L 2 SO 1058/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 608/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1058/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Der Kläger begehrt einen Mehrbedarf für die Anschaffung von FFP2-Masken.

Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger erhielt vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bis 30.09.2021 (vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021).

Am 14.02.2021 (Bl. 429 d. VA) beantragte der damals noch im laufenden Leistungsbezug (vgl. Bescheid vom 18.11.2020, mit dem die Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis 30.06.2021 in Höhe von monatlich 423,66 Euro bewilligt worden waren) stehende Kläger beim Beklagten unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.02.2021 (- S 12 AS 213/21 ER -, veröffentlicht in juris) die Bereitstellung von 20 FFP2-Masken wöchentlich, alternativ die Übernahme von monatlich 129,00 Euro. Die 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe war in der besagten Entscheidung davon ausgegangen, dass einem Empfänger von laufenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ein pandemiebedingter Mehrbedarf in dieser Höhe zustünde.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag des Klägers mit Bescheid vom 25.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2021 ab. Zur Begründung führte er aus, grundsätzlich bestünde keine Verpflichtung, die teureren FFP2-Masken zu tragen, andere medizinische Masken, die sog. OP-Masken, seien ausreichend. Dieser Bedarf könne mit den im Regelbedarf des Klägers enthaltenen Beträgen von 17,02 Euro für die Gesundheitspflege und 35,53 Euro für andere Waren und Dienstleistungen gedeckt werden. Außerdem sei die für ein Verfahren im Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) erlassene Entscheidung nicht unmittelbar auf das SGB XII anwendbar.

Hiergegen hat der Kläger am 15.03.2021 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben und parallel einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt (- S 4 SO 592/21 ER -), welcher mit Beschluss vom 18.03.2021 zurückgewiesen worden ist, gestellt. Der Kläger hat nochmals auf die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe (s.o.) verwiesen und vorgetragen, von seiner Krankenkasse noch kein Schreiben zum Bezug von zehn kostenfreien FFP2-Masken erhalten zu haben. Wenn er jemanden die Krankheit durch eine zu schlechte Maske übertrage, könne er wegen Körperverletzung belangt werden.

Den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG mit Beschluss vom 19.10.2021 wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 02.12.2021 wegen Unterschreitens der Berufungssumme von 750,00 Euro (L 2 SO 3285/21 B) als unzulässig verworfen.

Nachdem das SG zunächst nach vorheriger Anhörung am 28.01.2022 in diesem Verfahren einen Gerichtsbescheid erlassen hatte, hat der Kläger gemäß § 105 Abs. 3 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Das SG hat sodann aufgrund mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen ist, die Klage mit Urteil vom 06.04.2022 abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum beschränke sich auf die Monate Februar bis Juni 2021. Ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Mehrbedarf) für die Beschaffung von FFP2-Masken im Jahr 2021 bestehe nicht. Die Entscheidungen der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe zur Übernahme der Kosten für FFP2-Masken, auf die sich der Kläger stütze (u.a. Beschluss vom 11.02.2021, S 12 S 213/21 ER), sei eine Mindermeinung geblieben und werde - soweit ersichtlich - von keinem anderem Sozialgericht (auch nicht von den anderen Kammern des Sozialgerichts Karlsruhe) oder Landessozialgericht geteilt.

Der Kläger hat gegen das ihm per Postzustellungsurkunde am 09.04.2022 zugestellte Urteil mit Fax vom selben Tag „Rechtsmittel“ beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt.

Auf Hinweis des Senats, dass eine Berufung gegen das angefochtene Urteil wohl unzulässig sein dürfte und das „Rechtsmittel“ des Klägers ggf. als Nichtzulassungsbeschwerde zu verstehen sei, hat der Kläger mit Schreiben vom 28.04.2022 mitgeteilt, dass bereits neue Anträge auf FFP2-Masken gestellt worden seien. Allerdings sei der Beklagte seit 01.10.2021 der Meinung das es nicht mehr für ihn zuständig sei. Mit Schreiben vom 10.05.2022 hat er weiter ausgeführt, dass es absolut keinen Grund gebe, das Maskenproblem, das aktuell immer noch bestehe, auf einen kleinen Zeitraum zu begrenzen. Es sei bereits ein Neuantrag auf FFP2-Masken gestellt worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. April 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 20 FFP2-Masken wöchentlich bereitzustellen, alternativ monatlich 129,00 Euro an Kosten hierfür zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf das angefochtene Urteil. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger gemäß § 144 SGB XII eine Einmalzahlung aus Anlass der COVID-19- zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen in Höhe von 150,00 Euro zum 01.05.2021 erhalten habe.

Mit Schreiben vom 02.05.2022 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.  


II.

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist.

Gemäß § 158 Satz 2 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss als unzulässig verwerfen, wenn die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist (§ 158 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 158 Satz 2 SGG hinzuweisen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.


Die Voraussetzungen des § 158 SGG sind vorliegend erfüllt, die Berufung ist nicht statthaft. Die Beteiligten sind zur beabsichtigten Verfahrensweise angehört worden.

Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Vorliegend übersteigt der Wert der Beschwer nicht den maßgeblichen Betrag in Höhe von 750 Euro.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 25.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2021, mit dem der Antrag des Klägers vom 14.02.2021, ihm monatlich einen Mehrbedarf zur Beschaffung von FFP2-Masken in Höhe von 129,00 Euro zu gewähren bzw. wöchentlich 20 Masken zur Verfügung zu stellen, abgelehnt worden war. Zum Zeitpunkt des Antrages sind dem Kläger (zuletzt mit Bescheid vom 18.11.2020) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII bis zum 30.06.2021 gewährt worden. Der vom Kläger geltend gemachte Mehrbedarf kann nicht isoliert geltend gemacht werden, sondern nur in Zusammenhang mit der laufenden Leistungsbewilligung (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.04.2021 - L 7 AS 429/21 B ER -, juris). Der Streitgegenstand beschränkt sich daher auf einen geltend gemachten Mehrbedarf für Masken für die Zeit von Februar 2021 bis Juni 2021, mithin auf 645,00 Euro (129,00 Euro mal fünf). Da somit weniger als 750,00 Euro geltend gemacht werden können und es sich auch nicht um Leistungen für mehr als ein Jahr handelt, ist die Berufungssumme, worauf auch das SG bereits in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat, nicht erreicht.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren, wonach er nach wie vor FFP 2- Masken benötige und bereits Neuanträge gestellt habe. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der o.g. Zeitraum. Denn der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 14 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 04.07.2011 - B 14 AS 30/11 B -; Urteil vom 13.06.2013 - B 13 R 437/12 B -; Urteil vom 05.08.2015 - B 4 AS 17/15 B – und Urteil vom 04.07.2018 - B 3 KR 14/17 R -). Das SG hat vorliegend - zu Recht - den streitgegenständlichen Zeitraum auf die Zeit von Februar 2021 bis Juni 2021 begrenzt. Für diesen Zeitraum macht der Kläger (höchstens) 645,00 Euro geltend. Unerheblich ist, dass der Kläger möglicherweise für Folgezeiträume ebenfalls die Gewährung eines Mehrbedarfs zur Beschaffung von FFP2-Masken begehrt und diese möglicherweise auch schon beim Beklagten beantragt hat, denn denkbare Folgewirkungen für folgende Bewilligungszeiträume bleiben bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes außer Betracht (BSG, Urteil vom 04.07.2018 - B 3 KR 14/17 R -, juris Rn. 13; BSG, Beschluss vom 26.09.2013 - B 14 AS 148/13 B -, juris Rn. 6).

Die Berufung kann auch nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt bzw. in eine solche umgedeutet werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 45 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/11 B -, juris). Nachdem der Kläger zunächst nur „Rechtsmittel“ gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhoben hat, hat der Senat im Rahmen eines rechtlichen Hinweises - unter Hinweis auf eine mögliche Unzulässigkeit der Berufung - um Klarstellung gebeten, ob der Kläger Berufung oder Nichtzulassungsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung des SG erheben wollte. Hierauf hat der Kläger lediglich erwidert, dass ihm unerklärlich sei, warum der Zeitraum für solche Masken festgelegt werde. Er benötige auch nach Juni 2021 bis heute Masken. Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das erstinstanzliche Urteil erheben wollte, sondern vielmehr, dass er sein Begehren in einem Berufungsverfahren weiterverfolgen möchte, weil er irrig von einer höheren Beschwer ausgeht. 


Nach alledem ist die Berufung des Klägers bereits als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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