L 2 SO 1488/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 445/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1488/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Gründe


I.

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Kostenbeitrags der Klägerin und ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes während des Aufenthalts des verstorbenen Ehemannes im A Pflegezentrum H im Streit, zunächst unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Berufung.

Der 1925 geborene und am 20. März 2021 verstorbene Ehemann der Klägerin war ab dem 21. März 2019 im A Pflegezentrum H untergebracht. Die Klägerin, seine Ehefrau, lebt nach wie vor zu Hause.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2019 bewilligte der Beklagte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin, P (P) die Übernahme der ungedeckten Heimkosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege und Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ab dem 21. März 2019. Bei der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigte der Beklagte Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 2.005,00 € sowie einen Kostenbeitrag von P bzw. seiner Ehefrau in Höhe von 675,85 € ab 21. März 2019 (anteilig für März 239,31 €) und in Höhe von 753,97 € ab 1. Juli 2019. Die unter Berücksichtigung dessen noch ungedeckten Kosten in Höhe von 1.362,00 € zahlte der Beklagte direkt an das Pflegeheim.

Mit zwei weiteren Bescheiden vom 11. Oktober 2019 setzte der Beklagte gegenüber P und der Klägerin einen Kostenbeitrag in Höhe von 192,51 € monatlich für die stationäre Hilfe zur Pflege fest. Aus der beigefügten Berechnung der Einkommensbeteiligung ergab sich allerdings ein Kostenbeitrag in Höhe von 675,85 € ab 21. März 2019 bzw. 753,97 € ab 1. Juli 2019.

Gegen alle drei Bescheide vom 10. Oktober 2019 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin und des P Widerspruch. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass die Aufbringung der Mittel nur in angemessenem Umfang zumutbar sei, dies seien monatlich 143,00 bzw. 159,00 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2020 (gegenüber P) und Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2020 (gegenüber der Klägerin) wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Kostenbeitragsbescheide zurück. Der Betrag der Einkommensbeteiligung von 192,51 € werde korrigiert, da es sich um einen offensichtlichen Übertragungsfehler handele. Die korrekte Höhe sei aus der Anlage zu erkennen gewesen. Bei der Kostenbeitragsberechnung seien die gesamten Renteneinkünfte berücksichtigt worden, bei den Absetzbeträgen die beiden Unfallversicherungen, die Zahnzusatzversicherung der Klägerin, die Pflegezusatzversicherung der Klägerin, die Beiträge des Mieterbundes, Beiträge für die Kfz-Versicherung, für beide Haftpflichtversicherungen und die Hausratsversicherung. Bei den besonderen Belastungen seien die monatliche Kfz-Rate, Kosten für Besuchsfahrten ins Pflegeheim, Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz und Rückzahlungsraten bei der P1bank und Tbank berücksichtigt worden. Die Miet- und Heizkosten seien ebenfalls berücksichtigt worden und Freibeträge wegen Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegegrad V) in Höhe von 60%, ein Freibetrag aufgrund der Familienverhältnisse für einen Haushalt mit zwei Personen in Höhe von 20% sowie ein weiterer Freibetrag von 20% wegen dauerhafter Pflegebedürftigkeit. Die vorgelegten Unterlagen seien vollumfänglich berücksichtigt worden.

Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2020 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2019 zurück.

Am 14. Februar 2020 haben die Klägerin und P durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben mit dem Antrag, die Bescheide vom 11. Oktober 2019 mit der Festsetzung des Kostenbeitrages für die stationäre Hilfe zur Pflege in Höhe von monatlich 675,85 € ab 21. März 2019 bzw. 753,97 € ab 1. Juli 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2020 abzuändern und den monatlichen Kostenbeitrag der Klägerin und des P als Gesamtschuldner auf 159,00 € ab 21. März 2019 festzusetzen.
Der Klageschrift waren in der Anlage Kopien der drei Bescheide vom 11. Oktober 2019 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2020 und vom 10. Februar 2020 (betreffend jeweils die Kostenbeitragsbescheide) beigefügt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, aus Sicht der Kläger ergebe die Berechnung ein einzusetzendes Einkommen über der Einkommensgrenze in Höhe von 159,00 € ab dem 1. Juli 2019. Auszugehen sei dabei von gemeinsamen Einkünften der Eheleute in Höhe von 2.623,55 €. Die Einkommensgrenze belaufe sich auf 2.465,00 € (zweifacher Grundbetrag 848,00 € + 70% Familienzuschlag 297,00 € + Kaltmiete Klägerin 620,00 € + Betriebskostenvorauszahlung 180,00 € + Heizung 50,00 € + Strom 50,00 € + Stellplatz 35,00 € und + Warmmiete Heimbewohner 385,00 €). Damit übersteige das zu berücksichtigende Einkommen die Einkommensgrenze um 159,00 €. Diese Beträge zahle die Klägerin an das Heim. Inzwischen seien dort erhebliche Rückstände aufgelaufen, der Heimvertrag sei gekündigt worden. Die rechtswidrige Kündigung habe das Heim zwar wieder zurücknehmen müssen, es zeige sich jedoch, wie zugespitzt die gesamte Situation sei. Insgesamt sei die Berechnungsmethode für den Einkommenseinsatz vom Gesetzgeber einfach zu kompliziert geregelt, eine Einigung werde als sinnvollste Lösung angestrebt.
Mit Schreiben vom 11. August 2020 hatte der Klägerbevollmächtigte die Klage um einen Feststellungsantrag wegen Auskunft zu Schenkungen an Angehörige in den letzten zehn Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles erweitert, diesen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2021 ausdrücklich nicht weiterverfolgt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat u.a. darauf verwiesen, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei, der Beklagte auch in die Klageänderung nicht einwillige, diese sei auch nicht sachdienlich. Die Kläger verstünden die Berechnung des Kostenbeitrags offensichtlich immer noch nicht. Es sei zu prüfen, ob Einkommen über der Einkommensgrenze einzusetzen sei (§ 87 SGB XII) und falls dies nicht der Fall sein sollte, ob Einkommen unter der Einkommensgrenze einzusetzen sei (§ 88 SGB XII). Vorliegend habe sich durchweg kein einzusetzendes Einkommen über der Einkommensgrenze ergeben. Es sei daher zu Recht geprüft worden, ob Einkommen unter der Einkommensgrenze einzusetzen sei, da hier ein Fall des § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorliege (voraussichtlich für längere Zeit bestehender Bedarf in einer stationären Einrichtung). Die Sollvorschrift bedeute ein „Muss“, ein atypischer Fall sei nicht gegeben. Es bestehe keine Beschränkung auf die häusliche Ersparnis (§ 92 Abs. 2 SGB XII). Für die Zeit ab 2020 ergäben sich sogar noch deutlich höhere Kostenbeiträge (ab 1. Januar 2020: 768,66 €; ab 15. Februar 2020: 899,36 €; ab 1. April 2020: 965,00 €; ab 1. Januar 2021: 1.041,60 €). Der Beklagte sei auch berechtigt gewesen, nach dem Netto-Prinzip zu verfahren. Dies stelle den Regelfall im Recht des SGB XII dar, lediglich bei der Eingliederungshilfe sei das Bruttoprinzip anzuwenden. § 92a SGB XII sei hier als Rechtsgrundlage für den Kostenbeitrag anzusehen. Klar sei, dass die Kläger als Gesamtschuldner hafteten. Der Beklagte könne daher gegenüber beiden den Kostenbeitrag geltend machen.

In der mündlichen Verhandlung am 13. April 2021 wies die Kammervorsitzende darauf hin, dass es ihrer Auffassung nach problematisch sein dürfte, ob für die Kostenbeitragsbescheide eine Rechtsgrundlage bestehe. Auf der anderen Seite dürfte der Bewilligungsbescheid nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sein, da ausdrücklich nur die beiden Widerspruchsbescheide betreffend die Kostenbeitragsbescheide angefochten worden seien. Die Vorsitzende hatte in dem Zusammenhang eine vergleichsweise Beendigung vorgeschlagen in der Gestalt, dass der Beklagte ab dem 1. Juli 2019 durchgehend einen Kostenbeitrag lediglich in Höhe von 753,97 € verlange und die darüber hinaus gegenüber dem Pflegeheim einbehaltenen Beträge nachgezahlt würden. Der Klägerbevollmächtigte konnte diesem Vergleichsvorschlag nicht nähertreten. Der Klägerbevollmächtigte hatte sodann beantragt, die Bescheide des Beklagten vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2020 und vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2020 aufzuheben, hilfsweise abzuändern, soweit ein Kostenbeitrag von mehr als 159,00 € festgesetzt werde.

Mit Urteil vom 13. April 2021 hat das SG die Bescheide des Beklagten vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2020 und vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2020 aufgehoben. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass Streitgegenstand des Verfahrens allein die mit den angefochtenen Bescheiden des Beklagten vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2020 und vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2020 vorgenommene Heranziehung der Kläger zu einem Kostenbeitrag seien. Nicht mit der Klage angefochten und damit bestandskräftig geworden sei dagegen der Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020, mit dem P Hilfe zur Pflege bewilligt worden sei. Die Heranziehungsbescheide seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten.
Diese Kostenbeitragsbescheide seien bereits deswegen rechtswidrig, weil sich der Beklagte für eine Heranziehung der Kläger durch Verwaltungsakt auf keine Ermächtigungsgrundlage stützen könne.
§ 92a Abs. 2 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2006) bzw. § 92 Abs. 2 SGB XII (in der Fassung vom 23. Dezember 2012, gültig ab 1. Januar 2020) enthielten keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass von Heranziehungsbescheiden (u.a. mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 17/12 R – SozR 4-3500 § 92 Nr. 1 Rdnr. 16 und weitere Nachweise). Selbst wenn in jenen Vorschriften formuliert sei, dass die „Aufbringung“ von Mitteln verlangt werden könne, so bedeute dies nach der Grundkonzeption des Sozialhilferechts gleichwohl nicht, dass § 92 Abs. 2 SGB XII bzw. § 92a Abs. 2 SGB XII a.F., § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII selbst die Ermächtigung zum Erlass von Heranziehungsbescheiden enthielten. Vielmehr gelte nach der Systematik im Sozialrecht grundsätzlich das sogenannte Nettoprinzip.  Leistungen würden danach – außer in den ausdrücklich gesetzlich angeordneten Fällen – nur in Höhe des Betrages erbracht, der für die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§82 bis 84 SGB XII) und/oder die für die besonderen Sozialhilfeleistungen (§§ 85 bis 89 SGB XII) vorgesehenen Grenzen der Berücksichtigung von Einkommen überschreite, wenn auch kein Vermögen vorhanden sei (so ausdrücklich BT-Drucks. 16/2711, S. 12 zu Nr. 15). Diesem Grundsatz entsprechend habe der Beklagte den Klägern Leistungen in Höhe von 1.362,21 € monatlich als Hilfe zur Pflege gewährt (bestandskräftiger Leistungsbescheid vom 11. Oktober 2019). Bei der Berechnung des Zahlungsbetrags sei der Einkommensansatz bereits berücksichtigt worden. Für eine Heranziehung der Kläger sei daneben – auch nach anderen Rechtsgrundlagen – kein Raum, weil schon keine Leistungsgewährung nach dem Bruttoprinzip – also eine vollständige Kostenübernahme durch den Beklagten gegen Kostenerstattung – erfolgt sei (mit Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Januar 2020 – L 8 SO 109/18 – juris).
Die Frage, ob die Leistungsbewilligung der Höhe nach vom Beklagten zutreffend festgesetzt worden sei, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens und daher nicht zu prüfen. Das Gleiche gelte für die Frage, wie die tatsächliche Änderung der an das Pflegeheim ausgezahlten Beträge ohne ausdrückliche Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 11. Oktober 2019 rechtlich zu bewerten sei.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 23. April 2021 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 27. April 2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte geltend gemacht, der Beklagte habe am 11. Oktober 2019 drei Bescheide erlassen, jeweils vom 11. Oktober 2019, jeweils mit dem gleichen Aktenzeichen. Der Beklagte habe diese drei Bescheide rechtlich als Einheit verstanden. Im Bescheid über die Bewilligung von Sozialhilfe gemäß SGB XII vom 11. Oktober 2019 habe der Beklagte über die Übernahme der ungedeckten Heimkosten entschieden und diese bewilligt. In der letzten Zeile auf S. 1 des Bescheides werde darauf verwiesen, dass entsprechende Einkünfte in der jeweiligen Höhe an die Heimleitung zur Verrechnung mit den Heimkosten zu überweisen seien, der Kostenbeitrag monatlich 675,85 € ab 21. März 2019 bzw.  monatlich 753,97 € ab 1. Juli 2019 betrage. Der Bewilligungsbescheid sei adressiert gewesen an P. Daneben habe der Beklagte zeitgleich die beiden anderen Bescheide vom 11. Oktober 2019 mit der Überschrift „Festsetzung des Kostenbeitrags für die stationäre Hilfe zur Pflege“ erlassen. Alle drei Bescheide hätten das gleiche Aktenzeichen getragen.
Im Folgenden habe man zunächst die Einlegung des Widerspruchs gegen alle drei Bescheide veranlasst. Alle drei Widerspruchsbescheide würden in der Sachverhaltsschilderung mit einem identischen Einleitungssatz beginnen: „Wir übernehmen für Sie die ungedeckten Heimkosten der stationären Unterbringung im Rahmen der Sozialhilfe seit 21. März 2019. Ihre Ehefrau lebt noch zu Hause, weswegen Ihre Ehefrau verpflichtet ist, sich mit Ihrem gemeinsamen Einkommen an den Pflegekosten in zumutbarer Höhe zu beteiligen.“. Obwohl man als Anwaltskanzlei vorsichtshalber gegen alle drei Ausgangsbescheide vom 11. Oktober 2019 Widerspruch eingelegt habe, habe sich für den Bevollmächtigten klar aus der Widerspruchsbegründung und weiter aus dem Einleitungssatz ergeben, dass sich alle drei Widerspruchsbescheide mit der identischen Frage befassten: Nämlich mit dem Sachverhalt, dass der Beklagte für den Ehemann ungedeckte Heimkosten übernehme, und dass die Ehefrau des Ehemannes noch zu Hause lebe, sodass beide gemeinsam verpflichtet seien, sich mit ihrem gemeinsamen Einkommen an den Pflegekosten in zumutbarer Höhe zu beteiligen. Sowohl die drei Bescheide vom 11. Oktober 2019 als auch die drei Widerspruchsbegründungen würden somit untrennbar die Bewilligung der Heimkosten mit der inhaltlichen Entscheidung, dass das Ehepaar gemeinsam aus den gemeinsamen Einkünften einen Kostenbeitrag zu tragen habe, der der Höhe nach berechnet werde, verwoben.
Die jetzige Entscheidung des SG halte man nicht für richtig. Falsch sei am Urteil des SG, dass es einen rechtlich zusammengehörenden Sachverhalt, der in dieser Weise auch rechtlich einheitlich entschieden und verbeschieden worden sei, künstlich aufspalte. Gegen eine genaue und gegebenenfalls sogar formalistische Sichtweise sei im Prinzip nichts einzuwenden. Sie dürfe aber nicht so weit gehen, dass die rechtliche Situation durch Gerichtsurteil geschaffen werde, die nun bestehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2021 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2019 über die Bewilligung von Sozialhilfe gemäß SGB XII und die beiden Bescheide über die Festsetzung des Kostenbeitrags für die stationäre Hilfe zur Pflege gegen P und P3, jeweils vom 11. Oktober 2019, rechtlich als untrennbare Einheit zu werten, über die nicht isoliert habe entschieden werden dürfen mit der Folge, dass alle drei Bescheide als fristgemäß angegriffen gelten würden mit Klage vom 14. Februar 2020 und
den Beklagten zu verurteilen, über den gesamten Sachverhalt, der den drei Bescheiden vom 11. Oktober 2019 zugrunde gelegen habe, mit Wirkung ab dem 21. März 2019 erneut mittels eines einheitlichen Bescheides zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Auffassung des SG, dass ausschließlich die an die beiden Ehegatten gerichteten Kostenbeitragsbescheide mit Klage angefochten worden seien, nicht dagegen der Sozialhilfebewilligungsbescheid für P (der somit bestandskräftig geworden sei) greife der Beklagte nicht an. Die Auffassung der Klägerin, es sei keine „künstliche Aufspaltung“ zulässig, die drei Bescheide seien als Einheit zu behandeln, gelten alle als angefochten, und daher sei in der Klage über alle Bescheide zu befinden, vermöge nicht zu überzeugen.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hätten zwar gegen alle drei Bescheide Widerspruch erhoben, aber ausdrücklich nur gegen die Kostenbeitragsbescheide Klage erhoben, nicht dagegen gegen den Bewilligungsbescheid. Den anwaltlich vertretenen (damaligen) Klägern, sei klar bewusst gewesen (bzw. habe zumindest bewusst sein müssen), dass es sich um drei separate Bescheide gehandelt habe, und hätten deshalb (wie jetzt vorgetragen werde „vorsichtshalber“) gegen alle drei Bescheide Widerspruch erhoben. Folgerichtig hätten sie dann auch gegen alle drei Widerspruchsbescheide (zumindest „vorsichtshalber“) Klage erheben müssen.
Die jetzt in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, der Bewilligungsbescheid sei nach Aufhebung der Kostenbeitragsbescheide seiner Grundlage beraubt und daher rechtswidrig (oder gar nichtig mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten wegen Erlass eines nichtigen Bescheides) sei abwegig. Abgesehen davon, dass eine Nichtigkeit nach § 40 SGB X hier nicht ersichtlich sei, sei dem Beklagten auch keine Anspruchsgrundlage auf Schadenersatz wegen Erlass eines nichtigen Bescheides bekannt.
Die beiden allein angefochtenen Bescheide seien durch das angegriffene Urteil aufgehoben, eine Beschwer der Klägerin sei somit nicht gegeben.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 15. Dezember 2021 wurden die Beteiligten nach ausführlicher Diskussion der Sach- und Rechtslage darüber in Kenntnis gesetzt, dass nach hiesiger Auffassung die Berufung auch unzulässig sein könnte und daher eine Verwerfung der Berufung durch Beschluss nach § 158 SGG (Sozialgerichtsgesetz) als unzulässig in Betracht kommen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


II.

Die Klägerin ist als Ehefrau ihres verstorbenen Ehemannes, P, gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) bezüglich der Klage des P als Sonderrechtsnachfolgerin in das Verfahren eingetreten.

Die Berufung ist jedoch unzulässig.
Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen.

Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Berufung nach den §§ 143, 144 SGG ist, dass der Berufungsführer, hier die Klägerin, durch die Entscheidung des SG überhaupt beschwert ist.
Das SG hat jedoch dem Antrag des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2021 in vollem Umfang entsprochen und die beiden dort im Antrag benannten Bescheide jeweils vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2020 und 10. Februar 2020 (dies sind die Kostenbeitragsbescheide gegenüber P und der Klägerin) aufgehoben. Damit liegt keine Beschwer für die Klägerin vor.

Streitgegenstand ist insbesondere entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht der Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020. Streitgegenstand sind vielmehr alleine die beiden im Antrag des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 13. April 2021 benannten Kostenbeitragsbescheide vom 11. Oktober 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2020 bzw. 10. Februar 2020. Diese beiden Kostenbeitragsbescheide stellen auch entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten keineswegs gemeinsam mit dem Bewilligungsbescheid eine untrennbare rechtliche Einheit dar. Vielmehr ergibt sich die Verpflichtung der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes zur Leistung eines Kostenbeitrages an das Pflegeheim zur Abdeckung der ungedeckten Heimkosten schon privatrechtlich aus dem Heimvertrag zwischen der Klägerin und P auf der einen Seite und dem Heimträger auf der anderen Seite. Eines wie auch immer gearteten Kostenbeitragsbescheides bedurfte es gar nicht, worauf das SG auch zutreffend hingewiesen hat, und für den es im Übrigen auch keine Rechtsgrundlage gibt, nachdem der Beklagte auch lediglich die seiner Meinung nach noch unter Berücksichtigung des Kostenbeitrags der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes ungedeckten Heimkosten unmittelbar überwiesen hat. Das heißt mit anderen Worten, diese beiden Kostenbeitragsbescheide haben in keinerlei wie auch immer gearteter Weise eine konstitutive Wirkung für die Wirksamkeit des Bewilligungsbescheides. Aus diesem Grund ist dieser Bescheid auch nicht in das Berufungsverfahren einzubeziehen. Der Bescheid ist vielmehr bestandskräftig geworden. In dem Zusammenhang kann der Senat letztlich offenlassen, ob tatsächlich, wie das SG meint, schon lediglich gegen die beiden Kostenbeitragsbescheide Klage erhoben worden ist. Der Antrag des Klägerbevollmächtigten sprach zwar von den Bescheiden vom 11. Oktober 2019, aber nur in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2020, die beiden anderen Widerspruchsbescheide vom 7. Februar und 10. Februar 2020 wurden nicht benannt, auf der anderen Seite hatte er alle drei Bescheide vom 11. Oktober 2019 beigefügt, allerdings wiederum nur die beiden Widerspruchsbescheide vom 6. und 10. Februar 2002, die nur die Kostenbeitragsbescheide betrafen.
Aber selbst wenn man hier die Rechtsprechung des BSG zur sachdienlichen Auslegung von Anträgen und zur Prüfung des Prozesszieles insbesondere bei rechtsunkundig vertretenen Klägern (im Gegensatz dazu waren die Kläger seinerzeit aber auch rechtskundig vertreten), heranzieht und den Antrag in der Klageschrift in Verbindung mit den vorgelegten Bescheiden dahingehend ausgelegt hätte, dass alle drei Bescheide mit der Klage angefochten seien, bleibt festzuhalten, dass jedenfalls in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2021 der Klägerbevollmächtigte die Klage ausdrücklich auf die beiden Kostenbeitragsbescheide beschränkt hat. Dieser Antrag ist auch in keiner Weise interpretationsfähig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Protokoll vor der Antragstellung ausdrücklich die Rechtsauffassung der Kammervorsitzenden aufgeführt ist, dass dieser (weitere) Bewilligungsbescheid vom 11. Oktober 2019 bereits bestandskräftig sei.

Aus diesen Gründen war die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, da die Klägerin durch die Entscheidung des SG in keiner Weise beschwert ist, vielmehr den in der mündlichen Verhandlung am 13. April 2021 gestellten Anträgen vollumfänglich stattgegeben worden war.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Klägerin hier bezüglich ihres Ehemannes als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in das Verfahren eingetreten war und insoweit hinsichtlich der hier streitigen Geldleistungen, nämlich zur Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden ungedeckten Pflegekosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege, dem Kostenprivileg nach § 183 Satz 1 SGG unterfällt.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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