begründete und ausgewogene Rechtsauffassung aufzugeben oder abzuändern. Denn die von der Beklagten zitierten Urteile des 4. Senats des Sächsischen LSG setzen sich mit der eingehend begründeten Argumentation des 5. und 7. Senats des Sächsischen LSG nicht auseinander, sondern gehen lediglich vom Gegenteil aus und weisen noch dazu darauf hin, dass diese Rechtsfrage in den dort entschiedenen Fällen gerade nicht entscheidungstragend war (wörtlich heißt es dort: "unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Prämien-Verordnungen – wie vom 5. Senat des Sächsischen LSG und dem Sozialgericht angenommen – in den vorliegend streitigen Zuflussjahren von 1977 bis 1983 überhaupt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf Auszahlung von Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen in einer gesetzlich bestimmten Höhe herangezogen werden können, …"). Im Übrigen behandelt der erkennende Senat die Prämienverordnungen der DDR auch nicht – wie die Beklagte meint – "als Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen"; der Auszahlungsanspruch ergibt sich allein aus § 117 Abs. 1 DDR-AGB; insoweit besteht auch keinerlei Divergenz zur Rechtsansicht des 4. Senats des Sächsischen LSG. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bayerischen LSG vom 24. Oktober 2019 im Verfahren L 1 RS 2/16 (JURIS-Dokument). Denn auch in diesem wird – neben dem lediglich fast zehnseitigem "Abschreiben" aus den Urteilen des 5. und 7. Senats des Sächsischen LSG – nur angeführt, dass die Prämienverordnungen keinen konkreten individuellen Anspruch des einzelnen Beschäftigten vermitteln. Davon geht – nochmals – auch der erkennende Senat aus. Die Prämienverordnungen werden vom erkennenden Senat lediglich als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" (vgl. zu diesem Aspekt nochmals: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) für die Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen herangezogen, wenn und soweit dieser einzelne Werktätige im konkreten Verfahren aufgrund individueller Umstände glaubhaft gemacht hat, dass er im jeweils konkreten Jahresendprämienjahr die Anspruchsvoraussetzungen nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB konkret erfüllt hatte. Einen "Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämien aus den Prämienverordnungen" nimmt der erkennende Senat – entgegen der wiederholten Behauptungen der Beklagten – weder an, noch leitet er ihn hieraus ab. Die Prämienverordnungen dienen lediglich als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach. Aus diesen – bereits aufgezeigten – Gründen kann die Beklagte auch nicht mit ihrem Hinweis auf die Urteile des LSG Berlin/Brandenburg vom 10. März 2022 im Verfahren L 17 R 471/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 33 ff.) und vom 24. März 2022 im Verfahren L 17 R 360/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 37 ff.) durchdringen. Denn – wie bereits dargelegt – handelt es sich bei der vom erkennenden Senat angewandten Heranziehung der Prämienverordnungen (als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach) nicht um eine – wie vom LSG Berlin/Brandenburg behauptete – "konservative Schätzung der Höhe der Jahresendprämie".

 

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben die erläuterten Regelungen damit für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre 1973 bis 1982 und damit für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 Bedeutung, weil der Kläger in diesen Jahren den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 30. Juni 2000 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelten (Entgeltbescheinigung der ESAG vom 16. Juni 1999 bzw. der ENSO Energie U.... AG vom 21. Juli 2010), hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 30. Juni 2000 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte (Entgeltbescheinigung der ESAG vom 16. Juni 1999 bzw. der ENSO Energie U.... AG vom 21. Juli 2010) sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1973 bis 1982 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1974 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämien wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1973

12.159,98 M

1.013,33 M

337,78 M

281,48 M

1974

1974

11.513,80 M

959,42 M

319,81 M

266,51 M

1975

1975

12.457,60 M

1.038,13 M

346,04 M

288,37 M

1976

1976

11.027,96 M

919,00 M

306,33 M

255,27 M

1977

1977

10.374,81 M

864,57 M

288,19 M

240,16 M

1978

1978

14.289,30 M

1.190,78 M

396,93 M

330,77 M

1979

1979

8.968,27 M

747,36 M

249,12 M

207,60 M

1980

1980

14.073,74 M

1.172,81 M

390,94 M

325,78 M

1981

1981

15.236,82 M

1.269,74 M

423,25 M

352,71 M

1982

1982

13.829,95 M

1.152,50 M

384,17 M

320,14 M

1983

 

c)

Die (in der Mindesthöhe in den Jahren 1974 bis 1983 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

2.

Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft dar (vgl. dazu bereits ausführlich: Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - L 5 RS 166/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-40; Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 5 RS 706/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 47), da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten "Berufstreue und Pflichterfüllung" handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und nicht sozialversicherungspflichtig war. Die Treueprämie für Werktätige in der Energiewirtschaft stellt daher eine Einnahme aus der Beschäftigung des Klägers in Betrieben der Energiewirtschaft dar.

 

a)

Nach der Präambel der "Verfügung Nr. 6/75 zur Zahlung einer Treueprämie für Werktätige in der Energiewirtschaft" (nachfolgend Verfügung Nr. 6/75) des Ministers des Ministeriums für Kohle und Energie vom 29. Juli 1975 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: DG 12/1699) wurde den Werktätigen des Industriezweiges Energie zur Herausbildung von Stammbelegschaften mit umfangreicher Berufserfahrung (erstmals) jährlich eine Treueprämie gewährt. Diese Regelung galt für die Kombinate, Betriebe und Einrichtungen im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie, die den Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen im Industriezweig Energie anwandten; sog. Energiebetriebe (Nr. 1 der Verfügung Nr. 6/75). Die Treueprämie war jährlich aus Anlass des "Tages des Bergmanns und des Energiearbeiters" in würdigender Form auszuzahlen (Nr. 2 der Verfügung Nr. 6/75); der Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters wurde in der DDR, gemäß § 1 Abs. 1 der "Verordnung über Ehrentage für Werktätige in weiteren Bereichen der Volkswirtschaft und die Verleihung staatlicher Auszeichnungen" vom 30. Januar 1975 (DDR-GBl. I Nr. 11 S. 197), jährlich am ersten Sonntag des Monats Juli begangen. Anspruch auf Treueprämie hatten alle Werktätigen mit Ausnahme der Angehörigen der technischen Intelligenz, die bereits Treueprämie auf der Grundlage der "5. Durchführungsbestimmung zur Verordnung zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur des deutschen Volkes und zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Intelligenz" vom 24. Januar 1956 (DDR-GBl. I Nr. 18 S. 163) erhielten (Nr. 3 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75). Voraussetzung für den Anspruch auf Treueprämie war eine mindestens zweijährige Zugehörigkeit zu einem Energiebetrieb (Nr. 4 der Verfügung Nr. 6/75). Bei ununterbrochener Beschäftigungszugehörigkeit wurden

  • nach zwei Jahren       zwei Prozent,
  • nach fünf Jahren        fünf Prozent und
  • nach zehn Jahren      acht Prozent

eines Jahresbruttoverdienstes als Treuprämie gewährt (Nr. 5 der Verfügung Nr. 6/75). Anrechnungsbeginn für die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit war für

  • die Produktionsarbeiter das Jahr 1971,
  • die übrigen Beschäftigten das Jahr 1972 und
  • die Werktätigen der besonders bestätigten Neubaukraftwerke das Jahr 1969

(Nr. 6 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75). Die in Nr. 5 der Verfügung Nr. 6/75 genannte Anspruchshöhe auf Treueprämie war gegeben, wenn am 30. Juni vor dem Zahlungstermin die erforderliche Dauer der Betriebszugehörigkeit erreicht war (Nr. 6 Satz 2 der Verfügung Nr. 6/75). Als Anspruchszeitraum galt die Zeit zwischen dem "Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters" des laufenden und des folgenden Jahres (Nr. 7 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75). Er rechnete vom 1. Juli bis zum 30. Juni (Nr. 7 Satz 2 der Verfügung Nr. 6/75). Berechnungszeitraum der Treueprämie war das vorausgegangene Kalenderjahr, also der jeweilige Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember (Nr. 8 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75). Der maßgebliche Jahresbruttoverdienst war auf der Grundlage der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II S. 551) sowie den dazu erlassenen Bestimmungen zu ermitteln (Nr. 8 Satz 2 der Verfügung Nr. 6/75). Lagen im Berechnungszeitraum Zeiten von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Arbeitsunfalls, Berufskrankheit oder Quarantäne, von Schwangerschafts- und Wochenurlaub, usw., so war zur Errechnung des Jahresbruttoverdienstes der Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen, den der Werktätige erzielt hätte, wenn er in dieser Zeit seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hätte (Nr. 8 Satz 3 der Verfügung Nr. 6/75). Bei Lohn- und Arbeitsveränderungen im Berechnungszeitraum, die zur Neuberechnung des Durchschnittsverdientes führten, war der Jahresbruttoverdienst getrennt für die Zeit vor und nach der Veränderung zu ermitteln (Nr. 8 Satz 4 der Verfügung Nr. 6/75). Als Maximalgrenze eines Jahresbruttoverdienstes galt der Betrag von 20.000 Mark (Nr. 8 Satz 5 der Verfügung Nr. 6/75). In bestimmten Fällen des Ausscheidens aus dem Energiebetrieb konnte die Treueprämie anteilig für die Beschäftigungszeit vom "Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters" bis zum Ausscheiden gezahlt werden (Nr. 10 der Verfügung Nr. 6/75). Die Treuprämie wurde bei Fehlschichten im Anspruchszeitraum

  • bei einer Fehlschicht um zehn Prozent,
  • bei zwei Fehlschichten um 25 Prozent,
  • bei drei Fehlschichten um 50 Prozent jeweils gekürzt und

bei mehr als drei Fehlschichten entfiel die Treueprämie vollständig (Nr. 12 der Verfügung Nr. 6/75). Die Verfügung trat mit Wirkung vom 1. August 1975 in Kraft (Nr. 14 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75). Zuvor galt die "Verfügung Nr. 4/72 zur Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" (nachfolgend: Verfügung Nr. 4/72) des Ministers für Kohle und Energie vom 29. Februar 1972 (abgedruckt in: Verfügungen und Mitteilung des Ministeriums für Kohle und Energie 1972 Nr. 1 S. 8ff.), mit der für die Werktätigen im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie, die nach dem Energietarif entlohnt wurden, mit Wirkung ab 1. Januar 1973 (Nr. 2 der Verfügung Nr. 4/72), zur materiellen Interessiertheit an hohen ökonomischen Ergebnissen und zur Herausbildung von Stammbelegschaften mit langjähriger Berufserfahrung die Jahresendprämie ab 1973 mit der Gewährung von Treueanteilen für langjährige Beschäftigung verbunden wurde (Nr. 1 der Verfügung Nr. 4/72). Diese Werktätigen erhielten Treueanteile für die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von

  • zwei Jahren in Höhe von zwei Prozent,
  • nach fünf Jahren in Höhe von fünf Prozent und
  • nach zehn Jahren in Höhe von acht Prozent

eines Jahresbruttoverdienstes (Nr. 7 der Verfügung Nr. 4/72), die mit der Jahresendprämie in einer Summe an dem zur Zahlung der Jahresendprämie festgelegten Tag ausgezahlt wurden (Nr. 9 Satz 1 der Verfügung Nr. 4/72). Separate Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft wurden daher im Zeitraum vom 1. Januar 1973 bis 31. Juli 1975 nach den gesetzlichen Regelungen nicht gezahlt.

 

b)

Ausgehend von diesen Regelungen kann festgehalten werden, dass die Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft dem Grunde nach unter den Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV fallen und daher dementsprechende Entgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG als Arbeitsentgelt festzustellen sind, sofern deren Höhe nachgewiesen oder diese zumindest glaubhaft gemacht worden ist (§ 6 Abs. 6 AAÜG).

 

aa)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft konnte er selbst – abgesehen von den nicht streitgegenständlichen Zuflussjahren 1985, 1986 und 1988 – nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine (weiteren) Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft belegen könnte, wie er auch selbst ausführte.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft in Betrieben des VEB Energiekombinat W.... liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010 ergibt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

bb)

Im vorliegenden konkreten Fall konnte der Kläger die Zahlung von Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft für die von ihm nur noch begehrten streitgegenständlichen Zuflussjahre 1980 bis 1984, 1987 und 1989 allerdings glaubhaft machen. Dies ergibt sich aus folgenden, konkreten Umständen des Einzelfalles:

 

In den Schreiben der ENSO Strom AG W.... vom 14. März 2008 und der ENSO Energie U.... AG vom 20. Juli 2010 ist jeweils konkret bestätigt, dass die Beschäftigten des ehemaligen VEB Energiekombinat W.... – und damit auch der Kläger – in Würdigung langjähriger ununterbrochener Tätigkeit eine jährliche Treueprämie auf der Grundlage der Rahmenkollektivverträge Bergbau und Energie erhielten. Weitergehend wird zudem auch ausgeführt: Anspruchsvoraussetzung war eine mindestens zweijährige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit. Entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit zahlte der Beschäftigungsbetrieb die im Rahmenkollektivvertrag festgelegten Prozentsätze, bezogen auf den Jahresbruttolohn. Die letztmalige Zahlung der Treueprämie erfolgte im Juni 1992 für das Jahr 1991.

 

Der Zeuge S.... gab in seiner schriftlichen Auskunft vom 5. Oktober 2021 zudem konkret an, dass die Treueprämien im Betrieb des Klägers aufgrund gesetzlicher Regelungen jährlich ab dem Jahr 1980 gezahlt wurden.

 

Sowohl den Zeugenerklärungen, als auch den bereits gewürdigten Arbeitsunterlagen des Klägers ist zu entnehmen, dass der Kläger keine (unentschuldigten) Fehlschichten verfahren hat, weil er sich als zuverlässiger, vorbildlicher, hervorragende Arbeitsleistungen verrichtender Beschäftigter auszeichnete.

 

Ausweislich der vorgelegten Arbeitsänderungsverträge (beispielsweise vom 28. August 1984 und vom 18. April 1989) richteten sich die Kondition des Arbeitsrechtsverhältnisses des Klägers zu seinem Betrieb (seit dem Jahr 1978) auch nach dem Rahmenkollektivvertrag Energie von 1978.

 

Der Kläger war, entgegen der Mutmaßung der Beklagten, auch nicht gemäß Nr. 3 Satz 1 der Verfügung Nr. 6/75 vom Anspruch auf Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft ausgeschlossen. Zwar wurden ihm – zumindest bis zum Jahr 1978 – Treueprämien auf der Grundlage der "5. Durchführungsbestimmung zur Verordnung zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur des deutschen Volkes und zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Intelligenz" vom 24. Januar 1956 (DDR-GBl. I Nr. 18 S. 163) gewährt. Diese waren jedoch zum einen ausweislich des Arbeitsänderungsvertrages vom 14. Dezember 1977 in das Gehalt einbezogen. Und zum anderen belegen die vom Kläger vorgelegten persönlichen Nachweise über die ihm im Juni 1985 (in Höhe von 1.206,00 Mark), im Juli 1986 (in Höhe von 1.219,00 Mark) und im Juli 1988 (in Höhe von 1.220,00 Mark) zugeflossenen Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft, dass dieser Ausschluss, ab dem Jahr 1980 nicht mehr galt bzw. im Betrieb nicht mehr praktiziert wurde. Denn die entsprechende Auskunft des Zeugen S...., dass die Treueprämien im Betrieb des Klägers aufgrund gesetzlicher Regelungen jährlich ab dem Jahr 1980 gezahlt wurden, wird durch dessen – vom Kläger im Klageverfahren eingereichte – persönliche Nachweise über die dem Zeugen ab dem Jahr 1980 zugeflossenen Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft belegt.

 

Glaubhaft gemacht ist damit im vorliegenden Fall, dass der Kläger in den streitgegenständlichen Jahren 1980 bis 1984, 1987 und 1989

  • in einem Betrieb im Bereich des Ministeriums für Kohle und Energie, der den Rahmenkollektivvertrag im Industriezweig Energie anwandte, beschäftigt war,
  • Anspruch auf Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft hatte,
  • ausgehend vom Betriebszugehörigkeitsanrechnungsbeginn (1. Januar 1972) bis 31. Dezember 1981 eine mindestens fünfjährige und ab 1. Januar 1982 eine mindestens zehnjährige ununterbrochene Beschäftigungszeit aufwies und
  • keine Fehlschichten verfuhr.

Die kalenderjährlichen Bruttoarbeitsverdienste sind den Entgeltbescheinigungen der ESAG vom 16. Juni 1999 bzw. der ENSO Energie U.... AG vom 21. Juli 2010 zu entnehmen.

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Treuprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft, die ihm in den Jahren 1980 bis 1984, 1987 und 1989 zugeflossen sind und die jeweils zum "Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters", also am ersten Sonntag im Monat Juli der streitgegenständlichen Zuflussjahre, zur Auszahlung gelangten, wie folgt berechenbar und daher zu berücksichtigen:

 

vorangegangenes Kalenderjahr

Jahresbruttoarbeitsverdienst

Prozentsatz der Treueprämie

Betrag der Treueprämie

davon fünf Sechstel

Zuflussjahr

1979

8.968,27 M

5

448,41 M

373,67 M

1980

1980

14.073,74 M

5

703,69 M

586,41 M

1981

1981

15.236,82 M

8

1.218,95 M

1.015,79 M

1982

1982

13.829,95 M

8

1.106,40 M

922,00 M

1983

1983

15.602,20 M

8

1.248,18 M

1.040,15 M

1984

1986

14.956,60 M

8

1.196,53 M

997,11 M

1987

1988

15.824,36 M

8

1.265,95 M

1.054,92 M

1989

 

Ein kontrollierender Vergleich der vom Kläger mit den Belegen nachgewiesenen, tatsächlich bezogenen Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft der Jahre 1985 (1.206,00 Mark), 1986 (1.219,00 Mark) und 1988 (1.220,00 Mark) ergibt, legt man die in den Entgeltbescheinigungen der ESAG vom 16. Juni 1999 bzw. der ENSO Energie U.... AG vom 21. Juli 2010 für die jeweiligen Kalendervorjahre bescheinigten Bruttoarbeitsentgelte zu Grunde, folgende Werte:

  • 1984:   11.660,12 Mark, davon acht Prozent: 932,81 Mark (Zufluss 1985)
  • 1985: 11.652,50 Mark, davon acht Prozent: 932,20 Mark (Zufluss 1986)
  • 1987:   15.819,14 Mark, davon acht Prozent: 1.265,53 Mark (Zufluss 1988)        

und bestätigt damit die Plausibilität der im Rahmen der Glaubhaftmachung (§ 6 Abs. 6 AAÜG) vorgenommenen Berechnung.

 

c)

Die Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne der § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft regeln würde, liegt nicht vor. Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 EStG steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

III.

Zusammenfassend ist daher zu konstatieren, dass zu Gunsten des Klägers folgende zusätzliche Entgelte festzustellen sind:

 

Zuflussjahr

Jahresendprämien

Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft

Gesamtbetrag

1974

281,48 M

 

281,48 Mark

1975

266,51 Mark

 

266,51 Mark

1976

288,37 Mark

 

288,37 Mark

1977

255,27 Mark

 

255,27 Mark

1978

240,16 Mark

 

240,16 Mark

1979

330,77 Mark

 

330,77 Mark

1980

207,60 Mark

373,67 Mark

581,27 Mark

1981

325,78 Mark

586,41 Mark

912,19 Mark

1982

352,71 Mark

1.015,79 Mark

1.368,50 Mark

1983

320,14 Mark

922,00 Mark

1.242,14 Mark

1984

 

1.040,15 Mark

1.040,15 Mark

1987

 

997,11 Mark

997,11 Mark

1989

 

1.054,92 Mark

1.054,92 Mark

 

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits. Eine vollständige Kostenerstattung kam – trotz der im Berufungsverfahren nur noch für die Zuflussjahre 1974 bis 1983 in der Mindesthöhe geltend gemachten Jahresendprämien und nur noch für die Zuflussjahre 1980 bis 1984, 1987 und 1989 geltend gemachten Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft – nicht in Betracht, weil sowohl im Widerspruchs-, als auch (ursprünglich) im Klageverfahren Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1961 (später 1969) bis 1973 und 1984 bis 1990 in Höhe von (mindestens) 70 Prozent des Entgelts des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt sowie Treueprämien auch für die Zuflussjahre 1961 (später 1976) bis 1979 als glaubhaft gemachtes Arbeitsentgelt begehrt wurden. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung war eine einheitliche Kostenquote für das gesamte Verfahren zu bilden.

 

V.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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