L 10 KR 102/22 KH

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 50 KR 1901/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 102/22 KH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.01.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 900 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Verjährung von Ansprüchen auf Aufwandspauschalen.

 

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Im Jahre 2016 behandelte sie dort drei bei der beklagten Krankenkasse Versicherte aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen jeweils stationär (Frau M, * 00.00.1929, vom 07.03.2016 bis 09.03.2016, Frau H, * 00.00.1932, vom 22.04.2016 bis 30.05.2016, sowie Herrn K, * 00.00.1939, vom 19.08.2016 bis 01.09.2016). Die Rechnungen der Klägerin beglich die Beklagte, beauftragte sodann aber jeweils den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Abrechnungsprüfung (deren Gegenstand in allen Fällen die Kodierung der Prozeduren sowie zusätzlich die untere <M> bzw obere Grenzverweildauer <H> und die Zahl der Beatmungsstunden <K> waren). Der MDK kam in allen Fällen zu dem Ergebnis, dass keine Beanstandungen vorlägen (Gutachten vom 06.11.2016 <K>, 08.11.2016 <M> und 05.12.2016 <H>). Die Klägerin forderte von der Beklagten daraufhin in allen Fällen die Zahlung einer Aufwandspauschale iHv jeweils 300 € (Rechnungen vom 09.11.2016 <M>, 10.11.2016 <K> und 09.12.2016 <H>). Die Beklagte lehnte die Zahlung der Aufwandspauschale in allen Fällen ab, weil die Klägerin in ihrem Datensatz die Pflegestufe der bzw des Versicherten nicht angegeben habe, obwohl diese Zusatzangabe seit Januar 2016 zwingend vorgeschrieben sei.

 

Die Klägerin hat am 07.12.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und vorgetragen, weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesintention oder der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge, dass das Krankenhaus der Krankenkasse mit der Abrechnung eine – ihm möglicherweise gar nicht bekannte – Pflegestufe zu übermitteln habe. Ihr Anspruch sei auch nicht verjährt. Insoweit sei auf § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht abzustellen.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 900 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.12.2020 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die Verjährung des Klageanspruchs eingewandt. Die Aufwandspauschale sei eine Art des Aufwendungsersatzes (iSd § 670 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>), sodass die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 Abs 1 Nr 1 BGB griffen. Danach verjährten Ansprüche innerhalb von drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht. Mithin seien die Ansprüche der Klägerin allesamt bereits mit Ende des Jahres 2019 verjährt.

 

Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 900 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins verurteilt (Urteil vom 20.01.2022). Die Klägerin habe das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst. Es könne dahinstehen, ob seitens der Klägerin überhaupt eine fehlerhafte Abrechnung erfolgt sei, weil die Pflegestufe nicht angegeben worden seien. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese fehlenden Angaben zum Anlass für ihre Überprüfungen genommen habe. Weiter sei bei einem Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale die vierjährige Verjährungsfrist als speziellere sozialrechtliche Norm vorrangig anzuwenden. Die vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen würden dem öffentlichen Recht zugeordnet, sodass auch der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die Regelung der Verjährung ergebe sich schon aus dem Vierten Kap SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien. Die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren sei Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche diene. § 69 Abs 1 Abs 1 S 3 SGB V greife nicht ein, denn danach gälten die Vorschriften des BGB lediglich „im Übrigen“, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kap SGB V vereinbar seien. Eine hiervon abweichende Anwendung der BGB-Verjährungsregeln auf die Aufwandspauschale, bei der es sich zwar nicht um eine Vergütung für eine Krankenhausbehandlung handele, die zu dieser aber gleichwohl in einem Sachzusammenhang stünde, sei im Hinblick auf das Ziel der Harmonisierung von Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche nicht sachgerecht. Im Übrigen habe das BSG (Urteil vom 18.06.2014 – B 3 KR 10/13 R) die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren auch auf den Anspruch einer Krankenkasse auf Erstattung einer Aufwandspauschale angewandt. Sachliche Gründe für eine Benachteiligung der Krankenhäuser dergestalt, den spiegelbildlichen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale der kürzeren dreijährigen Verjährungsfrist des BGB zu unterwerfen, seien nicht ersichtlich.

 

Hiergegen richtet sich die am 08.02.2022 eingelegte Berufung der Beklagten, die zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.01.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Duisburg vom 20.01.2022 zurückzuweisen.

 

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

 

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), nachdem die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis erklärt haben (Schriftsätze vom 14.09.2022 und 23.09.2022).

 

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin wegen der iErg ohne Beanstandungen durchgeführten Prüfverfahren zu den Behandlungsfällen der Versicherten M, H und K jeweils eine Aufwandspauschale iHv 300 € nebst Prozesszinsen zu zahlen. Die Ansprüche auf Zahlung der Aufwandspauschalen sind in allen drei Fällen entstanden (dazu 1), nicht untergegangen (dazu 2) und darüber hinaus auch noch durchsetzbar (dazu 3).

 

1. Die Ansprüche auf Zahlung der Aufwandspauschalen sind entstanden. Nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V (vorliegend anwendbar idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes <KHRG> vom 17.03.2009, BGBl I 534) hat, falls „die Prüfung“ nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale iHv 300 € zu entrichten. Diese Voraussetzungen sind in allen drei hier zugrundeliegenden Behandlungsfällen erfüllt.

 

a) Zunächst hat vorliegend eine Prüfung iSd § 275 Abs 1c S 3 SGB V stattgefunden. Gemeint ist, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang mit S 2 und 4 ergibt, eine Prüfung nach S 1 derselben Vorschrift („[Die] Prüfung nach S 1“). Dieser S 1 verweist seinerseits auf § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V. Weiter bestimmt § 275 Abs 1c S 4 SGB V (idF des Krankenhausstrukturgesetzes <KHSG> vom 10.12.2015, BGBl I 2229), dass als Prüfung nach S 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen ist, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert.

 

Vorliegend hat die Beklagte zu allen drei streitanlässlichen Behandlungsfällen jeweils eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt. Gegenstand der Prüfung war in allen Fällen die Kodierung der Prozeduren sowie zusätzlich die untere (M) bzw obere Grenzverweildauer (H) und die Zahl der Beatmungsstunden (K). Unerheblich ist, ob die Prüfungen sich damit auf die Wirtschaftlichkeit oder aber die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen richteten. Diese frühere Unterscheidung (dazu BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 43/20 R, amtl Rn 14 mwN) ist jedenfalls mit der Einfügung des § 275 Abs 1c S 4 SGB V mit Wirkung ab Anfang 2016 entfallen (dazu BT-Drs 18/6586, S 110 <zu Art 6 Nr 21a neu>).

 

Zur Erstellung seiner gutachtlichen Stellungnahme hat der MDK auch jeweils bestimmte Krankenunterlagen schriftlich bei der Klägerin angefordert und damit Daten erhoben. Aktenkundig sind insoweit zwei Prüfanzeigen des MDK, mit denen dieser jeweils um Übersendung bestimmter Unterlagen gebeten hat (vom 07.06.2016 <H>: Arztbriefe/Entlassungsberichte, Fieberkurven komplett, Dokumente zum OPS 5.35a.00, prüfrelevante Prozedurenberichte, Pflegebericht, Operations-, PTCA-, PTA-Berichte, Labordaten; und vom 23.09.2016 <K>: ärztliche Dokumentation inkl Verlauf, Anordnungen und Med-Verordnungsblatt sowie endgültige Krankenhausentlassungsberichte). Für den dritten Behandlungsfall (M) ist zwar lediglich die gutachtliche Stellungnahme selbst aktenkundig. In dieser nennt der MDK als Grundlage der Begutachtung aber eine DRG-Einzelfallbegutachtung „nach Aktenlage mit (Teilen der) Akte in Kopie am 08.11.2016“. Dass der MDK diese Krankenakte anders als durch Anforderung bei der Beklagten eingeholt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Auch die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass der Klägerin im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren überhaupt ein Verwaltungsaufwand entstanden ist.

 

b) Weiter bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die Geltendmachung der Aufwandspauschale im vorliegenden Fall treuwidrig wäre. Zwar scheidet der Anspruch auf die Aufwandspauschale aus, wenn die Krankenkasse durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 SGB V unter Beteiligung des MDK einzuleiten (BSG, Urteil vom 22.06.2010 – B 1 KR 1/10 R, juris Rn 18 ff). Hierfür bestehen vorliegend aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Auch die Beklagte hat ihre ursprüngliche Rechtsauffassung, wonach die Abrechnungen hier nachweislich fehlerhaft gewesen seien, weil die Klägerin die Pflegestufen der betroffenen Versicherten nicht mitgeteilt habe, im Klage- und Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die unterbliebene Angabe von Pflegestufen bzw -graden eine Abrechnung überhaupt nachweislich fehlerhaft machen kann (in diesem Zusammenhang vgl § 301 Abs 2a SGB V idF des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes <PpSG> vom11.12.2018, BGBl 2394, wonach ab 2019 umgekehrt sogar die Krankenkasse dem Krankenhaus einen bestehenden Pflegegrad unverzüglich zu übermitteln hat, sobald dieses ihnen anzeigt, dass es den Patienten oder die Patientin zur Behandlung aufgenommen hat). Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die streitbefangenen Prüfverfahren hierdurch veranlasst worden wären. Gegenstand der Prüfungen waren, wie ausgeführt, vielmehr die Kodierung der Prozeduren sowie die obere bzw untere Grenzverweildauer und die Zahl der Beatmungsstunden. Ohnehin entsteht der Anspruch auf eine Aufwandspauschale grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob der Prüfauftrag der Krankenkasse nach der gesetzlichen Maßgabe des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V hätte erteilt werden dürfen oder nicht (BSG, Urteil vom 22.11.2012 – B 3 KR 20/12 R, juris Rn 23).

 

2. Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der Aufwandspauschalen untergegangen sein könnten, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

 

3. Die Ansprüche sind auch durchsetzbar, insbesondere sind sie nicht verjährt. Das Gesetz regelt die Verjährung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale und insbesondere auch die maßgebliche Verjährungsfrist zwar nicht ausdrücklich; insoweit greift indes die vierjährige Verjährungsfrist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips des Sozialrechts (dazu a). Diese war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch noch nicht abgelaufen (dazu b).

 

a) Gemäß § 69 Abs 1  S 2 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kap sowie §§ 63, 64 SGB V, im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Keine der damit in Bezug genommenen Vorschriften regelt aber die Verjährung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 12.05.2005 – B 3 KR 32/04 R, juris Rn 16). Insoweit findet stattdessen eine vierjährige Verjährungsfrist Anwendung.

 

aa) Die vierjährige Verjährung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips des Sozialrechts (so BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 11/15 R, amtl Rn 14 mwN) und war dementsprechend jedenfalls im vorliegenden Fall noch bei allen Ansprüchen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen nach dem Vierten Kap SGB V zu beachten (vgl BSG, aaO Rn 13, dort zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R, amtl Rn 44 mwN, zum Anspruch der Krankenkasse auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütung; Urteil vom 18.06.2014 – B 3 KR 10/13 R, amtl Rn 12, zum Anspruch der Krankenkasse auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschale). Inwieweit sich hieran mit dem Inkrafttreten des § 109 Abs 5 SGB V (idF des PpSG vom 11.12.2018, BGBl I 2394) zum 01.01.2019 etwas geändert hat, der für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen sowie Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen nunmehr ausdrücklich eine zweijährige Verjährung vorsieht, kann vorliegend dahinstehen, weil diese Neuregelung ausdrücklich nicht für Ansprüche gilt, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind (§ 109 Abs 5 S 3 SGB V).

 

bb) Einer Anwendung der vierjährigen Verjährungsfrist als allgemeinem Rechtsprinzip steht auch § 69 Abs 1 S 3 SGB V nicht entgegen. Danach gelten für die Rechtsbeziehungen nach § 69 Abs 1 S 1 und 2 SGB V im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kap SGB V vereinbar sind.

 

(1) Dabei mag dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, dass das BGB gemäß § 69 Abs 1 S 3 SGB V nur „im Übrigen“ entsprechend gilt (vgl dazu aber BSG, Urteil vom 21.04.2015, aaO Rn 14; zudem BSG, Urteil vom 12.05.2005, aaO Rn 16), obwohl der Geltungsbereich „im Übrigen“ nur in Abgrenzung zu § 69 Abs 1 S 2 SGB V bestimmt werden kann, der die Verjährung gerade nicht regelt (dazu oben 3a). Zudem regeln nach § 69 Abs 1 S 2 SGB V die dort in Bezug genommenen Vorschriften die Rechtsbeziehungen ua zwischen Krankenkassen und -häusern ausdrücklich „abschließend“ (vgl dazu aber BSG, Urteil vom 12.05.2005, aaO Rn 25).

 

(2) In jedem Fall aber gelten gemäß § 69 Abs 1 S 3 Hs 2 SGB V die Vorschriften des BGB nur entsprechend, „soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kap SGB V vereinbar sind“ (dazu auch BSG, Urteil vom 12.05.2005, aaO Rn 17). Nachdem in stRspr anerkannt ist, dass auch in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten grundsätzlich die vierjährige Verjährungsfrist gilt (s die Nachw bei 3a/aa), läge aber eine solche Unvereinbarkeit vor, wenn nur für den Anspruch auf Aufwendungsersatz etwas anderes gälte, zumal für eine solche Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund erkennbar ist.

 

Von einer Anwendbarkeit der vierjährigen Verjährung in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, der diese Rechtslage bis zur Einführung der zweijährigen Verjährung nach § 109 Abs 5 SGB V unverändert gelassen hat (vgl BSG, Urteil vom 21.04.2015, aaO Rn 15). Dementsprechend hat der Gesetzgeber noch in der Gesetzesbegründung zu § 109 Abs 5 SGB V ausgeführt, dass „§ 45 SGB I […] die Verjährungsfrist im Sozialrecht mit vier Jahren [festlege]“ (BT-Drs 19/5593, 105).

 

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 69 Abs 1 SGB V (durch Art 1 Nr 26 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) seinerzeit die Rechtsbeziehungen ua zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern grundsätzlich dem öffentlichen Recht unterstellen und dabei lediglich die Anwendbarkeit des Kartellrechts ausschließen und einen Zuständigkeitsstreit insbesondere zwischen der ordentlichen und der Sozialgerichtsbarkeit auflösen wollte (dazu ausf BSG, Urteil vom 12.05.2005, aaO Rn 19 ff; Urteil vom 12.05.2005, aaO Rn 15 f; vgl auch BT-Drs 14/1245, 67 f <zu Nr 29>).

 

cc) Vor diesem Hintergrund verfängt auch die Rechtsansicht der Beklagten nicht, wonach die Aufwandspauschale eine Art des Aufwendungsersatzes (iSd § 670 BGB) und deshalb die dreijährige Verjährung des bürgerlichen Rechts einschlägig sei. Selbst wenn diese rechtliche Einordnung zuträfe, ließe sich aus dem Rechtscharakter der Aufwandspauschale nicht zwingend auf die Dauer der Verjährung schließen, erst recht nicht, wenn dies – wie hier – im Ergebnis allgemeinen Rechtsprinzipien widerspräche.

 

b) Ausgehend von einer vierjährigen Verjährungsfrist ist der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale auch nicht verjährt. Analog § 45 Abs 1 SGB I beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl BSG, Urteil vom 21.04.2015, aaO Rn 12, zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses; ebenso Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 71/12 R, amtl Rn 12, zum Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht gezahlter Vergütung). Dabei kann offenbleiben, ob ein Anspruch auf eine Aufwandspauschale bereits mit Abschluss des Prüfverfahrens entsteht (so Landessozialgericht <LSG> Bln-Bbg, Urteil vom 08.12.2016 – L 1 KR 508/14, juris Rn 23 ff) oder aber erst dann, wenn eine Minderung des Abrechnungsbetrages „unterbleibt“ (so aber SG Speyer, Urteil vom 28.07.2015 – S 19 KR 588/14, juris Rn 48; SG Mainz, Urteil vom 04.05.2015 – S 3 KR 428/14, juris Rn 77). Denn auch nach erstgenannter Auffassung wären die streitgegenständlichen Ansprüche zwar noch im Jahr 2016 entstanden, weil der MDK seine Gutachten in allen drei Behandlungsfällen noch in 2016 vorlegte. Die Verjährungsfristen hätten folglich mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen und wären damit bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen. Verjährung wäre vielmehr erst mit Ablauf des Jahres 2020 eingetreten. Die Klägerin hat ihre Klage aber noch am 07.12.2020 erhoben.

 

3. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB (dazu BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 24/14 R, amtl Rn 14 f). Hiergegen kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es widersinnig sei, einerseits wegen der Verjährung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken des Sozialrechts abzustellen, andererseits wegen der Zinshöhe aber auf das Bürgerliche Recht, obwohl der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs auch die Verzinsung eigens regelt (§ 44 Abs 1 SGB I: Ansprüche auf Geldleistungen werden danach mit 4 vH verzinst). Dieses Argument der Beklagten könnte allenfalls dann durchgreifen, wenn auch § 44 Abs 1 SGB I einen allgemeinen Rechtsgedanken des Sozialrechts verkörperte. Ebendies ist aber nicht der Fall. Vielmehr existiert im Sozialrecht schon keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung rückständiger Geldleistungen (BSG, Urteil vom 31.05.2016 – B 1 KR 38/15 R, amtl Rn 38 mwN; vgl auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 20.12.1984 – L 1 Ar 44/84, amtl Ls, zit nach juris, wonach § 44 SGB I lediglich den allgemeinen Rechtsgedanken modifiziere, wie er von der Struktur des bürgerlich-rechtlichen Anspruchs auf Verzugszinsen geprägt sei).

 

4. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung folgen aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO bzw §§ 62 Abs 2 S 1, 52 Abs 3 S 1 GKG.

 

5. Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, besteht nicht. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil der vorliegende Fall noch nach altem, mit Inkrafttreten des § 109 Abs 5 S 1 SGB V ausgelaufenem Recht zu beurteilen ist. Ob eine vierjährige Verjährungsfrist seitdem auch in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten noch als allgemeines Rechtsprinzip gelten kann bzw inwieweit die neue zweijährige Verjährungsfrist auf Ansprüche auf die Aufwandspauschale analog anzuwenden ist, wirft neue Rechtsfragen auf, die sich vorliegend aber nicht stellen.

 

Rechtskraft
Aus
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