L 9 R 226/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 5827/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 226/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.116,16 Euro festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen.

Die Klägerin ist die Tochter der C, die zuletzt in Griechenland gelebt hat. Auf den formlosen Antrag der C vom 13.04.2012 bewilligte die Beklagte ihr mit Rentenbescheid vom 19.07.2012 vorschussweise Witwenrente aus der Versicherung ihres am 19.02.2012 verstorbenen Ehemannes I rückwirkend ab März 2012. Die Rente wurde auf das von C mitgeteilte, in Griechenland geführte Konto der C überwiesen, für das nach Mitteilung der C auch ihr Sohn  A  verfügungsberechtigt war.

Der Aufforderung der Beklagten an C zur Nachreichung eines Rentenantrags in den dafür vorgesehenen Formularvordrucken kam C, die am 31.07.2012 verstarb, nicht mehr nach. Eine Mitteilung über den Tod von C erhielt die Beklagte zunächst nicht. Nachdem die angeforderte Lebendbescheinigung der C ausblieb, stellte der Renten Service der Beklagten die Rentenzahlung an C ab Dezember 2013 vorübergehend und ab Mai 2014 endgültig ein. Die Zahlbeträge der Witwenrente für Dezember 2013 bis April 2014 in Höhe von monatlich 319,51 Euro, insgesamt 1.601,55 Euro, erhielt die Beklagte über den Renten-Service zurück, im Übrigen blieb die an die Bank gerichtete Rückforderung der auf das Konto der C erfolgten Zahlungen für August 2012 bis Juni 2013 in Höhe von monatlich 319,51 Euro und von Juli 2013 bis November 2013 in Höhe von monatlich 320,31 Euro, insgesamt 5.116,16 Euro, erfolglos.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Gemeinde, in der C zuletzt gelebt hatte, eine Sterbeurkunde und eine Bescheinigung über die nächsten Angehörigen der C. Daraus ergibt sich, dass C drei Kinder hatte, neben der Klägerin und A noch einen Sohn D, der bereits im Jahr 2011 ohne Abkömmlinge vorverstorben ist. Weiter erhielt die Beklagte eine Bescheinigung der Gemeinde vom 21.05.2014 darüber, dass die Klägerin als Tochter von C deren Erbin sei. Eine Anschrift von A konnte die Beklagte nicht in Erfahrung bringen.

Mit Schreiben vom 15.08.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Rente der C zum 31.07.2012 hätte wegfallen müssen, aber bis zum 30.04.2014 gezahlt worden sei. Nach Abzug der bereits erfolgten Rückzahlung verbleibe eine Überzahlung in Höhe von 5.116,16 Euro, die die Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. m. § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als zu Unrecht erbrachte Leistung zu erstatten hätten. Da die Klägerin nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen die Erbin von C sei, werde sie aufgefordert, die Forderung zu begleichen. Hierauf erfolgte keine Reaktion der Klägerin.

Mit Bescheid vom 23.10.2014 forderte die Beklagte von der Klägerin den Betrag von 5.116,16 Euro unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 2 SGB X zurück und führte aus, dass die Klägerin als Erbin den überzahlten Betrag zu erstatten habe. Sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da allgemein bekannt sei, dass mit dem Tod des Rentners für den Folgemonat kein Rentenanspruch mehr bestehe und dass die Rentenzahlung, die zurückgefordert werde, nach dem Tod des Rentners ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Besondere Gründe, das ihr eingeräumte Ermessen anders auszuüben, z. B. wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich und nicht vorgebracht.

Hiergegen legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein und trug nach Akteneinsicht vor, dass sie keinerlei Rentenbeträge erhalten habe, die sie erstatten könne, und zum anderen, dass sie nicht Erbin ihrer Mutter geworden sei.

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass nach griechischem Recht bei vorverstorbenem Ehepartner und fehlender anderweitiger testamentarischer Verfügung die Kinder Erben der Verstorbenen würden, was auf die Klägerin als Tochter zutreffe und sie damit als Erbin in Anspruch genommen werde. Falls ihr bekannt sei, dass es eine anderweitige testamentarische Verfügung gebe oder sie die Erbschaft ausgeschlagen habe, solle sie dies näher konkretisieren bzw. belegen. Da nach den vorliegenden Unterlagen A als Sohn ebenfalls als (Mit-)Erbe in Betracht kommen könnte und überdies verfügungsberechtigt über das Konto der C gewesen sei, dieser aber mangels Anschrift nicht habe kontaktiert werden können, werde die Klägerin gebeten, dessen aktuelle Anschrift mitzuteilen. Dies blieb ohne Reaktion der Klägerin.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ihr sei nur die Klägerin als Erbin bekannt. Auch wenn die Klägerin bestritten habe, Erbin der C zu sein, lägen keine Nachweise vor, dass andere Personen geerbt hätten oder die Klägerin das Erbe ausgeschlagen habe. Eine Adresse des A sei nicht bekannt, daher müsse sie auf die Klägerin zurückgreifen. Die überzahlten Rentenbeträge seien ohne Rechtsgrund im Sinne des § 50 Abs. 2 SGB X erbracht worden, der Anspruch auf Rentenzahlung habe mit dem Ablauf des Todesmonats geendet. Die geltende Jahresfrist sei eingehalten. Bösgläubigkeit sei in Fällen wie dem vorliegenden spätestens ab dem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem ein Erbe vom Tod des Versicherten und der Rentenüberzahlung erfahre. Im Rahmen der Ermessensausübung sei das erhebliche öffentliche Interesse am Rückfluss überzahlter Rentenleistungen zu berücksichtigen. Dem seien die persönlichen Verhältnisse des Erben sowie das Zustandekommen der Überzahlung gegenüber zu stellen. Hier sei von Bedeutung, dass die Klägerin den Tod der Mutter nicht der Beklagten gemeldet habe. Anlässlich deren Todes hätte die Klägerin sich darum kümmern müssen, welche Leistungen ihrer Mutter gezahlt wurden und dass diese rechtzeitig eingestellt bzw. zurückgezahlt würden. Besondere persönliche oder finanzielle Umstände, aufgrund derer eine Rückzahlung des geforderten Betrages für die Klägerin unzumutbar wäre, seien nicht ersichtlich.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie erneut darauf verwiesen, dass sie selbst den geforderten Geldbetrag nie erhalten habe. Weder vor noch nach dem Tod habe sie über das Konto der C verfügen können und auch nicht darüber verfügt. Ausweislich der Verwaltungsakte habe ihre Mutter zu Lebzeiten ihren Bruder A als Verfügungsberechtigten ihres Kontos angegeben. Die aktuelle Anschrift ihres Bruders sei ihr nicht bekannt. Es sei auch nicht ihre Aufgabe, dessen Anschrift mitzuteilen, vielmehr müsse die Beklagte die Anschrift von A ermitteln. Auch die Behauptung der Beklagten, sie sei Erbin ihrer Mutter geworden, habe die Beklagte zu begründen und zu beweisen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Für die Inanspruchnahme als Erbe komme es nicht darauf an, ob der betreffenden Person tatsächlich Geld- oder Sachwerte zugeflossen seien. Die Regelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGV VI sei gerade deshalb geschaffen worden, um solche Personen in Anspruch nehmen zu können, für die ein Erstattungsanspruch als Empfänger oder Verfügende nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht greife. Als tatsächlich existierende Erbin sei ihr nur die Klägerin bekannt. Ob A noch lebe und unter welcher Adresse er ggf. erreichbar wäre, sei nicht bekannt und habe nicht ermittelt werden können. Sollte er noch leben, erscheine es zumindest ungewöhnlich, dass die Klägerin seine Adresse nicht wisse. Nach griechischem Erbrecht werde die Klägerin als Tochter im Rahmen der Erbfolge kraft Gesetzes Erbin, sofern sie das Erbe nicht ausschlage. Ein weiterer Ausschlussgrund sei ein Testament, durch das sie vom Erbe ausgeschlossen wäre. Beide Ausschlussgründe lägen nicht vor. Einer förmlichen Feststellung der Erbeneigenschaft durch einen Erbschein bedürfe es nach griechischem Recht nicht.

Das SG hat das Rechtsgutachten vom 09.01.2019 bei L eingeholt. Hierzu wird auf Bl. 51-69 der SG-Akte Bezug genommen.

Auf Aufforderung zur Konkretisierung ihres Vortrags hat die Klägerin sodann ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass sie nicht wisse, ob ein Testament ihrer Mutter existiere. Sie sei deshalb nicht Erbin ihrer Mutter geworden sei, weil sie das Erbe ausgeschlagen habe. Im Jahr 2011 habe sich ihr Sohn umgebracht, seither befinde sie sich in psychologischer Behandlung und nehme Psychopharmaka. Sie wisse nicht, wer die Beerdigung ihrer Mutter organisiert habe, sie selbst habe daran nicht teilgenommen. Auf die Aufforderung zur weiteren Konkretisierung und zum Beleg der angegebenen Erbausschlagung hat die Klägerin nicht mehr reagiert.

Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2019 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2015 aufgehoben. Ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Erstattung der überzahlten Rentenleistungen bestehe nicht. Die Beklagte nehme die Klägerin ausschließlich als Erbin in Anspruch und stütze den geltend gemachten Anspruch dabei auf § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 2 SGB X. Ob die Klägerin nach griechischem Recht Erbin geworden sei, könne dahingestellt bleiben. Denn selbst bei Bejahung einer Erbenstellung scheide ein solcher Anspruch aus. Eine Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X scheitere daran, dass die Klägerin tatsächlich von den Rentenüberzahlungen nichts erhalten habe. Hierzu verweise es auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg L 10 R 2599/17. Nach § 50 Abs. 2 SGB X könnten überzahlte Leistungen nur von demjenigen zurückgefordert werden, der sie (tatsächlich) zu Unrecht erhalten habe (BSG, Urteil vom 03.04.2014 - B 5 R 25/13 R -). Ob die Klägerin tatsächlich etwas von den Rentenzahlungen erhalten habe, lasse sich nicht beweisen. Die Klägerin bestreite dies. Weitere Erkenntnismöglichkeiten seien nicht ersichtlich. Damit sei nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast von einer Nichtfeststellbarkeit zu Lasten der Beklagten auszugehen, da sich diese auf § 50 Abs. 2 SGB X berufe. Auch wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass die Klägerin als mögliche Erbin nach griechischem Recht unter Umständen Konto(mit)inhaberin geworden sein könnte und in diesem Fall ein „Erhalt“ der überzahlten Rentenbeträge gegeben sein könnte, sei dem nicht zu folgen. Alleine aus einer durch Erbschaft erhaltenen Kontoinhaberschaft sei nicht sicher, dass die Klägerin die überzahlten Rentenbeträge auch tatsächlich erhalten habe. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass A über das Konto der C verfügungsberechtigt gewesen sei und nicht bekannt sei, ob zum Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin vom Tod ihrer Mutter überhaupt noch ein Guthaben auf dem Konto vorhanden gewesen sei. Außerdem würde eine solche Rechtsauffassung, wonach Erben im Wege der Rechtsnachfolge Kontoinhaber und damit „automatisch“ Empfänger im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI würden, eine Umgehung der auf Vertrauensschutz abstellenden Haftung des SGB X von Erben, die nicht bereits nach Satz 1 des § 118 Abs. 4 SGB VI verschärft haften, darstellen. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag, die griechische Bank zu befragen, wie das Konto der Verstorbenen vertraglich ausgestaltet gewesen sei, sei daher abzuweisen gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 16.01.2020 zum LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Beklagten. Die Klägerin sei die Tochter von C und als deren Erbin zur Erstattung der nach dem Tod der C überzahlten Rentenleistungen verpflichtet. Die vom SG herangezogene Entscheidung des BSG vom 03.04.2014 (B 5 R 25/13 R) sei nicht einschlägig. Zwar werde darin ausgeführt, dass der Rückforderungsanspruch im dortigen Fall daran scheitere, dass die Erben von der Rentenzahlung nichts erhalten hätten. Es handle sich dort aber nicht um Erben des verstorbenen Rentenempfängers, sondern um die Erben der Person, die über die Rentenzahlungen auf dem Bankkonto des Verstorbenen verfügt habe. Überdies könne der Sichtweise des BSG in diesem Urteil auch nicht gefolgt werden, sonst liefe die Regelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI faktisch ins Leere. Wenn Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Erben wäre, dass diese die Rentenzahlung unmittelbar in Empfang genommen oder Verfügungen getroffen hätten, hätte es der Einfügung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI nicht bedurft. Erben, denen die Rentenzahlung nach dem Tod tatsächlich zugeflossen seien, könnten ohne Weiteres bereits nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in Anspruch genommen werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe aber mit § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gerade die Möglichkeit geschaffen werden sollen, die Erben in Anspruch zu nehmen, die nicht über die überzahlten Rentenleistungen verfügt oder diese in Empfang genommen hätten. Sämtliche Zuflüsse auf dem Bankkonto eines Verstorbenen nach dessen Tod seien den Erben rechtlich gesehen zugeflossen. Erben hätten somit die Rentenzahlung auch „erhalten“. Ob Erben Beträge vom Bankkonto abgehoben hätten, sei irrelevant. Die Mitinhaberschaft des Bankkontos führe somit rein rechtlich gesehen zum „Erhalt“ der Rentenzahlungen. Dies bedeute nicht, wie vom SG im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass damit eine Rückforderung nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI möglich wäre. Denn die Klägerin sei keine Person im Sinne dieser Regelung, die als Empfänger nur Personen erfasse, an die in dem Zeitraum nach Eingang der zu Unrecht überwiesenen Geldleistung auf dem Konto und vor Eingang der Rückforderung aufgrund einer anderweitigen Verfügung einen Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet worden sei. Bei der überzahlten Rente der verstorbenen C handle es sich um sog. Nachlasserbenschulden. Hierfür hafte die Klägerin nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in vollem Umfang. Zu Unrecht habe das SG auch die Voraussetzungen des § 45 SGB X verneint. Da es um die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen gehe, beziehe sich der Verweis in § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X auf § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X, also auf Fälle, in denen der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werde. Eine solche Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit sei u.a. nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zulässig, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Es komme folglich darauf an, ob der Erbe bösgläubig sei. Bösgläubigkeit liege ab dem Zeitpunkt vor, in dem der Erbe vom Tod des Berechtigten erfahre, von der Erbschaft Kenntnis erhalte und darüber hinaus Kenntnis davon erhalte, dass über den Tod hinaus Rentenzahlungen geflossen seien, die aufgrund des Todes nicht mehr zugestanden hätten. Der tatsächlichen Kenntnis sei nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Unkenntnis aufgrund grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen. Das SG habe sich mit der Frage der groben Fahrlässigkeit nicht hinreichend auseinandergesetzt. Von der Gemeinde sei die Klägerin als Erbin mitgeteilt worden. Daher hätte sie den Tod von C melden müssen und sich darum kümmern müssen, welche Leistungen ihrer Mutter gezahlt worden seien und dass diese rechtzeitig eingestellt bzw. zurückgezahlt werden müssten. Infolge grober Fahrlässigkeit habe die Klägerin es unterlassen, den Tod der Verstorbenen zu melden.

Die Beklagte beantragt,
           
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
           
            die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verlange von ihr einen Geldbetrag, obwohl sie diesen nie erhalten habe. Sie habe über keine Kontovollmacht und daher keine Möglichkeit verfügt, diesen Geldbetrag abzuheben und für ihre Bedürfnisse auszugeben. Die Beklagte hätte den Betrag stattdessen von allen in Betracht kommenden Erben zurückverlangen müssen. Sie selbst sei nicht Erbin ihrer Mutter geworden, sie habe das Erbe ausgeschlagen. Das SG habe die Bescheide der Beklagten zu Recht aufgehoben, weil diese gegen die im Urteil des BSG vom 03.04.2014 (a. a. O.) aufgestellten Rechtsgrundsätze verstießen. Es sei nicht Wille des Gesetzgebers, über § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gerade die Erben in Anspruch zu nehmen, die nicht über die überzahlten Leistungen verfügten oder diese in Empfang genommen hätten. Der Gesetzgeber habe keine Sippenhaft begründen wollen. Die Beklagte habe sich an denjenigen zu wenden, der die Leistung in Anspruch genommen habe. Die Beklagte hätte sich vorliegend an ihren Bruder A wenden müssen. Sie habe nicht über das Konto verfügen können, sie sei nicht Erbin geworden, sie habe das Erbe ausgeschlagen, sie hätte den Tod nicht melden müssen.

Auf die Aufforderung des Senats an die Klägerin unter Fristsetzung bis 10.05.2022 mitzuteilen, wann sie durch wen in welcher Form Kenntnis vom Versterben ihrer Mutter erlangt hat und wann sie in welcher Form gegenüber welcher Stelle die Ausschlagung der Erbschaft erklärt hat und ggf. einen entsprechenden Nachweis vorzulegen, ist kein weiterer Vortrag der Klägerin erfolgt.

Mit Schreiben vom 23.05.2022 und vom 24.05.2022 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch inhaltlich begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ist berechtigt, von der Klägerin die Erstattung der zu Unrecht nach dem Tod der C weitergezahlte Witwenrente in Höhe von 5.116,16 Euro durch Verwaltungsakt zu verlangen. Sie kann sich auf § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 SGB X stützen. Die Tatbestandsvoraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung erfüllt. Die Beklagte war nicht gehalten, eine Rückabwicklung über die Bank vorzunehmen oder eine andere möglicherweise erstattungspflichtige Person in Anspruch zu nehmen.

1. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin ist § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 SGB X.

Nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung vom 19.12.2007 sind, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet.
Nach Satz 2 der Regelung hat der Träger der Rentenversicherung Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat nach Satz 3 der Regelung der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen.

Daneben bleibt gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt. § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI bestimmt einen eigenständigen Rückforderungsanspruch gegenüber den Erben, die die überzahlte Rente nicht in Empfang genommen und nicht über die Rentenzahlung verfügt haben im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Der Anspruch richtet sich nach den allgemeinen Regelungen des SGB X, wobei §§ 45, 48 SGB X entsprechend anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2012 - B 13 R 105/11 R -, Juris Rn. 36).

2. Die Voraussetzungen für die Rückforderung der überzahlten Rentenbeträge gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. §§ 45, 50 SGB X sind bezogen auf die Klägerin erfüllt.

a) Die Klägerin ist alleinige Erbin ihrer Mutter C geworden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Bescheinigung der Gemeinde vom 21.05.2014, die allein die Klägerin als Erbin ihrer Mutter ausweist. Gestützt wird dies mittelbar auch durch das Vorbringen der Klägerin selbst. Zwar hat sie zunächst pauschal bestritten, Erbin von C geworden zu sein und vorgebracht, die Beklagte müsse für die Behauptung ihrer Erbenstellung den Beweis erbringen. Aber im weiteren Verlauf hat die Klägerin schließlich ihr Vorbringen dahingehend konkretisiert, dass sie deshalb nicht Erbin der C sei, weil sie das Erbe ausgeschlagen habe. Die Ausschlagung einer Erbschaft kommt aber nur für einen Erben in Betracht.

Dabei ist, wie vom SG zutreffend dargestellt, für die Rechtsnachfolge der C griechisches Erbrecht anzuwenden, mithin das griechische Zivilgesetzbuch (ZGB). Mit dem Tod der C ist nach Art. 1710 Abs. 1 ZGB deren Vermögen als Ganzes mit Aktiva und Passiva auf die Klägerin als Erbin übergegangen. Damit gilt auch nach griechischem Erbrecht das Prinzip der Universalsukzession bzw. Gesamtrechtsnachfolge, ebenso haftet der Erbe gemäß § 1901 Satz 1 ZGB für Nachlassverbindlichkeiten auch mit seinem eigenen Vermögen.

Dass die Erbenstellung der Klägerin durch eine fristgerecht erklärte, wirksame Ausschlagung der Erbschaft beseitigt wäre, kann der Senat indes nicht feststellen. Auch nach griechischem Recht erwirbt der Erbe kraft Gesetzes die Erbschaft mit dem Erbanfall, Art. 1846 ZGB. Für die Annahme ist ein Zutun des Erben nicht erforderlich. Er kann die Erbschaft nach § 1847 Abs. 1 Satz 1 ZGB ausschlagen, allerdings nur innerhalb einer Ausschlagungsfrist, durch Erklärung beim Sekretär des Nachlassgerichts unter den gesetzlich bestimmten Gültigkeitsvoraussetzungen (vgl. §§ 1846 -1857 ZGB). Als Rechtsfolge gilt der Erbanfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt, Art. 1856 Satz 1 ZGB. Hierzu wird insgesamt auch auf die Ausführungen im Gutachten des L S. 30 ff. Bezug genommen.

Insoweit ist die Klägerin aber jede Konkretisierung ihrer pauschalen Behauptung, sie habe die Erbschaft ausgeschlagen, schuldig geblieben. Sie hat auf die mehrfachen Aufforderungen zur Klarstellung, wann sie vom Tod der Mutter und von ihrer Erbschaft Kenntnis erlangt hat und wann sie in welcher Form gegenüber welcher Stelle die Erbausschlagung erklärt haben möchte, keinerlei Angaben gemacht.

Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich die Behörde bei der Leistungsaufhebung und einer hierauf gestützten Erstattungsforderung die materielle Beweislast für die Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Bewilligungsbescheide trägt. Gleiches gilt, wenn eine Erstattungsforderung auf den Wegfall des Rechtsgrundes für eine erbrachte Leistung, wie vorliegend, gestützt wird. Allerdings ist im vorliegenden Fall die Beklagte nicht den Beweis der Erbenstellung der Klägerin schuldig geblieben, sondern die Klägerin den Beweis der wirksamen und fristgerechten Ausschlagung der Erbschaft. Selbst wenn man damit den Beweis der Erbenstellung als nicht erbracht ansehen würde, wäre jedenfalls eine Umkehr der Beweislast zu Lasten der Klägerin anzunehmen. Eine solche ist gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht (vgl. BSG, Urteil vom 15.06.2016 - B 4 AS 41/15 R -, Juris). Das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird. So liegt es hier, weil die Klägerin nach dem bloßen pauschalen Bestreiten ihrer Erbenstellung erst im weiteren Verlauf des Klageverfahrens die Ausschlagung der Erbschaft behauptet hat, hierzu aber jegliche näheren Angaben unterlassen hat, so dass eine weitere Aufklärung hierzu nicht möglich ist.

b) Mit dem Tod der C bestand kein Anspruch auf weitere Zahlung von Witwenrente. Die Rentenbewilligung hat sich hierdurch im Sinne des § 39 SGB X erledigt und damit ist der Rechtsgrund für die weiteren Rentenzahlungen weggefallen. Die danach erfolgte Weiterzahlung der Rente auf das Konto der Verstorbenen erfolgte zu Unrecht.

c) Vertrauensschutz kann die Klägerin nicht geltend machen.

Die Vorschrift des § 50 SGB X stellt aufgrund der entsprechenden Anwendung der §§ 45,48 SGB X sicher, dass der Sozialleistungsempfänger, der die Leistung ohne einen - das Recht auf sie feststellenden oder gewährenden - Verwaltungsakt zu Unrecht erhalten hat, denselben Vertrauensschutz erlangt wie derjenige, der im Falle einer rechtswidrigen Bewilligung des Rechts oder Anspruchs bei Aufhebung dieses Verwaltungsaktes haben würde (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2001 - B 4 RA 102/00 R -, Juris).

Da es um die in den Monaten August 2012 bis November 2013 überwiesene Rentenzahlungen auf das Konto der Verstorbenen geht, mithin um eine „Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit“ (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 165/11 R -, Juris Rn. 27), ist § 45 SGB X entsprechend anzuwenden und müssen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 Satz 2 SGB X erfüllt sein, was vorliegend der Fall ist.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahmeentscheidung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (grundlegend BSG, Urteil vom 31.08.1976 - 7 RAr 112/74 -, Juris). 

Einem Erben ist regelmäßig bekannt, dass nach dem Todesmonat des Rentenberechtigten gezahlte Rentenbeträge zu Unrecht in Empfang genommen werden. Auch wenn die Rente über den Sterbemonat weitergezahlt wird und der Erbe zunächst keine Kenntnis vom Tod des Berechtigten hat bzw. davon, dass der Erblasser eine Rente bezogen hat, kann er sich grundsätzlich nicht auf Vertrauen berufen (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2013 - L 2 R 391/12 ZVW -, Juris Rn. 23; Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 118 SGB VI (Stand: 31.08.2022), Rn. 179). Bei Weiterzahlung von Rente an eine bereits verstorbene Person drängt sich nahezu jedem geradezu auf, ohne überhöhte Anforderungen an die individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit zu stellen, dass sie ohne Rechtsgrund erfolgt. Dass die Klägerin nach ihrer individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit zu dieser Erkenntnis nicht in der Lage gewesen wäre, ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.

Zwar hat die Klägerin angegeben, dass sie aufgrund eines Suizids ihres Sohnes im Jahr 2011 in fortlaufender psychologischer Behandlung stehe und Psychopharmaka einnehme, dass sie die Beerdigung ihrer Mutter weder organisiert noch daran teilgenommen habe, dass sie auch die Adresse ihres Bruders nicht kenne. Gleichzeitig behauptet sie aber, das Erbe fristgerecht wirksam ausgeschlagen zu haben. Die jeweils maßgeblichen Umstände, wann die Klägerin vom Tod ihrer Mutter erfahren hat, wann sie erfahren hat, dass sie Erbin ihrer Mutter geworden ist, ob und ggf. wann sie von der Weiterzahlung der Rente auf das Konto ihrer verstorbenen Mutter erfahren hat, ob sie erkannt oder grob fahrlässig verkannt hat, dass diese Weiterzahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist und wann, in welcher Form und gegenüber welcher Stelle sie die Erbausschlagung erklärt haben möchte, bleibt aber völlig im Dunkeln. Die bloße Behauptung, aufgrund gesundheitlicher Probleme vom Tod und der Erbschaft zunächst keine Kenntnis genommen und sich nicht um die Beerdigung gekümmert zu haben, reicht nicht aus, um die Feststellung einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis der rechtsgrundlosen Weiterzahlung von Witwenrente zu verhindern bzw. ein schutzwürdiges Vertrauen in die rechtsgrundlose Weiterzahlung der Rente feststellen zu können. Dies beruht maßgeblich auf dem Umstand, dass die Klägerin die relevanten Umstände aus ihrer Sphäre nicht offenlegt und damit eine weitere Aufklärung des Sachverhalts verhindert, was zu ihren Lasten geht.

d) Der Anspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 SGB X setzt, entgegen den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil, nicht voraus, dass der Erbe über die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ererbte Kontoinhaberschaft hinaus auch etwas aus den nach dem Tod des Verstorbenen Leistungsempfängers gezahlten Rentenleistungen erlangt oder darüber Verfügungen getroffen hat. Eine solche Voraussetzung ist in § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI im Gegensatz zu § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gerade nicht vorgesehen.

Nach dem Tod der C hat die Klägerin aber als Gesamtrechtsnachfolgerin die Kontoinhaberschaft der C an dem Konto bei der griechischen Bank erworben, das C als Rentenzahlungskonto bei der Beklagten angegeben hatte. Dass es sich dabei um das Konto der C handelte, folgt für den Senat aus den Angaben der C selbst bei der Rentenantragstellung. Dabei hat sie angegeben, dass die Rente durch Überweisung auf ihr Konto erfolgen soll. Zwar war A auch als Verfügungsberechtigter angegeben, aber aus den Angaben insgesamt ergibt sich nicht, dass dieser (auch) Kontoinhaber war.

Allein durch ihre Rechtsnachfolge als Inhaber des Kontos des Verstorbenen erfüllen Erben nicht den Begriff des Empfängers oder Verfügenden. Dies ist aber für eine Inanspruchnahme nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI auch nicht erforderlich. Nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI haftet der Erbe, der weder über den überzahlten Rentenbetrag verfügt noch diesen empfangen hat, als Erstattungsschuldner nach § 50 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. §§ 45,48 SGB X unter Berücksichtigung von Vertrauensschutz (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2012 - B 13 R 105/11 R -, Juris Rn. 37). Der Erbe muss nicht gleichzeitig Verfügender oder Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sein.

Soweit das SG sich insoweit auf die Entscheidung des BSG vom 03.04.2014 (a. a. O.) stützt, hat die Beklagte zutreffend eingewandt, dass dieser Entscheidung kein dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Dort stand ein Erstattungsanspruch der Person im Streit, die eine Person beerbt hatte, die Empfänger bzw. Verfügender im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI war. Dort wird zwar zu § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22.04.1987 (- 10 RKg 16/85 -, SozR 1300 § 50 Nr. 16 S. 30) ausgeführt, dass Leistungen nach  § 50 SGB X nur von demjenigen zurückgefordert werden können, der sie zu Unrecht erhalten hat. Dies ist für den Fall der Klägerin vorliegend aber gerade zu bejahen. Über die mit dem Tod der C ererbte Inhaberschaft des Kontos, auf das die Rente nach dem Tod der C zu Unrecht weitergezahlt wurde, hat die Klägerin als Erbin diese Zahlungen erhalten. Im Gegensatz dazu wurde die Klägerin in dem vom BSG am 03.04.2014 (a. a. O.) entschiedenen Fall für zu Unrecht weitergezahlte Rentenbeträge in Anspruch genommen, die vor dem Tod ihres Ehemannes auf das Konto dessen Stiefmutter gezahlt wurden, über die der Ehemann der Klägerin zu seinen Lebzeiten verfügt hatte. D.h. die dortige Klägerin hat durch ihre Erbschaft keine Inhaberschaft an dem Konto erlangt, auf das die zu Unrecht gezahlten Rentenleistungen nach dem Tod des Rentenberechtigten überwiesen wurden. Selbst wenn man mit dem SG (und ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2017 - L 10 R 2599/17 -, Juris Rn.26 ff. sowie Hessisches LSG, Urteil vom 18.11.2020 - L 6 R 283/17 -, Juris Rn. 34) davon ausgehen würde, dass neben der ererbten Kontoinhaberschaft auch ein tatsächliches Erlangen der überzahlten Geldbeträge Tatbestandsvoraussetzung des gegen die Klägerin gerichteten Erstattungsanspruchs wäre, könnte diese Tatbestandsvoraussetzung jedenfalls vorliegend nicht verneint werden. Zwar lässt sich nicht feststellen, was mit dem Geld auf dem griechischen Konto geschehen ist. Allerdings sind hierzu auch keine weiteren Erkenntnismöglichkeiten eröffnet, nachdem die Adresse des A, der jedenfalls zu Lebzeiten der C über eine Kontovollmacht verfügte, unbekannt ist, sich weder von der Beklagten ermitteln ließ noch von der Klägerin als seiner Schwester in den letzten 10 Jahren mitgeteilt werden konnte. Indem die Klägerin nur vage angibt, nichts von den Rentenzahlungen erhalten und die Erbschaft ausgeschlagen zu haben, aber jegliche weitere konkrete Angaben verweigert, kann die unsubstantiiert gebliebene Behauptung der Klägerin nicht zu Lasten der Beklagten als wahr unterstellt werden. Vielmehr geht insoweit die Nichterweislichkeit zu Lasten der Klägerin unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze der Beweislastumkehr.

3. Es besteht kein vorrangiger Rückabwicklungsanspruch gegen das griechische Geldinstitut nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI in der damals geltenden Fassung und kein vorrangiger Erstattungsanspruch gegen mögliche Empfänger oder Verfügende nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Alt 1 und 2 SGB VI, da die Erstattungsansprüche gegen die Empfänger und Verfügenden nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 und 2 SGB VI sowie gegen die Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI grundsätzlich gleichrangig und eigenständig nebeneinanderstehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2020 - B 13 R 4/18 R -, und vom 10.07.2012 - B 13 R 105/11 R -, jeweils Juris). Damit wäre auch ein etwaiger Erstattungsanspruch gegen den jedenfalls zum Zeitpunkt der formlosen Rentenantragstellung der C kontoverfügungsberechtigten Bruder der Klägerin A aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht vorrangig und stünde dem streitgegenständlichen Anspruch gegen die Klägerin nicht entgegen.

4. Es besteht auch kein vorrangiger Erstattungsanspruch gegen andere Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 SGB X. Zwar käme im Fall der gesetzlichen Erbfolge auch der Bruder der Klägerin A als Miterbe in Betracht, bei gewillkürter Erbfolge auch jede von C bestimmte andere Person. Allerdings liegen Anhaltspunkte für sonstige oder weitere Erben nicht vor. Nach der Mitteilung der Gemeinde vom 21.05.2014 ist Erbin der C allein die Klägerin geworden. Weitere Personen werden darin gerade nicht als Erben aufgeführt.

Damit ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG und trägt dem vollständigen Unterliegen der Klägerin, die als solche nicht dem privilegierten Personenkreis des § 183 SGG zuzurechnen ist, Rechnung.

Die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 197a SGG i. V. m. § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG erfolgt im Hinblick auf den konkret bezifferten streitigen Geldbetrag.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
Saved