L 10 U 508/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 605/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 508/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.11.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls streitig.

Der 1980 geborene Kläger saß am 20.07.2018 ab ca. 13 Uhr mit seinem Nachbarn K (im Folgenden: Zeuge K) im Bushäuschen der Bushaltestelle Tgasse in H in Fahrtrichtung H1 und wartete dort auf den Bus der Linie 1, um zur Arbeit bei der Firma A AG in N zu gelangen. Der Kläger beabsichtigte, wie gewöhnlich, mit dem zwischen 13.21 Uhr und 13.23 Uhr abfahrenden Bus der Linie 1 zur Haltestelle H2 zu fahren und dort in die um 13.36 Uhr abfahrende S-Bahn nach N umzusteigen, die direkt am Werk des Arbeitgebers hielt. Der Kläger hatte an diesem Tag Spätschicht, die um 14.30 Uhr begann.

Kurz nach 13 Uhr fuhr ein Arbeitskollege des Klägers, Herr B (im Folgenden: Zeuge B), der jedoch nicht in der selben Schicht des Klägers arbeitete und auf dem Nachhauseweg war, aus Richtung N1 kommend und in Richtung H1 fahrend, mit seinem Geländewagen A1(im Folgenden: Geländewagen) in die Haltebucht der Bushaltestelle ein, ließ das Beifahrerfenster herunter und fragte den Kläger sowie den Zeugen K, ob er sie mit nach H3 nehmen solle. Der Kläger und der Zeuge K traten daraufhin an das Beifahrerfenster des Geländewagens heran und unterhielten sich kurz mit dem Zeugen B. Während der Zeuge K das Angebot annahm, lehnte der Kläger dieses ab. Grund hierfür war, dass der Zeuge B den Kläger lediglich zum Hauptbahnhof nach H3 mitgenommen hätte, was für den Kläger keinerlei Zeitersparnis erbracht hätte. Der Kläger teilte dem Zeugen B mit, dass er weiterhin auf seinen Bus, der auch gleich kommen werde, warte und mit diesem zur Arbeit fahre. Der Kläger öffnete daraufhin die Beifahrertür des Geländewagens, ließ den Zeugen K einsteigen, schlug die Beifahrertür zu und trat zwei bis drei Schritte zurück. Anschließend bewegte er sich - seinem eigenen Vortrag gemäß - aus ihm nicht erinnerlichen Gründen (s. Bl. 320 VA) in Richtung Rückseite des Geländewagens und trat von dort über die Haltebucht hinaus auf die Fahrbahn. Dort wurde er von dem Pkw des - ebenfalls aus Richtung N1 kommenden und in Richtung H1 fahrenden - Zeugen V (im Folgenden: Zeuge V) erfasst. Der Kläger prallte auf die Motorhaube und die Windschutzscheibe und kam schließlich auf der Straße zum Liegen. Hierbei zog er sich u.a. eine Prellung des Beckens, multiple Schürfwunden der oberen und unteren Extremitäten und eine Prellung/Distorsion des linken Knies zu. Außerdem bestand der Verdacht auf eine Commotio cerebri mit diskreter retrograder Amnesie (siehe D-Arzt Bericht L vom 20.07.2018, Bl. 1 VA). Der Kläger wurde anschließend bis zum 23.07.2018 stationär in den S Kliniken in H3 behandelt (Bl. 12 ff. VA).

In einem zwischen dem Kläger und der Beklagten am 28.09.2018 geführten Telefonat (Bl. 149 VA) teilte der Kläger mit, dass er nicht auf die andere Straßenseite habe gehen wollen und er dort auch niemanden gesehen habe. Kurz vor dem Unfall habe ein Arbeitskollege angehalten und gefragt, ob er mitfahren wolle. Dies habe er verneint, da sein Bus gleich hätte kommen sollen. Er wisse nicht, wie er auf die Straße geraten sei. Im Unfallfragebogen vom 05.10.2018 (Bl. 208, 210 f. VA) gab der Kläger an, dass er an der Bushaltestelle gestanden habe und einen Kreislaufanfall gehabt haben müsse, so dass er auf die Straße gekommen sei.

Mit Bescheid vom 17.10.2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.07.2018 als Arbeitsunfall ab (Bl. 263 ff. VA). Zur Begründung führte sie aus, dass notwendig für den Versicherungsschutz ein Zurücklegen des versicherten Weges sei. Entscheidend sei die Handlungstendenz des Versicherten im Zeitpunkt des Unfallgeschehens. Polizeiliche Ermittlungen hätten ergeben, dass sich der Kläger auf die andere Straßenseite hätte begeben wollen, um dort zu einer anderen Person zu gelangen. In einem Telefonat habe der Kläger mitgeteilt, wegen Kreislaufbeschwerden auf die Straße geraten zu sein. Dies sei im Hinblick auf die polizeilichen Ermittlungsergebnisse nicht hinreichend wahrscheinlich. Ein Kreislaufkollaps könne als innere Ursache gewertet werden, allerdings müsse die Tatsache im Vollbeweis vorliegen. Objektive Anhaltspunkte hierzu gebe es nicht. Vielmehr habe die Handlungstendenz des Klägers zum Unfallzeitpunkt im privaten und nicht mehr im versicherten Bereich gelegen.

Hiergegen erhob der Kläger sowohl vertreten durch den DGB (Bl. 287, 303 ff. VA), als auch durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten (Bl. 282 VA) Widerspruch. Durch den DGB ließ er vortragen (Bl. 303 ff. VA), dass bestritten werde, dass er die Straßenseite habe wechseln wollen. Vielmehr habe er einen Schwächeanfall gehabt und könne nicht mehr mitteilen, warum er auf die Straße geraten sei. Der damals den Kläger vertretende Rechtsanwalt trug vor (Bl. 320 f. VA), dass er in Richtung Rückseite des PKW des Herrn B und zur Fahrbahn hingetreten sei, um den Zeugen K in den PKW des Zeugen B einsteigen zu lassen. Warum der PKW des Zeugen V ihn erfasst habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Er habe jedenfalls nicht die Straße wechseln wollen. Die Wahrnehmung des Zeugen Y, dass er auf die andere Straßenseite zu einer anderen Person habe gehen wollen, treffe nicht zu. Das Gespräch mit Herrn B habe nur wenige Sekunden Zeit in Anspruch genommen. Auch dabei habe sich die Handlungstendenz wesentlich auf die Zurücklegung des Weges zum Ziel gerichtet und keine private Tätigkeit dargestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es sei keine hinreichende Klärung möglich, ob sich der Kläger auf dem versicherten Weg befunden habe oder nicht. Es gäbe etliche unterschiedliche Schilderungen des Geschehensablaufs, auch die Einlassungen des Klägers während des Verfahrens seien inkonsistent. Das Betreten der Straße sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen, um zur Arbeitsstätte zu gelangen. Anhaltspunkte für einen Kreislaufkollaps seien auch nicht objektiv feststellbar.

Hiergegen hat der Kläger (vertreten durch seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt) am 18.02.2019 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Das SG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Zeugen V, den Zeugen B und den Zeugen K vernommen und auch den Kläger angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten der Zeugenaussagen sowie der Angaben des Klägers wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen (Bl. 57 ff. der SG-Akte).

Mit Urteil vom 17.11.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Zurücklegen des unmittelbaren Weges zum Ort der Tätigkeit ebenfalls zur versicherten Tätigkeit gehöre, § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Ein sachlicher Zusammenhang sei jedoch nur dann gegeben, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt sei, den Ort der Tätigkeit zu erreichen. Hierbei sei die Handlungstendenz ausschlaggebend. Die versicherte Tätigkeit müsse im Vollbeweis vorliegen. Die Beweislast liege beim Kläger. Hier sei unklar, weshalb der Kläger auf die Straße geraten sei. Dies habe auch nicht im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Befragung der Zeugen B, K und V und der Auswertung der polizeilichen Ermittlungen geklärt werden können. Jedenfalls sei ein Treten auf die Straße nicht erforderlich gewesen, um den Weg zur Arbeit fortzusetzen. Aus der bloßen Tatsache des „auf dem Weg seins“ könne nicht abgeleitet werden, dass sich eine Gefahr realisiert habe, die dem Schutzbereich der gesetzlichen Wegeunfallversicherung unterfalle. Daher könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kollision mit dem Unfallwagen des Zeugen V die objektive Handlungstendenz gehabt habe, den Weg zur Arbeit zurückzulegen.

Gegen das - seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 14.01.2021 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 11.02.2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG sei davon ausgegangen, dass er dem Zeugen B nach der Verabschiedung gewunken habe und dann auf die Straße geraten sei. Das SG stütze sich hierbei auf die Aussage des Unfallverursachers, der jedoch kein objektiver Zeuge sei. Auch habe der Unfallverursacher den Kläger gar nicht wahrnehmen können, da er in Fahrtrichtung H3 gesehen habe. Es sei zu berücksichtigen, dass er sich auf dem Weg zur Arbeit mit dem Bus befunden habe, was die Zeugen bestätigt hätten. Diese Absicht habe er zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Zwar könne nicht aufgeklärt werden, weshalb er auf die Fahrbahn geraten sei. Es sei jedoch hinreichend wahrscheinlich, was nach den Grundsätzen der sozialrechtlichen Kausalität ausreiche, dass Grund hierfür ein Kreislaufkollaps gewesen sei. Das Treten auf die Straße stelle eine unbeachtliche Unterbrechung dar, die örtlich und zeitlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit angesehen werden könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.11.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 20.07.2018 als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Akteninhalt und das erstinstanzliche Urteil.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe


Die gemäß § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2019, mit dem die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.07.2018 als Arbeitsunfall ablehnte. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit der
kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Denn nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 20.07.2018 als Arbeitsunfall.


Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen - §§ 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - und die geltenden Kausalitätskriterien und Beweislastregeln für die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall dargelegt und gestützt hierauf und unter nicht zu beanstandender Würdigung der sowohl im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erfolgten Zeugenaussagen und Einlassung des Klägers ebenso zutreffend ausgeführt und begründet, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 20.07.2018 als Arbeitsunfall hat. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger meint, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine den Versicherungsschutz grundsätzlich unberührt lassende, lediglich geringfügige Unterbrechung des Weges vorliegen, trifft dies nicht zu. Eine Unterbrechung ist nur dann geringfügig, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann (s. u.a. BSG, Urteil vom 23.01.2018, B 2 U 3/16 R; BSG, Urteil vom 31.08.2017, B 2 U 11/16 R; BSG, Urteil vom 17.02.2009, B 2 U 26/07 R). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin - hier die Arbeitsstätte des Klägers - dient, ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - ausschließlich die objektive Handlungstendenz des Versicherten (s. u.a. BSG, Urteil vom 31.08.2017, B 2 U 11/16 R, m.w.N.). Grundsätzlich ist das Warten auf den Bus als notwendiger Teil der versicherten Tätigkeit anzusehen. Zum Unfallzeitpunkt bestand die vom Kläger ausgeführte Verrichtung jedoch nicht im bloßen Warten auf den Bus, sondern im Betreten der Straße, nachdem er - seinen eigenen Angaben nach - die Beifahrertür des Geländewagens nach dem Einsteigen des Zeugen K geschlossen hatte. Der Kläger verließ somit objektiv eindeutig und unabhängig von der (nicht aufklärbaren) Frage, warum er überhaupt auf die Straße getreten ist, den (geschützten) Wartebereich der Bushaltestelle und befand sich folglich jedenfalls nicht mehr auf dem unmittelbaren und somit versicherten Teil des Weges. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger seine ursprüngliche Absicht, in den Bus zu steigen und damit in Richtung seiner Arbeitsstätte zu fahren, nicht aufgab. Denn gleichwohl setzte er eine neue, nicht mit der Zurücklegung des versicherten Weges in innerem Zusammenhang stehende, Handlungssequenz in Gang, die sich
- auch äußerlich - deutlich von dem bloßen Warten auf den Bus abgrenzen ließ (vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2018, B 2 U 3/16 R; BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 3/13 R). Zwar steht es Versicherten grundsätzlich frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen. Dies gilt jedoch nur, solange die Fortbewegung der Handlungstendenz nach der Zurücklegung des Weges vom oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003, B 2 U 23/03 R). Andernfalls unterfiele jegliche während des grundsätzlich versicherten Wartens auf ein Verkehrsmittel vorgenommene Verrichtung eines Versicherten dem unfallversicherungsrechtlichen Schutz und dehnte diesen in unangemessener und nicht mehr mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung in Einklang zu bringender Weise aus. Insofern hat das SG - wiederum - zutreffend ausgeführt, dass es einen sogenannten „Wegebann“ im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht nicht gibt.

Darüber hinaus kann hier das Betreten der Straße durch den Kläger schon deshalb nicht als lediglich geringfügige und kurzfristige, den Versicherungsschutz unberührt lassende Unterbrechung eingestuft werden, da trotz umfangreicher Zeugenbefragungen - sowohl im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen als auch durch das SG - und persönlicher Anhörung des Klägers - zuletzt im Rahmen des vor dem LSG durchgeführten Erörterungstermins am 10.02.2022 - nicht geklärt werden konnte, aus welcher Motivation der Kläger überhaupt auf die Straße trat. Dies ist jedoch für die Prüfung, ob eine versicherte Tätigkeit vorlag, unabdingbar. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat - wie bereits das SG zu Recht ausgeführt hat - nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen. Das gilt auch dann, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten die Nichterweislichkeit - wie hier - darauf beruht, dass der Versicherte keine Erinnerung an das zum Unfall führende Geschehen hat (BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R).

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung vorträgt, das SG habe sich zu Unrecht auf die nicht objektive Aussage des Unfallverursachers V gestützt, ist dieser Einwand schon deshalb irrelevant, da auch ohne die Aussage des Zeugen V nicht aufklärbar ist, aus welchen Gründen der Kläger auf die Straße trat. Zu diesem Ergebnis ist auch das SG gelangt. Darüber hinaus erschließt sich dem Senat ohnehin nicht, welchen Fehler in der Beweiswürdigung das SG gemacht haben sollte. Es ist völlig unstreitig, dass der Zeuge V den Kläger angefahren hat, nachdem dieser unvermittelt auf die Straße trat. Einen Grund, den Geschehensablauf falsch darzustellen, um sich „nicht zu belasten“, hatte der Zeuge V also nicht.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass „hinreichend wahrscheinlich“ sei, dass er auf Grund eines Kreislaufkollapses auf die Straße geraten sei, geht auch diese Auffassung fehl. Wie bereits das SG zu Recht ausgeführt hat, liegen keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt an Kreislaufbeschwerden litt. Auch lässt sich den Angaben des Klägers im Unfallfragebogen entnehmen, dass er selbst dies lediglich vermutet („ich muss ein Kreislaufanfall gehabt haben, das ich auf die Straße kam!“, Bl. 210 VA). Das Vorliegen eines Kreislaufkollaps muss jedoch im Vollbeweis und somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen, wofür letztlich der Kläger die Beweislast trägt. Die bloße hinreichende Wahrscheinlichkeit reicht hierfür nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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