L 9 U 2342/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 5055/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2342/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. März 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Mondbeinnekrose als Folge eines am 23.07.2014 erlittenen Arbeitsunfalls streitig.

Der 1983 geborene Kläger war bei der Firma B als Schichtführer/Maschineneinsteller im Bereich der mechanischen Bearbeitung/CNC tätig. Am 23.07.2014 wollte er ein bearbeitetes Aluminiumteil, das sich in der Halterung an der Maschine verkantet hatte, mit der Hand lösen. Nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 31.07.2014 verdrehte er dabei seine Hand so stark, dass er sich eine Zerrung zuzog. Der Kläger schilderte den Unfallhergang im Januar 2016 wie folgt: „Bei der Bedienung der CNC-Maschine wollte ich das Material aus der Vorrichtung herausnehmen. Dieses hatte sich jedoch dort eingeklemmt. Um das Material herauszunehmen, habe ich mit meiner rechten Hand dagegen geschlagen (mit der linken hielt ich das Material). Durch die Wucht des Schlags löste sich das Material, dabei rutschte es in meine linke Hand. Durch das Gewicht habe ich mir dabei mein linkes Handgelenk verdreht.“

Nach Schichtende begab sich der Kläger in Behandlung des B1, der im Durchgangsarztbericht vom 25.07.2014 die Befunde „Schwellung der linken Hand und Handgelenk, Sensibilität o.B., DS über Handgelenk radialseitig betont, DS über MHK I, II, III, keine offene Wunde, Faustschluss unvollständig, Streckung möglich“ angab und die Erstdiagnose Handgelenkszerrung links stellte. Die Röntgenaufnahmen von Handgelenk und linker Hand hätten keinen Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung erbracht. Hinsichtlich des Unfallhergangs wurde festgehalten, der Kläger habe sich beim Versuch, ein Werkstück aus einer Halterung zu befreien, die Hand verdreht.

Ab dem 24.11.2015 war der Kläger wegen Beschwerden im Bereich des linken Handgelenks arbeitsunfähig erkrankt; er stellte sich in der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie der Kkliniken E vor. Nachdem sich bereits nativröntgenologisch der Verdacht auf einen etwas weiten SL-Spalt und eine deutliche Sklerosierung des Mondbeins gezeigt hatte, wurde dieser Befund sowohl computertomographisch als auch in der Kernspintomographie bestätigt. Bei einer am 01.12.2015 durchgeführten CT-Untersuchung wurde eine alte, nicht konsolidierte Os lunatum Mehrfragmentfraktur mit unterschiedlicher Sklerosierung passend zu einer fortgeschrittenen Os lunatum Malazie festgestellt. Darüber hinaus fand sich kein weiterer alter oder frischer Frakturnachweis am untersuchten Skelett und keine Luxation. In der am 01.12.2015 durchgeführten MRT wurde der Nachweis einer deutlichen Lunatummalazie geführt und eine deutliche Degeneration des Discus triangularis festgestellt. Für eine frische oder alte Fraktur fand sich kein Anhalt. Darüber hinaus wurde vermehrt Flüssigkeit, insbesondere dorsal der Handwurzelknochen und im distalen Radioulnargelenk, am ehesten im Sinne eines Reizergusses, befundet. Am 18.12.2015 wurde in der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie, Kkliniken E, eine diagnostische Operation (Arthroskopie) des linken Handgelenks durchgeführt. Es wurden die Diagnosen diskrete Radiokarpalarthrose mit I° Knorpelschaden Fossa lunata am linken Handgelenk bei Lunatumnekrose mit Fraktur und Zustand nach Handgelenksdistorsion links im Juli 2014 mitgeteilt. Intraoperativ waren das SL-Band und TFCC intakt. Am 22.04.2016 wurde ebenfalls in den Kkliniken E aufgrund der Diagnose Lunatumnekrose links Stadium IV nach Lichtmann eine Resektion der proximalen Handwurzelreihe links durchgeführt. Das Lunatum war bereits mehrfach frakturiert.

Unter Auswertung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen gelangte der D in seiner fachradiologischen beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.01.2016 zu der Einschätzung, bei dem Kläger liege eine fortgeschrittene Lunatummalazie Stadium 3-4 vor. Verletzungsspezifische Begleitverletzungen seien nicht festzustellen, aufgrund des großen zeitlichen Abstandes zwischen dem Unfallereignis und der MRT-Untersuchung vom 01.12.2015 aber auch nicht mehr unbedingt zu erwarten. Deshalb sei eine zeitliche Zuordnung der genannten Läsionen zu dem Unfallereignis nicht möglich. Festzustellen sei allerdings, dass die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag noch keine erkennbare Veränderung des Os lunatum zeigten, sodass zumindest eine deutliche Verschlimmerung der Lunatummalazie nach den Röntgenaufnahmen vom 23.07.2014 festzustellen sei. Dieser zeitliche Zusammenhang erlaube jedoch keine Rückschlüsse auf einen ursächlichen Zusammenhang des Schadens mit dem Unfallereignis.

Nach Beiziehung der Mitglieds- und Vorerkrankungsbescheinigung der AOK Baden-Württemberg und eines Berichts der Kkliniken E vom 11.02.2016 holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des E1 des Ukrankenhauses B2, Abteilung für Hand-, Replantations- und Mikrochirurgie ein, der in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 08.04.2016 ausführte, es liege ein ungeeignetes Unfallereignis für die festgestellte Mondbeinnekrose vor. Auch der fehlende Nachweis der Fraktur des Mondbeins bzw. eines Abrisses gefäßführender perilunärer Bänder spreche gegen einen Ursachenzusammenhang. Damit könnten die unfallbedingten Verletzungen im Bereich der linken Handwurzel nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden. Auch sehe er keine unfallbedingte Verschlimmerung der Lunatumnekrose durch den erlittenen Arbeitsunfall.

Mit Bescheid vom 24.05.2016 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 23.07.2014 als Arbeitsunfall und eine Zerrung des linken Handgelenks als Folge des Arbeitsunfalls an. Der Mondbeintod (Lunatumnekrose) an der linken Handwurzel mit nachfolgender Entfernung der körpernahen Handwurzelreihe sei weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung Folge des Arbeitsunfalls. Anspruch auf Leistungen, insbesondere Heilbehandlung, Verletztengeld und sonstige Geldleistungen über den 08.08.2014 hinaus, sowie ein Anspruch auf Rente und sonstige Rehabilitationsleistungen bestünden deshalb nicht.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs vom 08.06.2014 trug der Kläger vor, niemand wisse genau, was bei dem Unfall passiert sei. Er habe diesen Vorgang (zunächst) als „Verdrehen“ der Hand interpretiert. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass es dabei zu einem Bruch des Mondbeins gekommen sei. Das lasse sich heute nicht mehr feststellen, da eine Röntgenaufnahme nicht geeignet sei, den Beginn einer Mondbeinnekrose nachzuweisen. Tatsache sei jedoch, dass noch während der laufenden Arbeitsschicht die Hand dick angeschwollen sei und heftige Schmerzen verursacht habe. Die Schmerzen hätten in der Folgezeit bis zum sicheren Feststellen der Nekrose nicht aufgehört. Wäre die ursprüngliche Diagnose „Zerrung“ zutreffend, dann wären die dadurch hervorgerufenen Schmerzen nach einer oder zwei Wochen abgeklungen. Nach Ende der Krankschreibung habe er seine Arbeit unter Schmerzen bei bestimmten Handbewegungen fortgesetzt, was die Entwicklung der Krankheit beschleunigt haben dürfte. Die Verletzung am Unfalltag könne daher sehr wohl die Nekrose ausgelöst haben und damit als mögliche Ursache in Betracht kommen. E1 habe den Unfallhergang als mögliche Unfallursache keineswegs ausgeschlossen, er spreche von Wahrscheinlichkeit, aber nicht von einem Ausschluss des Unfalls als Ursache. Er halte selbst ein Zusammenhangsgutachten für sinnvoll. E1 habe sich auch nicht mit dem Umstand befasst, dass es für eine alternative Kausalität keinerlei Hinweise gebe. Der Unfallhergang sei somit sehr wohl als geeignete Ursache anzusehen. Es habe auch keine Hinweise auf eine innere Ursache und damit eine Alternativursache gegeben. Einzig verbleibende Ursache sei der Unfall vom 23.07.2014.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im vorliegenden Fall könne gerade nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die aufgetretene Mondbeinnekrose links rechtlich wesentlich durch den angeschuldigten Unfall verursacht worden sei. Dagegen sprächen schon Art und Schwere des objektiv nachvollziehbaren Unfallhergangs. Zudem hätten auch keine bei einer traumatisch bedingten Mondbeinnekrose zu erwartenden Begleitläsionen vollbeweislich gesichert werden können. In Anbetracht des Beschwerdeverlaufs und der erhobenen medizinischen Befunde sprächen deshalb mehr Gründe gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Es könne daher lediglich von einer Zerrung des linken Handgelenks ausgegangen werden, welche bis zum 08.08.2015 folgenlos ausgeheilt sei.

Hiergegen hat der Kläger am 15.09.2016 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Er hat darauf hingewiesen, dass die Verletzung am Unfalltag sehr wohl die Nekrose ausgelöst haben könne und somit als mögliche Ursache in Betracht komme. Auch E1 habe den Unfall als mögliche Ursache keineswegs ausgeschlossen.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG den D1 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat dieser in seinem Gutachten vom 19.01.2017 ausgeführt, der Kläger habe sich bei dem Unfall eine Prellung und eine unphysiologische (gewaltsame) Überstreckung (Dorsalextension) bei Außenrotation der linken Handwurzel zugezogen. Diese primären Gesundheitsstörungen wären nicht bei jeder anderen Tätigkeit im Ablauf des täglichen Lebens eingetreten. Bei dem Kläger liege eine – im Seitenvergleich – um 95 Grad reduzierte Gesamtbeweglichkeit im linken Handgelenk und eine endgradig eingeschränkte Streckung des linken Zeige-, Mittel- und Ringfingers nach operativer Entfernung der körpernahen Handwurzelreihe vor. Die Entfernung der Handwurzelreihe sei aufgrund der Mondbeinnekrose notwendig geworden. Die aktuell vorliegenden Gesundheitsstörungen seien mit Wahrscheinlichkeit in wesentlicher Weise durch den Unfall verursacht worden. Als Unfallmechanismus für eine Mondbeinnekrose eigne sich, wie sich aus der ausgewerteten und dem Gutachten beigefügten Fachliteratur ergebe, u.a. eine Dorsalextension, die zu einer venösen Minderdurchblutung des Mondbeins führe, andere Unfallmechanismen könnten Komplexverletzungen sein, d.h. neben den knöchernen Verletzungen auch Bandzerreißungen mit Verrenkung des Mondbeins. Es sei festzustellen, dass unfallbedingt eine Mondbeinnekrose nicht ausschließlich durch eine knöcherne Verletzung, sondern auch durch ein entsprechendes schweres Überstrecktrauma im Handgelenk hervorgerufen werden könne. Sämtliche Tatbestände, die gegen einen Unfallzusammenhang sprächen, lägen beim Kläger nicht vor. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er auf 20 v.H. Diese bestehe seit Arbeitsfähigkeit nach der operativen Entfernung der proximalen Handwurzelreihe. Ob ein Dauerzustand eingetreten sei, könne aus heutiger Sicht nicht beurteilt werden. Seit dem Unfallereignis bestehe aufgrund der primären und sekundären Gesundheitsstörung eine Behandlungsbedürftigkeit weiter fort.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des E1 vom 20.03.2017 vorgelegt, der ausführt, er werte die durch D1 vorgelegte Fachliteratur anders. Auch dort werde ausdrücklich betont: „die Lunatumnekrose kann selten durch eine Verletzung entstehen, meistens handelt es sich um Mikrotraumen im Sinne einer Überlastung oder es besteht eine Lunatummalazia mit verschiedenen Erkrankungen. Soll ein Mondbeintod als Unfallfolge anerkannt werden, so muss ein bedeutsames Trauma vorliegen, das zu einer Mondbeinfraktur, einer Mondbeinluxation, auch verbunden mit einem Hämatom geführt hat. Ein einfacher Zerr- oder Prellmechanismus ist für die Entstehung der Lunatummalazia nicht ausreichend“. Es stelle sich daher die Frage, warum D1 bei dieser Beurteilungssituation zu einer ganz anderen Aussage gekommen sei. Er verbleibe bei seiner Stellungnahme, dass er den Unfallhergang nicht für ausreichend wahrscheinlich als Ursache für den Mondbeintod anerkennen könne. Die Mehrzahl der aseptischen Knochennekrosen sei endogener Ursache wie bei allen aseptischen Nekrosen. Die abschließende Klärung der Pathogenese der Mondbeinnekrose stehe noch aus. Letztendlich stritten sich die Gelehrten, ob mehr das arterielle oder das venöse Gefäßproblem eine Rolle spiele.

D1 hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2017 an seiner Auffassung festgehalten. Er werte die Literatur anders als E1.

In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme hat die H unter dem 11.07.2017 vorgetragen, auf den Unfallaufnahmen sei das Lunatum völlig unauffällig, im MRT und im CT dann eine fortgeschrittene Lunatummalazia erkennbar. Lägen zwischen dem Unfall und der Lunatummalazia nur viereinhalb Monate, wie D1 annehme, so hätte man den Zusammenhang ablehnen müssen, weil so schnell eine ausgeprägte Lunatummalazia nicht entstehen könne. Hier lägen aber ein Jahr und viereinhalb Monate dazwischen, der Hergang sei potentiell geeignet gewesen, sodass es ihrer Ansicht nach nicht genügend Gegenargumente gegen das Gutachten des D1 gebe.

Das SG hat außerdem einen Ausdruck der Patientenkarte des Klägers bei dem H1 beigezogen.

Mit Urteil vom 08.03.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger bestehende Mondbeinnekrose könne nicht als Folge des am 23.07.2014 erlittenen Arbeitsunfalls festgestellt werden. Nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls könne der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Mondbeinnekrose nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Das SG stütze sich auf das im Wege des Urkundenbeweises verwertbare Gutachten des D und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des E1. Nicht anzuschließen vermocht habe sich das SG der Einschätzung von D1. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (9. Aufl., 8.7.7.4.2.3) seien wegen der Seltenheit der Mondbeinbrüche strenge Anforderungen an den Nachweis des erforderlichen Kausalzusammenhangs zu stellen. Danach sei ein geeignetes Unfallereignis insbesondere der Sturz auf die ausgestreckte Hand und die schwere Kontusion der Handwurzel. Der Kläger habe sich anlässlich des Arbeitsunfalls vom 23.07.2014 allerdings lediglich die linke Hand verdreht. Die dabei einfach eingetretenen Zerrmechanismen reichten aber nicht aus, um eine Mondbeinnekrose hervorzurufen. Soweit D1 meine, die geeigneten Unfallereignisse seien in der zitierten unfallmedizinischen Fachliteratur unverständlich dargestellt, folge dem das SG nicht, sondern vielmehr der Literatur. Des weiteren werde nach der zitierten Literatur die Mondbeinnekrose in vier Stadien eingeteilt. Demnach zeige der zeitliche Verlauf der Stadienbildung, dass etwa zum Ende des zweiten Jahres der Erkrankung das Stadium III (Zusammensinterung des Mondbeins unter Ausbildung eines karpalen Kollaps) zu erwarten sei, welches sich bis zum 8. Jahr, im Durchschnitt bis zum 4. Jahr, hinziehen könne. Ab dem 4. Jahr der Erkrankung sei mit der Ausbildung einer Arthrose zu rechnen mit zeitlich nach oben offenem Ausgang. Dagegen gehe D1 in seinem Gutachten davon aus, dass bereits am 01.12.2015 und damit 16 ½ und nicht 4 ½ Monate nach dem Unfall – eine knöcherne Zerstörung des Mondbeins dokumentiert sei. Damit habe D1 einen Befund erhoben, der nicht zum zeitlichen Verlauf der Stadienbildung passe.

Gegen das ihm am 28.06.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.07.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat er vorgetragen, das SG habe maßgebliche Umstände außer Acht gelassen. Es habe die konkreten Feststellungen von D1 zum Unfallhergang überhaupt nicht gesehen, sondern sei den unzutreffenden Ausführungen von E1 ungeprüft gefolgt, der die konkreten Feststellungen des D1 wiederum selbst ignoriert habe. Das SG stütze sich auf die Gutachten der Beklagten, ohne sich kritisch mit der Glaubwürdigkeit der Parteigutachten auseinanderzusetzen. Die von der Beklagten herangezogene H habe sich den Ausführungen des D1 angeschlossen, was umso bemerkenswerter sei, als sie ebenfalls eine Stellungnahme für eine Partei abgegeben habe. Die fehlerhafte Zeitangabe „4 ½ Monate“ erkläre sie, wie es naheliege, mit einem Irrtum. Für die Frage, wie wahrscheinlich ein Unfallereignis für einen Schaden sei, komme es nicht darauf an, ob es ggf. eine andere Erklärung für den Eintritt des Schadens gebe als den Unfall. Hier sei theoretisch denkbar, dass die Mondbeinnekrose eine innere Ursache habe. Den meisten Fällen solcher Nekrosen liege eine innere Ursache zugrunde, was aber nicht heiße, dass eine innere Ursache automatisch wahrscheinlicher sei als ein Unfall als ebenfalls mögliche Ursache. Bei der Abwägung zwischen innerer und unfallbedingter Ursache sei zu prüfen, ob es Umstände gebe, die für eine innere Ursache sprechen. Auch diese Abwägung habe das SG unterlassen. Die medizinische Wissenschaft habe zahlreiche Anhaltspunkte gefunden, die für eine innere Ursache einer Lunatummalazie sprechen können. Kein einziger davon sei erfüllt. Es sei also höchst unwahrscheinlich, dass die Mondbeinnekrose des Klägers eine innere Ursache habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. März 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2016 zu verurteilen, die Mondbeinnekrose links als weitere Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 2014 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist im Rahmen der zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG; zum Wahlrecht der Versicherten zwischen Feststellungs- und Verpflichtungsklage: Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, Juris Rdnr. 15 ff. und vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, Juris Rdnr. 12) die Verpflichtung der Beklagten, unter Abänderung des Bescheids vom 24.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2016 eine Mondbeinnrekrose am linken Handgelenk als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.07.2014 festzustellen. Dier hierauf gerichtete Klage hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 08.03.2019 zu Recht abgewiesen.

Anspruchsgrundlage für den Anspruch eines Versicherten auf Feststellung und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 05.07.2011 a.a.O., Juris Rdnr. 15).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist für einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R -, Juris m. w. N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit", „Verrichtung", „Unfallereignis" sowie „Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R -, Juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkt des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen ist oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R -, Juris).

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, Juris).

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-)verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris). Bei mehreren Ursachen ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O. m. w. N.).

Gesundheitserstschaden im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenze) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolge) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall (mittelbare Unfallfolge) zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, Juris).

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Versicherte nach §§ 7 ff. SGB VII in dem Gesundheitszustand versichert ist, in dem er sich zum Unfallzeitpunkt befindet.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte zur Feststellung der vom Kläger geltend gemachten Unfallfolge – Mondbeinnekrose links – nicht verpflichtet, da diese nicht hinreichend wahrscheinlich wesentlich durch den Unfall verursacht ist.

Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls sind bei dem Ereignis vom 23.07.2014 dem Grunde nach erfüllt, wie von der Beklagten im angefochtenen Bescheid insoweit bestandskräftig anerkannt wurde. Hierbei ist bei dem Kläger als Gesundheitserstschaden allein die von der Beklagten anerkannte Zerrung des linken Handgelenks eingetreten.

Nicht als Unfallfolge anzuerkennen ist zur Überzeugung des Senats die durch MRT vom 01.12.2015 nachgewiesene Lunatummalazie am linken Handgelenk, die in der Folge am 22.04.2016 zu einer Resektion von Scaphoid (Kahnbein), Lunatum (Mondbein) und Triqeutrum (Dreieckbein), also der körpernahen Handwurzelreihe, führte.

Der Senat konnte sich ebenso wie das SG nicht davon überzeugen, dass diese beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung im linken Handgelenk hinreichend wahrscheinlich wesentlich durch den anerkannten Unfall vom 23.07.2014 verursacht worden ist. Auch der Senat vermochte sich der Auffassung von D1 in seinem Gutachten vom 19.01.2017 nicht anzuschließen und stützt sich vielmehr auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen des E1 und des D.

Dass bei dem Kläger im linken Handgelenk eine Lunatumnekrose im Vollbeweis vorliegt, ergibt sich aus dem MRT-Befund vom 01.12.2015 sowie den Berichten der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie der Kkliniken E vom 02.12.2015, 18.12.2015, 11.02.2016 und 23.04.2016. Nachdem im Zwischenbericht vom 02.12.2015 über eine Lunatumnekrose mit Fraktur und Verdacht auf Radicarpalarthrose berichtet worden war, wurde nach der diagnostischen Arthroskopie am 18.12.2015 über eine diskrete Radiokarpalarthrose mit I° Knorpelschaden Fossa lunata am linken Handgelenk bei Lunatumnekrose mit Fraktur, den Zustand nach Handgelenksdistorsion links, ein intraoperativ intaktes SL-Band und einen intakten triangulären fibrokartilaginären Komplex berichtet. Im Zwischenbericht vom 11.02.2015 wurde die Lunatumnekrose mit dem Stadium 3a angegeben, nach der Operation am 22.04.2016 im Zwischenbericht vom 23.04.2016 mit dem Stadium IV nach Lichtmann.

Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 592 ff.) sind wegen der Seltenheit der Mondbeinbrüche folgende strenge Anforderungen an den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Mondbeinnekrose und Unfall zu stellen: Es muss ein geeignetes Unfallereignis vorliegen, wozu vor allem der Sturz auf die ausgestreckte Hand und eine schwere Kontusion der Handwurzel gehören. Klinische Erscheinungen (Schmerz, Schwellung, Bewegungsbehinderung) müssen sofort beim Unfall auftreten. Ein Fissur- oder Frakturnachweis muss unmittelbar oder innerhalb der ersten drei bis vier Wochen nach dem Unfall geführt werden. Ein regelrechter Röntgenbefund unmittelbar nach dem Unfall und der Beginn der Lunatumnekrose nicht vor vier Wochen nach dem Unfall mit Fortschreiten der nekrotischen Vorgänge ist typisch. Brückensymptome zwischen Unfall und Zeitpunkt der röntgenologischen Erkennbarkeit des Leidens müssen festzustellen sein. Eine verkürzte Elle und arthrotische Veränderungen müssen fehlen. Gegen einen Unfallzusammenhang sprechen röntgenmanifeste Veränderungen, die älter sind als das Unfallereignis, ein nicht geeignetes Unfallereignis (Distorsion des Handgelenks, „Überanstrengung“), ein Stillstand röntgenologischer Erscheinungen, Formvarianten und ein doppelseitiges Auftreten der Erkrankung.

Soweit D1 als Argument für einen Kausalzusammenhang ausführt, dass bei dem Kläger sofort nach dem Unfall klinische Erscheinungen in Form von Schmerz, Schwellung und Bewegungsbehinderung auftraten, der Röntgenbefund unmittelbar nach dem Unfall regelrecht war und keine verkürzte Elle vorliegt, trifft dies zu. Beim Kläger liegt, wie sich aus dem Befundbericht des B3 vom 05.09.2016 ergibt, ein minimaler Ulnavorschub vor, der nach Einschätzung des Facharztes für Radiologie/Nuklearmedizin noch als physiologisch anzusehen ist. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 594) gilt als Risikofaktor für das Entstehen einer Mondbeinnekrose die Ellenminusvariante, d.h. eine veränderte Druckbelastung des Mondbeins, die durch eine verkürzte Elle hervorgerufen wird. Das Mondbein „reitet“ gleichsam auf einem zu hohen Radiusfirst (= ulnare Minus-Variante), so dass es fast zwangsläufig im Verlauf von Monaten bis Jahren zu einer „Zermörserung“ des Lunatum kommt. Die Ernährungsstörung des Knochengewebes führt zu seinem allmählichen Absterben (Mondbeintod) mit daraus sich ergebender Deformierung und isoliertem Dichterwerden des Kalksalzgehalts nur dieser Handwurzelknochen. Vom Vorliegen eines solchen Ulnavorschubs konnte sich der Senat nicht überzeugen. Die Untersuchung durch B3 war aufgrund der Frage, ob ein Ulnavorschub als möglicher Risikofaktor für die Lunatummalazie vorliegt, durchgeführt worden. Nachdem bei der gezielten Untersuchung (in Übereinstimmung mit den CT- und MRT- Untersuchungen vom 01.12.2015) ein nur minimaler, wahrscheinlich noch als physiologisch anzusehender Ulnavorschub festgestellt werden konnte, ist der Nachweis dafür, dass ein Ulnavorschub als Ursache für die Lunatummalazie vorliegt, nicht geführt werden kann. Die Röntgenbilder täuschen nach Einschätzung von B3 projektionsbedingt eine stärkeren Ulnavorschub lediglich vor.

Entgegen der Einschätzung von D1 konnte der Senat sich aber nicht davon überzeugen, dass die strengen Anforderungen, die an den Nachweis des Kausalzusammenhangs zu stellen sind (vgl. zusammenfassend Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 593), erfüllt sind. So konnte der Senat sich von einem Trauma, das zu einer Mondbeinfraktur oder einer Mondbeinluxation geführt hat, nicht überzeugen. Darüber hinaus wurde kein Fissur- oder Frakturnachweis unmittelbar oder innerhalb der ersten drei bis vier Wochen nach dem Unfall geführt und es liegt kein Nachweis für Brückensymptome zwischen Unfall und Zeitpunkt der röntgenologischen Erkennbarkeit des Leidens vor.

Zur Überzeugung des Senats, der sich insoweit der beratungsärztlichen Stellungnahme des E1 anschließt, fehlt es an einem Trauma, das zu einer Mondbeinfraktur oder einer Mondbeinluxation geführt hat. Die Lunatumnekrose (Mondbeintod) ist eine aseptische Nekrose des Mondbeins. Eine abschließende Klärung der Pathogenese steht aus. Als Ursachen kommen mechanisch bedingte Gefäßunterbrechungen, Venen- und Venolenverschluss, Thrombose und Embolie und eine Verletzung oder Druck auf die Gefäßwand in Betracht (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 592). Die Lunatumnekrose kann selten durch eine Verletzung entstehen, meistens handelt es sich um Mikrotraumen im Sinne einer Überlastung oder es besteht eine Lunatummalazie in Verbindung mit verschiedenen Erkrankungen. Soll ein Mondbeintod als Unfallfolge anerkannt werden, so muss ein bedeutsames Trauma vorliegen, das zu einer Mondbeinfraktur, einer Mondbeinluxation, auch verbunden mit einem Hämatom, geführt hat. Ein einfacher Zerr- oder Prellmechanismus ist für die Entstehung einer Lunatummalazie nicht ausreichend (Hempfling, Begutachtung der Lunatummalazie, MedSach 2015, Seite 126, 135; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 593). Von einem entsprechenden Trauma konnte sich der Senat nicht überzeugen. Unabhängig davon, dass der Unfallhergang unmittelbar nach dem Unfall gegenüber dem Durchgangsarzt und in der Unfallanzeige des Arbeitgebers am 31.07.2014 als „Verdrehen“ geschildert wurde und erst im Januar 2016 der Unfallhergang so geschildert wurde, dass durch die Wucht des sich nach dem Schlag mit der rechten Hand lösenden Werkstücks die linke Hand „verdreht“ wurde, fehlt es am Nachweis eines so bedeutsamen Traumas, das zu einer Mondbeinfraktur oder einer Mondbeinluxation geführt hat. Weder eine Mondbeinfraktur noch eine Mondbeinluxation wurden bei der Röntgenuntersuchung, die unmittelbar nach dem Unfall am 23.07.2014 durchgeführt wurde, festgestellt. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass kein Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung geführt werden konnte. V hat in ihrer Auswertung des Röntgen-Befundes vom 23.07.2014 hinsichtlich des Handgelenks den Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung ausgeschlossen. Soweit sie ausführt, es liege eine deutliche Verbreiterung des volaren Fettstreifens als indirektes Frakturzeichen oder ausgedehnte Weichteilverletzung vor, wird dies durch die spätere Auswertung der Röntgenaufnahmen vom 23.07.2014 durch die Beratungsärzte und Gutachter nicht bestätigt. D beschreibt das Röntgenbild vom 23.07.2014 wie folgt: „Kein Nachweis einer frischen Fraktur oder Dislokation. Anlagebedingt geringe plus Variante der Ulna. Keine Arthrosezeichen oder andere akute Komplikation“. Auch D1 beschreibt keine Mondbeinfraktur oder –luxation. Die von ihm ausgewerteten Röntgenaufnahmen vom 23.07.2014 beschreibt er als „ordnungsgemäße Stellung von Elle, Speiche, Handwurzelknochen, Mittelhandknochen und Fingern zueinander und untereinander. Regelrechte Knochenstruktur und Mineralsalzgehalt der abgebildeten Skelettanteile. Keine pathologischen Aufhellungslinien (respektive im Mondbein). Regelrechte Darstellung sämtlicher abgebildeter Gelenke“ und fasst die Röntgendiagnose mit „altersentsprechend regelrechte Darstellung der linken Hand, respektive der Handwurzel“ zusammen. Schließlich stellt auch H bei der Auswertung des Röntgenbildes vom 23.07.2014 keine Auffälligkeiten fest, wenn sie sie mit „unauffällige Darstellung der am linken Handgelenk beteiligten knöchernen Strukturen zueinander, insbesondere röntgenmorphologisch aus meiner Sicht unauffällige Darstellung des Mondbeines, des Kahnbeines, keine vermehrte Distanz zwischen Kahn- und Mondbein, keine vorauseilenden degenerativen Veränderungen, keine knöchernen Verletzungen“ beschreibt.

Ein durch die unfallmedizinische Fachliteratur für die Anerkennung eines Mondbeintodes als Unfallfolge gefordertes Trauma, das zu einer Mondbeinfraktur oder einer Mondbeinluxation geführt hat, lässt sich mit den vorliegenden Röntgenbefunden nicht nachweisen. Eine frische knöcherne Fraktur wird durch den Röntgenbefund ebenso ausgeschlossen wie eine Mondbeinluxation, nachdem die Stellung auch der Handwurzelknochen als ordnungsgemäß und regelrecht beschrieben wird. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Röntgenbefund hinsichtlich der Lunatumnekrose unmittelbar nach dem Unfall und zu Beginn der Lunatumnekrose stets regelrecht ist. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur entwickelt sich die Lunatumnekrose nicht vor vier Wochen nach einem Unfall mit Fortschreiten der nekrotischen Vorgänge. Das Mondbein kann bei heftigem Unfall zusammengedrückt werden, sich aber zunächst wegen seiner Elastizität wieder zur alten Gestalt ausdehnen. Erst später im Verlauf von Wochen und Monaten sind für die mit Ernährungsstörungen einhergehenden Lunatumnekrose charakteristischen Röntgenbilder nachzuweisen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 593). Dennoch ist, wie H2 in dem von D1 herangezogenen Aufsatz „Begutachtung der Lunatummalazie“ (a.a.O., Seite 135) ausdrücklich darlegt, entscheidend, dass ein Verletzungsnachweis geführt wird, wozu die Magnetresonanztomographie mit herangezogen werden soll, da bei einem lokalen Trauma im Sinne einer magnetresonanztomographisch nachweisbaren Knochenödembildung typische Hämatome vorliegen. Eine solche Untersuchung wurde hier zeitnah zum Unfall nicht durchgeführt, so dass ein entsprechender Nachweis nicht geführt werden kann. Bei den unmittelbar nach dem Unfall gefertigten Röntgenaufnahmen ergaben sich aber keine Hinweise für eine Mondbeinfraktur oder –luxation. Weder D1 noch die Beratungsärzte haben eine Mondbeinfraktur oder –luxation feststellen können. Das Mondbein ist grundsätzlich weniger frakturgefährdet, unterliegt aber häufig der perilunären Luxation und der scapholunären Dissoziation. Eine perilunäre Luxation entsteht durch einen Sturz auf die überstreckte Hand, aber auch durch gewaltsame Verdrehungen des Handgelenks. Dabei verschiebt sich das sichelförmige Mondbein zur Handinnenfläche; Bänder, die das Kahnbein mit dem Mondbein und der Speiche verbinden, zerreißen. Die übrigen Handwurzelknochen verlagern sich handrückenwärts. Bei der scapholunären Dissoziation, der in der Regel der gleiche Verletzungsmechanismus zugrunde liegt, zerreißen die Bänder zwischen Mond- und Kahnbein. Bei der bildtechnischen Untersuchung klaffen Mond- und Kahnbein auseinander (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 591 f.). Eine Verletzung der Bänder war beim Kläger aber gerade nicht festzustellen. Bei der am 01.12.2015 durchgeführten MRT wurde keine scapholunäre Dissoziation, also keine Lockerung/Zerreißung des SL-Bandes zwischen Mond- und Kahnbein, festgestellt. Intraoperativ zeigten sich bei der am 18.12.2015 durchgeführten Arthroskopie das SL-Band sowie der trianguläre fibrokartilaginäre Komplex (TFCC) intakt. Der Senat verkennt nicht, dass zeitnah zum Unfallereignis keine MRT-Aufnahmen gefertigt worden sind und perilunäre Luxationen häufig übersehen werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 591). Zugleich sind nach der zitierten Fachliteratur nach der perilunären Luxation und erheblichen Verletzungen der Bänder zwischen Mond- und Kahnbein deutliche Funktionsbeeinträchtigungen zu erwarten. Der Bewegungsradius des Handgelenks (Beugung – Streckung) ist auf durchschnittlich 60% herabgesetzt, die Betroffenen zeigen belastungsabhängige Beschwerden des Handgelenks und eine Verminderung der Kraft.

Entsprechende Einschränkungen sind im Erstbefund des B1 nicht dokumentiert; er beschreibt die Streckung vielmehr als möglich. Weitere Befunde liegen bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit im November 2015 nicht vor. Weder aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Baden-Württemberg vom 08.02.2016 noch aus dem Auszug der Patientenkartei des H1 vom 21.12.2017 ergibt sich ein Behandlungsbedarf oder eine Arbeitsunfähigkeit in der Zeit zwischen dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall (08.08.2014) bis zum 24.11.2015. Dies spricht zum einen gegen das Vorliegen einer perilunären Luxation, zum anderen fehlt es damit auch am Nachweis von Brückensymptomen zwischen dem Unfall und dem Zeitpunkt der röntgenologischen Erkennbarkeit des Leidens, die für den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Mondbeinnekrose und Unfall, wie dargelegt, ebenfalls zu fordern sind.

Soweit D1 ausführt, als Unfallmechanismus für eine Mondbeinnekrose eigne sich u.a. eine (unphysiologische) Dorsalextension (im Sinne einer gewaltsamen Überstreckung im Handgelenk), die zu einer venösen Minderdurchblutung des Mondbeins führe, und sowohl die Zerrung bzw. Kontusion als auch eine isolierte Kapsel-Bandverletzung als auch Frakturen des Lunatums Verletzungen sein könnten, die zu einer Mondbeinnekrose führen, gibt er die von ihm zitierte Fachliteratur (Hempfling, Begutachtung der Lunatummalazie, a.a.O.) nur verkürzt wieder. H2 legt ausführlich und nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen eine Dorsalextension des Handgelenks als problematische Stellung anzusehen ist. In dieser Position können die palmaren Gefäße durch die Flexorensehnen komprimiert werden, ebenso durch die Anspannung der palmaren Kapsel. In der Dorsalextension werde die dorsalen Venen abgeknickt und zwischen der dorsalen Fläche des Os capitatum und dem dorsalen Rand des Radius eingeklemmt. Gleichzeitig würden die dorsalen Gefäße bei Rotation des Lunatum um die Horizontalachse gedehnt durch Längenänderung des Abstandes zwischen dem radiokarpalen Bogen und dem Eintritt der Gefäße in die dorsale Fläche des Lunatum. Alle diese Mechanismen beeinträchtigen die venösen Gefäße. Somit ist das Os lunatum ein Knochen mit einem besonderen venösen Risiko. Bezüglich der intraossären arteriellen Anastomosen weist H2 darauf hin, dass der proximale Pol des Lunatum eine relative avaskuläre Zone zeigt. Somit kann es durch eine einmalige arterielle Unterbrechung zur durchblutungsbedingten Nekrose kommen, z.B. bei traumatischen Frakturen oder beim Ausreißen von Gefäßen zusammen mit Weichteilstrukturen. Durch rezidivierende Mikrotraumen, insbesondere bei Dorsalextension, ist aber auch die venöse Durchblutung gefährdet mit dem Resultat der intraossären Drucksteigerung, ebenfalls eine Voraussetzung für die Entstehung einer Nekrose. D1 weist zutreffend darauf hin, dass hier ein Mondbeinuntergang ohne knöcherne Verletzung und ohne Luxation durch gewaltsame Überstreckung im Handgelenk infolge einer venösen Durchblutungskrise und andererseits der Untergang des Mondbeins durch knöcherne Verletzungen oder Ausreißen von Gefäßen zusammen mit Weichteilstrukturen, z.B. bei einer Verrenkung infolge einer arteriellen Durchblutungsstörung, beschrieben wird. Soweit der Gutachter aber zusammenfassend ausführt, unfallbedingt könnte eine Mondbeinnekrose nicht ausschließlich durch eine knöcherne Verletzung (arterielle Durchblutungsstörung), sondern auch durch ein entsprechendes schweres Überstrecktrauma im Handgelenk (gewaltsame Dorsalextension, die die venöse Durchblutung betrifft) hervorgerufen werden, widerspricht dies der unfallmedizinischen Fachliteratur. In dem zum Beleg herangezogenen Aufsatz des H2 (a.a.O., Seite 130) werden ätiologisch drei Gruppen diskutiert: das Trauma/die Verletzung, Mikrotraumen/ „overuse injury“/Berufskrankheit und Faktoren ohne Verletzungsmechanismus. Als Risikofaktoren zur Entstehung eines Morbus Kienböck (Lunatummalazie) – ohne Verletzungsmechanismus – werden Ulnavarianten, TFCC-Beteiligung, Gefäßversorgung und Lunatum-Geometrie erörtert. Im Zusammenhang mit diesen Risikofaktoren stehen dann auch die durch D1 zitierten Ausführungen zur Gefäßunterbrechung bei Dorsalextension. In der zusammenfassenden Beurteilung betont H2 aber, wie bereits dargestellt, dass eine Anerkennung des Mondbeintods als Unfallfolge nur dann in Betracht kommt, wenn ein bedeutsames Trauma, das zu einer Mondbeinfraktur, auch verbunden mit einem Hämatom, geführt hat, vorliegt und ein Zerr- oder Prellmechanismus nicht ausreichend für die Entstehung einer Lunatummalazie ist. Soweit H2 darauf hinweist, dass ein Unfallmechanismus – abgesehen von den Komplexverletzungen – meist eine Dorsalextension ist, betont er allein, dass diese Stellung bei einer zu einer Lunatumnekrose führenden Verletzung meist eingenommen ist. Entscheidend ist aber, wie auch H2 betont, dass ein Verletzungsnachweis geführt wird. An dem Nachweis einer entsprechenden Fraktur fehlt es aber, wie auch E1 ausführt, gerade.

Darüber hinaus sind die beim Kläger erhobenen Befunde nicht mit der zu erwartenden Stadienbildung (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 592) zu vereinbaren. Bei der diagnostischen Arthroskopie am 18.12.2015 zeigte sich bereits eine diskrete Radiokarpalarthrose mit I° Knorpelschaden Fossa lunata am linken Handgelenk bei Lunatumnekrose mit Fraktur. Eine Ausbildung der Arthrose, die das Stadium IV kennzeichnet, wäre nach der zitierten unfallmedizinischen Fachliteratur erst ab dem 4. Jahr der Erkrankung zu erwarten, so dass die festgestellte Arthrose bereits 17 Monate nach dem Unfallereignis, wie das SG bereits ausgeführt hat, ebenfalls gegen einen Kausalzusammenhang spricht.

Der Senat verkennt nicht, dass es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris).

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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