L 10 R 819/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 5146/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 819/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.02.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1986 geborene Klägerin erlernte nach eigener Angabe von Ende September 2007 bis Ende Juni 2010 den Beruf einer Einzelhandelskauffrau (S. 157 ÄT-VerwA). Anschließend war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld bzw. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach Zeiten der Kindererziehung bzw. einer geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung arbeitete sie ihren Angaben gemäß (s. erneut S. 157 ÄT-VerwA) von Anfang Februar bis Ende April 2015 (u.a.) als Reinigungskraft und anschließend - mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - bis Mitte 2017 versicherungspflichtig als Einzelhandelskauffrau. Anschließend bezog sie Krankengeld und ab August 2018 Arbeitslosengeld. Mitte Mai 2019 nahm sie eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung auf („Minijob“), wobei sie dafür von November 2019 bis einschließlich August 2020 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete, und bezieht seit Anfang November 2019 (wieder) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zudem geht sie einer selbstständigen Vertriebstätigkeit nach. Wegen der weiteren Einzelheiten der zurückgelegten rentenrechtlichen Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 28.04.2022 (S. 21 ff. Senats-Akte) Bezug genommen.

Am 09.10.2018 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei - u.a. die sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des I (Ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit W) vom 20.09.2018 (Leistungsbeurteilung: leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich möglich; keine anhaltenden Zwangshaltungen, kein häufiges Bücken und Tragen von schweren Lasten, kein hoher Zeit- und Leistungsdruck, keine Nachtschicht, keine Fahr- oder Steuertätigkeiten, S. 43 ff. ÄT-VerwA) - und ließ diese sozialmedizinisch auswerten. Die H schloss sich der Leistungsbeurteilung des I in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19.11.2018 (S. 184 f. ÄT-VerwA) an (Diagnosen: Fibromyalgie-Syndrom, chronische Schmerzstörung, Angst und depressive Störung gemischt, [Zustand nach] Innenmeniskusläsion links; zusätzlich qualitative Einschränkung: kein häufiges Hocken). Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.11.2018 und der Begründung ab, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein könne, sodass keine Erwerbsminderung vorliege.

Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens nahm die Klägerin vom 24.04. bis 15.05.2019 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der M-Klinik in R - Abt. Rheumatologie - teil, aus der sie arbeitsfähig entlassen wurde (Diagnosen: chronifiziertes Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie-Syndrom und depressive Anpassungsstörung). Die dortigen Ärzte gingen unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen von einem zeitlichen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich aus und sahen einen weiteren Behandlungsbedarf für ca. ein Jahr. Bei Entlassung beschrieb die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts (S. 55 ÄT-VerwA) eine deutliche Schmerzreduktion, wobei die Ärzte einerseits von einem überwiegenden Erreichen der Rehabilitationsziele ausgingen, andererseits keine wesentliche Änderung gegenüber dem Aufnahmebefund annahmen. Es werde eine „befristete teilweise Rente wegen Erwerbsminderung für ca. 1 Jahr“ vorgeschlagen.

Die Beklagte zog weitere ärztliche Unterlagen bei und holte das Gutachten der H (S. 195 ff. ÄT-VerwA) ein. Die Gutachterin diagnostizierte nach Untersuchung am 17.07.2019 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein vorbeschriebenes Fibromyalgiesyndrom sowie eine Dysthymia. Höhergradige Pathologika lägen bei der Klägerin nicht vor; auch sei ihre Lebensführung mit Tagesstrukturierung, allgemeinem Interessenspektrum und sozialer Interaktionsfähigkeit weitgehend gut erhalten, wobei an psychosozialen Belastungsfaktoren namentlich finanzielle Probleme bestünden. Der Leistungsbeurteilung der Ärzte in R könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin sei vielmehr in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in wechselnder Körperhaltung noch sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten, wobei Arbeiten unter Zeitdruck, namentlich im Akkord, und Nachtschichtarbeiten nicht mehr in Betracht kämen. Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2019 zurück. Es bestünde keine zeitliche Leistungseinschränkung, den bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen werde vielmehr mit den von der Gutachterin genannten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen, sodass eine Erwerbsminderung nicht vorliege.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.11.2019 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, dass sie Rente auf „Bitte“ ihrer behandelnden Ärzte beantragt habe und eine solche „im Normalfall immer auf ca. 1 Jahr befristet“ werde. Ihr sei es „zu diesem Zeitpunkt“ nicht gut gegangen und selbst der Haushalt sei ihr schwergefallen. Auch ihre Tochter habe enorm unter ihrem (der Klägerin) Zustand gelitten, was sie (die Klägerin) sehr traurig gemacht habe. Deswegen sei im Reha-Entlassungsbericht auch eine für ein Jahr befristete Rente „vermerkt“ gewesen, weil sie Erholung benötige.

Das SG hat die behandelnden Ärzte und den Psychotherapeuten der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die H1 hat u.a. bekundet (Auskunft vom 30.06.2020), die Klägerin im Jahr 2020 nicht gesehen zu haben. H habe in ihrem Gutachten eine spastisch-ataktische Gangstörung und ein Wirbelsäulensyndrom nicht erwähnt. Sie (H1) schätze das zeitliche Leistungsvermögen auf drei bis sechs Stunden ein. Die A hat angegeben (Auskunft vom 07.07.2020), die Klägerin wegen einer Angst und depressiven Störung gemischt und einer Antriebsminderung behandelt zu haben. Ihre diagnostische Einschätzung stimme im Wesentlichen mit der der H überein. Eine Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sei ihr nicht möglich, da sie die Klägerin zuletzt am 10.07.2019 behandelt habe. Die W1 der Sektion Schmerztherapie der R1-Klinik S) hat berichtet, die Klägerin zuletzt Mitte Juni 2020 wegen der Besprechung des Befundberichts der Ärzte des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik des Uklinikums T vom 07.01.2020 nach dortiger Untersuchung am 13.09.2019 (Verdachtsdiagnose: spastisch-ataktische Gangstörung, Befund: kein Nachweis pathogener oder wahrscheinlich pathogener klinisch-relevanter DNA-Varianten, unklare Veränderung im VAMP1-Genom, keine Hinweise auf autosomal-dominante Repeat-Erkrankungen, s. Bl. 61 ff. SG-Akte) gesehen zu haben. Zuvor habe sie die Klägerin dreimal im Frühjahr 2019 behandelt. Die von ihr erhobenen Befunde stimmten im Wesentlichen mit denen der H überein. Eine Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sei ihr mangels gutachtlicher Tätigkeit nicht möglich. Der S1 hat unter der Angabe einer Angst und depressiven Störung gemischt sowie einer Somatisierungsstörung leichte Tätigkeiten im Umfang zwischen drei bis sechs Stunden für zumutbar erachtet, die P - die Hausärztin der Klägerin - hat sich sowohl der diagnostischen Einschätzung als auch der Leistungsbeurteilung der H in deren Gutachten angeschlossen; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die entsprechenden Auskünfte (S1 vom 21.08.2020, Bl. 106 SG-Akte; P vom 26.08.2020, Bl. 107 f. SG-Akte) Bezug genommen.

Zu den Auskünften und den übersandten medizinischen Unterlagen hat für die Beklagte die S2 Stellung genommen (sozialmedizinische Stellungnahme vom 16.12.2020, Bl. 122 f. SG-Akte). S2 hat darauf hingewiesen, dass H sowohl die angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden als auch die angegebene Gangstörung berücksichtigt habe (vgl. dazu S. 199 ÄT-VerwA), dass ohnehin nach wie vor unklar sei, ob es sich genetisch bei der Klägerin um eine Norm-Variante oder um eine Variante mit Krankheitswert handele und dass sich auch im Übrigen nichts ergeben habe, was die Leistungsbeurteilung der Gutachterin in Frage stelle. Ohnehin habe die A, W1 und auch die P den Ausführungen der H ausdrücklich zugestimmt.

Das SG hat sodann von Amts wegen die O mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Auf den von der Sachverständigen zunächst auf den 01.03.2021, 09.15. Uhr, bestimmten Begutachtungstermin hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bis 10.00 Uhr da sein werde, indes könne ihr Fahrer wegen Corona nicht mit zur Untersuchung, was ihr „nicht passt“, sie wolle nicht allein sein. Nach Hinweis des SG hat die Sachverständige einen neuen Untersuchungstermin auf den 11.03.2021, 14.30 Uhr, bestimmt. Diesen Termin hat die Klägerin abgesagt und zur Begründung ausgeführt, dass sie nur vormittags könne bzw. dass ihre achtjährige Tochter nur zwischen 08.30 Uhr und 14.30 Uhr versorgt sei, ihr Mann sei in Vollzeit berufstätig und komme erst gegen 17 Uhr nach Hause. Das SG hat die Klägerin sodann über ihre prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten und die Beweislastfolgen bei einem Nichtnachkommen belehrt (vgl. Bl. 141 SG-Akte). Im Anschluss hat die Sachverständige einen neuen Begutachtungstermin auf den 11.05.2021, 09.15 Uhr, festgelegt und um schriftliche Bestätigung bis 09.04.2021 gebeten, andernfalls werde der Termin anderweitig vergeben. Nachdem keine Bestätigung erfolgt war, ist die Klägerin gleichwohl zum Termin erschienen, obgleich die Sachverständige den Termin bereits anderweitig vergeben hatte. Die Vergabe eines neuen Termins hat die Klägerin unter Hinweis darauf, dass sie jetzt umsonst zwei Stunden nach Mannheim gefahren sei, abgelehnt (s. Bl. 151 SG-Akte).

Daraufhin hat das SG den Gutachtensauftrag aufgehoben und die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 10.02.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne Zeitdruck, ohne Akkord und ohne Nachtschicht zu verrichten. Es hat sich dabei der Beurteilung der Gutachterin H angeschlossen, die überzeugend sei. Zwar hätten H1 und der S1 ein nur noch drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen, dem komme aber ein geringerer Beweiswert zu. Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts sei nicht erforderlich gewesen, nachdem die Klägerin ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei - was zu ihren Lasten gehe -, denn sie habe sich im gerichtlichen Verfahren einer Begutachtung verweigert, weil sie einen neuen Termin zuletzt abgelehnt habe. Auch sei eine Begutachtung nach Aktenlage nicht angezeigt gewesen, denn neue nervenärztliche Befunde lägen nicht vor.

Gegen den ihr am 15.02.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.03.2022 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass sie bei der Ärztin (gemeint: O) gewesen sei und nichts dafür könne, wenn Post nicht ankomme. Außerdem könne man damals nicht mit heute vergleichen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.02.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit (einfacher) E-Mail vom 18.10.2022 (Dienstag) hat die Klägerin mitgeteilt, „am Donnerstag in die Sprechstunde“ zu müssen, weil dafür „heute keine Zeit“ gewesen sei; ihrer E-Mail ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (ohne Angabe von Diagnosen und eines Befunds) der P vom 18.10.2022 (arbeitsunfähig seit 18.10.2022 bis voraussichtlich 19.10.2022) beigefügt gewesen. Mit Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 19.10.2022 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Mitteilung, nicht an der mündlichen Verhandlung des Senats am 20.10.2022 teilzunehmen, zur Kenntnis genommen worden sei, dass ein Antrag auf Terminsverlegung der E-Mail nicht entnommen werden könne, dass ein erheblicher Grund für eine Verlegung ohnehin nicht glaubhaft gemacht sei und dass die Verhandlung stattfinden werde.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2022 in Abwesenheit der Beteiligten über den Rechtsstreit entscheiden, da sie ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die E-Mail der Klägerin vom 18.10.2022 hat keine Veranlassung zu einer Verlegung der mündlichen Verhandlung gegeben; insoweit wird auf die Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 19.10.2022 (s. dazu oben im Tatbestand) Bezug genommen.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 28.11.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2019, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin auf deren Antrag vom 09.10.2018 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Das SG hat die dagegen gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid vom 28.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§ 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGV VI -) weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weswegen ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zusteht.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie u.a. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarkts auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat 10.12.1976, GS 2/75 u.a., in juris). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, weil sie zur Überzeugung des Senats trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, jedenfalls leichte berufliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Bei ihr stehen Gesundheitsstörungen von nervenärztlicher bzw. psychosomatisch-schmerztherapeutischer Seite ganz im Vordergrund. Insoweit leidet sie im Wesentlichen an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bzw. an einem Fibromyalgiesyndrom sowie an einer Dysthymia. Dies stützt der Senat auf das urkundbeweislich verwertbare Gutachten der H. Dem haben sich in diagnostischer Hinsicht auch die A, die Fachärztin W1 und die P ausdrücklich angeschlossen.

Soweit H noch zuvor (sozialmedizinische Stellungnahme vom 19.11.2018) die bei der Klägerin bestehenden Anomalien von seelischer Seite neben der Schmerzstörung als Angst und depressive Störung gemischt bezeichnet hat - ebenso wie der S1 (Auskunft gegenüber dem SG) -, kommt dem keine entscheidende Bedeutung zu, ebenso wenig wie dem Umstand, dass die Ärzte in R von einer depressiven Anpassungsstörung bei chronifiziertem Schmerzsyndrom im Sinne einer Fibromyalgie ausgegangen sind. Denn im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht entscheidend auf eine bestimmte Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, sodass auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht maßgeblich sind (BSG, a.a.O.). Derartige höhergradige Funktionsstörungen anhand objektiv-klinischer Befunde, die geeignet wären, eine rentenrechtlich relevante zeitliche Leistungseinschränkung „auf nicht absehbare Zeit“ (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 SGB VI) zu begründen, hat H nach Untersuchung der Klägerin gerade nicht zu objektivieren vermocht und Entsprechendes lässt sich auch nicht aus dem Entlassungsbericht der Ärzte in R ableiten (dazu noch später), zumal H die Klägerin nur knapp zwei Monate nach Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme untersucht hat.

Bei der Untersuchung durch H ist der körperliche Status der Klägerin bis auf allenfalls diskrete Ödeme an den Unterschenkeln im Wesentlichen unauffällig gewesen. Sie hat ohne Schonhinken und ohne Hilfsmittel zügig gehen können (zudem: Zehenspitzen-, Hacken- und Strichgang beidseits weitgehend problemlos möglich, ebenso der Einbeinstand beidseits; Romberg-Stehversuch ohne Schwanken und ohne Fallneigung; keine Pathologie beim Unterberger-Versuch) und ist in der Lage gewesen, prompt vom Stuhl aufzustehen. Das Aus- und Ankleiden ist ihr unauffällig im Stehen gelungen, auch einen Schuhlöffel hat sie nicht genutzt. Sämtliche Bewegungs- und Lageänderungen sind ihr flüssig und ohne Hilfe möglich gewesen und sie hat es vermocht, ruhig und mit in der Hüfte beidseits um 90° abgewinkelten Beinen auf einem Holzstuhl zu sitzen. Die tiefe Hocke hat sie zu 2/3 eingenommen, wobei sie sich ohne Abstützen hat wieder aufrichten können. Im Bereich der Wirbelsäule hat bei freier Beweglichkeit lediglich eine (leichte) Druckschmerzhaftigkeit bei ausgeprägten Myogelosen ohne Hinweise auf segmentale Reiz- oder Ausfallerscheinungen imponiert (zudem: Lasègue beidseits negativ, Finger-Boden-Abstand ca. 10 cm). Im Bereich der oberen und unteren Extremitäten haben keine Auffälligkeiten vorgelegen (namentlich: Schultern muskulär seitengleich, Nacken-/Schürzengriff regelgerecht, Beweglichkeit aller Gelenke frei, keine Weichteilschwellungen, keine Entzündungszeichen, kein Druck- oder Bewegungsschmerz). Neurologisch hat die Klägerin lediglich diffuse - so H - Sensibilitätsstörungen im Bereich der Schultern, der Oberschenkel und paravertebral im Lendenwirbelsäulenbereich beklagt, die die Gutachterin weder eindeutig radikulär, noch einem peripheren Nervenversorgungsgebiet hat zuordnen können. Ansonsten ist der neurologische Befund im Wesentlichen unauffällig gewesen (insbesondere: keine Hinweise auf Paresen; keine Atrophiezeichen; kein abnormer Muskeltonus; im Arm- und Beinhalteversuch kein Absinken; unauffällige Einzelkraftprüfung im Bereich der Arme und Beine, lediglich ein sekundenlanger, frequenzschwankender rechtsbetonter Halte- und Bewegungstremor der Hand, der bei Ablenkung abgenommen hat; alle Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar; keine Pyramidenbahnzeichen; Koordination unauffällig). In psychischer Hinsicht ist die Klägerin, bei gepflegtem äußerem Erscheinungsbild („gebräuntes Hautkolorit, Halskette, Ohrringe, Ring, Augen geschminkt“), wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen, ohne dass eine Beeinträchtigung der Modulationsfähigkeit, der Konzentration, der Aufmerksamkeit, der Merkfähigkeit, des Antriebs, der Psychomotorik, des formalen und inhaltlichen Denkens oder des Gedächtnisses vorgelegen hat. Die Klägerin hat strukturiert und geordnet vortragen können, ihre Stimmung ist nur leicht gedrückt und nicht höhergradig depressiv bei gut erhaltener Schwingungsfähigkeit gewesen. Wahrnehmungsstörungen haben ebenso wenig vorgelegen wie Hinweise auf ein Ich-Beeinflussungserleben, ein hirnorganisches Syndrom, eine Minderbegabung oder eine Suizidalität. Die Klägerin hat gegenüber H zudem angegeben, täglich Pkw zu fahren, keinen Urlaub im Jahr 2019 aus finanziellen Gründen gemacht zu haben, täglich ihre Tochter zur Schule zu bringen und abzuholen, Haushaltstätigkeiten zu verrichten und diese „gut“ zu bewältigen (wobei sie nur „an der ein oder anderen Stelle“, z.B. Wäscheholen aus dem Waschkeller, Staubsaugen, die Unterstützung ihres Mannes benötige), täglich Einkäufe zu erledigen, Wochenendspaziergänge zu unternehmen und zweimal die Woche die Physiotherapie sowie einmal die Woche die Wassergymnastik zu besuchen (s. zum gesamten Vorstehenden S. 201 ff., 207 ÄT-VerwA).

Dass H unter Zugrundelegung dieses klinischen Befunds sowie der ihr von der Klägerin geschilderten noch möglichen Alltagsaktivitäten und erhaltenen Interessen bei angegebener Schmerzsymptomatik seit dem 18. Lebensjahr weder eine relevante Antriebsstörung noch überhaupt höhergradige Funktionsdefizite hat objektivieren können, ist für den Senat in jeder Hinsicht überzeugend. Ebenso überzeugend ist es, dass die Gutachterin in Ansehung dessen lediglich qualitative Einschränkungen (keine Arbeiten unter Zeitdruck wie z.B. im Akkord, keine Nachtschichtarbeit), nicht jedoch eine zeitliche Leistungslimitierung angenommen hat. Zu dieser Einschätzung ist zuvor auch bereits I gelangt. Soweit er - wie auch seinerzeit noch H selbst (sozialmedizinische Stellungnahme vom 19.11.2018: kein häufiges Hocken) - darüber hinausgehende qualitative Einschränkungen (keine anhaltenden Zwangshaltungen, keine häufiges Bücken, kein häufiges Tragen schwerer Lasten, keine beruflichen Fahr- und Steuertätigkeiten im Hinblick auf die - auch von H im Rahmen ihres Gutachtens berücksichtigte, s. S. 205, 207 ÄT-VerwA, - Schmerzmedikation) angenommen hat, legt der Senat auch diese seiner Beurteilung zu Gunsten der Klägerin zu Grunde. Eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts folgt daraus indes nicht.

Nachdem sich die A (in ihrer Auskunft gegenüber dem SG) der diagnostischen Einschätzung der H im Wesentlichen angeschlossen hat, ebenso wie W1, besteht keine Veranlassung, von der Leistungsbeurteilung der Gutachterin abzuweichen, zumal auch die Hausärztin der Klägerin (in ihrer Auskunft gegenüber dem SG) diese ausdrücklich als zutreffend bestätigt hat. Soweit die A ihre Diagnosen abweichend bezeichnet hat, ist dies - wie oben bereits dargelegt - nicht von entscheidender Bedeutung, zumal sie die Klägerin auch zuletzt am 10.07.2019, also vor der Begutachtung durch H, untersucht hat und eine irgendwie geartete Antriebsstörung bzw. eine depressive Störung mit Ängsten zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Gutachterin gerade nicht (mehr) vorgelegen hat (s.o.). Ohnehin hat die Klägerin selbst eine wesentliche Verschlimmerung ihres Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch H nicht einmal behauptet - ein solche ist auch auf der Grundlage der im SG-Verfahren eingeholten Auskünfte und medizinischen Unterlagen nicht erkennbar, worauf S2 hingewiesen hat (sozialmedizinische Stellungnahme vom 16.12.2020, als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar) -, sondern sie hat vielmehr allein auf den Rehabilitationsentlassungsbericht der Ärzte in R verwiesen.

Dass sich auch aus der Auskunft (gegenüber dem SG) der W1 nichts ableiten lässt, was die Leistungsbeurteilung der H in Frage stellen würde, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass auch sie die Klägerin zuletzt zeitlich vor der Begutachtung durch H untersucht hat. Bei dem Termin Mitte Juni 2020 ist es - so W1 - einzig um die Besprechung des (genetischen) Befundberichts der Ärzte des Uklinikums T gegangen.

Aus diesem wiederum, der auf einer (genetischen) Untersuchung beruht, über deren Ergebnisse auch bereits H informiert gewesen ist (s. S. 199 ÄT-VerwA), ergibt sich ebenfalls nichts, was die Leistungsbeurteilung der Gutachterin erschüttern könnte. Zum einem hat die Gutachterin die Verdachtsdiagnose einer Gangstörung berücksichtigt - worauf S2 ebenfalls zutreffend aufmerksam gemacht hat -, zum anderen kommt es, wie schon oben dargelegt, nicht auf (Verdachts-)Diagnosen oder auf Ursachen von gesundheitlichen Anomalien an, sondern auf objektiv-klinische Funktionsdefizite mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen. Eine irgendwie geartete relevante Gangstörung hat H indes gerade nicht zu objektivieren vermocht und aus dem Befundbericht der Ärzte des Uklinikums T ergibt sich Derartiges ebenfalls nicht. Nur am Rande merkt der Senat noch an, dass H1 in ihren Arztbriefen von März, Mai und November 2019 (Bl. 47, 50, 51 SG-Akte) jeweils ausdrücklich klinisch eine Gangstörung („GS“) ausgeschlossen hat (zuletzt auch vermerkt: „geht ganz ordentlich“).

Entgegen dem SG ergibt sich aus den Auskünften der H1 und des S1 schon deshalb keine relevante Abweichung zur Leistungsbeurteilung der H, weil beide ausdrücklich ein drei- bis sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte berufliche Tätigkeiten angenommen haben, was eine Erwerbsminderung ausschließt (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI: „mindestens“, also einschließlich sechs Stunden). Ohnehin hat H1 ihrer Einschätzung (Verdachts-)Diagnosen ohne Mitteilung entsprechender klinischer Befunde zu Grunde gelegt. Wie schon aufgezeigt, hat H weder - auch nur mittelgradige - Wirbelsäulenbeschwerden noch eine Gangstörung zu objektivieren vermocht. Auch H1 selbst hat eine Gangstörung ausgeschlossen (s.o.).

Schließlich rechtfertigt auch die Leistungseinschätzung der Ärzte in R keine andere Bewertung. Sie vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil H nur knapp zwei Monate später einen im Wesentlichen unauffälligen klinischen Befund erhoben hat (s.o.), sodass bereits aus diesem Grund jedenfalls keine überdauernden Funktionsdefizite mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen bestanden haben, worauf bereits sowohl H als auch S2 in der Sache hingewiesen haben. Hinzukommt, dass die Klägerin selbst (dokumentiert im Entlassungsbericht) angegeben hat, eine „deutliche Schmerzreduktion“ im Laufe der Rehabilitation erfahren zu haben, weswegen die Ärzte auch von einem überwiegenden Erreichen der Rehabilitationsziele und einem erarbeiteten „guten therapeutischen Erfolgspotenzial“ ausgegangen sind (s. S. 55 ÄT-VerwA). Warum sie dann aber gleichwohl bei Entlassung gemeint haben, es sei keine wesentliche Änderung gegenüber dem Aufnahmebefund eingetreten, ist nicht nachvollziehbar.

Ohnehin haben die Ärzte in R im Rahmen ihrer Leistungseinschätzung einen rechtlich unzutreffenden Ausgangspunkt zu Grunde gelegt. Wie oben dargelegt, kommt es rechtlich allein darauf an, ob der Versicherte unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann. Die Ärzte haben der Klägerin demgegenüber noch leichte „bis mittelschwere Arbeiten“ im Umfang zwischen drei bis unter sechs Stunden täglich zugemutet. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, warum die Klägerin dann nicht in der Lage sein sollte, (rein) leichte Tätigkeiten - auf die es allein ankommt - noch in einem Umfang von mindestens - also einschließlich - sechs Stunden täglich zu verrichten. Des Weiteren haben die Ärzte in R bei ihrer Begründung der Befürwortung einer befristeten Rente maßgeblich auf einen „körperlichen und psychotherapeutischen Behandlungsbedarf für zirka 1 Jahr“ abgestellt (vgl. S. 56 ÄT-VerwA). Auch dies entspricht nicht den rechtlichen Maßstäben, denn für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist unmaßgeblich, ob der Versicherte (weiterhin) wegen Krankheit oder Behinderung behandlungsbedürftig oder - auch häufig - arbeitsunfähig ist (BSG 31.10.2012, B 13 R 107/12 B, in juris).

Sonstige Gesundheitsstörungen, die Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen haben könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Dies stützt der Senat auf die Auskunft der P und auf die sozialmedizinische Stellungnahme der S2. Soweit H1, die die Klägerin ohnehin nur zweimal im Jahr und zuletzt Mitte November 2019 (s. den letzten Arztbrief Bl. 51 SG-Akte) behandelt hat, in ihrer Auskunft gegenüber dem SG noch orthopädische (Knie, Wirbelsäule) bzw. gefäßchirurgische (Lip-Lymphödem) Leiden erwähnt hat, ist dies zum einen von H berücksichtigt worden (ohne dass sich namentlich im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten ein wesentlich auffälliger Befund ergeben hat, s.o.), zum anderen hat H1 im genannten Arztbrief vermerkt, dass der Klägerin die Lymphdrainage „gut tut“, dass sie „ganz ordentlich geht“, dass keine Entzündungszeichen vorliegen und dass die Klägerin „am Abend Rücken, Schulter und Knie wegen langem Stehen“ habe. Dem tragen indes die oben bereits festgestellten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung. Denn der Klägerin wird nur noch eine leichte Tätigkeit mit der Möglichkeit eines Körperhaltungswechsels zwischen Stehen, Gehen und Sitzen zugemutet. Ohnehin begründet die zeitliche Leistungseinschätzung der H1 schon keine Erwerbsminderung (s. auch dazu bereits oben).

Unter Zugrundelegung all dessen hat der Senat keine ernsthaften Zweifel, dass die Klägerin noch in der Lage ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben festgestellten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI). Ob sie noch als Einzelhandelskauffrau arbeiten kann, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat die Klägerin zu Recht nicht geltend gemacht, denn ein solcher Anspruch käme bereits deshalb nicht in Betracht, weil sie erst nach dem gesetzlichen Stichtag (02.01.1961, § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) geboren ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist vorliegend nicht erforderlich (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie der Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in juris). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, in juris). Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen (s.o.) im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Schließlich merkt der Senat noch an, dass auch der Umstand, dass bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt ist, keine weitergehende Bedeutung hat. Denn dem GdB eines Versicherten kommt hinsichtlich seiner zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).

Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist geklärt. Namentlich das Gutachten der H, die Auskünfte der A und W1 sowie die Auskunft der P und die sozialmedizinische Stellungnahme der S2 haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Der Senat hat deshalb - entgegen dem SG, worauf die Klägerin vorab hingewiesen worden ist - keine Veranlassung gesehen, noch ein Sachverständigengutachten einzuholen, zumal dazu, wie oben im Einzelnen dargelegt, auch weder die Auskünfte der behandelnden Therapeuten gegenüber dem SG noch das Vorbringen der Klägerin insgesamt einen Anlass gegeben haben; ins Blaue hinein muss nicht ermittelt werden (vgl. nur BSG 28.02.2018, B 13 R 279/16 B, in juris m.w.N.). Deswegen kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren ihren prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist und welche Folgen verneindendenfalls damit verbunden wären. Der diesbezügliche, ohnehin nur pauschal gebliebene Rechtsmittelvortrag geht mithin ins Leere.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved