L 14 R 622/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 BA 118/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 622/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Frage der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bei Arbeitslosengeldbezug nach Bewilligung einer vorgezogenen Altersrente bis zu deren Beginn nach der Neufassung des § 5 Abs. 4 SGB VI.

 

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.04.2021 insoweit geändert, als die Klage hinsichtlich der Beitragsforderung aus dem Bescheid vom 09.10.2018 in Gänze abgewiesen wird. Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt 95% der Kosten des Verfahrens. Die Beklagte trägt 5% der Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 27.183,13 Euro festgesetzt


T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist, im Rahmen einer Prüfung der Beitragszahlung und des Meldeverfahrens aus Leistungen der Agentur für Arbeit nach § 212a SGB VI, die Nachforderung von Pflichtbeiträgen für 34 Personen, die Beigeladenen zu 1 bis 33 (im Folgenden: Beigeladene) sowie eine bereits verstorbene Person, für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2017 in Höhe von 24.745,63 € zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von
2.437,50 € streitig.

Aufgrund einer vom 28.06.2018 bis zum 31.07.2018 durchgeführten Prüfung der Beitragszahlung bei der Klägerin erging am 08.08.2018 durch den Einzugstellenprüfdienst der Beklagten eine Anhörung zur Nachforderung von Beiträgen zur allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung von insgesamt 61.949,22 € (die später zur Zahlung angewiesen wurden). Daneben seien zusätzlich Säumniszuschläge in Höhe von 9.624 € geltend zu machen. Die Prüfung habe insbesondere ergeben, dass in 34 Fällen die Regelung zur Verrechnung von Beiträgen nicht beachtet worden sei. Hierzu werde von den Rentenversicherungsträgern die Auffassung vertreten, dass bei einem Altersrentenbeginn ab dem 01.01.2017 die BSG-Rechtsprechung zur rückwirkend gewährten Erwerbsminderungsrente analog anzuwenden sei. Damit sei die Verrechnung bereits gezahlter Beiträge zur Rentenversicherung bei einer rückwirkend zugebilligten vorgezogenen Altersvollrente nicht zulässig. Der Versicherungsschutz müsse danach im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein, rückwirkende Veränderungen seien grundsätzlich unbeachtlich (BSG Urteil vom 15.05.1984, 12 RK 7/83, BSG Urteil vom 25.01.1995, 12 RK 58/94). Das BSG habe die Besonderheit, von einem Vertrauensschutz in den Versicherungsschutz bei einer umfassenden Beitragsfreiheit absehen zu können, damit begründet, dass der Anwartschaftserwerb durch Beitragsentrichtung mit dem rückwirkenden Beginn der Vollrente wegen Alters endgültig beendet sei. Übertragen auf die neue Regelung zur Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI in der Fassung ab dem 01.01.2017 werde deutlich, dass der Anwartschaftserwerb bei einer Altersrente vor Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht worden sei, gerade nicht endgültig beendet sei. Im Gegenteil, es sei dem Gesetzgeber ein ausdrückliches Anliegen gewesen, den Erwerb weiterer Anwartschaft zu ermöglichen. Damit sei es nicht zulässig, bei einer rückwirkenden Bewilligung eine Altersvollrente, die noch nicht zur Versicherungsfreiheit führe, den aufgrund des Entgeltersatzleistungsbezugs entstandenen Versicherungsschutz nachträglich entfallen zu lassen. Hinsichtlich dieser Fälle sei von Verschulden auszugehen, so dass Säumniszuschläge (außer im Einzelfall der C) zu fordern seien.

Bezüglich der Säumniszuschläge habe nach Aktenlage keine unverschuldete Unkenntnis der geprüften Stelle über die Zahlungspflicht festgestellt werden können. Soweit diese im Einzelfall dennoch bestanden habe, werde hierzu im Anhörungsverfahren eine entsprechende Mitteilung erbeten sowie eine ausführliche Begründung zum jeweiligen Fall.

Die Klägerin antwortete darauf, dass in den streitigen 34 Fällen jeweils rückwirkend eine vorgezogene Altersrente, Altersrente für schwerbehinderte Menschen bzw. Altersrente für besonders langjährig Versicherte zuerkannt worden sei. Für die Zeit ab Zuerkennung der Renten seien die auf das Arbeitslosengeld bereits entrichteten Beiträge richtigerweise abgesetzt worden, da für die Zeit ab Beginn einer vorgezogenen Altersrente Beiträge zur Rentenversicherung nicht zu entrichten seien. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ruhe das Arbeitslosengeld für die Zeit der Zuerkennung der Altersrente (§ 156 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 SGB III). Über die gesetzliche Regelung hinaus werde von der Klägerin das Arbeitslosengeld erbracht, solange die Zahlung der vorgezogenen Altersrente noch nicht eingesetzt habe. Diese Gewährung erfolge entgegen des Wortlauts der gesetzlichen Regelung und nur aufgrund der Rechtsprechung des BSG. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes trotz bestehendem Rentenanspruch sei damit lediglich ein Ausgleich für einen Nachteil, der durch die Dauer des Verwaltungsverfahrens bedingt sei. Als Nachteilsausgleich dürfe sich daraus jedoch kein den Nachteil übersteigender Effekt ergeben. Ein solcher liege jedoch vor, wenn auf das Arbeitslosengeld Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet werden müssten. Bei rechtzeitiger Aufnahme der laufenden Zahlung wäre das Arbeitslosengeld zum Rentenbeginn beendet worden und Rentenversicherungsbeiträge wären nicht zu entrichten gewesen. Für Zeiten vor dem 01.01.2017 sei dies unstreitig gewesen. Durch die Änderung von § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI habe sich nach Auffassung der Klägerin insoweit nichts Anderes ergeben. Die mit dem Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) geänderte Regelung habe dazu dienen sollen, den Rentenanspruch durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung neben einer vorgezogenen Altersrente zu erhöhen (Bundestagsdrucksache 18/9787, Seite 22). Anders als eine Beschäftigung sei eine Erhöhung des Rentenanspruchs durch den Bezug von Arbeitslosengeld neben einer vorgezogenen Altersrente nicht vorgesehen. Dies werde auch durch die Regelung zur Hinzuverdienstgrenze in § 34 SGB VI unterstrichen. Die vorgezogene Altersrente werde nur gewährt bei einem Hinzuverdienst bis 6.300 €. Arbeitslosengeld sei jedoch nach § 34 Abs. 3b SGB VI nicht zu berücksichtigen. Daraus sei erkennbar, dass mit dem Flexirentengesetz nicht beabsichtigt gewesen sei, ein vorgeleistetes Arbeitslosengeld wieder der Versicherungspflicht zu unterwerfen.

Die Beklagte blieb jedoch bei ihrer Auffassung und stellte mit Bescheid vom 09.10.2018 die Nachforderung in Höhe von insgesamt 61.949,52 € sowie Säumniszuschläge in Höhe von zusätzlich 9.624 € fest. Dabei entfielen auf die streitigen 34 Fälle 24.745,63 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 2.437,50 €.

Die von der Klägerin gegen den Bescheid erhobene Klage zum Sozialgericht Nürnberg wurde damit begründet, dass die Verrechnung der Rentenversicherungsbeiträge für das Jahr 2017 zu Recht erfolgt sei, da für die Zeit ab Beginn einer (vorgezogenen) Altersrente Rentenversicherungsbeiträge auf Arbeitslosengeld nicht mehr zu entrichten seien. Nach der gesetzlichen Regelung in § 156 Abs. 1 Nr. 4 SGB III ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die ein Anspruch auf Altersrente zuerkannt sei. Das Ruhen erfasse dabei den Zeitraum, für den die zum Ruhen führende Leistung bewilligt werde. Werde die Leistung für die Vergangenheit bewilligt, trete das Ruhen des Anspruchs rückwirkend ein; auf den Zeitpunkt der Aufnahme der regelmäßigen Zahlungen bzw. den Zeitpunkt einer Nachzahlung komme es nicht an (BSG Urteil vom 19.02.1986, Az.: 7 RAr 55/84). Ein zeitgleicher Bezug von Arbeitslosengeld und Altersrente sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Der Zweck der Ruhensregelung bestehe darin, nicht nur Doppelleistungen auszuschließen, sondern auch nahtlose Leistungen verschiedener Sozialleistungsträger zu gewährleisten (BSG Urteil vom 20.09.2001, Az.: B 11 AL 35/01 R). In Befolgung dieser Rechtsprechung gewähre die Klägerin deshalb über den Wortlaut der gesetzlichen Regelung hinaus das Arbeitslosengeld bis zum Einsetzen der laufenden Zahlung. Die auf das Arbeitslosengeld entrichteten Rentenversicherungsbeiträge könnten - trotz der Neuregelung des § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI - auch weiterhin zurückgerechnet werden. Denn Zielsetzung der Regelung zur vorgezogenen Altersrente sei es gewesen, einen rentenversicherungspflichtigen Hinzuverdienst neben der vorgezogenen Altersrente zu ermöglichen und damit den Rentenanspruch zu erhöhen. In der Gesetzesbegründung sei hierzu ausgeführt (BT-Drs 18/9787 S. 23): "Derzeit sind Bezieherinnen und Bezieher einer Vollrente versicherungsfrei, selbst wenn sie die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben. Für die Zukunft sollen Beschäftigte und Selbstständige, die nach den allgemeinen Vorschriften versicherungspflichtig sind, vor Erreichen der Regelaltersgrenze auch beim Bezug einer Vollrente versicherungspflichtig bleiben." Die Regelung ziele damit eindeutig auf Beschäftigte und versicherungspflichtige Selbstständige. Ziel des Flexirentengesetzes sei es damit nicht, einen Rentenanspruch zu erhöhen, indem neben einer vorgezogenen Altersrente noch rentenversicherungspflichtiges Arbeitslosengeld bezogen werde. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Regelung zum Ruhen des Arbeitslosengelds bei einem Anspruch auf Altersrente unverändert gelassen. Bei einer vorgezogenen Altersrente ruhe das Arbeitslosengeld in gleicher Weise wie bei einer normalen Altersrente, nämlich in vollem Umfang. Nach der gesetzlichen Regelung könne somit neben einer vorgezogenen Altersrente zwar Arbeitsentgelt bezogen werden, aber nicht Arbeitslosengeld. Unterstrichen werde dies dadurch, dass Arbeitslosengeld bei der Regelung zum Hinzuverdienst (§ 34 SGB VI) nicht aufgeführt sei. Hierfür bestehe auch kein Anlass. Denn einen zeitgleichen Bezug von Altersrente und Arbeitslosengeld gebe es nach der gesetzlichen Regelung nicht. Der Gesetzgeber habe damit übersehen, dass es - entgegen des Gesetzeswortlauts - die zeitliche Parallelität von Anspruch auf vorgezogene Altersrente und Arbeitslosengeld tatsächlich gibt. Er habe damit unbewusst eine Regelungslücke geschaffen, die nun entsprechend der Intention des Gesetzgebers zu schließen sei. Diese Intention könne indes nicht anders gehen als dahin, den Bezug von Arbeitslosengeld für Zeiten eines Anspruchs auf Altersrente weiterhin rentenversicherungsfrei zu belassen. Der Regelung zum Hinzuverdienst sei vergleichsweise klar zu entnehmen, dass mit einer Entgeltersatzleistung neben einem Bezug von vorgezogener Altersrente der Rentenanspruch nicht erhöht werden könne. Die Rückzahlungspflicht ergebe sich daraus, dass die geprüfte Dienststelle zeitgleich mit der Klageerhebung angewiesen worden sei, die geforderten Beiträge und Säumniszuschläge zu entrichten.

Die Beklagte berief sich auf die seit dem 01.01.2017 bestehende Versicherungspflicht auch für den Bezug von Arbeitslosengeld bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht werde (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n.F.). Durch das Flexirentengesetz sei zum 01.07.2017 dem § 66 SGB VI der Abs. 3a angefügt worden. Danach würden Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze und anschließend jährlich zum 1. Juli berücksichtigt. Für die jährliche Berücksichtigung zum 1. Juli seien die für das vergangene Kalenderjahr ermittelten Zuschläge maßgebend.

Gemäß § 76d SGB VI würden für versicherungspflichtige Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld nach Beginn einer Altersrente zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt und nach § 66 Abs. 3a SGB VI mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze berücksichtigt. Die maßgeblichen Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges nach Rentenbeginn würden also nicht bereits der vorgezogenen Altersvollrente zu Grunde liegen. Sie würden allerdings bei Erreichen der Regelaltersgrenze berücksichtigt und dann zu einem höheren Rentenzahlbetrag führen.

Mit Urteil vom 27.04.2021 änderte das Sozialgericht Nürnberg den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2018 ab. Es könnten lediglich Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 50.192,88 € zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 8.439,- € gefordert werden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten erweise sich bezüglich des angegriffenen Sachverhalts in Höhe von 12.988,99 € zuzüglich Säumniszuschlägen von 1.252,- € als rechtmäßig, während 11.756,64 € zuzüglich Säumniszuschlägen von 1.185,50 € zu Unrecht gefordert worden würden. Insoweit sei der Bescheid vom 09.10.2018 rechtswidrig und aufzuheben.

Die Verrechnungen hätten nicht vorgenommen werden dürfen. Die Klägerin verrechne, nachdem von der Beklagten rückwirkend eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze bewilligt worden sei, die für die Versicherten bereits gezahlten Rentenversicherungsbeiträge ab Rentenbeginn mit anderen fälligen Rentenversicherungsbeiträgen für andere Versicherte. Es erfolge keine Prüfung der Beklagten, ob diese Beiträge zu Recht gezahlt worden sind, was eine Erstattung ausschließe. Das Verfahren nach § 26 SGB IV sehe, u.a. neben einer Erstattung von Amts wegen vor, dass eine Anmeldung der zu Unrecht geleisteten Beiträge bei den Rentenversicherungsträgern zu erfolgen habe. Diese prüften dann die Voraussetzungen einer Erstattung und führten ggf. eine solche durch. Eine davon abweichende mögliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten sei bisher für Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld bei gleichzeitigem Bezug von Altersrenten seit Inkrafttreten des Flexirentengesetzes zum 01.01.2017 nicht getroffen worden.

Ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 26 Abs. 2 SGB IV bestehe nicht, weil die gezahlten Rentenversicherungsbeiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden seien. Die Beitragspflicht ergebe sich aus der Versicherungspflicht. Die Beigeladenen als Arbeitslosengeldbezieher seien nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI als sonstige Versicherte rentenversicherungspflichtig. Die Beitragszahlung erfolge damit zunächst rechtmäßig durch die Klägerin.

Die nachträgliche und rückwirkende Gewährung der Altersrenten habe die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Rentenversicherung nicht rückwirkend aufgehoben und damit unrechtmäßig gemacht. Die Formulierung "zu Unrecht entrichtete Beiträge" beziehe die Rechtswidrigkeit der Beitragszahlung auf den Zeitpunkt der Beitragsentrichtung. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beitragszahlung aber rechtmäßig aus den oben genannten Gründen. Wegen einer nachträglichen Änderung der Rechtslage könnten Beitragserstattungen deswegen nicht verlangt werden. Dies gelte selbst dann, wenn die Änderung der Rechtslage rückwirkend erfolge.

Im vorliegenden Fall seien die Rentenversicherungsbeiträge auf das Arbeitslosengeld rechtmäßig gezahlt worden und danach erst sei durch Bewilligung der Altersrente durch die Ruhensregelung des § 156 Abs. 1 Nr. 4 SGB III der Rechtsgrund für die Zahlung von Arbeitslosengeld und für die Rentenversicherungsbeitragspflicht hierauf entfallen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG könne aus Vertrauensschutzgründen für den Versicherten der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nur der Zeitpunkt der Beitragszahlung sein (so zuletzt BSG Urteil vom 31.03.2015 - B 12 AL 4/13 R - SozR 4-2400 § 27 Nr. 6 m.w.N.; vgl. außerdem BSG Urteil vom 25.01.1995 - 12 RK 51/93 - SozR 3-2400 § 26 Nr. 6; BSG Urteil vom 30.06.1997 - 8 RKn 3/96 - SozR 3-2400 § 26 Nr. 8; BSG v. 11.10.2001 - B 12 KR 11/01 R - SozR 3-2400 § 26 Nr. 13).

Nur mit dieser Ansicht werde Rechtssicherheit in die Beitragszahlung gebracht. Eine Beitragserstattung auf Grund nachträglicher Rechtsänderung scheide vor allem dann aus, wenn damit rückwirkend in das Versicherungsverhältnis eingegriffen werde. Seit der Änderung zum 01.01.2017 ende die Versicherungspflicht für Bezieher einer Altersrente erst mit Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht werde. Erst dann bestehe auch Versicherungsfreiheit (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2017). Die Regelungen der §§ 66 Abs. 3a, 76d SGB VI führe zu einer Erhöhung der Rente durch die streitigen gezahlten Beiträge. Danach führten auch Beiträge wegen Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld zur Steigerung der späteren Rente. Diese Anwartschaft würde durch Rückforderung der Beiträge durch die Klägerin wieder verloren gehen. Aus Vertrauensschutzgründen könnten zunächst zu Recht entrichtete Beiträge nicht durch rückwirkende Änderung zu unrechtmäßigen Beiträgen werden, die erstattet werden müssten. Die Ausnahme, dass auf Vertrauensschutz verzichtet werden könne, liege nicht vor. Dies begründe das BSG für den Fall, dass die Beiträge die Rente nicht mehr erhöhen könnten. Dann bedürfe es keines Vertrauensschutzes, da kein Eingriff in Anwartschaften bestehen könnte. Dies sei der Fall gewesen, als noch mit Bezug der Altersrente Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung eintrat. Die Beklagte meine, dies sei jetzt auch noch der Fall, da bei den Hinzuverdienstregelungen das Arbeitslosengeld nicht aufgeführt sei. Die Regelungen zur Errechnung der Entgeltpunkte seien aber klar geregelt und ergäben über §§ 66 Abs. 3a, 76d SGB VI, dass die Rentenversicherungsbeiträge auf das Arbeitslosengeld eine spätere Rente erhöhen. Hierzu bedürfe es keiner Auslegung der Hinzuverdienstregelungen des § 34 SGB VI, weil es klar geregelt sei. Die Auslegung der Beklagten würde die Rentenhöhe der Beigeladenen verkürzen. Dies könne aus Vertrauensschutzgründen nicht sein. Beiträge, die zunächst rechtmäßig entrichtet worden seien und die Rente erhöhen, müssten aus Vertrauensschutzgründen im Rentenkonto verbleiben.

Daraus ergebe sich nun, dass die Rentenversicherungsbeiträge zum Zeitpunkt der Entrichtung nicht zu Unrecht geleistet worden seien, da ein materiell-rechtlicher Anspruch darauf nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld und der daraus resultierenden Beitragspflicht bestanden habe. Aus Vertrauensschutzgründen ändere daran auch ein rückwirkendes Entfallen der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage nichts. Ein Erstattungsanspruch nach §§ 26 Abs. 2 SGB IV sei damit nicht gegeben.

§ 26 Abs. 2 SGB IV sei eine spezialgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches (Schwerdtfeger in: SGB-SozVers-GesKomm, SGB IV, § 26 Anm. 1f.; Udsching in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 26 Rn. 1), so dass ein weiterer Erstattungsanspruch nicht ersichtlich sei.

Da die Regelungen zur Entgeltberechnung bereits älter seien und die Neuregelung zur Versicherungsfreiheit erst ab Erreichen der Regelaltersgrenze klar geregelt sei, was auch die Klägerin zugebe, habe auch eine verschuldete Kenntnis der Klägerin von der Beitragspflicht vorgelegen, weshalb auch Säumniszuschläge verlangt werden müssten.

Anders sehe es mit der Forderung der Beklagten auf Zahlung für bisher nicht gezahlte Rentenversicherungsbeiträge wegen Arbeitslosengeldbezugs aus. Insoweit sei die Klage erfolgreich und der Bescheid vom 09.10.2018 aufzuheben, soweit hierfür 11.756,64 € an Rentenversicherungsbeträgen zuzüglich 1.185,50 € Säumniszuschlägen gefordert worden seien. Hier fordere die Beklagte die Entrichtung von Beiträgen. Wie oben festgestellt, ergebe sich die Beitragspflicht aus der Versicherungspflicht. Die Beigeladenen als Arbeitslosengeldbezieher seien nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI als sonstige Versicherte rentenversicherungspflichtig. Nachdem nun aber die Klägerin durch Mitteilung von der Bewilligung der Altersrente Kenntnis erlangt habe, habe sie zwar wegen des Gedankens der Nahtlosigkeit noch bis zum Beginn der laufenden Zahlung der Altersrente das Arbeitslosengeld weitergezahlt, aber bereits keine Rentenversicherungsbeiträge mehr an die Beklagte hierfür abgeführt.

Der materiell-rechtliche Anspruch für die Zahlung von Arbeitslosengeld I und für die Rentenversicherungsbeitragspflicht hieraus folgend, sei wegen der Ruhensregelung des § 156 Abs. 1 Nr. 4 SGB III zum Zeitpunkt der Altersrentengewährung entfallen. Es handele sich hier aber um keine rückwirkende Wirkung, die aus Vertrauensschutzgründen einer anderen Bewertung bedürfte. Damit bestehe wegen des Ruhens keine Versicherungspflicht und damit auch keine Beitragspflicht mehr.

An diesem Ergebnis änderten auch Vertrauensschutzgesichtspunkte nichts. Das Vertrauen des Versicherten könne in der Zahlung des Arbeitslosengeldes bestehen. Er könne darauf vertrauen, dass dann auch wie bisher hierauf Beiträge abgeführt würden. Ein Vertrauen könne nur durch gezahlte Beiträge entstehen, nicht durch Leistungen allein, die eine Beitragspflicht begründen könnten. So reiche die Lohnzahlung eines Arbeitgebers nicht für eine Beitragspflicht, falls keine Gegenleistung des Arbeitnehmers für die Lohnzahlung erfolge, da kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis entstanden sei.

Zudem sei zu beachten, dass mit Gewährung der Altersrente durch Bescheid der Beklagten die Ruhensvorschrift des § 156 Abs. 1 Nr. 4 SGB III greife, so dass ab nun eine Beitragsentrichtung rechtswidrig werden würde; und zwar auch zum Zeitpunkt der Entrichtung, weshalb ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV bestehen würde. Vertrauensschutzgesichtspunkte würden hier aus den oben genannten Gründen nicht greifen. Wenn nun aber die Zahlung der Beiträge, die zu Unrecht entrichtet worden wären, zurückgefordert werden könne, könne die bloße Zahlung von Arbeitslosengeld kein Vertrauen des Versicherten auslösen. Es würden sonst Beiträge gezahlt, die nach § 26 Abs. 2 SGB IV wieder erstattet werden müssten.

Schließlich sei zu beachten, dass auch der Versicherte den Altersrentenbescheid erhalten habe und wisse oder wissen müsse, dass er keinen Anspruch auf beide Leistungen parallel habe und somit keinen Anspruch mehr auf eine Beitragszahlung auf Arbeitslosengeld, sobald sein Altersrentenanspruch feststehe.

Im Ergebnis, so das Sozialgericht Nürnberg, könne die Beklagte nach Ansicht der Kammer keine Rentenversicherungsbeiträge fordern, die nicht mehr gezahlt worden seien, weil die Rentenversicherungsbeitragsforderung keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage mehr habe. Folglich seien hier auch keine Säumniszuschläge zu entrichten. Insoweit sei die Klage erfolgreich.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte erhoben gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg Berufung.

Die Klägerin trägt vor, dass sich die Beitragspflicht des Arbeitslosengeldes zwischen der Zeit vor der Bewilligungsentscheidung der vorgezogenen Altersrente und den Zeiträumen danach nicht unterscheide. Trotzdem differenziere das Sozialgericht hinsichtlich der Versicherungspflicht zwischen dem Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld vor Bewilligung der Rente und dem Bezugszeitraum danach. Eine solche Differenzierung sei mit der Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht wegen Bezugs einer Entgeltersatzleistung jedoch nicht vereinbar.

Bei Bezug einer Entgeltersatzleistung bestehe grundsätzlich Versicherungspflicht. Ausnahmen von einer grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht komme jedoch allenfalls in Betracht, wenn die Bewilligung der Entgeltersatzleistung rückwirkend aufgehoben werde. Ohne Aufhebung der Leistungsbewilligung sei damit eine Aufteilung in Zeiten mit und Zeiten ohne Versicherungspflicht nicht möglich. Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung sei in den strittigen Fällen nicht erfolgt. Die Klägerin habe vielmehr - entsprechend der Rechtsprechung des BSG - die Bewilligung von Arbeitslosengeld erst zu Beginn der laufenden Rentenzahlung aufgehoben. Damit habe für den Zeitraum, der nach dem Rentenbeginn liege, ebenfalls ein Bewilligungsbescheid für Arbeitslosengeld vorgelegen. Eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung der Versicherungspflicht innerhalb des Zeitraums einer bestehenden Bewilligung von Arbeitslosengeld sei ausgeschlossen.

Ein Verschulden der unterlassenen Beitragserhebung habe nicht vorgelegen, da eine Kenntnis von der Zahlungspflicht das sichere Wissen darum voraussetze, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung verpflichtet zu sein (BSG Urteil vom 12.12.2018, B 12 R 15/18 R). Der Zahlungspflichtige müsse somit von einem Sachverhalt ausgehen, indem die Pflicht zur Beitragszahlung abschließend gerichtlich geklärt sei. Bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Pflicht der Beitragszahlung zwischen Beklagter und Klägerin und ob überhaupt eine solche bestehe, könne ein sicheres Wissen jedoch gerade nicht vorliegen. Damit habe die Festsetzung der Säumniszuschläge nicht erfolgen dürfen.

Die Beklagte führte in ihrer Erwiderung aus, dass der Bezug der Entgeltersatzleistung gemäß § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI die Versicherungspflicht des Arbeitslosengeldes auslöste. Da von der Klägerin die Ruhensregelung des § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III bis zum Beginn der laufenden Zahlung der Rente nicht angewandt werde, werde entsprechend bei dem Hinzutritt einer Rente wegen voller Erwerbsminderung der Erstattungsanspruch mit der Klägerin verrechnet. Dieser Nahtlosigkeitsgedanke berücksichtige die Interessen der Leistungsempfänger an einem einfachen Übergang vom Arbeitslosengeld in den Rentenbezug, habe aber auch verwaltungsökonomische Vorteile für die Klägerin, da sie die gezahlten Arbeitslosengeldbeträge nicht vom Leistungsempfänger zurückfordern müsse. Die Leistungsempfänger dürften auf den mit dem Leistungsbezug verbundenen Versicherungsschutz vertrauen. Der Versicherungsschutz müsse im Zeitpunkt der Fälligkeit klar erkennbar sein, daher seien rückwirkende Veränderungen unbeachtlich.

Seit dem 01.01.2017 könne eine Versicherungsbiografie durch eine gewährte vorgezogene Altersvollrente nicht mehr als endgültig abgeschlossen betrachtet werden, sodass den Vertrauensschutzgründen eine Versicherungsfreiheit nicht mehr entgegengehalten werden könne. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 SGB VI sei die Versicherungspflicht nicht auf Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt, sodass eine Regelungslücke nicht erkennbar sei. Der Bezug von Arbeitslosengeld sei rechtmäßig gewesen und die Klägerin habe den Bewilligungsbescheid über das Arbeitslosengeld auch nicht aufgehoben und auch nicht aufheben dürfen. Die von der Klägerin monierte unterschiedliche Ansicht für verschiedene Zeiträume, die das Sozialgericht Nürnberg vorgenommen habe, sei nicht näher begründet worden. Im Übrigen könne dies auch dazu verwendet werden, dass auch der Zeitraum ab Bekanntgabe des Rentenbescheides nicht anders beurteilt werden dürfe. Denn für die Anwendung des § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III komme es darauf an, ob die Ruhensregelung angewandt werde oder nicht. Die Klägerin befolge jedoch die Rechtsprechung des BSG und zahle das Arbeitslosengeld weiter, ohne es vom Versicherten zurückzufordern.

Säumniszuschläge seien unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 12.12.2018 zu erheben, da eine unverschuldete Nichtkenntnis von der Zahlungspflicht wegen der klaren Regelung des § 5 Abs. 4 SGB VI nicht angenommen werden könne.

In einem Erörterungstermin des Senats am 03.03.2022 wurde vom Vertreter der Klägerin angegeben, dass die Beiträge zur Rentenversicherung solange entrichtet worden seien, als keine Kenntnis von der Gewährung einer Altersrente und dem Rentenbeginn bestand. Ab Kenntnis vom Rentenbeginn wurden keine Beiträge mehr entrichtet. Die Berichterstatterin regte an, sich in den Gremien der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit zusammenzusetzen, um eine Lösung zu finden. Die Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg sei sehr salomonisch. Sollte es tatsächlich so gehandhabt werden, dass ab Kenntnis vom Rentenbescheid die Arbeitslosengeldbezieher darüber informiert würden, dass nun keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr gezahlt werden, könnten die betroffenen Arbeitslosen zumindest keinen Vertrauensschutz mehr auf weitere Beitragszahlungen geltend machen. Die Forderung von Säumniszuschlägen werde von der Berichterstatterin kritisch gesehen, da ein bedingter Vorsatz wohl nicht vorgelegen habe. Denn die Klägerin sei von ihrer Rechtsauffassung überzeugt gewesen. Daneben wurde auf den Fall von Frau D und Frau X eingegangen, bei denen die Nachzahlung bereits Zeiträume vor dem 01.01.2017 betraf.

Mit Schriftsatz vom 02.06.2022 wurde von der Beklagten ausgeführt, dass sich die Arbeitsgruppe Beitragserhebung der Deutschen Rentenversicherung dazu entschlossen habe, die Streitfragen einschließlich der Säumniszuschlagserhebung in Gänze gerichtlich klären lassen zu wollen.

Zu den Einzelfällen wurde mitgeteilt, dass die Altersrente von Frau X tatsächlich bereits am 01.12.2016 begonnen habe, die Regelaltersgrenze aber erst im Laufe des Jahres 2017 erreicht worden sei. Ab 01.01.2017 habe damit keine Versicherungsfreiheit mehr bestanden, sondern erst wieder mit Ablauf des Monats nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Auch im Fall von Frau D bestehe die Beitragsforderung zurecht. Hier sei zwar ein Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X gegenüber der Leistungsbezieherin ergangen, in diesem sei jedoch nicht das Arbeitslosengeld nach § 50 SGB II zurückgefordert, sondern auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X und § 103 SGB X hingewiesen worden. Diese Verfahrensweise sei fraglich, da die Erfüllungsfiktion die Aufhebung der Leistungsbewilligung ausschließe. Der Ausgleich zugunsten der Klägerin erfolge durch die Befriedigung des Erstattungsanspruchs.

Hinsichtlich der offenen Säumniszuschläge seien diese zurecht erfolgt. Denn auch die Klägerin habe die Änderung des § 5 Abs. 4 SGB VI gekannt. Im gemeinsamen Rundschreiben zur Renten- und Arbeitslosenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen vom 13.12.2016 seien - unter Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit - die Auswirkungen beschrieben worden. Das gemeinsame Rundschreiben sei bereits lange vor Eintritt der Gesetzesänderung bekannt gewesen, woraus erkennbar gewesen sei und auch hätte erkannt werden müssen, dass die Entgeltersatzleistungen versicherungspflichtig seien.

Die Klägerin beantragt,

1.  die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 09.10.2018 lediglich Rentenversicherungsbeiträge in Höhe vom 37.203,89 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 7.187,00 € zu fordern und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.04.2021, Az.: S 3 BA 118/20 aufzuheben soweit es dem entgegensteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin in Ausführung des Bescheides vom 09.10.2018 bereits entrichteten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 12.988,99 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 1.252,00 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.04.2021 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 09.10.2018 insgesamt abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Die Berufung der Beklagten sowie der Klägerin sind jeweils zulässig. Die nach § 144 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGG geforderte Summe von 10.000 € ist erreicht.

1.1. Die Beklagte war auch zur Beitragsnachforderung durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin befugt. Dies ergibt sich aus § 212a Abs. 1 SGB VI. Hiernach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Stellen, die die Pflichtbeiträge für sonstige Versicherte sowie für nachversicherte Personen zu zahlen haben (Zahlungspflichtige), ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB VI im Zusammenhang mit der Zahlung von Pflichtbeiträgen ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen.

Obwohl zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht, ist die Beklagte im Rahmen des § 212a SGB VI zum Erlass eines Verwaltungsakts berechtigt gewesen. Zwar besagt § 212a SGB VI für sich genommen - anders als  § 28p SGB IV, der in Abs. 1 S. 5 ausdrücklich den Erlass eines Verwaltungsakts als Handlungsform vorsieht - nichts darüber, in welcher Form eventuelle Feststellungen, insbesondere Nachforderungen von Beiträgen oder Säumniszuschläge geltend gemacht werden sollen. Allerdings tritt auch bei Prüfungen nach § 212a SGB VI der prüfende Rentenversicherungsträger der geprüften Stelle hoheitlich und auch dann nicht "gleichgeordnet" gegenüber, wenn die geprüfte Stelle selbst öffentlich-rechtlich organisiert ist. Eine in einem Streitfall auf Zahlung gerichtete Leistungsklage der Rentenversicherungsträger ist daher als unzulässig angesehen worden, da ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage aufgrund der Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes verneint wurde (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 212a SGB VI (Stand: 17.06.2022), Rn. 73). Auch nach der Rechtsprechung des BSG darf die Beklagte aufgrund der Eigenart des Prüfverhältnisses auch bei Prüfungen nach § 212a SGB VI hoheitlich tätig werden (vgl. BSG Urteil vom 16.06.2021 - B 5 RE 7/19 R -, BSGE 132, 189-197, SozR 4-2600 § 3 Nr. 8, SozR 4-2400 § 24 Nr. 10).

1.2. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, da hier ein Versicherungsträger klagt, § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGG. Daher war ein Widerspruchsverfahren vor Klageerhebung als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht notwendig.

2. Die Berufung der Beklagten ist mit Ausnahme der Säumniszuschläge auf die Beiträge, die ab Kenntnis vom jeweiligen Altersrentenbescheid gefordert werden, begründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2018 hinsichtlich der Beitragserhebung bis zur Bekanntgabe des jeweiligen Rentenbescheids rechtmäßig ist. Es hat jedoch unzutreffend eine rechtswidrige Beitragserhebung für Zeiten ab Bekanntgabe des Rentenbescheids angenommen (hierzu 3.). Insoweit war das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg abzuändern und die Klage abzuweisen. Darüber hinaus sind Säumniszuschläge nur für die Beiträge zu erheben, die für die Zeit bis zur Bekanntgabe des jeweiligen Rentenbescheids entfallen. Für die aufgrund des BSG Urteils vom 20.09.2001, B 11 AL 31/01 zunächst nicht gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung sind Säumniszuschläge jedoch nicht zu zahlen (hierzu 4.).

2.1. Der Sachverhalt des Rechtsstreits stellt sich für den Senat folgendermaßen dar:
Die Klägerin zahlte Arbeitslosengeld an Versicherte, die während des Bezugs einen Antrag auf eine vorgezogene Altersrente gestellt haben. Bis zur Bekanntgabe des Rentenbescheids des Versicherten an die Klägerin wurden von dieser Beiträge zur Rentenversicherung aus dem Arbeitslosengeld geleistet. Ab Bekanntgabe des Rentenbescheides wurde bis zum tatsächlichen Beginn der Rentenzahlung das Arbeitslosengeld weiter gewährt, ohne die Ruhensregelung des § 156 SGB III anzuwenden und den Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufzuheben. Beiträge zur Rentenversicherung wurden aber ab Bekanntgabe des Rentenbescheids an die Kläger von dieser nicht mehr entrichtet.

Im Gegenzug wurde das Arbeitslosengeld bis zum tatsächlichen Beginn der Rentenzahlung im Rahmen eines Erstattungsanspruchs bei der Beklagten geltend gemacht. Die zunächst gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung wurden von der Klägerin mit der Beklagten automatisch über das System COLIBRI bzw. COLEI verrechnet. Im Ergebnis wurden von der Klägerin damit ab dem im Rentenbescheid genannten Datum des Beginns der vorgezogenen Altersrente keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr gezahlt.

3. Die Beitragszahlung zur Rentenversicherung bis zur Bekanntgabe des Rentenbescheids bzw. die Beitragsnacherhebung für die Zeit danach erfolgte zurecht. Die im streitigen Bescheid vom 09.10.2018 genannten 34 Personen waren ab dem 01.01.2017 beim Bezug von Arbeitslosengeld versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung, da sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren. Dies ergibt sich eindeutig aus § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI. Der Arbeitslosengeldbezug war wegen der Neufassung des § 5 Abs. 4 SGB VI auch nicht versicherungsfrei, weil die 34 Personen noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht hatten. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist auch nicht entfallen, da dies erst mit Vollendung des Alters für die Regelaltersrente eintritt (§ 136 Abs. 2 SGB III).

3.1. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 156 Abs. 1. S. 1 Nr. 4 SGB III, obgleich der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit ruht, für die ein Anspruch auf eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist. Der Ruhenstatbestand des § 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. SGB III erfasst nur Altersrenten, die vorzeitig vor Vollendung des Alters für die Regelaltersrente fällig werden.

"Zuerkannt" ist ein Synonym für "bewilligt". Bewilligt ist eine Rente aber nicht bereits bei Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen, sondern erst mit Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt demnach kein Fall des Ruhens vor. Erst ab dann tritt rückwirkend das Ruhen des Arbeitslosengeldes mit der zeitgleich gewährten Altersrente ein. Dadurch wird die Klägerin in die Lage versetzt, entweder nach § 103 SGB X einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten geltend zu machen oder den Bescheid über die Arbeitslosengeldgewährung aufzuheben und die überzahlten Beträge von den Empfängern zurückzufordern.
Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass das Arbeitslosengeld nachträglich aufgrund des Ruhens ganz oder teilweise entfällt und im Sinne von § 107 SGB X durch das Arbeitslosengeld der Anspruch auf Rente erfüllt wurde. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X bezieht sich neben der eigentlichen Rentenleistung wegen § 335 SGB III im Grundsatz auch auf die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Allerdings werden in § 335 Abs. 2 SGB III bei einer Erstattung wegen einer zuerkannten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur die Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung erwähnt. Demnach umfasst der Erstattungsanspruch nicht auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

3.2. Auch für die Zeit nach Bekanntgabe des Rentenbescheids gilt nichts anderes. Denn insoweit wendet die Klägerin die eigentlich einschlägige Ruhensvorschrift des § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III nicht an. Ausgehend vom Wortlaut des § 156 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB III zu § 156 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB III wird deutlich, dass für Fälle der Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente das Ruhen erst mit dem Beginn der laufenden Zahlung der Rente eintritt, nicht jedoch wenn eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als vorgezogene Altersrente gewährt wird. So hat bereits der 9. Senat des Bayerischen Landessozialgericht ausgeführt, dass angesichts des Wortlaut des § 156 Abs. 1 S. 1 SGB III das Ruhen nicht erst ab dem Akt der Zuerkennung, sondern schon während der von der Zuerkennung betroffenen Zeiträume ruhen soll. Erfolge die Zuerkennung, wie häufig, rückwirkend, folge das Ruhen den zeitlichen Dimensionen der Zuerkennung (vgl. Urteil vom 12.11.2018, L 9 AL 298/15).

Die Versicherungspflicht nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI unterscheidet jedoch nicht nach Zeiträumen vor oder nach Bewilligung einer vorgezogenen Altersrente. Die Kriterien sind schlicht und einfach der Bezug des Arbeitslosengeldes sowie die Versicherungspflicht im letzten Jahr davor. Sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind, tritt Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung ein.

3.3. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung gibt sich auch nicht nach § 26 SGB IV. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts Nürnberg an und macht sie sich zu eigen. Wie das Sozialgericht Nürnberg ist auch der Senat der Überzeugung, dass sich die Rechtswidrigkeit der Beitragsentrichtung auf den Zeitpunkt der Entrichtung bezieht. Auch eine nachträglich rechtswidrig werdende Beitragsentrichtung stellt keine zu Unrecht entrichteten Beiträge dar (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.1995,12 RK 51/93).

3.4. Auch wenn die Klägerin richtigerweise darauf hinweist, dass die Begründung des Gesetzentwurfs lautet: "Für die Zukunft sollen Beschäftigte und Selbstständige, die nach den allgemeinen Vorschriften versicherungspflichtig sind, vor Erreichen der Regelaltersgrenze auch beim Bezug einer Vollrente versicherungspflichtig bleiben (BT-Drs. 18/9787 S. 23)" führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Weder aus § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI noch aus § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI ergibt sich eine Begrenzung der Versicherungspflicht auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit neben einer vorgezogenen Altersrente. Sicher ist der vom Gesetzgeber gedachte Hauptanwendungsfall eine Weiterbeschäftigung der Altersrentner, die noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben. Gleichwohl spielt auch immer wieder der Gedanke der Verbesserung der Alterssicherung in diesem Zusammenhang eine Rolle, sodass auch Beiträge aus dem Arbeitslosengeld zur Erhöhung der Rente führen müssen. Denn für diese sind, worauf auch die Beklagte hingewiesen hat, gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI i.V. m. § 76a Abs. 1 SGB VI Zuschläge an persönlichen Entgeltpunkten zu ermitteln. In diesem Zusammenhang kommt es ebenfalls nur auf die Zahlung der Beiträge an, aber nicht darauf, aus welchem Versicherungsverhältnis sie stammen.

3.5. Nachdem der Bezug des Arbeitslosengeldes die Versicherungspflicht ausgelöst hat und ein Sachverhalt, der zur Versicherungsfreiheit führt, nicht vorlag, war eine unterschiedliche Beurteilung der Zeiträume vor und nach Bewilligung der vorgezogenen Altersrente nicht vorzunehmen. Dass die Klägerin für diesen Zeitraum keine Beiträge entrichtet hat, ändert nichts an der Versicherungspflicht. Sogar die Klägerin selbst hält eine unterschiedliche Beurteilung der beiden Zeiträume für nicht gerechtfertigt. Die Versicherungspflicht führt zur Beitragszahlungspflicht der Klägerin gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI. Danach werden die Beiträge bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, von den Leistungsträgern getragen. Der Wortlaut der Vorschrift stellt ebenfalls - wie auch der § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI - auf den Bezug des Arbeitslosengeldes ab. Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, dass im Grunde nach § 156 Abs. 1 Nr. 4 SGB III das Arbeitslosengeld ruhen würde und sie nur wegen der Rechtsprechung des BSG dieses weiter entrichten würde. Denn allein der Bezug genügt, der zweifelsohne weiter stattfand, um die Versicherungs- und Beitragspflicht auszulösen. Sollte die Klägerin weiter an der Rechtsprechung des BSG vom 29.09.2001, B 11 AL 35/01 festhalten, wird sie auch in Zukunft Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten müssen, obwohl sie diese mit Durchsetzen des Ruhens im Sinne des § 156 SGB III abwenden könnte. Der 9. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts (a.a.O.) hat insoweit schon entscheiden, dass die Rechtsansicht des BSG im Urteil vom 20.09.2001 weder vom Wortlaut des § 156 SGB III getragen wird, noch mit den Vorschriften der Erstattung nach § 103 SGB X und der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X im Einklang steht.

3.6. Es ist auch der Einwand der Klägerin richtig, dass im Grundsatz ein Nebeneinander von vorgezogener Altersrente und Arbeitslosengeld nicht vorgesehen ist. Gleichwohl ist der Senat der Meinung, dass die Vorschriften des SGB VI zur Versicherungs- und Beitragspflicht aus dem Arbeitslosengeld eindeutig sind und eine Gesetzeslücke nicht ersichtlich ist. Dafür sprechen auch die bereits erwähnten §§ 66 und 76a SGB VI, die den Versicherten die Früchte der Beitragszahlung auch als Zuschlag zugutekommen lassen.

3.7. Auch in den beiden Einzelfällen der Fr. X und der Fr. D bestand Beitragspflicht für die Zeit ab dem 01.01.2017.

Für die Beigeladene zu 2) lag der Fall folgendermaßen:

Altersrente für besonders langjährig Versicherte

Rentenbeginn am                            01.02.2017

Laufender Rentenbezug                  01.10.2017

Antrag auf Rente am                       27.02.2017

Leistungsfall am                              22.10.2015

Arbeitslosengeldbezug                    01.02.2017 bis 30.09.2017

Erstattungsanspruch der BA           01.02.2017 bis 30.09.2017 (inkl. KV/PV-Beiträge).

Mit Geltendmachung des Erstattungsanspruchs bei der DRV am 06.09.2017 wird von der Klägerin angegeben, dass die Bewilligungsentscheidung (ohne Datumsangabe) gemäß § 48 SGB X aufgehoben wird.

Hier ist zunächst nicht zu erkennen, ob der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld gegenüber der Versicherten nach § 48 SGB X ab 01.02.2017 aufgehoben worden ist. Auf alle Fälle hätte die Aufhebung noch 48 SGB X gegenüber der Versicherten erfolgen müssen und von dieser dann auch die Rückforderung der erbrachten Leistung verlangt werden müssen. Aufgrund der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist davon auszugehen, dass die Klägerin gegenüber der Versicherten den Bescheid nicht aufhob, sondern nur den Erstattungsanspruch bei der Rentenversicherung geltend gemacht hatte. Darüber hinaus ist der Beklagten zuzustimmen, dass trotz des Leistungsfalls, also der Möglichkeit, den Anspruch bereits im Oktober 2015 zu erfüllen, die Voraussetzung der Rentenantragstellung fehlte. Der bloße Anspruch auf die Rente löst aber nicht das Ruhen des § 156 SGB III aus, sodass es auf die Zuerkennung ankommt, die im hier vorliegenden Fall erst im Februar 2017 erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch bereits keine Versicherungsfreiheit mehr für Bezieher von vorgezogenen Altersrenten. Daher wurden die Beiträge zurecht geltend gemacht.

Dem Fall der Beigeladenen zu 22) lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Altersrente für besonders langjährig Versicherte

Rentenbeginn am                            01.12.2016

Laufender Rentenbezug                  01.03.2017

Antrag auf Rente am                       29.11.2016

Leistungsfall am                              05.01.2015

Arbeitslosengeldbezug                    11.01.2017 bis 28.02.2017.

Auch in diesem Fall war das bezogene Arbeitslosengeld ab dem 11.01.2017 nicht versicherungsfrei, da trotz des Rentenbeginns noch im Dezember 2016, auch Arbeitslosengeld ab 01.01.2017 bezogen worden ist. Daher ist ab diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht eingetreten.

4. Säumniszuschläge sind nur für die Beiträge bzw. die zunächst verrechneten Beiträge bis zur Bekanntgabe des jeweiligen Rentenbescheids zu erheben.

Der Senat ist hier zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bereits entrichtete Beiträge nicht wieder zurückbuchen kann. Die Tatsache, dass zum 01.01.2017 eine Rechtsänderung eingetreten ist und nun auch Versicherungspflicht für den Bezug von Arbeitslosengeld bei vorgezogenen Altersrenten weiterbestehen kann, war auch der Klägerin bekannt. Darüber hinaus musste sie wissen, dass eine rückwirkende Änderung der Versicherungspflicht nicht dazu führt, dass es sich dann um zu Unrecht entrichtete Beiträge handelt. Daher ist in diesem Fall davon auszugehen, dass zumindest ein bedingter Vorsatz hinsichtlich dieses Zeitraums bestand und Säumniszuschläge auslöste.

Anders verhält es sich mit den Säumniszuschlägen für die Zeit, für die nach der Rechtsprechung des BSG - trotz des eigentlich eingetretenen Ruhens des Arbeitslosengeldes - Beiträge nicht gezahlt worden sind, hier liegt kein Fall der Säumnis vor. Insoweit spielen auch andere Gesichtspunkt eine Rolle. Denn hätte die Bundesagentur für Arbeit die Ruhensregelung des § 156 Abs. 1 SGB III angewandt, müsste sie definitiv keine Beiträge zur Rentenversicherung ab diesem Zeitraum entrichten. Nur weil sie das Ruhen nicht anwandte, darf ihr dies nicht auch noch negativ ausgelegt werden. Fraglos verfolgte die Klägerin eine andere Rechtsansicht, sie war der Meinung, dass das Arbeitslosengeld grundsätzlich nach Zuerkennung der Rente nicht mehr zu einer Beitragspflicht führt. Sie hätte jedoch zumindest für die bereits entrichteten Beiträge erkennen können, dass dies mit der geltenden Rechtslage nicht in Einklang steht (s.O.). Sie musste aber nicht erkennen, dass dies auch für Beiträge gilt, die noch nicht gezahlt wurden. Die Klägerin hat aus ihrer Sicht alles dafür getan, um einen Vertrauensschutz der Arbeitslosengeldbezieher auf die Versicherungspflicht nicht eintreten zu lassen. Diese wurden von der Klägerin darauf hingewiesen, dass das Arbeitslosengeld nun nur noch bis zum Beginn der Rentenzahlung geleistet werde und keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt werden. Trotz dieses Hinweises trat aber Versicherungs- und Beitragspflicht ein. Die Unkenntnis der Klägerin von der weiteren Zahlungspflicht ist für den Senat als unverschuldet anzusehen. Daher können die auf diesen Teil entfallenden Säumniszuschläge i.H. v. 1.185,50 € nicht gefordert werden. Insoweit war der Bescheid vom 09.10.2018 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung (§ 197a SGG) berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen von Klägerin und Beklagter. Dabei wird von einem Anteil des Unterliegens der Beklagten von 5 % ausgegangen.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

Der Streitwert wird nach § 52 Abs. 3 S. 1 GKG entsprechend der bezifferten Forderung festgesetzt.

 

Rechtskraft
Aus
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