S 38 KA 35/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 35/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Steht die durch eine Vertragsärztin/einen Vertragsarzt anzustellende Ärztin/Arzt, zu deren/dessen (Vertragsärztin/Vertragsarzt) Gunsten die Auswahlentscheidung nach Entsperrung des Planungsbereiches erfolgte, aus welchen Gründen auch immer nicht mehr zur Verfügung, erledigt sich das Auswahlverfahren.

II. Die Zulassungsablehnung/en des/der Mitbewerber teilen das Schicksal der positiven Zulassungsentscheidung. Eine kombinierte Anfechtungs-und Verpflichtungsklage von abgelehnten Mitkonkurrenten nach § 54 SGG ist daher unzulässig.

 

I. Die Klage wird sowohl im Hauptantrag, als auch im Hilfsantrag zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8.

III. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 8 notwendig war.


T a t b e s t a n d :

Nach Teilentsperrung für einen hälftigen Versorgungsauftrag im Planungsbereich Landkreis K-Stadt für die Facharztgruppe der Urologen im Planungsbereich Landkreis K-Stadt (Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bayern vom 13.12.2019) bewarb sich M. (Kläger), der bereits einen hälftigen Versorgungsauftrag in F. (LKr Cham) besitzt, für einen hälftigen Vertragsarztsitz am Standort L1-Stadt. Weitere Bewerber waren E. (Beigeladene zu 8.), die einen Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung von R. als angestellter Arzt mit 20 Wochenstunden am Standort R2-Stadt stellte, sowie B. auf Genehmigung zur Beschäftigung von O. mit 20 Wochenstunden am Standort Neutraubling. Der Zulassungsausschuss prüfte unter Berücksichtigung verschiedener Auswahlkriterien die Anträge der Bewerber und gelangte bei Abwägung dieser Kriterien zu dem Ergebnis, es sei dem Antrag von E. auf Anstellung von R. stattzugeben. Die weiteren Anträge wurden abgelehnt. Der Zulassungsausschuss habe dem Kriterium der räumlichen Wahl des Vertragsarztsitzes im Hinblick auf eine bestmögliche urologische Versorgung im Landkreis R3-Stadt am meisten Bedeutung beigemessen. Aus regionalen Gesichtspunkten habe der Zulassungsausschuss den größeren Bedarf für einen weiteren halben Vertragsarztsitz in R2-Stadt gesehen. Während B. sein Begehren nicht mehr weiter verfolgte, ließ M. durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen die Ablehnung seines Antrags Widerspruch zum Berufungsausschuss einlegen.

Über diesen entschied der Berufungsausschuss in seiner Sitzung vom 12.11.2020. Er bestätigte die vorausgegangene Entscheidung des Zulassungsausschusses und kam zu dem Ergebnis, der Widerspruch sei unbegründet. Es sei eine Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern gemäß § 26 Abs. 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen. Die Auswahlkriterien seien zum einen nicht abschließend, zum anderen gebe es kein vorgegebenes Rangverhältnis unter den Kriterien (BSG, Urteil vom 20.03.2013, B 6 KA 19/12 R). Was die berufliche Eignung betreffe, verfüge der Kläger zwar über mehrere Zusatzqualifikationen. Die Zusatzweiterbildung "medikamentöse Tumortherapie", die der Kläger vorweisen könne, sei aber keine erforderliche Voraussetzung zur praktischen Durchführung der onkologischen Therapie oder zur Betreuung onkologischer Patienten, auch wenn diese "tiefer in die medikamentöse Tumortherapie eintauche". Im Übrigen sei bei dem anzustellenden R. der Beigeladenen zu 8 zu berücksichtigen, dass dieser in naher Zukunft ebenfalls über diese Zusatzweiterbildung verfügen werde. Es gehe daher nur um eine Formalie. Zur Zusatzqualifikation "Ärztliches Qualitätsmanagement" führte der Beklagte aus, diese sei ohne große Bedeutung, da nicht ersichtlich sei, welche signifikante Verbesserung diese für den urologischen Versorgungsbedarf bringen sollte. Was die Zusatzqualifikation "Röntgendiagnostik Harntrakt" betreffe, so habe der Kläger hierzu nicht vorgetragen, dass er überhaupt Röntgengeräte am geplanten Standort vorhalte. Schließlich sei hinsichtlich des Vortrages des Klägers zur "psychosomatischen Grundversorgung" darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um eine Zusatzweiterbildung handle, sondern eine entsprechende Genehmigung lediglich zur Ausführung und Abrechnung von Maßnahmen der "psychosomatischen Grundversorgung" berechtige.

Als Ergebnis sei daher festzuhalten, dass der Kläger und der von der Beigeladenen zu 8 anzustellende R. in gleicher Weise beruflich geeignet seien.

Die Prüfung des Kriteriums "Approbationsalter" ergebe, dass beide Bewerber länger als fünf Jahre approbiert seien und deshalb ein Vorteil für einen der Bewerber nicht auszumachen sei. Einzuräumen sei allerdings, dass die Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit für den Kläger spreche. Auch sei der Kläger länger auf der Warteliste eingetragen. Dem letztgenannten Kriterium messe der Berufungsausschuss aber keinen Vorrang bei. Der Berufungsausschuss führte aus, seines Erachtens sprächen die Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang der Versorgung eher für den Kläger. Hinsichtlich der Versorgungsgesichtspunkte sei von einer Gleichwertigkeit beider Bewerber auszugehen.

Ausschlaggebend für die konkrete, hier zu treffende Auswahlentscheidung sei für den Berufungsausschuss das Kriterium "Bestmögliche Versorgung im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes". In L1-Stadt, dem vom Kläger genannten Standort sei zwar kein Urologe zugelassen. Die Gemeinde grenze aber unmittelbar nordwestlich an die Stadt R3-Stadt an mit einer Entfernung von lediglich etwa 4 km (Luftlinie) vom Stadtzentrum. Währenddessen liege R2-Stadt, der Standort der Beigeladenen zu 8, im nördlichen Teil des Landkreises, etwa 12 km Luftlinie nördlich vom Stadtzentrum R1-Stadt entfernt. Bei dem Planungsbereich Stadt R1-Stadt handle es sich um eine Region des Typs 1, welcher stark mitversorgend sei. Die Stadt R1-Stadt sei ein Knotenpunkt.

Das Kriterium der "räumlichen Wahl" habe nach Auffassung des Berufungsausschusses den höchsten Stellenwert. Der Standort L1-Stadt trage zur Versorgungsverbesserung des Landkreises kaum etwas bei. Soweit die Kriterien für den Kläger sprächen, seien diese lediglich marginaler Art.

In seiner Klagebegründung wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers zunächst auf verschiedene Veränderungen bei der Beigeladenen zu 8, aber auch beim Kläger hin. So bestehe bei der Beigeladenen zu 8 seit Anfang 2022 eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einer zunächst angestellten Ärztin. Anstellungsgenehmigungen seien aber der Gemeinschaftspraxis und nicht den einzelnen Gesellschaftern zu erteilen. R. sei zunächst am C. Krankenhaus in R1-Stadt tätig gewesen. Ab 14.09.2022 sei er im Besitz einer eigenen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in S-Stadt. Der Kläger habe für den Standort L1-Stadt eine Filialgenehmigung gemäß § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ab dem 24.02.2021 erhalten. Für eine solche Genehmigung spielten zwar bedarfsplanerische Gesichtspunkte keine Rolle. Trotzdem sei von einer qualitativen und quantitativen Versorgungsverbesserung am Standort L1-Stadt auszugehen

Der Bescheid des Berufungsausschusses sei rechtswidrig. Denn es liege ein Ermessensfehlgebrauch im Sinne einer pflichtwidrigen Ermessensausübung in Bezug auf die Bewertung und Abwägung der Auswahlkriterien vor. Für den Kläger sprächen alle Auswahlkriterien, auch die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes. Insbesondere Pendler und die ohnehin im Durchschnitt schon verrenteten Patienten erreichten in deutlich größerer Zahl einfacher L1-Stadt als R2-Stadt. Wegen der Führung der Bundesstraßen sei L1-Stadt besser angeschlossen als R2-Stadt. Der Umstand, dass der Kläger eine Filialgenehmigung erhalten habe, stelle ein Indiz für einen Versorgungsbedarf in L1-Stadt dar. Letztendlich lasse sich der Punktsieg des Klägers nicht rechtskonform in ein Unterliegen umwandeln.

Der Anstellungsantrag der Beigeladenen zu 8 sei erledigt, da R. nicht mehr zur Verfügung stehe. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe keine erneute Ausschreibung stattzufinden. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Berufungsausschuss zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.11.2003. Somit sei nur ein Bewerber, nämlich der Kläger übrig. Nachdem die Sachentscheidungsvoraussetzungen des § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie erfüllt seien und die Geeignetheit des Klägers umfassend festgestellt worden sei, sei diesem die Zulassung für einen hälftigen Versorgungsauftrag in L1-Stadt zu erteilen.

Zur Klagebegründung äußerte sich auch die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KVB). Sie machte darauf aufmerksam, für die Filialgenehmigung sei es irrelevant, ob ein Versorgungsbedarf vorhanden sei. Bei der Beigeladenen zu 8 bestehe mittlerweile eine Berufsausübungsgemeinschaft. Auf die Behauptung der Klägerseite eingehend, eine Anstellung sei nur durch die Gemeinschaftspraxis, nicht aber durch einen einzelnen Arzt möglich, machte die KVB darauf aufmerksam, auch eine Anstellung bei einem Vertragsarzt sei möglich, wenn der andere Vertragsarzt zustimme. Im Übrigen seien Ermessensfehler bei dem Beschluss des Berufungsausschusses nicht ersichtlich.

In seiner Replik äußerte der Beklagte die Rechtsansicht, es sei der entsperrte hälftige Vertragsarztsitz erneut auszuschreiben, wenn der anzustellende Arzt nicht mehr zur Verfügung stehe (BSG, Urteil vom 05.11.2003, B 6 KA 11/03 R).

Der Prozessbevollmächtigter der Beigeladenen zu 8 äußerte sich in seiner Stellungnahme zu den Auswahlkriterien, insbesondere zur räumlichen Wahl des Vertragsarztsitzes. Danach sei L1-Stadt ein Appendix zur Stadt R3-Stadt, in der im Bereich der Urologie eine Überversorgung in Höhe von 187 % bestehe. Auch würden die Fallzahlen in der Filialpraxis des Klägers (L1-Stadt) bestritten. Dagegen habe die Patientenzahl in der Praxis in  R2-Stadt deutlich zugenommen (Quartal 1/22: 1.155). Damit liege die Patientenzahl deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe der Urologen. Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidung sei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Er kündigte an, die Beigeladene zu 8 werde einen Antrag auf Nachbesetzung der Anstellungsgenehmigung stellen und die Angestelltenstelle neu besetzen, sobald die Entscheidung des Berufungsausschusses in Bestandskraft erwachsen sei.

In der mündlichen Verhandlung am 20.10.2022 wurde die Sach-und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führte aus, es gebe in L1-Stadt eine positive Entwicklung, wie anhand der Fallzahlen dort ersichtlich sei. Im Bescheid, betreffend die Filialgenehmigung werde auch ausgeführt, die Filiale sei zur Deckung des Versorgungsbedarfs notwendig. Was die Begünstigte (Beigeladene zu 8) betreffe, sei eine Anstellung nicht mehr von deren Willen getragen.

Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 8 führte aus, er halte die Entscheidung des Beklagten für richtig. Denn der Standort L1-Stadt sei mit der Stadt R3-Stadt eng verbunden. Die Stadt R3-Stadt versorge diesen Standort mit. Der anzustellende Arzt, R. habe sich mittlerweile anderweitig orientiert. Er sei Familienvater und habe nicht weiter zuwarten können. Dies habe damit zu tun, dass sich das Verfahren lange hingezogen habe, auch wegen des Suspensiveffektes. Im Übrigen habe die Klägerseite eineinhalb Jahre keine Klagebegründung abgegeben. E. habe sich um eine Sicherstellungsassistentin umgesehen. Es sei nicht rechtens, durch ein Verzögern einen Vorteil zu generieren. Eine nochmalige Ausschreibung habe zu unterbleiben.

Die mündliche Verhandlung am 20.10.2022 wurde vertagt, weil ein Schriftsatz des Berufungsausschusses offenbar nicht dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 8 zugestellt wurde. Diesem wurde daher Stellungnahmefrist eingeräumt. In seiner Stellungnahme betonte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 8, durch den Wegfall des genehmigten angestellten Arztes R. sei die Drittanfechtungsklage unzulässig geworden. Abgesehen davon habe der Kläger keinen Anspruch auf Zulassung. Denn der Standort L1-Stadt des Klägers sei nicht besonders geeignet und nicht zentral liegend für die Versorgung der Landkreisbevölkerung. Die vom Kläger betriebene Filialpraxis in L1-Stadt, betrieben seit dem zweiten Quartal 2021, sei anders - als der Kläger behaupte- samstags nur für Notfälle (Praxisschild) geöffnet. Auch seien die Fallzahlen unterdurchschnittlich. Nach 1,5 Jahren Tätigkeit des Klägers in seiner Filiale gebe es lediglich 66 Patienten pro Monat im Jahresdurchschnitt. Dies stelle keine wirklich substanzielle Verbesserung der Versorgung dar. Dagegen versorge die Praxis der Beigeladenen zu 8 über 1.250 GKV-Patienten pro Quartal. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei richtig gewesen. Eine erneute Ausschreibung sei nicht vorzunehmen. Denn es gehe um eine vakant gewordene Anstellungsgenehmigung, die ohne Ausschreibung gemäß § 103 Abs. 4b, Satz 5, § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V nachzubesetzen sei.

Im Anschluss daran wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, der anzustellende R. habe bereits ab April 2021, also wenige Wochen nach Klageerhebung vom 11.02.2021 nicht mehr für die beantragte Beschäftigung zur Verfügung gestanden. Im Übrigen sei eine Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (Az B 6 KA 11/03 R) nicht möglich. Denn dieser Entscheidung habe eine Nachbesetzungsentscheidung gemäß § 103 Abs. 3a, 4 und 6 SGB V zugrunde gelegen. § 103 SGB V komme daher nicht zur Anwendung. Es habe für die vom Beklagten zu treffende Zulassungsentscheidung weder einer Praxisfortführung, noch eines positiven Votums irgendeines Verfahrensbeteiligten bedurft. Vielmehr sei im Fall des § 26 Bedarfsplanungs- Richtlinie eine Teilentsperrung ausreichend. Bleibe im Laufe des Verfahrens nur einer der Bewerber übrig, so erledige sich zwar die Auswahl, nicht aber die Zulassungsentscheidung. Für diese lägen vorliegend alle Voraussetzungen zugunsten des Klägers vor.

In der mündlichen Verhandlung am 22.11.2022 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anträge in der Fassung des Schriftsatzes vom 07.10.2022 (vorausgegangene Anträge im Schriftsatz vom 18.05.2022). Danach wurden folgende Anträge gestellt:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 12.11.2020 (Az X) wird aufgehoben.
2. Der Kläger wird für den Vertragsarztsitz R4-Straße, L1-Stadt, mit hälftigem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
3. Hilfsweise wird beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 12.11.2020 (Az X) aufzuheben und die Angelegenheit zur Neuverhandlung an den Beklagten zurückzuverweisen.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wird festgestellt.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.

Der Vertreter der Beigeladenen zu 1 stellte keinen Antrag.

Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 8 beantragte, die Klage abzuweisen. Außerdem beantragte er, festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschriften vom 20.10.2022 und 22.11.2022 verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage - es handelt sich um eine Anfechtungs-und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG - ist bereits als unzulässig anzusehen, sodass eine materiellrechtliche Prüfung obsolet ist. Ebenfalls unzulässig ist die hilfsweise erhobene Verbescheidungsklage. Somit ist eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Auswahlentscheidung des Berufungsausschusses rechtmäßig oder rechtswidrig war, nicht zu treffen. Es kann dahinstehen, ob, wie von der Klägerseite vertreten - ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Im Übrigen hätte das Gericht nur eingeschränkt Überprüfungsmöglichkeiten.

Festzustellen ist allerdings, dass der Beklagte bei der von ihm zu treffenden Auswahlentscheidung die gesetzlichen Auswahlkriterien (§ 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie) angewandt hat und anhand dieser die einzelnen Bewerbungen überprüft und bewertet wurden. Wie der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 19/12 R) zu entnehmen ist, gibt es keine festgelegte Rangfolge unter den einzelnen Auswahlkriterien. Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Rangfolge durch die Zulassungsgremien festgelegt wird, vorausgesetzt, hierfür bestehen sachlich-einleuchtende Gründe. Unter den Auswahlkriterien gibt es allerdings solche, denen grundsätzlich eine höhere Relevanz im Rahmen der Auswahlentscheidung zuzubilligen ist. So wird generell das Kriterium "Eintragung auf der Warteliste" nur dann den Ausschlag geben können, wenn die Bewerber, was die sonstigen Kriterien betrifft, annähernd gleichauf sind. Jedenfalls ist das Auswahlkriterium "Bestmögliche Versorgung im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes", auf das der Beklagte seine Entscheidung stützt, ein solches mit einer besonderen Wertigkeit.

Auch spielt keine Rolle, wie sich die Fallzahlen in der Filialpraxis des Klägers bzw. die Fallzahlen der Beigeladenen zu 8 in R2-Stadt entwickelt haben; dies allein schon deshalb nicht, weil auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist (BSG, Urteil vom 15.05.2019, Aktenzeichen B 6 KA 5/18 R).

Ausdrücklich ist auch darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des hier streitgegenständlichen Verfahrens auch nicht ist, ob die Beigeladene zu 8 Anspruch auf Nachbesetzung der Anstellungsgenehmigung hat.

Wie bereits ausgeführt, ist die Klage als unzulässig anzusehen. Zu Recht weist der Beklagte auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.11.2003, Az B 6 KA 11/03 R) hin. Gegenstand des dortigen Verfahrens war eine Nachfolgezulassung nach § 103 Abs. 4 SGB V nach erfolgter Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes, um den sich mehrere Ärzte bewarben, wobei der von den Zulassungsgremien begünstigte Bewerber nachträglich auf seine Zulassung verzichtete. Das Bundessozialgericht führte aus, in diesem Fall sei das Nachbesetzungsverfahren - vorbehaltlich einer eventuellen Neuausschreibung erledigt. Die Zulassung des begünstigten Bewerbers könne nicht mehr aufgehoben werden, weil sie keine Wirkung mehr entfalte. Die Entscheidung des Berufungsausschusses enthalte auch nicht mehrere Entscheidungen, sodass von einer einheitlichen Entscheidung auszugehen sei. Deshalb teile die Zulassungsablehnung das Schicksal der positiven Zulassungsentscheidung.

Nach Auffassung des Gerichts ist diese Entscheidung des Bundessozialgerichts, auch wenn sie sich auf eine Nachfolgezulassung bezieht, auf das streitgegenständliche Verfahren anwendbar. Denn in beiden Fällen, im gesperrten Bereich nach § 103 Abs. 4 SGB V oder nach (Teil-) Entsperrung nach § 26 Abs. 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie, findet eine Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern statt. Diese Auswahlentscheidung ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung derselben Auswahlkriterien zu treffen, wie sie in § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V (Nachfolgezulassung) bzw. in § 26 Abs. 4 Nr 3 Bedarfsplanungs-Richtlinien enthalten sind. Allein der Unterschied, dass bei einer Nachfolgezulassung nach § 103 Abs. 3a SGB V in gesperrten Gebieten eine Entscheidung des Landesausschusses nicht vorausgeht, rechtfertigt nicht eine andere Sichtweise. Deshalb gelten die vom Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung (BSG aaO) aufgezeigten Gesichtspunkte auch für das Auswahlverfahren nach (Teil-) Entsperrung. Die Rechtsauffassung der Klägerseite, nämlich, dass, bleibe im Laufe des Verfahrens nur einer der Bewerber übrig, so erledige sich zwar die Auswahl, nicht aber die Zulassungsentscheidung, ist nicht zu teilen. Das hätte nämlich zur Folge, dass ursprüngliche Mitkonkurrenten, die vor dem Hintergrund, dass sie eine Anfechtung nicht als aussichtsreich ansahen und deshalb die ablehnende Entscheidung ihnen gegenüber bestandskräftig werden ließen, es hinnehmen müssten, dass ein zunächst aussichtsloser Bewerber als einziger übrig bliebe und ihm die Zulassung zu erteilen wäre. Im Prinzip würde das darauf hinauslaufen, alle im Auswahlverfahren unterlegenden Bewerber zu nötigen, Rechtsmittel einzulegen, nur um ihre Rechtsposition bei Verzicht des begünstigten Bewerbers zu wahren. Dies kann, wie das Bundessozialgericht ausgeführt hat, nicht Sinn der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten mit Drittwirkung sein. Dem wird nur eine Betrachtungsweise gerecht, die als Gegenstand der Auswahl der Zulassungsgremien allein die Entscheidung sieht, einen bestimmten Arzt zuzulassen bzw. eine Anstellungsgenehmigung zu erteilen.

Auch bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern nach (Teil-) Entsperrung hat der abgelehnte Bewerber um einen Vertragsarztsitz keine Rechtsposition inne, die vergleichbar wäre mit der eines unterlegenen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, der sich um ein öffentliches Amt beworben hatte (Art. 33 Abs. 2 GG).

Aus den genannten Gründen war die Klage sowohl im Hauptantrag, als auch im Hilfsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.

 

Rechtskraft
Aus
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