L 10 KR 421/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KR 1097/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 421/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 79/22 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 21.04.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand:

 

Streitig ist die Erstattung von Fahrkosten.

 

Der 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet seit vielen Jahren unter einer Angst- und Panikstörung, aufgrund derer er sich in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung in der T-Klinik in O befand. Für die Jahre 2009 bis 2011 waren dem Kläger durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten (BKK Alp plus) Fahrkosten zur ambulanten Behandlung erstattet worden.

 

Am 19.05.2017 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten Actimonda Krankenkasse unter Beifügung entsprechender Bescheinigungen über Behandlungsdaten die Erstattung der Fahrkosten zur Institutsambulanz der T-Klinik für die Jahre 2013 bis 2016. Danach befand er sich dort im Jahr 2013 an 5 Tagen, im Jahr 2014 an 14 Tagen, im Jahr 2015 an 15 Tagen und im Jahr 2016 an 17 Tagen in Behandlung.

 

Auf Anforderung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten legte der Kläger eine Bescheinigung der behandelnden Ärztin R vom 01.06.2017 vor, die bestätigte, dass sich der Kläger seit längerem in ihrer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung befinde. Bereits die Autofahrt zwischen dem Wohnort des Klägers und der Klinik habe therapeutische Relevanz, da dieser unter agoraphobischen Ängsten leide.

 

In seiner hierzu eingeholten Stellungnahme vom 16.06.2017 vertrat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK; Herr E) die Auffassung, dass keine hohe Behandlungsfrequenz gemäß der Krankentransport-Richtlinie vorliege.

 

Mit Bescheid vom 21.06.2017 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Erstattung der Fahrkosten ab. Die Krankenkasse übernehme Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen. Voraussetzung sei ua, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt werde, das eine hohe Behandlungsfrequenz (maximal zweimal wöchentlich) über einen längeren Zeitraum aufweise. Im vorliegenden Falle sei durch den MDK festgestellt worden, dass aufgrund der eingereichten Unterlagen keine hohe Behandlungsfrequenz ersichtlich sei, sodass die beantragte Kostenübernahme ausgeschlossen sei.

 

Zur Begründung des hiergegen am 28.07.2017 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die konkret erforderliche Behandlungszahl sei in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt. Unabhängig davon könne immer dann ein Fahrkostenzuschuss gewährt werden, wenn dies für die Gesundheitsförderung unabdingbar und äußerst förderlich sei. Entsprechend sei für das Jahr 2010 Fahrkostenerstattung erfolgt.

 

Mit Bescheid vom 02.11.2017 wies Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch zurück. Fahrkosten für eine ambulante Behandlung würden nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen übernommen. Eine vorherige Genehmigung sei vorliegend nicht erteilt worden. Auch die Voraussetzungen von § 8 Abs 3 der Krankentransport-Richtlinie lägen nicht vor. Die gemäß § 8 Abs 2 Krankentransport-Richtlinie erforderliche hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum sei weiterhin nicht ersichtlich.

 

Am 28.11.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Münster (SG) Klage erhoben und vorgetragen, dass er sich in einer engmaschigen Betreuung durch die T-Klinik befinde. Zwar habe er in der Zeit von 2013 bis 2016 rein numerisch die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche Anzahl von durchschnittlich 18 Arztkontakten im Jahr unterschritten. Er sei jedoch aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, jeden vereinbarten Besprechungstermin einzuhalten, da er von Zeit zu Zeit außerstande sei, sich ins Auto zu setzen und die zur Klinik erforderliche Fahrt von insgesamt 108 km durchzuführen. Er sei auf die Kostenübernahme angewiesen, da er lediglich eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehe. Eines gesonderten Antrags auf Kostenerstattung habe es nicht bedurft, da bereits die Rechtsvorgängerin der Beklagten Einverständnis bezüglich der Kostenerstattung in den Jahren 2009 bis 2011 erteilt habe. Er habe deshalb auf Erstattung der in den Jahren 2013 bis 2016 entstandenen Kosten vertrauen dürfen. Hierzu hat er Bescheide der BKK Alp plus vom 26.01.2012, 23.03.2009 und 28.01.2011 vorgelegt.

 

Die Beklagte hat ihre Rechtsauffassung wiederholt und ergänzend vorgetragen, eine unbegrenzte, generelle Genehmigung zur Übernahme der Fahrkosten von allen zukünftigen ambulanten Behandlung des Klägers sei in der Vergangenheit nicht erfolgt. Vielmehr habe es sich bei der Kostenerstattung für die Jahre 2009 bis 2011 jeweils um Einzelfallentscheidungen gehandelt, sodass weitere Fahrkostenübernahmen eines gesonderten Antrags und der Genehmigung durch die Beklagte im Vorfeld der Behandlungen bedürften.

 

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.04.2021 abgewiesen. Als Anspruchsgrundlage komme allein § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Die Voraussetzungen für die begehrte Fahrtkostenerstattung gemäß § 60 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 8 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie – KrTr-RL) lägen nicht vor. Ein besonderer Ausnahmefall nach § 8 Abs 3 KrTr-RL liege nicht vor. Danach könne die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ oder einen Einstufungsbescheid gemäß Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in den Pflegegrad 3,

4 oder 5 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkasse genehmige verordnete Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach  1 besitzen, wenn diese von einer den Kriterien nach S 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen. Hierzu sei trotz expliziter Nachfrage des Gerichts nichts vorgetragen worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen wäre.

Es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs 2 KrTr-RL erfüllt sind. Denn der Kläger habe die Fahrten jedenfalls nicht vorher durch die Krankenkasse genehmigen lassen. Nach § 9 S 1 KrTr-RL bedürften Fahrten nach § 8 der Richtlinie einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG (vom 16.07.2015, BGBl I 1211) sei § 60 Abs 1 S 4 SGB V eingefügt worden. Der Gesetzgeber habe damit Krankentransporte zu einer ambulanten Behandlung klar unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt. Für die Übernahme von Fahrkosten nach § 60 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 8 KrTr-RL habe ein Genehmigungsvorbehalt wegen § 9 KrTr-RL aber auch schon vor der Gesetzesänderung bestanden. Die Erteilung der Genehmigung sei vor der Fahrt erforderlich gewesen (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2011 – L 9 KR 212/11 B ER – in juris). Unstreitig sei dem Kläger keine vorherige Genehmigung erteilt worden. Auch habe er die Übernahme der Fahrtkosten nicht vor Fahrtantritt beantragt, sondern – zum Teil – erst Jahre später.

Es bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten aus § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V. Eine Kostenübernahme für Fahrten zu einer ambulanten Krankenbehandlung komme danach in Betracht, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werden könne. Für diese Regelung gelte der Genehmigungsvorbehalt nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus medizinischen Gründen einer stationären Krankenhausbehandlung bedurft hätte, seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der dem Kläger durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2011 mitgeteilten Fahrkostenübernahme. In dem Schreiben würden ausdrücklich Fahrkosten zur ambulanten Behandlung in der T-Klinik in der Zeit vom 07.01.2010 bis 06.12.2010 übernommen. Es lasse sich dem Schreiben keine Übernahme von Fahrkosten auch für die Zukunft entnehmen. Dasselbe gelte in Bezug auf das seitens des Klägers vorgelegte Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 26.01.2012. Auch in diesem werde lediglich mitgeteilt, dass Fahrkosten zur ambulanten Behandlung iHv 412,56 € übernommen werden können. Eine etwaige Genehmigung der Fahrkostenübernahme für die Zukunft sei dem Schreiben nicht zu entnehmen. In beiden Schreiben liege auch keine Zusicherung im Sinne des § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), denn es ergebe sich aus ihnen eindeutig nicht die Zusage, einen zukünftigen Verwaltungsakt, der auf die Übernahme von Fahrkosten gerichtet ist, zu erlassen. Erforderlich sei insofern, dass sich die Zusicherung auf einen bestimmten Verwaltungsakt richte. Zum einen müsse sich daraus der Wille der Behörde ergeben, sich zu einem zukünftigen Tun oder Unterlassen zu verpflichten, zum anderen müsse sich die Erklärung auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Beides sei nicht der Fall.

Eine Übernahme der Kosten komme auch nicht unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes in Betracht. Die Regelungen der §§ 45, 47 SGB X fänden keine Anwendung, da die Beklagte mit dem Bescheid vom 21.06.2017 keinen Verwaltungsakt aufgehoben habe. Auch bestehe kein Vertrauensschutz nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) aufgrund einer vermeintlich geänderten Verwaltungspraxis der Beklagten. Eine Selbstbindung aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis könne nur im Rahmen eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums oder Ermessens eintreten. § 60 SGB V räume der Krankenkasse aber bereits keinen derartigen Spielraum bei der Beurteilung der Frage ein, ob Fahrkosten übernommen werden oder nicht. Zudem könne wegen des Vorrangs des Gesetzes nur eine rechtmäßige Praxis eine Selbstbindung begründen. Unerheblich sei, dass der Kläger geltend mache, nicht in der Lage zu sein, die Fahrkosten zu tragen. Finanzielle Aspekte seien im Rahmen des Anspruchs auf Fahrkostenerstattung nicht berücksichtigungsfähig.

Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Eine Pflichtverletzung der Beklagten dergestalt, dass sie ihre Beratungspflicht aus § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt hätte, sei nicht ersichtlich. Ohne Anlass sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es einer vorherigen Genehmigung der Fahrkostenübernahme bedarf. Ein vorheriges Beratungsersuchen des Klägers und eine daraufhin erfolgte fehlerhafte Beratung seitens der Beklagten lasse sich weder dem Vortrag der Beteiligten noch den Akten entnehmen.

 

Gegen das am 27.04.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.05.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Er sehe in den Bewilligungsbescheiden vom 28.01.2011 und 26.11.2012 auch eine bindende Zusicherung mit Blick auf weitere Inanspruchnahmen entsprechender Behandlungen bzw der dazugehörigen Fahrkosten. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich nicht um andere Behandlungen und Therapien handele, sondern letztlich um eine durchgehend identische bzw einander entsprechende und fortlaufende Aneinanderreihung ambulanter Behandlungen. Dies entspreche einer Dauerbehandlung, bei der separate Genehmigungen nicht erforderlich seien. Auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen iSd GBA-Richtlinien lägen vor. Zur weiteren Begründung verweist der Kläger nochmals auf die Schwere seiner Erkrankung und den Umstand, dass es ihm deshalb mitunter nicht möglich gewesen sei, die Fahrten zu Therapien zu bewältigen. Diese Termine seien dann telefonisch abgehalten worden und im Rahmen der Behandlungsfrequenz zu berücksichtigen. Im Jahr 2013 habe er auch nicht fünf, sondern sechs Termine wahrgenommen. Hinsichtlich der hohen Behandlungsfrequenz sei eine Mehrjahresdurchschnittsrechnung unzulässig. Vielmehr sei auf das konkrete Jahr abzustellen.

 

Der Kläger beantragt seinem schriftsätzlichen Vorbringen zufolge,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 21.04.2021 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017 zu verurteilen, dem Kläger Fahrkosten iHv 1095,60 € nebst Zinsen zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen rechtlichen und medizinischen Aspekte, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Sie vertritt die Ansicht, bei Berücksichtigung von Behandlung im Sinne der Krankentransportrichtlinien seien nur tatsächlich durchgeführte Fahrten zu berücksichtigen. Eine Serienbehandlung im Sinne der Krankentransportrichtlinie habe bei dem Kläger nicht vorgelegen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.

 

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 21.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung in den Jahren 2013 bis 2016.

 

Gemäß § 60 Abs 1 S 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S 1 SGB V ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB V festgelegt hat.

 

Nach § 8 Abs 3 S 1 KrTr-RL in den für den vorliegenden Sachverhalt maßgebenden Fassungen vom 21.12.2004 (veröffentlicht im BAnz Nr 41, Seite 2937, vom 01.03.2005) und 18.02.2016 (veröffentlicht im BAnz AT 04.05.2016 B2) können Fahrten zur ambulanten Behandlung für Versicherte genehmigt werden, die einen Einstufungsbescheid mindestens in Pflegegrad III oder einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ vorlegen. Fahrten zur ambulanten Behandlung können auf ärztliche Verordnung auch ohne einen Nachweis nach § 8 Abs 3 S 1 KrTr-RL genehmigt werden, wenn die Versicherten von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen (§ 8 Abs 3 S 2 KrTr-RL).

 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zur Begründung nimmt der Senat insofern nach § 153 Abs 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht im Wesentlichen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

 

Ein Anspruch des Klägers auf Fahrkostenerstattung ergibt sich auch nicht aus § 8 Abs.2 KrTr-RL. Voraussetzung für eine Verordnung von Krankenfahrten ist danach ua dass die Patientin oder der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist.

 

Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum“ im Sinne von § 8 Abs 2 KrTr-RL ist danach zu bestimmen, ob die Behandlung, zu deren Ermöglichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anl 2 der Richtlinie genannten anderen Behandlungsformen von ihrem zeitlichen Ausmaß her wertungsmäßig vergleichbar ist; dabei ist die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits gemeinsam zu den Regelbeispielen in Beziehung zu setzen (vgl BSG, Urteil vom 28.07.2008 – B 1 KR 27/07 R – in juris Rn 29). Ausnahmefälle nach § 8 Abs 2 der Richtlinie sind entsprechend der Anl 2 der Fassung vom 21.12.2004 die Dialysebehandlung sowie onkologischen Strahlen-  und Chemotherapie sowie der Anl 2 der ab dem 05.05.2016 geltenden Fassung vom 18.02.2016 die Dialysebehandlung, die onkologischen Strahlentherapie und die parenterale antineoplastische Arzneimitteltherapie/parenterale onkologische Chemotherapie.

 

Bei den in der Anl 2 der KrTr-RL aufgeführten Beispielsfällen erstreckt sich die Behandlung bei der Strahlentherapie regelmäßig auf ein Zeitraum von 4-7 Wochen und bei der Chemotherapie auf Behandlungszyklen von jeweils 3-4 Wochen in mittleren und fortgeschrittenen Stadien einer Behandlungsdauer von insgesamt etwa 4-8 Monaten (vgl BSG, aaO, Rn 31). Das BSG (aaO) hat eine wöchentliche Behandlung bei unabsehbarer Behandlungsdauer noch als ausreichend anerkannt. Bei monatlichen Behandlungen wird die hohe Behandlungsfrequenz demgegenüber auch dann verneint, wenn sich die Behandlung auf einen unabsehbaren Zeitraum erstreckt. Als unzureichend werden auch langwierige psychiatrische Behandlung im Abstand von 3-4 Wochen angesehen (vgl LSG Hamburg, Urteil vom 30.07.2008 – L 1 KR 17/08; vergleiche zusammenfassend zum Stand in der Rechtsprechung LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.04.2015 – L 6 KR 49/14 – in juris Rn 43 mwN).

 

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die sich aus den durch den Kläger vorgelegten Bescheinigungen ergebende Häufigkeit von Behandlungen nach Auffassung des Senats keine hohe Behandlungsfrequenz dar. Es handelt sich insgesamt im Höchstfall um 17 Behandlungen jährlich. Eine hohe Behandlungsfrequenz wird in diesem Falle auch bei bereits langandauernder Behandlung nicht erreicht (vgl LSG Sachsen-Anhalt, aaO, Rn 49 mwN: Keine hohe Behandlungsfrequenz bei unbegrenzter Behandlungsdauer, wenn sie in einem Jahr 18 Falle unterschreitet).

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Berufungsbegründung.

 

Die telefonisch stattgefundenen Behandlungstermine können zur Überzeugung des Senats ebenso wenig berücksichtigt werden wie die Termine, die ausgefallen sind. Denn Sinn und Zweck der Fahrkostenerstattung ist der Ausgleich für in besonderen Fallkonstellationen angefallene besonders hohe Belastungen durch Fahrkosten. Insofern ist eine konkrete Betrachtungsweise geboten, sodass nur tatsächlich erfolgte Fahrten Berücksichtigung finden können.

 

Entgegen der Auffassung des Klägers kann in den aktenkundigen Bescheiden vom 28.01.2011 und 26.11.2012 auch keine Genehmigung für die Fahrten ab 2013 gesehen werden, da in diesen Bescheiden offensichtlich nur die Übernahme von Fahrkosten geregelt ist, die vor der jeweiligen Bescheiderteilung bereits entstanden waren. Eine in die Zukunft gerichtete Genehmigung der Übernahme von Fahrtkosten kann diesen Bescheiden nicht entnommen werden. Der Kläger verkennt insofern, dass auch in Fällen einer Dauerbehandlung eine eindeutig in die Zukunft gerichtete Genehmigung erforderlich ist, damit weitere Antragstellungen entbehrlich werden. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger eine Genehmigung zukünftiger Fahrten begehrt hätte.

Darüber hinaus ist auch – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat  – völlig unklar, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Zusammenhang diese Regelungen getroffen worden sind. Weder der Kläger noch die Beklagte konnten weitere Angaben zu den damaligen Umständen machen.

 

Insofern liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein schützenswertes Vertrauen des Klägers vor.

 

Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Beratungspflichten aus § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch verletzt haben könnte, sodass auch ein Anspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch ausscheidet.

 

Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aufgrund der Mail der Beklagten vom 26.01.2022, wonach Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen nur in Ausnahmefällen eine Leistung der Krankenkasse und dann auch nicht zu beantragen sind, da sich diese Aussage auf die seit dem 01.01.2019 geltende Rechtslage bezieht. Danach gilt die Genehmigung für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung unter bestimmten Voraussetzungen als erteilt. Eine entsprechende Genehmigungsfiktion war in § 60 SGB V in den im vorliegenden Verfahren maßgebenden Fassungen zwischen 2013 und 2016 nicht enthalten.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG besteht nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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