L 5 KR 284/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3126/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 284/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Fortführung einer Familienversicherung in der Zeit vom 16.12.2016 bis zum 30.09.2020.

Der 1991 geborene Kläger war bis einschließlich 15.12.2016 gem. § 10 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) familienversichertes Mitglied der Beklagten. Bis zu seinem Krankenkassenwechsel am 01.06.2021 war er im Anschluss daran gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V Mitglied in der studentischen Versicherung der Beklagten.

Der Kläger studierte ab 30.08.2012 an der Universität W Business Management. Seit seiner Geburt ist beim Kläger aufgrund einer geburtstraumatischen kompletten Plexusparese rechts mit residueller Armparese ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Mit Bescheid vom 09.01.2017 – gerichtet an den Kläger und dessen Mutter – stellte die Beklagte das Ende der Familienversicherung mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers am 15.12.2016 fest. Im beiliegenden Infoblatt teilte die Beklagte mit, die Familienversicherung bestehe grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr und könne in bestimmten Fällen auch bis zum 25. Lebensjahr bzw. darüber hinaus erhalten bleiben. Für Kinder, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage seien, sich selbst finanziell zu unterhalten, bestehe keine Altersbegrenzung. Voraussetzung sei, dass die Behinderung während der Zeit der Familienversicherung bereits bestanden habe.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 14.01.2017 die Fortführung der Familienversicherung. Durch seine Geburtsschädigung benötige er in Schule und Studium mehr Zeit als andere. Des Weiteren müsse er seit Geburt viele Therapien und Sport absolvieren, um nicht zu versteifen. Dies belaste ihn finanziell sehr, da er neben dem Studium keiner Nebentätigkeit nachgehen könne.

Mit Bescheid vom 27.03.2017 lehnte die Beklagte die Weiterführung der Familienversicherung ab. Ein Anspruch auf Familienversicherung ohne Altersbegrenzung bestehe nur, wenn das Kind behinderungsbedingt auf Dauer außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Auch der beim Kläger festgestellte Grad der Behinderung von 50 rechtfertige nicht die Fortführung der Familienversicherung.

Hiergegen legte der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung mit Schreiben vom 04.04.2017 Widerspruch ein und legte auf Anforderung der Beklagten Atteste des ihn behandelnden W1 (Bericht vom 10.05.2017) und des H (Attest vom 17.07.2018) vor. W1 führte aus, beim Kläger bestehe wegen der vorhandenen Plexusparese eine eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergürtels. Der Kläger sei dadurch nicht in der Lage, neben seinem Studium eine berufliche Tätigkeit auszuüben und für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. H legte dar, die Plexusparese bedinge beim Kläger muskuläre Dysbalancen im gesamten Oberkörperbereich. Deswegen müssten regelmäßige Therapieeinheiten durchgeführt werden, die viel Zeit in Anspruch nähmen. Es bestünden wechselnde Beschwerden, so dass Lernpausen eingelegt werden müssten. Eine Verlängerung der Familienversicherung werde befürwortet.

In den beiden von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 21.06.2018 und vom 02.11.2018 führte W2 aus, die medizinischen Voraussetzungen für einen Verbleib in der Familienversicherung seien nicht erfüllt. Der Kläger sei trotz seiner Behinderung grundsätzlich in der Lage, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Die Tatsache, dass ihm dies neben seinem Studium nicht möglich sei, treffe auf viele Studierende zu und begründe keinen Anspruch auf einen Verbleib in der Familienversicherung.

Mit Bescheid vom 20.11.2018 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 16.12.2016 Mitglied in der studentischen Versicherung der Beklagten sei. Der monatliche Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung betrage derzeit 95,53 €, bis zum 30.06.2017 habe er 93,59 € betragen. Mit Zahlungsaufforderung vom 21.12.2018 forderte die Beklagte den Kläger zum Ausgleich der fälligen Forderungen bzw. der Beitragszahlung in Höhe von insgesamt 2.258,28 € (Beitragsforderung 2.234,78 €, Säumniszuschläge 11,50 €, Mahngebühren 12,00 €) auf. Zugleich wies die Beklagte darauf hin, dass bei Nichtzahlung der Beitragsrückstände die Leistungsansprüche des Klägers zum Ruhen kommen könnten. Mit Bescheid vom 21.01.2019 stellte die Beklagte das Ruhen der Leistungsansprüche ab dem 28.01.2019 fest und forderte den Kläger mit weiteren Schreiben vom 21.01.2019, 21.03.2019, 23.04.2019, 22.05.2019 und vom 19.06.2019 zur Begleichung der Forderung auf. Mit Bescheid vom 03.07.2019 erklärte die Beklagte die Rücknahme des Ruhensbescheides und stundete dem Kläger die bislang angemahnten Beiträge bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.03.2017 als unbegründet zurück. Eine Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V komme nicht in Betracht. Die Behinderung des Klägers selbst sei nicht dafür ursächlich, dass er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Vielmehr sei er aufgrund seines Studiums sowie der sportlichen Aktivitäten und Therapien zeitlich gebunden. Die notwendige Kausalität zwischen der Behinderung und dem Außerstande sein, sich selbst zu unterhalten, liege damit nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger am 26.09.2019 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat er unter Vorlage eines Attestes des ihn behandelnden A vom 26.11.2019 und des H vom 17.07.2018 ausgeführt, er sei aufgrund seiner geburtstraumatischen Plexusparese mit bleibender Bewegungseinschränkung der gesamten oberen rechten Körperhälfte in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens entwicklungs- und leistungsverzögert. Zur Erhaltung seines Gesundheitszustandes müsse er intensiv Sport treiben sowie mehrmals täglich physiotherapeutische Übungen durchführen. Die Behinderung habe seine Ausbildung und sein Studium beeinträchtigt und leidensbedingt verzögert. Er studiere derzeit im 5. Fachsemester Master. Das Studium könne voraussichtlich im Sommersemester 2020 im 6. Fachsemester abgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergebe sich auch keine sehr wesentliche Überschreitung der Studienzeit.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Insbesondere habe der den Kläger behandelnde A (hierzu im Folgenden) ausgeführt, dass der Kläger (worauf es rechtlich ankomme) wegen seiner Behinderung nicht außerstande sei, sich selbst zu unterhalten.

Das Gericht hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Der H1 hat unter dem 11.02.2020 mitgeteilt, der Kläger habe sich 2003 und 2007 in seiner neurologischen Behandlung befunden. Eine aktuelle Einschätzung könne daher nicht abgegeben werden.

Der H hat unter dem 14.02.2020 ausgeführt, der Kläger leide hauptsächlich unter einem Zustand nach geburtstraumatischer kompletter Plexusparese rechts mit residueller Armparese.

Der A hat (Auskunft vom 12.02.2020) dargelegt, der Kläger sei wegen seiner Behinderungen nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten, sondern eingeschränkt.

Der W1 hat unter dem 02.04.2020 mitgeteilt, aus hausärztlicher Sicht könne der Kläger mit Einschränkungen durch die bestehenden körperlichen Behinderungen bestimmte - gutachterlich/fachärztlich festzulegende - Tätigkeiten ausüben.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.12.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die bei sinngemäßer Auslegung der Klageanträge zulässige Klage sei unbegründet. Die Bescheide vom 09.01.2017 und vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2019 seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei über den 15.12.2016 hinaus nicht mehr bei der Beklagten familienversichert. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V seien Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres familienversichert, wenn sie sich unter anderem in einer Berufsausbildung befänden. Der Kläger befinde sich zwar in einer Berufsausbildung, habe aber am 15.12.2016 das 25. Lebensjahr vollendet, so dass die Familienversicherung bei der Beklagten automatisch ende. Die Voraussetzungen einer Familienversicherung ohne Altersgrenze nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V lägen beim Kläger nicht vor. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V seien Kinder ohne Altersgrenze familienversichert, wenn sie als behinderte Menschen außerstande seien, sich selbst zu unterhalten. Ein Kind sei dann unfähig, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen eigenen Lebensunterhalt einschließlich notwendiger Aufwendungen infolge der Behinderung nicht selbst bestreiten könne (unter Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 10.12.1980 - 9 RV 11/80 -, in juris). Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Kind infolge der Behinderung nicht in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringe Einkünfte zu erzielen. Insoweit sei der Begriff des Außerstandeseins mit dem der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.08.1984 - 10 RKg 6/83 -, in juris). Es müsse ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Unmöglichkeit, sich selbst zu unterhalten, bestehen (Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Auflage, § 10 Rn. 42 m. w. N.). Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Der Kläger leide im Wesentlichen unter einer geburtstraumatischen kompletten Plexusparese rechts mit residueller Armparese. Dies entnehme das Gericht dem Attest des H vom 17.07.2018. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger durch diese Erkrankungen im Alltag eingeschränkt sei und wie er im Widerspruchsverfahren glaubhaft vorgetragen habe, viele Therapien und Sport absolvieren müsse, um seinen Gesundheitszustand zu erhalten. Jedoch führten diese Erkrankungen nicht dazu, dass der Kläger im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Der Kläger sei - wie mit der Klagebegründung ausgeführt - in der Lage, ein Studium zu absolvieren. Ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz vom 30.12.2019 ergebe sich durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht einmal eine wesentliche Überschreitung der Studienzeit. Die Tatsache, dass der Kläger neben dem Studium keiner Nebentätigkeit nachgehen könne, weil er krankheitsbedingt viel Zeit für Therapien benötige, führe nicht dazu, dass er in o.g. Sinne außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Wie vom MDK in den beiden Gutachten vom 21.06.2018 und 02.11.2018 zu Recht ausgeführt, seien die medizinischen Voraussetzungen für einen Verbleib in der Familienversicherung nicht erfüllt. Auch die sachverständigen Zeugen A und W1 bestätigten für das Gericht nachvollziehbar, dass der Kläger aufgrund seiner körperlichen Behinderungen nicht außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, sondern dass er dadurch lediglich eingeschränkt sei. Damit habe die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden zu Recht festgestellt, dass die Familienversicherung des Klägers nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V mit Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers am 15.12.2016 geendet habe.

Gegen den ihm am 21.12.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.01.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung verweist er auf seinen Vortrag erster Instanz und führt teilweise wiederholend und ergänzend aus, nach der Art der Behinderung könne er jede körperlich anstrengende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert für den eigenen Lebensunterhalt über einen längeren Zeitraum nicht erbringen. Unter besonderer Berücksichtigung seiner bestehenden Einschränkung habe er mit seinem jetzt im fortgeschrittenen Studium erworbenen Fachwissen seit Oktober 2020 eine stundenweise Tätigkeit als Hilfswissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Zentralverwaltung der Universität W finden können. Er könne damit jetzt erstmalig eine zwar eingeschränkte, aber konkrete Tätigkeit von einem wirtschaftlichem Wert ausüben, die zuvor wegen dazu noch nicht erreichter beruflicher Qualifikation nicht möglich gewesen sei. Seit 01.06.2021 sei er bei der TK und nicht mehr bei der Beklagten versichert. Der streitgegenständliche Zeitraum sei beschränkt auf die Zeit vom 16.12.2016 bis 30.09.2020. Ab 01.10.2020 habe er Beiträge an die Beklagte entrichtet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 14.12.2020 sowie die Bescheide der Beklagten vom 09.01.2017 und vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019 aufzuheben und festzustellen, dass er auch in der Zeit vom 16.12.2016 bis einschließlich 30.09.2020 bei der Beklagten familienversichert gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist vollumfänglich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Gerichtsbescheid und nimmt Bezug auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie auf das erstinstanzliche Vorbringen.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 23.07.2021 erörtert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (vgl. § 151 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist nach § 143 SGG statthaft.

Streitgegenständlich sind die Bescheide der Beklagten vom 09.01.2017 und vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019, mit dem die Beklagte das Ende der Familienversicherung am 15.12.2016 festgestellt und die Fortführung der Familienversicherung des Klägers über den 15.12.2016 abgelehnt hat. Nachdem der Klägervertreter im Erörterungstermin am 23.07.2021 den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 30.09.2020 eingeschränkt hat, da der Kläger ab 01.10.2020 Beiträge entrichtet hat, hat der Senat lediglich über den Fortbestand der Familienversicherung des Klägers ohne Altersbegrenzung im Zeitraum vom 16.12.2016 bis zum 30.09.2020 zu entscheiden. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2018, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass der Kläger ab 16.12.2016 Mitglied in der studentischen Versicherung ist und mit dem sie vom Kläger monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gefordert hat.

Die Entscheidung des SG, dass die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig sind, hält einer Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

Die Feststellung der Beklagten, dass die Familienversicherung des Klägers in der Zeit vom 16.12.2016 bis zum 30.09.2020 nicht mehr bestand, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten vom 09.01.2017 und vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat unter Benennung der maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen zutreffend ausgeführt, dass die Familienversicherung des Klägers nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V mit Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers am 15.12.2016 geendet hat. Dies bestreitet der Kläger auch nicht. Das SG hat auch die Voraussetzungen einer Familienversicherung ohne Altersgrenze nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass diese beim Kläger nicht vorliegen. Danach sind Kinder ohne Altersgrenze familienversichert, wenn sie als behinderte Menschen außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Ein Kind ist dann unfähig, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen eigenen Lebensunterhalt einschließlich notwendiger Aufwendungen infolge der Behinderung nicht selbst bestreiten kann (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 10.12.1980 - 9 RV 11/80 -, in juris Rn. 16). Dies ist dann der Fall, wenn das Kind infolge der Behinderung nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringe Einkünfte zu erzielen. Der Begriff des Außerstandeseins ist mit dem der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar (BSG, Urteil vom 14.08.1984 - 10 RKg 6/83 -, in juris). Voraussetzung ist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Unmöglichkeit, sich selbst zu unterhalten, besteht (BSG, Urteil vom 10.12.1980 - 9 RV 11/80 -, in juris Rn. 16).

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass diese Voraussetzungen beim Kläger nicht vorliegen. Zwar leidet der Kläger ausweislich der Auskunft des H vom 17.07.2018 unter einer geburtstraumatischen kompletten Plexusparese rechts mit residueller Armparese. Diese Erkrankung führt jedoch nicht dazu, dass der Kläger im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dies bestätigen weder die ihn behandelnden Ärzte A und W1, noch der MDK. Die sachverständigen Zeugen A und W1 führen nachvollziehbar aus, dass der Kläger aufgrund seiner körperlichen Behinderungen nicht außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sondern dass er dadurch lediglich eingeschränkt ist. Auch der MDK legt in seinen beiden Gutachten vom 21.06.2018 und 02.11.2018 in für den Senat überzeugender Weise dar, dass die medizinischen Voraussetzungen für einen Verbleib in der Familienversicherung nicht erfüllt sind. Denn der Kläger ist trotz seiner Behinderung in der Lage, ein Studium zu absolvieren. Ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz vom 30.12.2019 ergibt sich durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht einmal eine wesentliche Überschreitung der Studienzeit. Dies belegt das Nichtvorliegen einer Erwerbsminderung. Für das Studium erhält der Kläger, ebenso wie jeder andere Student bei Erfüllung gewisser finanzieller Voraussetzungen BaFöG, womit er seinen Unterhalt gewährleisten kann.

Dass der Kläger neben dem Studium keiner Nebentätigkeit nachgehen kann, weil er krankheitsbedingt viel Zeit für Therapien benötigt, führt nicht dazu, dass er außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Hierbei verkennt der Kläger, dass die Einschränkung insoweit nicht durch seine Behinderung, sondern vielmehr durch das Studium bedingt ist. Kausalität im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V ist damit nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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